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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch][in]s Meer an dem Britannischen Schlosse drey
mächtige Schifs-Flotten. Zu geschweigen:
daß der Kayser nach Uberwindung des Sextus
Pompejus vier und viertzig Legionen zusammen
bracht/ zu Lande ohne die viel höher sich erstre-
ckenden Hülfs-Völcker zeither siebendehalb
hundert tausend Römische Kriegs-Leute/ bey
Misen und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro-
then Meere und dem Phrat ansehnliche Schifs-
Flotten unterhalten/ und hiemit alle Länder in
einander feste verbunden hätte. Zweyhundert
neun und viertzig tausend Gallier wären unter
dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal
hundert tausend gewafnete Pannonier und
Dalmatier wider etliche Legionen Römer zu ih-
rem eignen Verderb aufgestanden/ jene aber ha-
be Julius/ diese Tiberius aufs Haupt erlegt und
zu Sclaven gemacht. Vergasilaus der Arver-
ner Hertzog wäre darüber gefangen/ König Ver-
eingentorich von seinen eignen Leuten in die
Hände der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge-
pränge geschlept und hernach getödtet/ Corbeus
der Bellovaker Fürst erschlagen/ Guturnath/
der seine Cornuter wider den Kayser angeführet/
zu Tode geprügelt/ und sein Kopf durchs Beil
abgeschlagen worden. Draxes habe sich aus
Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri-
us in Fesseln verschmachten/ Batto der Dalma-
tier Haupt und Uhrheber des Krieges sich auf
Gnade und Ungnade ins Tiberius Hände ge-
ben müssen/ und Pinetes lächsete noch in dem
Römischen Kercker. König Marbod/ ein Herr
der Marckmänner/ Sedusier/ Heruder/ Her-
mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo-
barden/ dessen Gebiete sich von der Elbe biß zur
Weichsel und der Ost-See erstreckete/ der achzig
tausend Mann stets auf den Beinen hielte/ ha-
be mit ihnen wider die Römer aufzustehen Be-
dencken gehabt/ und wer wüste/ was der schlaue
Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil für Ab-
kommen getroffen; nachdem die Römischen
Kriegs-Obersten gegen ihn verträuliche Nach-
[Spaltenumbruch] barschafft pflegten. Also schiene es rathsamer
zu seyn/ daß man noch eine Weile den Mantel
nach dem Winde hienge/ und nichts minder
Marbods Absehen/ als des Pannonischen Krie-
ges völligen Außgang vollends erwartete.
Denn es wäre mit Erlegung des Varus nicht
ausgemacht/ sondern die Römische Macht in so
langer Zeit so feste beraaset: daß sie ohne Zerber-
stung ihrer Widersacher nicht würde ausgerot-
tet/ und ohne Erdrückung ihrer Bestürmer
schwerlich zermalmet werden. So lange be-
raasete Reiche/ wie das Römische wäre/ würden
vergebens bestürmet; daher müste man sie ver-
altern und durch stete Ruhe/ wie die stehenden
Wasser/ faul werden lassen. Die öftere Be-
wegung befestigte nichts minder eine Herr-
schafft/ als die Bäume; hingegen könte man ein
Reich nicht ärger bekriegen/ als durch den Frie-
den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach
sein Wesen/ wie der Rost ungebrauchten Stahl
verzehrte. Jhm sey es zwar umb seine greise
Haare nicht so leid/ als er Sorge trüge umb den
Wolstand der Erbarmens- würdigen Nach-
welt. Sie aber solten sich aus anderer Bey-
spiele spiegeln/ und daraus lernen: daß es rath-
samer sey Gehorsam mit Sicherheit für der
Hartnäckigkeit mit seinem Verderben erkiesen.

Segesthes hätte noch länger geredet/ wenn
ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Bojischen
Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen wä-
re. Das Wasser gienge der Deutschen Frey-
heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt
und das Verhängnüs einen Weg die Römi-
schen Fessel von ihren Gliedern zu schleudern/
oder sie gar denen Römern anzulegen. Sin-
temal von undencklicher Zeit nicht so viel Für-
sten miteinander vereinbart/ die Römische
Macht aber so sehr/ als ietzt/ durch den Panno-
nischen Krieg nicht erschöpft gewest wäre.
Diesemnach könte er bey sich nicht befinden: daß
man die selten-umbkehrende Gelegenheit solte
aus den Händen lassen. Diese mit beyden

Hän-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch][in]s Meer an dem Britanniſchen Schloſſe drey
maͤchtige Schifs-Flotten. Zu geſchweigen:
daß der Kayſer nach Uberwindung des Sextus
Pompejus vier und viertzig Legionen zuſammen
bracht/ zu Lande ohne die viel hoͤher ſich erſtre-
ckenden Huͤlfs-Voͤlcker zeither ſiebendehalb
hundert tauſend Roͤmiſche Kriegs-Leute/ bey
Miſen und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro-
then Meere und dem Phrat anſehnliche Schifs-
Flotten unterhalten/ und hiemit alle Laͤnder in
einander feſte verbunden haͤtte. Zweyhundert
neun und viertzig tauſend Gallier waͤren unter
dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal
hundert tauſend gewafnete Pannonier und
Dalmatier wider etliche Legionen Roͤmer zu ih-
rem eignen Verderb aufgeſtanden/ jene aber ha-
be Julius/ dieſe Tiberius aufs Haupt erlegt und
zu Sclaven gemacht. Vergaſilaus der Arver-
ner Hertzog waͤre daruͤber gefangen/ Koͤnig Ver-
eingentorich von ſeinen eignen Leuten in die
Haͤnde der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge-
praͤnge geſchlept und hernach getoͤdtet/ Corbeus
der Bellovaker Fuͤrſt erſchlagen/ Guturnath/
der ſeine Cornuter wider den Kayſer angefuͤhret/
zu Tode gepruͤgelt/ und ſein Kopf durchs Beil
abgeſchlagen worden. Draxes habe ſich aus
Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri-
us in Feſſeln verſchmachten/ Batto der Dalma-
tier Haupt und Uhrheber des Krieges ſich auf
Gnade und Ungnade ins Tiberius Haͤnde ge-
ben muͤſſen/ und Pinetes laͤchſete noch in dem
Roͤmiſchen Kercker. Koͤnig Marbod/ ein Herr
der Marckmaͤnner/ Seduſier/ Heruder/ Her-
mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo-
barden/ deſſen Gebiete ſich von der Elbe biß zur
Weichſel und der Oſt-See erſtreckete/ der achzig
tauſend Mann ſtets auf den Beinen hielte/ ha-
be mit ihnen wider die Roͤmer aufzuſtehen Be-
dencken gehabt/ und wer wuͤſte/ was der ſchlaue
Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil fuͤr Ab-
kommen getroffen; nachdem die Roͤmiſchen
Kriegs-Oberſten gegen ihn vertraͤuliche Nach-
[Spaltenumbruch] barſchafft pflegten. Alſo ſchiene es rathſamer
zu ſeyn/ daß man noch eine Weile den Mantel
nach dem Winde hienge/ und nichts minder
Marbods Abſehen/ als des Pannoniſchen Krie-
ges voͤlligen Außgang vollends erwartete.
Denn es waͤre mit Erlegung des Varus nicht
ausgemacht/ ſondern die Roͤmiſche Macht in ſo
langer Zeit ſo feſte beraaſet: daß ſie ohne Zerber-
ſtung ihrer Widerſacher nicht wuͤrde ausgerot-
tet/ und ohne Erdruͤckung ihrer Beſtuͤrmer
ſchwerlich zermalmet werden. So lange be-
raaſete Reiche/ wie das Roͤmiſche waͤre/ wuͤrden
vergebens beſtuͤrmet; daher muͤſte man ſie ver-
alteꝛn und durch ſtete Ruhe/ wie die ſtehenden
Waſſer/ faul werden laſſen. Die oͤftere Be-
wegung befeſtigte nichts minder eine Herr-
ſchafft/ als die Baͤume; hingegen koͤnte man ein
Reich nicht aͤrger bekriegen/ als durch den Frie-
den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach
ſein Weſen/ wie der Roſt ungebrauchten Stahl
verzehrte. Jhm ſey es zwar umb ſeine greiſe
Haare nicht ſo leid/ als er Sorge truͤge umb den
Wolſtand der Erbarmens- wuͤrdigen Nach-
welt. Sie aber ſolten ſich aus anderer Bey-
ſpiele ſpiegeln/ und daraus lernen: daß es rath-
ſamer ſey Gehorſam mit Sicherheit fuͤr der
Hartnaͤckigkeit mit ſeinem Verderben erkieſen.

Segeſthes haͤtte noch laͤnger geredet/ wenn
ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Bojiſchen
Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen waͤ-
re. Das Waſſer gienge der Deutſchen Frey-
heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt
und das Verhaͤngnuͤs einen Weg die Roͤmi-
ſchen Feſſel von ihren Gliedern zu ſchleudern/
oder ſie gar denen Roͤmern anzulegen. Sin-
temal von undencklicher Zeit nicht ſo viel Fuͤr-
ſten miteinander vereinbart/ die Roͤmiſche
Macht aber ſo ſehr/ als ietzt/ durch den Panno-
niſchen Krieg nicht erſchoͤpft geweſt waͤre.
Dieſemnach koͤnte er bey ſich nicht befinden: daß
man die ſelten-umbkehrende Gelegenheit ſolte
aus den Haͤnden laſſen. Dieſe mit beyden

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/71>, abgerufen am 24.11.2024.