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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] düstern. Denn die Sonne zeucht die niedri-
gen Dünste der Erden keinmahl/ ja auch zu kei-
nem andern Ende empor/ als daß sie selbte her-
nach wieder zu Bodem drücke. Wie viel Für-
sten haben ihre treuen Diener zu Reichs-Ge-
färthen erkieset/ ihre Bilder den ihrigen gegen-
über/ oder in die Reyhe ihrer erlauchten Vor-
fahren gesetzet/ ihre Thaten auff güldene Mün-
tzen geprägt/ sie für Väter des Fürsten/ für
Beschirmer des gemeinen Wesens ausruffen
lassen; selbte aber hernach aus einer blossen Ei-
versucht in Staub und Koth getreten. Sin-
temal der Schatten ohnediß insgemein densel-
ben Cörper/ worvon er fällt/ an Grösse über-
trifft/ und ihn daher so viel mehr in die Augen
sticht. Dahero sagte Cyaxares: Er könte ehe
das seinen Meden angethane Unrecht ver-
schmertzen/ als fremden Wohlthaten zuschauen/
die einer seinem Volcke erzeigte. Denn dieses
solte nichts minder als eine Ehfrau alleine von
ihres Ehemannes und Fürsten Liebe wissen/ also
nur auff ihn die Augen haben. Und hiervon
rühret: warum Fürsten meist mittelmäßige
Leute/ die den Geschäfften gewachsen/ a-
ber nicht überlegen sind/ in hohe Aempter erhe-
ben/ die fürtrefflichsten Köpffe aber entweder
nicht befördern/ oder hernach wenn sie dem
Fürsten das innerste ihres Hertzens ausneh-
men/ oder ihre Klugheit zur Richtschnur aller
Rathschläge eindringen wollen/ absetzen. Ja
ein Diener soll nicht nur mit seinem eigenen
Thun seines Fürsten Hoheit verdüstern/ son-
dern auch alles fremde Schattenwerck aus dem
Wege räumen. Daher dem Parmenion für
eine ungemeine Klugheit aus gedeutet wird/ daß
er in Morgenland alle alte Tempel des Jasons
zerstörte/ wormit der Nachwelt nur seines A-
lexanders Gedächtnißmahle im Gesichte blei-
ben möchten. Hertzog Arpus bekräfftigte die-
se Gedancken des Feldherrn nicht allein/ sondern
erstreckte selbte auch auff andere/ ja selbst auff
Fürsten/ daß sie ihre Thaten zu keinen Wun-
[Spaltenumbruch] derwercken/ und ihre Verdienste zu keinen Rie-
sen machen solten. Denn denen Ehrsüchti-
gen hinge nicht nur von ihren Oberherren/ son-
dern auch von ihres gleichen/ ja von denen ei-
nerley Werck fürhabenden Gefärthen Gefahr
zu. Der eifersüchtige Hercules hätte sich über
den bey Stürmung der Stadt Troja unter
dem Könige Laomedon zu erst über die Mauer
kommenden Talemon so verbittert/ daß er ihn
erwürgt hätte/ wenn er nicht von dem verschmitz-
ten Talemon durch Zusammenlesung der Stei-
ne wäre begütigt worden; Aus welchem dem
grossen Uberwinder Hercules ein Altar gebau-
et werden solte. Sich klein machen und grosse
Dinge ausrichten/ wäre eine zweyfache Tapf-
ferkeit/ und eine sichere Schadloß-Bürgschafft.
Marius hätte in diesem Absehen den Tempel
der Ehre zu Rom so niedrig gebaut/ als kein
anderer sonst daselbst wäre. So demüthig sol-
ten nun alle seyn/ welche nicht unwürdig in selb-
ten gehen wolten. Die klugen Baumeister
setzten die vollkommensten Seulen unten/ die
nur aus dem Gröbsten gearbeiteten in die Hö-
he; wormit ihre Ferne die Fehler/ und das Ur-
thel die Augen betrüge. Die Mäßigkeit des
Gemüthes aber wäre das Kennzeichen einer
durchgehends vollkommenen/ und unauff-
geputzten Tugend. Der stinckende Rauch des
Ehrgeitzes führe mit Gewalt in die Höhe. Die
reine Flamme der Hertzhafftigkeit brennte zu
unterste. Die todten Leichen schwimmen auff
dem Meere oben; Die von Perlen und Pur-
pur reiche Muscheln aber blieben in dem Grun-
de liegen. Jn der kleinen Welt schwebte das
Hertz unter der Lunge/ und in der grossen die
Sonne unter dem ungütigen Saturn; da doch
beyde der Natur und dem Menschen das Leben/
wie ein kluger Fürst seinem Volcke den Wohl-
stand gäben.

Fürst Zeno röthete sich über den ihm durch
dieser Verachtung der Ruhmräthigkeit zuwach-
sendem Lobe/ und sagte: Er hätte bey Eroberung

dieses

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] duͤſtern. Denn die Sonne zeucht die niedri-
gen Duͤnſte der Erden keinmahl/ ja auch zu kei-
nem andern Ende empor/ als daß ſie ſelbte her-
nach wieder zu Bodem druͤcke. Wie viel Fuͤr-
ſten haben ihre treuen Diener zu Reichs-Ge-
faͤrthen erkieſet/ ihre Bilder den ihrigen gegen-
uͤber/ oder in die Reyhe ihrer erlauchten Vor-
fahren geſetzet/ ihre Thaten auff guͤldene Muͤn-
tzen gepraͤgt/ ſie fuͤr Vaͤter des Fuͤrſten/ fuͤr
Beſchirmer des gemeinen Weſens ausruffen
laſſen; ſelbte aber hernach aus einer bloſſen Ei-
verſucht in Staub und Koth getreten. Sin-
temal der Schatten ohnediß insgemein denſel-
ben Coͤrper/ worvon er faͤllt/ an Groͤſſe uͤber-
trifft/ und ihn daher ſo viel mehr in die Augen
ſticht. Dahero ſagte Cyaxares: Er koͤnte ehe
das ſeinen Meden angethane Unrecht ver-
ſchmertzen/ als fremden Wohlthaten zuſchauen/
die einer ſeinem Volcke erzeigte. Denn dieſes
ſolte nichts minder als eine Ehfrau alleine von
ihres Ehemannes und Fuͤrſten Liebe wiſſen/ alſo
nur auff ihn die Augen haben. Und hiervon
ruͤhret: warum Fuͤrſten meiſt mittelmaͤßige
Leute/ die den Geſchaͤfften gewachſen/ a-
ber nicht uͤberlegen ſind/ in hohe Aempter erhe-
ben/ die fuͤrtrefflichſten Koͤpffe aber entweder
nicht befoͤrdern/ oder hernach wenn ſie dem
Fuͤrſten das innerſte ihres Hertzens ausneh-
men/ oder ihre Klugheit zur Richtſchnur aller
Rathſchlaͤge eindringen wollen/ abſetzen. Ja
ein Diener ſoll nicht nur mit ſeinem eigenen
Thun ſeines Fuͤrſten Hoheit verduͤſtern/ ſon-
dern auch alles fremde Schattenwerck aus dem
Wege raͤumen. Daher dem Parmenion fuͤr
eine ungemeine Klugheit aus gedeutet wird/ daß
er in Morgenland alle alte Tempel des Jaſons
zerſtoͤrte/ wormit der Nachwelt nur ſeines A-
lexanders Gedaͤchtnißmahle im Geſichte blei-
ben moͤchten. Hertzog Arpus bekraͤfftigte die-
ſe Gedancken des Feldherrn nicht allein/ ſondern
erſtreckte ſelbte auch auff andere/ ja ſelbſt auff
Fuͤrſten/ daß ſie ihre Thaten zu keinen Wun-
[Spaltenumbruch] derwercken/ und ihre Verdienſte zu keinen Rie-
ſen machen ſolten. Denn denen Ehrſuͤchti-
gen hinge nicht nur von ihren Oberherren/ ſon-
dern auch von ihres gleichen/ ja von denen ei-
nerley Werck fuͤrhabenden Gefaͤrthen Gefahr
zu. Der eifeꝛſuͤchtige Hercules haͤtte ſich uͤber
den bey Stuͤrmung der Stadt Troja unter
dem Koͤnige Laomedon zu erſt uͤber die Mauer
kommenden Talemon ſo verbittert/ daß er ihn
erwuͤrgt haͤtte/ weñ er nicht von dem verſchmitz-
ten Talemon durch Zuſammenleſung der Stei-
ne waͤre beguͤtigt worden; Aus welchem dem
groſſen Uberwinder Hercules ein Altar gebau-
et werden ſolte. Sich klein machen und groſſe
Dinge ausrichten/ waͤre eine zweyfache Tapf-
ferkeit/ und eine ſichere Schadloß-Buͤrgſchafft.
Marius haͤtte in dieſem Abſehen den Tempel
der Ehre zu Rom ſo niedrig gebaut/ als kein
anderer ſonſt daſelbſt waͤre. So demuͤthig ſol-
ten nun alle ſeyn/ welche nicht unwuͤrdig in ſelb-
ten gehen wolten. Die klugen Baumeiſter
ſetzten die vollkommenſten Seulen unten/ die
nur aus dem Groͤbſten gearbeiteten in die Hoͤ-
he; wormit ihre Ferne die Fehler/ und das Ur-
thel die Augen betruͤge. Die Maͤßigkeit des
Gemuͤthes aber waͤre das Kennzeichen einer
durchgehends vollkommenen/ und unauff-
geputzten Tugend. Der ſtinckende Rauch des
Ehrgeitzes fuͤhre mit Gewalt in die Hoͤhe. Die
reine Flamme der Hertzhafftigkeit brennte zu
unterſte. Die todten Leichen ſchwimmen auff
dem Meere oben; Die von Perlen und Pur-
pur reiche Muſcheln aber blieben in dem Grun-
de liegen. Jn der kleinen Welt ſchwebte das
Hertz unter der Lunge/ und in der groſſen die
Sonne unter dem unguͤtigen Saturn; da doch
beyde der Natur und dem Menſchen das Leben/
wie ein kluger Fuͤrſt ſeinem Volcke den Wohl-
ſtand gaͤben.

Fuͤrſt Zeno roͤthete ſich uͤber den ihm durch
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ſendem Lobe/ und ſagte: Er haͤtte bey Eroberung

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[630/0686] Fuͤnfftes Buch duͤſtern. Denn die Sonne zeucht die niedri- gen Duͤnſte der Erden keinmahl/ ja auch zu kei- nem andern Ende empor/ als daß ſie ſelbte her- nach wieder zu Bodem druͤcke. Wie viel Fuͤr- ſten haben ihre treuen Diener zu Reichs-Ge- faͤrthen erkieſet/ ihre Bilder den ihrigen gegen- uͤber/ oder in die Reyhe ihrer erlauchten Vor- fahren geſetzet/ ihre Thaten auff guͤldene Muͤn- tzen gepraͤgt/ ſie fuͤr Vaͤter des Fuͤrſten/ fuͤr Beſchirmer des gemeinen Weſens ausruffen laſſen; ſelbte aber hernach aus einer bloſſen Ei- verſucht in Staub und Koth getreten. Sin- temal der Schatten ohnediß insgemein denſel- ben Coͤrper/ worvon er faͤllt/ an Groͤſſe uͤber- trifft/ und ihn daher ſo viel mehr in die Augen ſticht. Dahero ſagte Cyaxares: Er koͤnte ehe das ſeinen Meden angethane Unrecht ver- ſchmertzen/ als fremden Wohlthaten zuſchauen/ die einer ſeinem Volcke erzeigte. Denn dieſes ſolte nichts minder als eine Ehfrau alleine von ihres Ehemannes und Fuͤrſten Liebe wiſſen/ alſo nur auff ihn die Augen haben. Und hiervon ruͤhret: warum Fuͤrſten meiſt mittelmaͤßige Leute/ die den Geſchaͤfften gewachſen/ a- ber nicht uͤberlegen ſind/ in hohe Aempter erhe- ben/ die fuͤrtrefflichſten Koͤpffe aber entweder nicht befoͤrdern/ oder hernach wenn ſie dem Fuͤrſten das innerſte ihres Hertzens ausneh- men/ oder ihre Klugheit zur Richtſchnur aller Rathſchlaͤge eindringen wollen/ abſetzen. Ja ein Diener ſoll nicht nur mit ſeinem eigenen Thun ſeines Fuͤrſten Hoheit verduͤſtern/ ſon- dern auch alles fremde Schattenwerck aus dem Wege raͤumen. Daher dem Parmenion fuͤr eine ungemeine Klugheit aus gedeutet wird/ daß er in Morgenland alle alte Tempel des Jaſons zerſtoͤrte/ wormit der Nachwelt nur ſeines A- lexanders Gedaͤchtnißmahle im Geſichte blei- ben moͤchten. Hertzog Arpus bekraͤfftigte die- ſe Gedancken des Feldherrn nicht allein/ ſondern erſtreckte ſelbte auch auff andere/ ja ſelbſt auff Fuͤrſten/ daß ſie ihre Thaten zu keinen Wun- derwercken/ und ihre Verdienſte zu keinen Rie- ſen machen ſolten. Denn denen Ehrſuͤchti- gen hinge nicht nur von ihren Oberherren/ ſon- dern auch von ihres gleichen/ ja von denen ei- nerley Werck fuͤrhabenden Gefaͤrthen Gefahr zu. Der eifeꝛſuͤchtige Hercules haͤtte ſich uͤber den bey Stuͤrmung der Stadt Troja unter dem Koͤnige Laomedon zu erſt uͤber die Mauer kommenden Talemon ſo verbittert/ daß er ihn erwuͤrgt haͤtte/ weñ er nicht von dem verſchmitz- ten Talemon durch Zuſammenleſung der Stei- ne waͤre beguͤtigt worden; Aus welchem dem groſſen Uberwinder Hercules ein Altar gebau- et werden ſolte. Sich klein machen und groſſe Dinge ausrichten/ waͤre eine zweyfache Tapf- ferkeit/ und eine ſichere Schadloß-Buͤrgſchafft. Marius haͤtte in dieſem Abſehen den Tempel der Ehre zu Rom ſo niedrig gebaut/ als kein anderer ſonſt daſelbſt waͤre. So demuͤthig ſol- ten nun alle ſeyn/ welche nicht unwuͤrdig in ſelb- ten gehen wolten. Die klugen Baumeiſter ſetzten die vollkommenſten Seulen unten/ die nur aus dem Groͤbſten gearbeiteten in die Hoͤ- he; wormit ihre Ferne die Fehler/ und das Ur- thel die Augen betruͤge. Die Maͤßigkeit des Gemuͤthes aber waͤre das Kennzeichen einer durchgehends vollkommenen/ und unauff- geputzten Tugend. Der ſtinckende Rauch des Ehrgeitzes fuͤhre mit Gewalt in die Hoͤhe. Die reine Flamme der Hertzhafftigkeit brennte zu unterſte. Die todten Leichen ſchwimmen auff dem Meere oben; Die von Perlen und Pur- pur reiche Muſcheln aber blieben in dem Grun- de liegen. Jn der kleinen Welt ſchwebte das Hertz unter der Lunge/ und in der groſſen die Sonne unter dem unguͤtigen Saturn; da doch beyde der Natur und dem Menſchen das Leben/ wie ein kluger Fuͤrſt ſeinem Volcke den Wohl- ſtand gaͤben. Fuͤrſt Zeno roͤthete ſich uͤber den ihm durch dieſer Verachtung der Ruhmraͤthigkeit zuwach- ſendem Lobe/ und ſagte: Er haͤtte bey Eroberung dieſes

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/686>, abgerufen am 22.11.2024.