Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
te/ und also gleichsam selbtes Gestirne ein Trau-er-Kleid anzoh. Beyde Heere wichen also mit einem verstockten Stillschweigen zurücke. Auf den Morgen aber wurden wir gewahr/ daß Zi- nem sich gar über den Fluß Han zurücke gezogen hatte. Die leere Wallstatt stellte uns allererst recht das grausame Schauspiel der Schlacht mit mehr als 100000. Leichen für; etliche tausend geköpfte Strümpfe wusten ihre Häupter/ ande- re ihre abgehackte Armen/ Hände und Beine nicht zu erkiesen: Viel hatten ihren Geist mit den Eingeweiden ausgeschüttet/ andere ihre Seele unter den todten Pferden ausgeblasen. Nicht wenig waren von der raschen Reiterey zertreten/ oder unter der Last der auf sie fallenden Leichen ersticket. Etliche hielten noch mit den Zähnen die sie entseelende Feinde/ weil ihnen keine geschicktere Waffen übrig blieben waren. Zum Theil waren sie lebendig von dem häuffigen Staube begraben; viel bissen für Verbitterung in das Graß/ weil die Ohnmacht sie verhinderte ihren Feind zu erreichen; und eine Menge der Verwundeten seufzete/ rechelnde nach der Zer- trennung des Leibes und der Seele/ weil sie bereit mit allzu langen Schmertzen auf dem Scheide- wege des Lebens und Sterbens geschwebet hat- ten/ und wegen jenes Bitterkeit dieses für ihre Wolfarth erkieseten. Ja der Tod hatte allhier fast so vielerley Gesichter angenommen/ als die Zahl der Todten oder noch Sterbenden aus- machte; also/ daß König Huhansien und Syr- manis sich selbst nicht von bittern Thränen mäs- sigen konten; hierüber er auch seufzende anfieng: Jhr entseelten Leichen/ warumb verursacht ihr mich euch zu beweinen? lasset vielmehr eure Gei- ster über mich Thränen auspressen/ der ich euch selber der Wegweiser zum Tode gewesen bin! Also waren diese erlegten Krieges-Leute zum minsten glückseliger/ als die Weichlinge des Xer- xes/ indem diese noch bey Leben mit weibischen/ jene aber nach dem Tode mit edlen Thränen be- ehret wurden/ und zwey Königliche Häupter zu [Spaltenumbruch] ihren Klage-Weibern hatten. Unter den Tod- ten/ welche der König ohn Unterscheid beerdigen/ theils aber denen in weissen Trauer-Kleidern vom Fürsten Zisem abgeschickten Serern/ wel- che die Jhrigen im Vaterlande kostbar zu begra- ben pflegen/ zum Leichen-Gepränge ausfolgen ließ/ ward endlich auch Barcas der vermißte Unter-König der Sacken gefunden/ aber wegen vieler Wunden kaum erkennet. Dieser war in seiner Kindheit eines seiner Bluts-Verwand- ten umb künftig seinen Kindern sein reiches Erb- theil zuzuschantzen ausgeschnidten worden/ aber hierdurch hatte er das minste von seiner ange- bohrnen Tapferkeit eingebüßt/ und durch seine überaus treue Dienste sich zu einen Schoß-Kinde des Königs gemacht. Der König konte sich nicht enthalten diese blutige Leiche zu umbarmen. Nachdem sie auch abgewaschen war/ ließ er sie auf einem mit Purpur bedeckten Prang-Wa- gen in die Stadt Hanchung führen/ in welcher die eingefälleten Mauern ergäntzet/ die fast un- zehlbaren Verwundeten aufs sorgfältigste ge- pflegt wurden. Jnzwischen lief Nachricht ein/ daß die Serer sich gar zurücke biß an das Ge- bürge Poching gezogen hatten; dahero reisete Huhansien/ Syrmanis und ich/ mit einem aus- gelesenen Kriegs-Volcke den Strom Han hin- auf/ den vom Feinde verlassenen vorthelhaften Ort zu besetzen/ und hierauf den Wunder-Berg Yoniu/ oder die köstliche Frau genennet/ zu be- sichtigen/ weil die Natur auf selbtem aus Mar- mel ein so schönes Weibsbild als immermehr Praxiteles gebildet. Wir erstarreten für die- sem Bildnüsse/ und Huhansien wolte sich durch viel Betheurungen nicht bereden lassen/ daß nicht ein Künstler die Hand mit im Spiele ge- habt/ wenn ich ihn nicht versichert/ daß ich selb- sten viel Steine/ und insonderheit Agaten gese- hen hätte/ in welchen Städte/ Schlösser/ Bäu- me/ Vögel/ Fische/ vierfüssichte Thiere/ Schlan- gen/ ja Menschen aufs deutlichste wären ausge- pregt gewest/ und daß in dem Lande Fokien/ bey der Erster Theil. K k k k
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
te/ und alſo gleichſam ſelbtes Geſtirne ein Trau-er-Kleid anzoh. Beyde Heere wichen alſo mit einem verſtockten Stillſchweigen zuruͤcke. Auf den Morgen aber wurden wir gewahr/ daß Zi- nem ſich gar uͤber den Fluß Han zuruͤcke gezogen hatte. Die leere Wallſtatt ſtellte uns allererſt recht das grauſame Schauſpiel der Schlacht mit mehr als 100000. Leichen fuͤr; etliche tauſend gekoͤpfte Struͤmpfe wuſten ihre Haͤupter/ ande- re ihre abgehackte Armen/ Haͤnde und Beine nicht zu erkieſen: Viel hatten ihren Geiſt mit den Eingeweiden ausgeſchuͤttet/ andere ihre Seele unter den todten Pferden ausgeblaſen. Nicht wenig waren von der raſchen Reiterey zertreten/ oder unter der Laſt der auf ſie fallenden Leichen erſticket. Etliche hielten noch mit den Zaͤhnen die ſie entſeelende Feinde/ weil ihnen keine geſchicktere Waffen uͤbrig blieben waren. Zum Theil waren ſie lebendig von dem haͤuffigẽ Staube begraben; viel biſſen fuͤr Verbitterung in das Graß/ weil die Ohnmacht ſie verhinderte ihren Feind zu erreichen; und eine Menge der Verwundeten ſeufzete/ rechelnde nach der Zer- trennung des Leibes und der Seele/ weil ſie bereit mit allzu langen Schmertzen auf dem Scheide- wege des Lebens und Sterbens geſchwebet hat- ten/ und wegen jenes Bitterkeit dieſes fuͤr ihre Wolfarth erkieſeten. Ja der Tod hatte allhier faſt ſo vielerley Geſichter angenommen/ als die Zahl der Todten oder noch Sterbenden aus- machte; alſo/ daß Koͤnig Huhanſien und Syr- manis ſich ſelbſt nicht von bittern Thraͤnen maͤſ- ſigen konten; hieruͤber er auch ſeufzende anfieng: Jhr entſeelten Leichen/ warumb verurſacht ihr mich euch zu beweinen? laſſet vielmehr eure Gei- ſter uͤber mich Thraͤnen auspreſſen/ der ich euch ſelber der Wegweiſer zum Tode geweſen bin! Alſo waren dieſe erlegten Krieges-Leute zum minſten gluͤckſeliger/ als die Weichlinge des Xer- xes/ indem dieſe noch bey Leben mit weibiſchen/ jene aber nach dem Tode mit edlen Thraͤnen be- ehret wurden/ und zwey Koͤnigliche Haͤupter zu [Spaltenumbruch] ihren Klage-Weibern hatten. Unter den Tod- ten/ welche der Koͤnig ohn Unterſcheid beerdigen/ theils aber denen in weiſſen Trauer-Kleidern vom Fuͤrſten Ziſem abgeſchickten Serern/ wel- che die Jhrigen im Vaterlande koſtbar zu begra- ben pflegen/ zum Leichen-Gepraͤnge ausfolgen ließ/ ward endlich auch Barcas der vermißte Unter-Koͤnig der Sacken gefunden/ aber wegen vieler Wunden kaum erkennet. Dieſer war in ſeiner Kindheit eines ſeiner Bluts-Verwand- ten umb kuͤnftig ſeinen Kindern ſein reiches Erb- theil zuzuſchantzen ausgeſchnidten worden/ aber hierdurch hatte er das minſte von ſeiner ange- bohrnen Tapferkeit eingebuͤßt/ und durch ſeine uͤberaus treue Dienſte ſich zu einẽ Schoß-Kinde des Koͤnigs gemacht. Der Koͤnig konte ſich nicht enthalten dieſe blutige Leiche zu umbarmen. Nachdem ſie auch abgewaſchen war/ ließ er ſie auf einem mit Purpur bedeckten Prang-Wa- gen in die Stadt Hanchung fuͤhren/ in welcher die eingefaͤlleten Mauern ergaͤntzet/ die faſt un- zehlbaren Verwundeten aufs ſorgfaͤltigſte ge- pflegt wurden. Jnzwiſchen lief Nachricht ein/ daß die Serer ſich gar zuruͤcke biß an das Ge- buͤrge Poching gezogen hatten; dahero reiſete Huhanſien/ Syrmanis und ich/ mit einem aus- geleſenen Kriegs-Volcke den Strom Han hin- auf/ den vom Feinde verlaſſenen vorthelhaften Ort zu beſetzen/ und hierauf den Wunder-Berg Yoniu/ oder die koͤſtliche Frau genennet/ zu be- ſichtigen/ weil die Natur auf ſelbtem aus Mar- mel ein ſo ſchoͤnes Weibsbild als immermehr Praxiteles gebildet. Wir erſtarreten fuͤr die- ſem Bildnuͤſſe/ und Huhanſien wolte ſich durch viel Betheurungen nicht bereden laſſen/ daß nicht ein Kuͤnſtler die Hand mit im Spiele ge- habt/ wenn ich ihn nicht verſichert/ daß ich ſelb- ſten viel Steine/ und inſonderheit Agaten geſe- hen haͤtte/ in welchen Staͤdte/ Schloͤſſer/ Baͤu- me/ Voͤgel/ Fiſche/ vierfuͤſſichte Thiere/ Schlan- gen/ ja Menſchen aufs deutlichſte waͤren ausge- pregt geweſt/ und daß in dem Lande Fokien/ bey der Erſter Theil. K k k k
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Arminius und Thußnelda.
te/ und alſo gleichſam ſelbtes Geſtirne ein Trau-
er-Kleid anzoh. Beyde Heere wichen alſo mit
einem verſtockten Stillſchweigen zuruͤcke. Auf
den Morgen aber wurden wir gewahr/ daß Zi-
nem ſich gar uͤber den Fluß Han zuruͤcke gezogen
hatte. Die leere Wallſtatt ſtellte uns allererſt
recht das grauſame Schauſpiel der Schlacht mit
mehr als 100000. Leichen fuͤr; etliche tauſend
gekoͤpfte Struͤmpfe wuſten ihre Haͤupter/ ande-
re ihre abgehackte Armen/ Haͤnde und Beine
nicht zu erkieſen: Viel hatten ihren Geiſt mit
den Eingeweiden ausgeſchuͤttet/ andere ihre
Seele unter den todten Pferden ausgeblaſen.
Nicht wenig waren von der raſchen Reiterey
zertreten/ oder unter der Laſt der auf ſie fallenden
Leichen erſticket. Etliche hielten noch mit den
Zaͤhnen die ſie entſeelende Feinde/ weil ihnen
keine geſchicktere Waffen uͤbrig blieben waren.
Zum Theil waren ſie lebendig von dem haͤuffigẽ
Staube begraben; viel biſſen fuͤr Verbitterung
in das Graß/ weil die Ohnmacht ſie verhinderte
ihren Feind zu erreichen; und eine Menge der
Verwundeten ſeufzete/ rechelnde nach der Zer-
trennung des Leibes und der Seele/ weil ſie bereit
mit allzu langen Schmertzen auf dem Scheide-
wege des Lebens und Sterbens geſchwebet hat-
ten/ und wegen jenes Bitterkeit dieſes fuͤr ihre
Wolfarth erkieſeten. Ja der Tod hatte allhier
faſt ſo vielerley Geſichter angenommen/ als die
Zahl der Todten oder noch Sterbenden aus-
machte; alſo/ daß Koͤnig Huhanſien und Syr-
manis ſich ſelbſt nicht von bittern Thraͤnen maͤſ-
ſigen konten; hieruͤber er auch ſeufzende anfieng:
Jhr entſeelten Leichen/ warumb verurſacht ihr
mich euch zu beweinen? laſſet vielmehr eure Gei-
ſter uͤber mich Thraͤnen auspreſſen/ der ich euch
ſelber der Wegweiſer zum Tode geweſen bin!
Alſo waren dieſe erlegten Krieges-Leute zum
minſten gluͤckſeliger/ als die Weichlinge des Xer-
xes/ indem dieſe noch bey Leben mit weibiſchen/
jene aber nach dem Tode mit edlen Thraͤnen be-
ehret wurden/ und zwey Koͤnigliche Haͤupter zu
ihren Klage-Weibern hatten. Unter den Tod-
ten/ welche der Koͤnig ohn Unterſcheid beerdigen/
theils aber denen in weiſſen Trauer-Kleidern
vom Fuͤrſten Ziſem abgeſchickten Serern/ wel-
che die Jhrigen im Vaterlande koſtbar zu begra-
ben pflegen/ zum Leichen-Gepraͤnge ausfolgen
ließ/ ward endlich auch Barcas der vermißte
Unter-Koͤnig der Sacken gefunden/ aber wegen
vieler Wunden kaum erkennet. Dieſer war
in ſeiner Kindheit eines ſeiner Bluts-Verwand-
ten umb kuͤnftig ſeinen Kindern ſein reiches Erb-
theil zuzuſchantzen ausgeſchnidten worden/ aber
hierdurch hatte er das minſte von ſeiner ange-
bohrnen Tapferkeit eingebuͤßt/ und durch ſeine
uͤberaus treue Dienſte ſich zu einẽ Schoß-Kinde
des Koͤnigs gemacht. Der Koͤnig konte ſich nicht
enthalten dieſe blutige Leiche zu umbarmen.
Nachdem ſie auch abgewaſchen war/ ließ er ſie
auf einem mit Purpur bedeckten Prang-Wa-
gen in die Stadt Hanchung fuͤhren/ in welcher
die eingefaͤlleten Mauern ergaͤntzet/ die faſt un-
zehlbaren Verwundeten aufs ſorgfaͤltigſte ge-
pflegt wurden. Jnzwiſchen lief Nachricht ein/
daß die Serer ſich gar zuruͤcke biß an das Ge-
buͤrge Poching gezogen hatten; dahero reiſete
Huhanſien/ Syrmanis und ich/ mit einem aus-
geleſenen Kriegs-Volcke den Strom Han hin-
auf/ den vom Feinde verlaſſenen vorthelhaften
Ort zu beſetzen/ und hierauf den Wunder-Berg
Yoniu/ oder die koͤſtliche Frau genennet/ zu be-
ſichtigen/ weil die Natur auf ſelbtem aus Mar-
mel ein ſo ſchoͤnes Weibsbild als immermehr
Praxiteles gebildet. Wir erſtarreten fuͤr die-
ſem Bildnuͤſſe/ und Huhanſien wolte ſich durch
viel Betheurungen nicht bereden laſſen/ daß
nicht ein Kuͤnſtler die Hand mit im Spiele ge-
habt/ wenn ich ihn nicht verſichert/ daß ich ſelb-
ſten viel Steine/ und inſonderheit Agaten geſe-
hen haͤtte/ in welchen Staͤdte/ Schloͤſſer/ Baͤu-
me/ Voͤgel/ Fiſche/ vierfuͤſſichte Thiere/ Schlan-
gen/ ja Menſchen aufs deutlichſte waͤren ausge-
pregt geweſt/ und daß in dem Lande Fokien/ bey
der
Erſter Theil. K k k k
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