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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] eckichten blauen Steinen belegt war/ in das kö-
nigliche Schloß/ in das 12. eiserne Pforten gehen/
getragen. Das Schloß ist rings um mit einer
starcken marmelnen Mauer beschlossen/ und an
ieder eusersten Ecke ein Lustgarten. Bey ieder
Pforte standen drey Elefanten/ und in dem er-
sten Vorhoffe die Leibwache zu Pferde. Jn dem
andern Hoffe/ in dem man über einen schnellen
Strom auf einer herrlichen Brücke und durch
eine noch stärckere Mauer kommet/ stand die
Leibwache zu Fusse/ und an einer Alabasternen
Säule hiengen drey güldene Drachen/ als das
königliche Wapen/ welchem sonst alle Gesand-
ten so grosse Ehrerbietung als dem Könige selbst
erzeigen müssen. Derogleichen mir aber nicht
zugemuthet ward. Der dritte Platz/ bey wel-
chem mich zwey Reichs-Räthe bewillkommten/
bildete einen vollkommenen Schauplatz zwi-
schen denen um und um von Golde schimmern-
den Gebäuen ab; der Bodem war mit weiß und
rothem Marmel gepflastert/ und iede Reye mit
einer Ziffer bezeichnet/ weil allhier die Botschaf-
ten bey der Verhör ihren Sitz haben/ und nach
ihrer Würde weiter oder näher gegen dem köni-
glichen Stule gestellet werden; wiewol keiner
des Königs Antlitz zu schauen gewürdigt wird.
Jch aber ward selbst unter den mit eitel Persi-
schen Tapezereyen bedeckten/ und um und um
offenen Lust-Saal geführet/ wo der junge König
Ching saß/ ein überaus schöner Knabe auf einem
von eitel Diamanten sich schütternden Stuhle/
an dem die Lehnen zwey Drachen-Köpffe/ mit
Rubinen versetzt waren. Drey Staffeln tief-
fer standen zwölf Reichs-Räthe in blau-samm-
tenen Röcken mit güldenen Drachen und
Schlangen gestickt/ wie steinerne Bilder gantz
unbeweglich. Auf der zwey obersten Reichs-
Räthe Brust war auff dem Kleide der Vogel
Fam gestückt/ der König aller Serischen Vo-
gel/ dessen Haupt zum Theil einem Pfauen-
zum Theil einem Drachen-Kopfe/ der Schwantz
eines Hahnes gleichet; die Flügel sind von fünff
[Spaltenumbruch] der schönsten Farben vermischt. Er ist bey ih-
nen nicht nur ein Fürbild der fürnehmsten Tu-
genden/ sondern auch/ wenn selbter sich versteckt/
ein Zeichen eines bevorstehenden Unglücks.
Welche Freudentracht in der gantzen Königli-
chen Burg mich bey Andencken des für so weni-
ger Zeit verstorbenen Königs Juen anfangs be-
fremdete; biß ich erfuhr/ daß der nicht allein den
Todt verwürckte/ der in Trauer-Kleidern in
die Burg erschiene/ sondern auch der König
trauerte um keinen Menschen/ gleich als wenn
diese Schwachheit keinem Fürsten anständig/
oder ein König mehr als ein Mensch über ge-
meine Empfindligkeiten erhoben wäre. Nichts
minder legte auch das Volck nach des neuen Kö-
nigs Krönung die Klage weg/ die Jahr-Rech-
nung würde so wol als der alte Nahme des neuen
Königes verändert/ eine neue Art Müntze ge-
schlagen/ gleich als wenn nicht so wol ein neuer
Herrscher auf den Stul/ als ein neues Reich auf
die Beine käme. Eben diese Gewohnheit ha-
be ich hernach bey denen Jndianern wahrge-
nommen/ da niemand in ihrer blauen Trauer-
Tracht für dem Könige erscheinen/ ja den Tod
nicht einst nennen darf. Mir war dem Könige
recht gegen über ein von Rubinen gläntzender
Stuhl/ an welchem die Lehnen Wieder-Köpf-
fe waren/ (denn roth ist der Scythen Königs-
Farbe/ die Wieder ihr Wapen) gesetzt/ zwey
Staffeln hoch/ und also saß ich nur um eine nie-
driger als der König/ der bey meiner Ankunfft
von dem Stuhle aufstand/ biß ich auch zum si-
tzen kam. Nach dem ich meine Botschafft/
welche an Glückwünschung zum Reich/ und
dem Frieden/ wie auch an Versicherung auff-
richtiger Freundschafft des Scythischen Kö-
nigs bestand/ abgelegt/ antwortete mir der Kö-
nig mit einer wunder-würdigen Freymüthig-
keit; erkundigte sich um den Zustand Huhan-
siens/ und versicherte mich/ daß wie er den ge-
schlossenen Frieden aus Liebe seines Volckes/ un-
geachtet seines grossen Verlustes/ genehm hätte/

und

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] eckichten blauen Steinen belegt war/ in das koͤ-
nigliche Schloß/ in das 12. eiſerne Pforten gehen/
getragen. Das Schloß iſt rings um mit einer
ſtarcken marmelnen Mauer beſchloſſen/ und an
ieder euſerſten Ecke ein Luſtgarten. Bey ieder
Pforte ſtanden drey Elefanten/ und in dem er-
ſten Vorhoffe die Leibwache zu Pferde. Jn dem
andern Hoffe/ in dem man uͤber einen ſchnellen
Strom auf einer herrlichen Bruͤcke und durch
eine noch ſtaͤrckere Mauer kommet/ ſtand die
Leibwache zu Fuſſe/ und an einer Alabaſternen
Saͤule hiengen drey guͤldene Drachen/ als das
koͤnigliche Wapen/ welchem ſonſt alle Geſand-
ten ſo groſſe Ehrerbietung als dem Koͤnige ſelbſt
erzeigen muͤſſen. Derogleichen mir aber nicht
zugemuthet ward. Der dritte Platz/ bey wel-
chem mich zwey Reichs-Raͤthe bewillkommten/
bildete einen vollkommenen Schauplatz zwi-
ſchen denen um und um von Golde ſchimmern-
den Gebaͤuen ab; der Bodem war mit weiß und
rothem Marmel gepflaſtert/ und iede Reye mit
einer Ziffer bezeichnet/ weil allhier die Botſchaf-
ten bey der Verhoͤr ihren Sitz haben/ und nach
ihrer Wuͤrde weiter oder naͤher gegen dem koͤni-
glichen Stule geſtellet werden; wiewol keiner
des Koͤnigs Antlitz zu ſchauen gewuͤrdigt wird.
Jch aber ward ſelbſt unter den mit eitel Perſi-
ſchen Tapezereyen bedeckten/ und um und um
offenen Luſt-Saal gefuͤhret/ wo der junge Koͤnig
Ching ſaß/ ein uͤberaus ſchoͤner Knabe auf einem
von eitel Diamanten ſich ſchuͤtternden Stuhle/
an dem die Lehnen zwey Drachen-Koͤpffe/ mit
Rubinen verſetzt waren. Drey Staffeln tief-
fer ſtanden zwoͤlf Reichs-Raͤthe in blau-ſamm-
tenen Roͤcken mit guͤldenen Drachen und
Schlangen geſtickt/ wie ſteinerne Bilder gantz
unbeweglich. Auf der zwey oberſten Reichs-
Raͤthe Bruſt war auff dem Kleide der Vogel
Fam geſtuͤckt/ der Koͤnig aller Seriſchen Vo-
gel/ deſſen Haupt zum Theil einem Pfauen-
zum Theil einem Drachen-Kopfe/ deꝛ Schwantz
eines Hahnes gleichet; die Fluͤgel ſind von fuͤnff
[Spaltenumbruch] der ſchoͤnſten Farben vermiſcht. Er iſt bey ih-
nen nicht nur ein Fuͤrbild der fuͤrnehmſten Tu-
genden/ ſondern auch/ wenn ſelbter ſich verſteckt/
ein Zeichen eines bevorſtehenden Ungluͤcks.
Welche Freudentracht in der gantzen Koͤnigli-
chen Burg mich bey Andencken des fuͤr ſo weni-
ger Zeit verſtorbenen Koͤnigs Juen anfangs be-
fremdete; biß ich erfuhr/ daß der nicht allein den
Todt verwuͤrckte/ der in Trauer-Kleidern in
die Burg erſchiene/ ſondern auch der Koͤnig
trauerte um keinen Menſchen/ gleich als wenn
dieſe Schwachheit keinem Fuͤrſten anſtaͤndig/
oder ein Koͤnig mehr als ein Menſch uͤber ge-
meine Empfindligkeiten erhoben waͤre. Nichts
minder legte auch das Volck nach des neuen Koͤ-
nigs Kroͤnung die Klage weg/ die Jahr-Rech-
nung wuͤrde ſo wol als der alte Nahme des neuen
Koͤniges veraͤndert/ eine neue Art Muͤntze ge-
ſchlagen/ gleich als wenn nicht ſo wol ein neuer
Herrſcher auf den Stul/ als ein neues Reich auf
die Beine kaͤme. Eben dieſe Gewohnheit ha-
be ich hernach bey denen Jndianern wahrge-
nommen/ da niemand in ihrer blauen Trauer-
Tracht fuͤr dem Koͤnige erſcheinen/ ja den Tod
nicht einſt nennen darf. Mir war dem Koͤnige
recht gegen uͤber ein von Rubinen glaͤntzender
Stuhl/ an welchem die Lehnen Wieder-Koͤpf-
fe waren/ (denn roth iſt der Scythen Koͤnigs-
Farbe/ die Wieder ihr Wapen) geſetzt/ zwey
Staffeln hoch/ und alſo ſaß ich nur um eine nie-
driger als der Koͤnig/ der bey meiner Ankunfft
von dem Stuhle aufſtand/ biß ich auch zum ſi-
tzen kam. Nach dem ich meine Botſchafft/
welche an Gluͤckwuͤnſchung zum Reich/ und
dem Frieden/ wie auch an Verſicherung auff-
richtiger Freundſchafft des Scythiſchen Koͤ-
nigs beſtand/ abgelegt/ antwortete mir der Koͤ-
nig mit einer wunder-wuͤrdigen Freymuͤthig-
keit; erkundigte ſich um den Zuſtand Huhan-
ſiens/ und verſicherte mich/ daß wie er den ge-
ſchloſſenen Frieden aus Liebe ſeines Volckes/ un-
geachtet ſeines groſſen Verluſtes/ genehm haͤtte/

und
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/696>, abgerufen am 22.11.2024.