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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Hiaov ergrösserte/ als er daselbst aus seltzamer
Veränderung etlicher vielfärbichter Wolcken
ihm sein künfftig Glück wahrsagte. Von hier
nahm ich meinen Weg zu der Stadt Yecheu an
dem grossen Strome Mossale/ welche Stadt/
ehe sie Hiaouv eroberte/ unter den Königen des
Reiches Mung zu dem Volcke Kinchi mit den
vergüldeten Zähnen gehörte. Massen die Ein-
wohner noch jährlich einen zehn Meßruthen ho-
hen Stein bey Nangan über und über mit Gol-
de/ von dem viel Berge und Flüsse allhier ange-
füllet sind/ überdecken und anbeten. Allhier er-
fuhr ich/ daß König Huhansien mit seinem Heere
schon über die Flüsse Lanßang/ Lukiang/ und
Pinglang kommen/ und dem gegen Bactriana
mit seiner Heeres-Krafft stehenden Könige Pi-
rimal recht ins Hertze gegangen wäre; wie auch/
daß um den See Tache sich das bestimmte Scy-
thische Kriegs-Heer versammlete/ welches ich
führen solte. Westhalben denn auch der Se-
rische Unter-König nicht so wol aus Liebe gegen
den Scythen/ und des neuen Verbindnißes/
als ihre zwey geschworne Feinde die Scythen
und Jndianer zu ihrem Vortheil an einander
zu hetzen/ und also aus ihrer Abschwächung sich
zu verstärcken/ uns den Durchzug durch ihr
Gebiete willig erlaubten/ mir zu Ubersetzung
der Flüsse und Unterhaltung des Kriegsheers/
Schiffe/ Reiß/ Waffen und Geld anboten.
Sintemahl keine verschmitztere Kriegs-List ist/
als durch unsern Vorschub den Feind von un-
sern Gräntzen abhalten/ und durch fremde
Schwerdter ihm die Gurgel abschneiden; Da-
her die Spartaner in solchem Falle dem Kriegs-
Gotte einen Ochsen/ wenn sie aber dem Feinde
eine Schlacht abgewonnen/ nur einen Hahn zu
opffern pflegten. Mit diesem mir dienlichen
Vorschube/ und einer ziemlichen Anzahl des
freywilligen Adels aus Jnunan/ welche unter
den Scythischen Fahnen wider die Jndianer
ihr Heil versuchen/ oder vielmehr jener Kriegs-
Art begreiffen wolten/ kam ich zu der vom Kö-
[Spaltenumbruch] nige des Reichs Mung Nanchao erbauten
Stadt Jnseng/ und über die darbey aus lau-
ter eisernen Ketten zusammen geheffteten Brü-
cke/ 140. Mäß-Ruthen lang/ biß zu der
vom Könige Sinulo gebauten Stadt Mun-
gre/ welcher Gegend und Lufft von dem über-
flüßigen Bisame gleichsam eingebalsamt/ und
von denen zwey Bergen Fughoang/ auff dem
jährlich viel tausend Vögel ihren daselbst ge-
storbenen Fenix zu beklagen sich versammlen
sollen/ und von dem Felsen Tienul/ der wegen
seines überaus zarten Widerschalls das Ohr des
Himmels genennet wird/ in der Welt berühmt
ist. Bey der Haupt-Stadt des Hertzogthums
Yecheu/ welche Hiaouv nach diesem erober-
ten Jndien daselbst/ wo der Fluß Putoa in
den See Siul fleust/ in Grund legte/ begegnete
mir Ulassa ein Scythischer Feld-Oberster/ mit
Bericht/ daß das Scythische Kriegs-Heer auff
etlich tausend von den Serern hergegebenen
Schiffen den Strom Lukiang herunter käme/
und bey der in währendem Scythen-Kriege
von den Serern abgefallenen Stadt Jung-
chang auszusteigen gedächten. Jch fuhr also
den Fluß He schleunig herunter in den Strom
Lanßang/ und traff endlich das gantze Heer in
bester Verfassung unter dem Gebürge Ganlo
an/ auff welchem zwey starcke Qvelle aus einem
zweyen Nasenlöchern gleich gebildeten Felsen
entspringen. Jch machte alsobald Anstalt die
grosse und feste Stadt Junchang/ welche für Zei-
ten zu dem mächtigen Königreiche Gailao ge-
höret/ und Pugnei geheissen/ zu beschlüssen/ und
an dem Flusse Lukiang durch eine Schiffbrücke
zu verhindern/ daß ihr aus selbtem über den
daranstossenden See Cinghoa keine Hülffe zu-
käme. Weil aber diese Gräntz-Stadt starck
besetzt/ die von den nunmehr mit den Scythen
verglichenen Serern abgefallene Bürgerschaft
wegen besorglicher schweren Strafe gantz ver-
zweiffelt war/ sonderlich/ da sie so viel Serer in
dem Scythischen Lager warnahmen; ließ die

Belä-

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Hiaov ergroͤſſerte/ als er daſelbſt aus ſeltzamer
Veraͤnderung etlicher vielfaͤrbichter Wolcken
ihm ſein kuͤnfftig Gluͤck wahrſagte. Von hier
nahm ich meinen Weg zu der Stadt Yecheu an
dem groſſen Strome Moſſale/ welche Stadt/
ehe ſie Hiaouv eroberte/ unter den Koͤnigen des
Reiches Mung zu dem Volcke Kinchi mit den
verguͤldeten Zaͤhnen gehoͤrte. Maſſen die Ein-
wohner noch jaͤhrlich einen zehn Meßruthen ho-
hen Stein bey Nangan uͤber und uͤber mit Gol-
de/ von dem viel Berge und Fluͤſſe allhier ange-
fuͤllet ſind/ uͤberdecken und anbeten. Allhier er-
fuhr ich/ daß Koͤnig Huhanſien mit ſeinem Heere
ſchon uͤber die Fluͤſſe Lanßang/ Lukiang/ und
Pinglang kommen/ und dem gegen Bactriana
mit ſeiner Heeres-Krafft ſtehenden Koͤnige Pi-
rimal recht ins Hertze gegangen waͤre; wie auch/
daß um den See Tache ſich das beſtimmte Scy-
thiſche Kriegs-Heer verſammlete/ welches ich
fuͤhren ſolte. Weſthalben denn auch der Se-
riſche Unter-Koͤnig nicht ſo wol aus Liebe gegen
den Scythen/ und des neuen Verbindnißes/
als ihre zwey geſchworne Feinde die Scythen
und Jndianer zu ihrem Vortheil an einander
zu hetzen/ und alſo aus ihrer Abſchwaͤchung ſich
zu verſtaͤrcken/ uns den Durchzug durch ihr
Gebiete willig erlaubten/ mir zu Uberſetzung
der Fluͤſſe und Unterhaltung des Kriegsheers/
Schiffe/ Reiß/ Waffen und Geld anboten.
Sintemahl keine verſchmitztere Kriegs-Liſt iſt/
als durch unſern Vorſchub den Feind von un-
ſern Graͤntzen abhalten/ und durch fremde
Schwerdter ihm die Gurgel abſchneiden; Da-
her die Spartaner in ſolchem Falle dem Kriegs-
Gotte einen Ochſen/ wenn ſie aber dem Feinde
eine Schlacht abgewonnen/ nur einen Hahn zu
opffern pflegten. Mit dieſem mir dienlichen
Vorſchube/ und einer ziemlichen Anzahl des
freywilligen Adels aus Jnunan/ welche unter
den Scythiſchen Fahnen wider die Jndianer
ihr Heil verſuchen/ oder vielmehr jener Kriegs-
Art begreiffen wolten/ kam ich zu der vom Koͤ-
[Spaltenumbruch] nige des Reichs Mung Nanchao erbauten
Stadt Jnſeng/ und uͤber die darbey aus lau-
ter eiſernen Ketten zuſammen geheffteten Bruͤ-
cke/ 140. Maͤß-Ruthen lang/ biß zu der
vom Koͤnige Sinulo gebauten Stadt Mun-
gre/ welcher Gegend und Lufft von dem uͤber-
fluͤßigen Biſame gleichſam eingebalſamt/ und
von denen zwey Bergen Fughoang/ auff dem
jaͤhrlich viel tauſend Voͤgel ihren daſelbſt ge-
ſtorbenen Fenix zu beklagen ſich verſammlen
ſollen/ und von dem Felſen Tienul/ der wegen
ſeines uͤberaus zarten Widerſchalls das Ohr des
Himmels genennet wird/ in der Welt beruͤhmt
iſt. Bey der Haupt-Stadt des Hertzogthums
Yecheu/ welche Hiaouv nach dieſem erober-
ten Jndien daſelbſt/ wo der Fluß Putoa in
den See Siul fleuſt/ in Grund legte/ begegnete
mir Ulaſſa ein Scythiſcher Feld-Oberſter/ mit
Bericht/ daß das Scythiſche Kriegs-Heer auff
etlich tauſend von den Serern hergegebenen
Schiffen den Strom Lukiang herunter kaͤme/
und bey der in waͤhrendem Scythen-Kriege
von den Serern abgefallenen Stadt Jung-
chang auszuſteigen gedaͤchten. Jch fuhr alſo
den Fluß He ſchleunig herunter in den Strom
Lanßang/ und traff endlich das gantze Heer in
beſter Verfaſſung unter dem Gebuͤrge Ganlo
an/ auff welchem zwey ſtarcke Qvelle aus einem
zweyen Naſenloͤchern gleich gebildeten Felſen
entſpringen. Jch machte alſobald Anſtalt die
groſſe und feſte Stadt Junchang/ welche fuͤr Zei-
ten zu dem maͤchtigen Koͤnigreiche Gailao ge-
hoͤret/ und Pugnei geheiſſen/ zu beſchluͤſſen/ und
an dem Fluſſe Lukiang durch eine Schiffbruͤcke
zu verhindern/ daß ihr aus ſelbtem uͤber den
daranſtoſſenden See Cinghoa keine Huͤlffe zu-
kaͤme. Weil aber dieſe Graͤntz-Stadt ſtarck
beſetzt/ die von den nunmehr mit den Scythen
verglichenen Serern abgefallene Buͤrgerſchaft
wegen beſorglicher ſchweren Strafe gantz ver-
zweiffelt war/ ſonderlich/ da ſie ſo viel Serer in
dem Scythiſchen Lager warnahmen; ließ die

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[646/0702] Fuͤnfftes Buch Hiaov ergroͤſſerte/ als er daſelbſt aus ſeltzamer Veraͤnderung etlicher vielfaͤrbichter Wolcken ihm ſein kuͤnfftig Gluͤck wahrſagte. Von hier nahm ich meinen Weg zu der Stadt Yecheu an dem groſſen Strome Moſſale/ welche Stadt/ ehe ſie Hiaouv eroberte/ unter den Koͤnigen des Reiches Mung zu dem Volcke Kinchi mit den verguͤldeten Zaͤhnen gehoͤrte. Maſſen die Ein- wohner noch jaͤhrlich einen zehn Meßruthen ho- hen Stein bey Nangan uͤber und uͤber mit Gol- de/ von dem viel Berge und Fluͤſſe allhier ange- fuͤllet ſind/ uͤberdecken und anbeten. Allhier er- fuhr ich/ daß Koͤnig Huhanſien mit ſeinem Heere ſchon uͤber die Fluͤſſe Lanßang/ Lukiang/ und Pinglang kommen/ und dem gegen Bactriana mit ſeiner Heeres-Krafft ſtehenden Koͤnige Pi- rimal recht ins Hertze gegangen waͤre; wie auch/ daß um den See Tache ſich das beſtimmte Scy- thiſche Kriegs-Heer verſammlete/ welches ich fuͤhren ſolte. Weſthalben denn auch der Se- riſche Unter-Koͤnig nicht ſo wol aus Liebe gegen den Scythen/ und des neuen Verbindnißes/ als ihre zwey geſchworne Feinde die Scythen und Jndianer zu ihrem Vortheil an einander zu hetzen/ und alſo aus ihrer Abſchwaͤchung ſich zu verſtaͤrcken/ uns den Durchzug durch ihr Gebiete willig erlaubten/ mir zu Uberſetzung der Fluͤſſe und Unterhaltung des Kriegsheers/ Schiffe/ Reiß/ Waffen und Geld anboten. Sintemahl keine verſchmitztere Kriegs-Liſt iſt/ als durch unſern Vorſchub den Feind von un- ſern Graͤntzen abhalten/ und durch fremde Schwerdter ihm die Gurgel abſchneiden; Da- her die Spartaner in ſolchem Falle dem Kriegs- Gotte einen Ochſen/ wenn ſie aber dem Feinde eine Schlacht abgewonnen/ nur einen Hahn zu opffern pflegten. Mit dieſem mir dienlichen Vorſchube/ und einer ziemlichen Anzahl des freywilligen Adels aus Jnunan/ welche unter den Scythiſchen Fahnen wider die Jndianer ihr Heil verſuchen/ oder vielmehr jener Kriegs- Art begreiffen wolten/ kam ich zu der vom Koͤ- nige des Reichs Mung Nanchao erbauten Stadt Jnſeng/ und uͤber die darbey aus lau- ter eiſernen Ketten zuſammen geheffteten Bruͤ- cke/ 140. Maͤß-Ruthen lang/ biß zu der vom Koͤnige Sinulo gebauten Stadt Mun- gre/ welcher Gegend und Lufft von dem uͤber- fluͤßigen Biſame gleichſam eingebalſamt/ und von denen zwey Bergen Fughoang/ auff dem jaͤhrlich viel tauſend Voͤgel ihren daſelbſt ge- ſtorbenen Fenix zu beklagen ſich verſammlen ſollen/ und von dem Felſen Tienul/ der wegen ſeines uͤberaus zarten Widerſchalls das Ohr des Himmels genennet wird/ in der Welt beruͤhmt iſt. Bey der Haupt-Stadt des Hertzogthums Yecheu/ welche Hiaouv nach dieſem erober- ten Jndien daſelbſt/ wo der Fluß Putoa in den See Siul fleuſt/ in Grund legte/ begegnete mir Ulaſſa ein Scythiſcher Feld-Oberſter/ mit Bericht/ daß das Scythiſche Kriegs-Heer auff etlich tauſend von den Serern hergegebenen Schiffen den Strom Lukiang herunter kaͤme/ und bey der in waͤhrendem Scythen-Kriege von den Serern abgefallenen Stadt Jung- chang auszuſteigen gedaͤchten. Jch fuhr alſo den Fluß He ſchleunig herunter in den Strom Lanßang/ und traff endlich das gantze Heer in beſter Verfaſſung unter dem Gebuͤrge Ganlo an/ auff welchem zwey ſtarcke Qvelle aus einem zweyen Naſenloͤchern gleich gebildeten Felſen entſpringen. Jch machte alſobald Anſtalt die groſſe und feſte Stadt Junchang/ welche fuͤr Zei- ten zu dem maͤchtigen Koͤnigreiche Gailao ge- hoͤret/ und Pugnei geheiſſen/ zu beſchluͤſſen/ und an dem Fluſſe Lukiang durch eine Schiffbruͤcke zu verhindern/ daß ihr aus ſelbtem uͤber den daranſtoſſenden See Cinghoa keine Huͤlffe zu- kaͤme. Weil aber dieſe Graͤntz-Stadt ſtarck beſetzt/ die von den nunmehr mit den Scythen verglichenen Serern abgefallene Buͤrgerſchaft wegen beſorglicher ſchweren Strafe gantz ver- zweiffelt war/ ſonderlich/ da ſie ſo viel Serer in dem Scythiſchen Lager warnahmen; ließ die Belaͤ-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/702>, abgerufen am 22.11.2024.