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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]
Die Berge speyen Pech und Schwefel übers Land/
Auch Wein brach einst herfür/ wo man ließ Steine hauen:
Hier aber ist im Meer' ein süsses Qvell zu schauen/
Und Wasser spritzt aus Ertzt/ das Fluth nicht hegt/ nur Brand.
Auch diß ist's Xins Werck. Ein frommer Fürst/ wie er/
Weiß nicht nur bitter Saltz in Zucker zu verkehren/
Er macht Artzney aus Gifft/ mey't ab vom Unkraut' Aehren/
Bringt aus den Steinen Brod/ aus Ertzte Wasser her/
Kehrt unver sehrlich Gold in flüssendes Geträncke.
Ja Xius giebt fast mehr als die Natur Geschencke.

Als ich mich an diesem Wunder-Colossen fast
müde gesehen/ fuhren wir recht aus dem grossen
Munde des Flusses Kiang gegen das grosse
Ost-Meer/ endlich aber lieffen wir Sudwärts
in eine gegrabene Wasser-Farth/ und bey
Changxo in den Fluß Leuein/ welcher uns in die
von dreyen süssen Strömen ohne die in den Fluß
Kiang gegrabene Farth gleich als mit einem lu-
stigen See gantz umgebene Hauptstadt Sucheu
leitete; von welcher das Sprichwort ist: Was
der Himmel ist oben/ ist Sucheu auf Erden. Die
Ringmauer hält wol fünf/ die Vorstadt aber sie-
ben deutsche Meilweges/ ihr Reichthum die
Menge der Schiffe und die von vielerley Völ-
ckern hier ausgeladene Wahren sind unbe-
schreiblich/ gegen Ukiang hat sie eine Brücke mit
300. steinernen Bogen. Nach ihrer Beschauung
fuhren wir über den grossen See Tai/ und einen
daraus geführten Graben biß in den Fluß
Kiang/ welcher daselbst zwischen zwey Himmel-
hohen Bergen/ die man auch deßhalden des
Himmels-Thor heist/ sich durchreist. Wir schif-
ten zwischen der aus einem einigen Felsen beste-
henden Jnsel/ und der schönen Stadt Tanyang
durch/ und kamen endlich bey dem Königlichen
Haupt-Sitze Moling an/ da eines der Königli-
chen Schiffe/ welches über und über vergüldet/
und mit Drachen aus zusammen gesetzten Per-
len und Edelsteinen gezieret war/ aus dem Flus-
se Kiang durch einen Arm in die Stadt führte/
und in einem herrlichen Schlosse abladete. Die-
se Stadt kan man wegen ihrer Grösse/ da nehm-
lich das königliche Schloß fast eine die innere
Stadt sechs/ die euserste 20. deutsche Meilen
[Spaltenumbruch] begreifft/ ein Land/ wegen ihrer vielen Einwoh-
ner einen Ameiß-Hauffen/ wegen ihrer prächti-
gen Gebäue ein Wunder der Welt/ wegen ge-
sunder Lufft/ anmuthiger Gärte/ Seen und fast
auf allen Gassen hinrauschender aus dem Flus-
se Kiang geleiteter und mit viel tausend marmel-
nen Brücken belegter Ströme/ einen Lustgar-
ten; wegen Reichthums/ einen Begrieff des
Erdbodems/ wegen Höfligkeit und gelehrter
Leute die hohe Schule der Weltweisen/ und mit
einem Worte mit besserm Rechte/ als die Stadt
Rom sich rühmet/ ein Haupt der Welt/ und eine
Königin aller Städte nennen. Alle diese Herr-
ligkeiten von oben zu beschauen stehet darinnen
ein nichts minder wunder-würdiger überaus ho-
her Thurm/ auswendig von den edelsten grün-
roth und gelben Porcellanen so künstlich zusam-
men gesetzt/ daß er aus einem Stücke gebacken
zu seyn scheinet. Er hat neun zierliche mit grü-
nen Dächern überwölbte Umgange; an derer
vielen Ecken eine grosse Anzahl silberner Glöck-
lein hangt/ die vom Winde beweget ein über aus
liebliches Gethöne machen. Auf der Spitze ste-
het ein grosser Granat-Apffel aus gediegenem
Golde. Dieses Wunder soll gleicher gestalt ein
Werck des grossen Königs Xius seyn/ und un-
ten bey dem Eingange stehet über dem Porphy-
renen Thür gerüste/ in welchem das Thor aus
dem auf der Serischen Jnsel Aynan wachsen-
den theueren Adler- oder Rosen-Holtze gemacht
ist/ in einer Agat-Taffel eingegraben:

Egypten bücke dich und deine spitz'gen Thürme/
Du hast nur schlechten Stein/ ich Gold und Porcellan.
Doch/ weil sie nur geweiht für Leichen/ Stanck und Würme/
Sieht man sie gegen mir für Gräber billich an.
Nun aber Moling ist ein Himmel auf der Erden/
Ein Garten dieses Reich's/ der Welt ihr Aug' und Zier/
Das Klemod Asiens/ muß ich genennet werden/
Sein Stern/ sein Zederbaum/ sein Apffel/ sein Saphir.

Den dritten Tag/ als man uns zwischen die für-
nehmsten Seltzamkeiten der Stadt gewiesen/
ward ich auf einer goldgestückten Senffte/ welche
12. edle Serer trugen/ über eine lange und breite
Strasse/ welche wie fast alle andere mit vier-

eckich-
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]
Die Berge ſpeyen Pech und Schwefel uͤbers Land/
Auch Wein brach einſt herfuͤr/ wo man ließ Steine hauen:
Hier aber iſt im Meer’ ein ſuͤſſes Qvell zu ſchauen/
Und Waſſer ſpritzt aus Ertzt/ das Fluth nicht hegt/ nur Brand.
Auch diß iſt’s Xins Werck. Ein frommer Fuͤrſt/ wie er/
Weiß nicht nur bitter Saltz in Zucker zu verkehren/
Er macht Artzney aus Gifft/ mey’t ab vom Unkraut’ Aehren/
Bringt aus den Steinen Brod/ aus Ertzte Waſſer her/
Kehrt unver ſehrlich Gold in fluͤſſendes Getraͤncke.
Ja Xius giebt faſt mehr als die Natur Geſchencke.

Als ich mich an dieſem Wunder-Coloſſen faſt
muͤde geſehen/ fuhren wir recht aus dem groſſen
Munde des Fluſſes Kiang gegen das groſſe
Oſt-Meer/ endlich aber lieffen wir Sudwaͤrts
in eine gegrabene Waſſer-Farth/ und bey
Changxo in den Fluß Leuein/ welcher uns in die
von dreyen ſuͤſſen Stroͤmen ohne die in den Fluß
Kiang gegrabene Farth gleich als mit einem lu-
ſtigen See gantz umgebene Hauptſtadt Sucheu
leitete; von welcher das Sprichwort iſt: Was
der Himmel iſt oben/ iſt Sucheu auf Erden. Die
Ringmauer haͤlt wol fuͤnf/ die Vorſtadt aber ſie-
ben deutſche Meilweges/ ihr Reichthum die
Menge der Schiffe und die von vielerley Voͤl-
ckern hier ausgeladene Wahren ſind unbe-
ſchreiblich/ gegen Ukiang hat ſie eine Bruͤcke mit
300. ſteinernen Bogen. Nach ihrer Beſchauung
fuhren wir uͤber den groſſen See Tai/ und einen
daraus gefuͤhrten Graben biß in den Fluß
Kiang/ welcher daſelbſt zwiſchen zwey Himmel-
hohen Bergen/ die man auch deßhalden des
Himmels-Thor heiſt/ ſich durchreiſt. Wir ſchif-
ten zwiſchen der aus einem einigen Felſen beſte-
henden Jnſel/ und der ſchoͤnen Stadt Tanyang
durch/ und kamen endlich bey dem Koͤniglichen
Haupt-Sitze Moling an/ da eines der Koͤnigli-
chen Schiffe/ welches uͤber und uͤber verguͤldet/
und mit Drachen aus zuſammen geſetzten Per-
len und Edelſteinen gezieret war/ aus dem Fluſ-
ſe Kiang durch einen Arm in die Stadt fuͤhrte/
und in einem herrlichen Schloſſe abladete. Die-
ſe Stadt kan man wegen ihrer Groͤſſe/ da nehm-
lich das koͤnigliche Schloß faſt eine die innere
Stadt ſechs/ die euſerſte 20. deutſche Meilen
[Spaltenumbruch] begreifft/ ein Land/ wegen ihrer vielen Einwoh-
ner einen Ameiß-Hauffen/ wegen ihrer praͤchti-
gen Gebaͤue ein Wunder der Welt/ wegen ge-
ſunder Lufft/ anmuthiger Gaͤrte/ Seen und faſt
auf allen Gaſſen hinrauſchender aus dem Fluſ-
ſe Kiang geleiteter und mit viel tauſend marmel-
nen Bruͤcken belegter Stroͤme/ einen Luſtgar-
ten; wegen Reichthums/ einen Begrieff des
Erdbodems/ wegen Hoͤfligkeit und gelehrter
Leute die hohe Schule der Weltweiſen/ und mit
einem Worte mit beſſerm Rechte/ als die Stadt
Rom ſich ruͤhmet/ ein Haupt der Welt/ und eine
Koͤnigin aller Staͤdte nennen. Alle dieſe Herr-
ligkeiten von oben zu beſchauen ſtehet darinnen
ein nichts mindeꝛ wunder-wuͤrdiger uͤberaus ho-
her Thurm/ auswendig von den edelſten gruͤn-
roth und gelben Porcellanen ſo kuͤnſtlich zuſam-
men geſetzt/ daß er aus einem Stuͤcke gebacken
zu ſeyn ſcheinet. Er hat neun zierliche mit gruͤ-
nen Daͤchern uͤberwoͤlbte Umgange; an derer
vielen Ecken eine groſſe Anzahl ſilberner Gloͤck-
lein hangt/ die vom Winde beweget ein uͤber aus
liebliches Gethoͤne machen. Auf der Spitze ſte-
het ein groſſer Granat-Apffel aus gediegenem
Golde. Dieſes Wunder ſoll gleicher geſtalt ein
Werck des groſſen Koͤnigs Xius ſeyn/ und un-
ten bey dem Eingange ſtehet uͤber dem Porphy-
renen Thuͤr geruͤſte/ in welchem das Thor aus
dem auf der Seriſchen Jnſel Aynan wachſen-
den theueren Adler- oder Roſen-Holtze gemacht
iſt/ in einer Agat-Taffel eingegraben:

Egypten buͤcke dich und deine ſpitz’gen Thuͤrme/
Du haſt nur ſchlechten Stein/ ich Gold und Porcellan.
Doch/ weil ſie nur geweiht fuͤr Leichen/ Stanck und Wuͤrme/
Sieht man ſie gegen mir fuͤr Graͤber billich an.
Nun aber Moling iſt ein Himmel auf der Erden/
Ein Garten dieſes Reich’s/ der Welt ihr Aug’ und Zier/
Das Klemod Aſiens/ muß ich genennet werden/
Sein Stern/ ſein Zederbaum/ ſein Apffel/ ſein Saphir.

Den dritten Tag/ als man uns zwiſchen die fuͤr-
nehmſten Seltzamkeiten der Stadt gewieſen/
waꝛd ich auf eineꝛ goldgeſtuͤckten Senffte/ welche
12. edle Serer trugen/ uͤber eine lange und breite
Straſſe/ welche wie faſt alle andere mit vier-

eckich-
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[639/0695] Arminius und Thußnelda. Die Berge ſpeyen Pech und Schwefel uͤbers Land/ Auch Wein brach einſt herfuͤr/ wo man ließ Steine hauen: Hier aber iſt im Meer’ ein ſuͤſſes Qvell zu ſchauen/ Und Waſſer ſpritzt aus Ertzt/ das Fluth nicht hegt/ nur Brand. Auch diß iſt’s Xins Werck. Ein frommer Fuͤrſt/ wie er/ Weiß nicht nur bitter Saltz in Zucker zu verkehren/ Er macht Artzney aus Gifft/ mey’t ab vom Unkraut’ Aehren/ Bringt aus den Steinen Brod/ aus Ertzte Waſſer her/ Kehrt unver ſehrlich Gold in fluͤſſendes Getraͤncke. Ja Xius giebt faſt mehr als die Natur Geſchencke. Als ich mich an dieſem Wunder-Coloſſen faſt muͤde geſehen/ fuhren wir recht aus dem groſſen Munde des Fluſſes Kiang gegen das groſſe Oſt-Meer/ endlich aber lieffen wir Sudwaͤrts in eine gegrabene Waſſer-Farth/ und bey Changxo in den Fluß Leuein/ welcher uns in die von dreyen ſuͤſſen Stroͤmen ohne die in den Fluß Kiang gegrabene Farth gleich als mit einem lu- ſtigen See gantz umgebene Hauptſtadt Sucheu leitete; von welcher das Sprichwort iſt: Was der Himmel iſt oben/ iſt Sucheu auf Erden. Die Ringmauer haͤlt wol fuͤnf/ die Vorſtadt aber ſie- ben deutſche Meilweges/ ihr Reichthum die Menge der Schiffe und die von vielerley Voͤl- ckern hier ausgeladene Wahren ſind unbe- ſchreiblich/ gegen Ukiang hat ſie eine Bruͤcke mit 300. ſteinernen Bogen. Nach ihrer Beſchauung fuhren wir uͤber den groſſen See Tai/ und einen daraus gefuͤhrten Graben biß in den Fluß Kiang/ welcher daſelbſt zwiſchen zwey Himmel- hohen Bergen/ die man auch deßhalden des Himmels-Thor heiſt/ ſich durchreiſt. Wir ſchif- ten zwiſchen der aus einem einigen Felſen beſte- henden Jnſel/ und der ſchoͤnen Stadt Tanyang durch/ und kamen endlich bey dem Koͤniglichen Haupt-Sitze Moling an/ da eines der Koͤnigli- chen Schiffe/ welches uͤber und uͤber verguͤldet/ und mit Drachen aus zuſammen geſetzten Per- len und Edelſteinen gezieret war/ aus dem Fluſ- ſe Kiang durch einen Arm in die Stadt fuͤhrte/ und in einem herrlichen Schloſſe abladete. Die- ſe Stadt kan man wegen ihrer Groͤſſe/ da nehm- lich das koͤnigliche Schloß faſt eine die innere Stadt ſechs/ die euſerſte 20. deutſche Meilen begreifft/ ein Land/ wegen ihrer vielen Einwoh- ner einen Ameiß-Hauffen/ wegen ihrer praͤchti- gen Gebaͤue ein Wunder der Welt/ wegen ge- ſunder Lufft/ anmuthiger Gaͤrte/ Seen und faſt auf allen Gaſſen hinrauſchender aus dem Fluſ- ſe Kiang geleiteter und mit viel tauſend marmel- nen Bruͤcken belegter Stroͤme/ einen Luſtgar- ten; wegen Reichthums/ einen Begrieff des Erdbodems/ wegen Hoͤfligkeit und gelehrter Leute die hohe Schule der Weltweiſen/ und mit einem Worte mit beſſerm Rechte/ als die Stadt Rom ſich ruͤhmet/ ein Haupt der Welt/ und eine Koͤnigin aller Staͤdte nennen. Alle dieſe Herr- ligkeiten von oben zu beſchauen ſtehet darinnen ein nichts mindeꝛ wunder-wuͤrdiger uͤberaus ho- her Thurm/ auswendig von den edelſten gruͤn- roth und gelben Porcellanen ſo kuͤnſtlich zuſam- men geſetzt/ daß er aus einem Stuͤcke gebacken zu ſeyn ſcheinet. Er hat neun zierliche mit gruͤ- nen Daͤchern uͤberwoͤlbte Umgange; an derer vielen Ecken eine groſſe Anzahl ſilberner Gloͤck- lein hangt/ die vom Winde beweget ein uͤber aus liebliches Gethoͤne machen. Auf der Spitze ſte- het ein groſſer Granat-Apffel aus gediegenem Golde. Dieſes Wunder ſoll gleicher geſtalt ein Werck des groſſen Koͤnigs Xius ſeyn/ und un- ten bey dem Eingange ſtehet uͤber dem Porphy- renen Thuͤr geruͤſte/ in welchem das Thor aus dem auf der Seriſchen Jnſel Aynan wachſen- den theueren Adler- oder Roſen-Holtze gemacht iſt/ in einer Agat-Taffel eingegraben: Egypten buͤcke dich und deine ſpitz’gen Thuͤrme/ Du haſt nur ſchlechten Stein/ ich Gold und Porcellan. Doch/ weil ſie nur geweiht fuͤr Leichen/ Stanck und Wuͤrme/ Sieht man ſie gegen mir fuͤr Graͤber billich an. Nun aber Moling iſt ein Himmel auf der Erden/ Ein Garten dieſes Reich’s/ der Welt ihr Aug’ und Zier/ Das Klemod Aſiens/ muß ich genennet werden/ Sein Stern/ ſein Zederbaum/ ſein Apffel/ ſein Saphir. Den dritten Tag/ als man uns zwiſchen die fuͤr- nehmſten Seltzamkeiten der Stadt gewieſen/ waꝛd ich auf eineꝛ goldgeſtuͤckten Senffte/ welche 12. edle Serer trugen/ uͤber eine lange und breite Straſſe/ welche wie faſt alle andere mit vier- eckich-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/695>, abgerufen am 22.11.2024.