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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nicht ein Mahl eines Nadelknopfs groß finden
würden. Diese hätte Gott allein in Suchuen
darum lassen gebohren werden/ wormit es einen
vollkommenen König vergnügen/ das Reich a-
ber sich ihrem Uberwinder mit etwas ungemei-
nem verbinden könte. Der König Huhansien
lächelte über diesem unvermutheten Geschen-
cke/ und nach dem er sie alle wol betrachtet/ gab
er der gegen überstehenden Syrmanis einen
freundlichen Anblick/ fing hierauf an: Jch er-
kenne zwar aus diesem den Serischen Königen
zu bringen gewöhnlichen Geschencke die Zunei-
gung ihrer Gemüther; Aber die Scythen sind
gewohnet aus Liebe ihnen ihre Ehegatten zu er-
kiesen/ nicht ihrer Geilheit zu Gefallen einen
Menschen-Zoll aufzurichten. Auch ist bey ih-
nen das Band der Hertzen die Tugend/ nicht
die Gestalt; denn der Purpur krönet so wol Un-
kraut als Rosen; Die Heydechse pranget nichts
minder mit Sternen/ als der Himmel. Und
die Natter nistet am liebsten unter die Balsam-
Staude. Die Entweihung so schöner Kinder
düncket mich grausamer zu seyn/ als das Gebot
des Scedasus/ dessen entleibtem Geiste Pelopi-
das/ da er anders zu siegen vermeinte/ eine
Jungfrau aufopffern solte; und der abergläubi-
gen Griechen/ die das Ungewitter mit der
Jphigenia Blute zu stillen vermeinten. Bey-
des aber haben die Götter verwehret/ welche
dort eine Stutte/ hier einen Hirsch zum Löse-
geld aufgenommen. Fürsten sind in der Welt
Ebenbilder Gottes; also stehet ihnen so wenig
zu die Entehrung keuscher Seelen/ als der Tod-
schlag der Leiber. Welche ihrer tollen Brunst
hierinnen den Zügel verhengen/ machen sich zu
Jndianischen Teuffels-Götzen/ derer schand-
baren Höltzern die Bräute ihre Jungfrauschafft
opffern müssen. Die Geilheit hat den Sie-
gern insgemein den Siegs-Krantz aus den
Händen gewunden/ und Könige in Staub ge-
treten. Nicanor hat zu Thebe nicht ehe seine
gefangene Buhlschafft/ als eine selbst händig-
[Spaltenumbruch] ermordete Leiche umarmet. Jener überwün-
dende Macedonier hat mit den Küssen einer ge-
schändeten Jungfrauen seine Seele durch eine
ins Hertz empfangene Wunde ausgeblasen.
Unzucht hat Sardanapaln ins Feuer gestürtzt/
Troja eingeäschert/ die Tarqvinier aus Rom
vertrieben/ und den Antonius zu Grunde ge-
richtet. Kehret diesemnach nur zurücke/ ihr
Ausbund der Jugend/ welche nicht ihr Vorsatz
verleitet/ sondern die Mißbräuche des Vater-
landes verderben wollen. Trachtet durch Ver-
nunfft eure Gemüther schöner zu machen/ als
die Natur eure Glieder geschmückt hat; weil
auch eine Englische Helena ohne den Purpur
der Schamhafftigkeit heßlicher ist/ als die runtz-
lichte Penelope. Eine keusche Seele schreitet
begieriger in das Ehebette eines Schäffers/ als
in das Zimmer Königlicher Kebsweiber. Denn
die Pracht der Welt und das Glücke der Men-
schen hat ein falsches Licht/ an dem nichts tauer-
hafft/ als der Unbestand ist. Die Tugend al-
leine hat Bestand und Vergnügung. Die
Keuschheit hegt die empfindlichste Ergetzligkeit;
Sie ist der herrlichste Aufputz der Schönheit.
Wollust aber gebieret Reue und Eckel. Also
musten nach gegebenem Zeichen zu höchster
Verwunderung aller Anwesenden diese hierü-
ber zugleich verstummenden irrdischen Göttin-
nen den Königlichen Saal räumen. Jch ge-
stehe es/ sagte Rhemetalces/ diese Enteuserung
ist hundertfach rühmlicher/ als Xenocratens/ der
die geilen Umhalsungen der allgemeinen Phry-
ne so theuer nicht bezahlen wollen/ und des Sci-
pio/ der die zu neu Carthago gefangene Braut
ihrem Luccejus unversehrt aushändigte. Jn al-
le Wege/ versetzte Zeno. Dannenher diese recht
Königliche Entschlüssung nicht allein dem Hu-
hansien die Gemüther der Serer/ welche der
Keuschheit die Oberstelle aller Tugenden zu-
eignen/ ihren Liebhabern nicht selten Ehren-
und Sieges-Vogen aufsetzen/ und den nach sei-
ner Gemahlin Tode nicht wieder heyrathenden

König
J i i i 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nicht ein Mahl eines Nadelknopfs groß finden
wuͤrden. Dieſe haͤtte Gott allein in Suchuen
darum laſſen gebohren werden/ wormit es einen
vollkommenen Koͤnig vergnuͤgen/ das Reich a-
ber ſich ihrem Uberwinder mit etwas ungemei-
nem verbinden koͤnte. Der Koͤnig Huhanſien
laͤchelte uͤber dieſem unvermutheten Geſchen-
cke/ und nach dem er ſie alle wol betrachtet/ gab
er der gegen uͤberſtehenden Syrmanis einen
freundlichen Anblick/ fing hierauf an: Jch er-
kenne zwar aus dieſem den Seriſchen Koͤnigen
zu bringen gewoͤhnlichen Geſchencke die Zunei-
gung ihrer Gemuͤther; Aber die Scythen ſind
gewohnet aus Liebe ihnen ihre Ehegatten zu er-
kieſen/ nicht ihrer Geilheit zu Gefallen einen
Menſchen-Zoll aufzurichten. Auch iſt bey ih-
nen das Band der Hertzen die Tugend/ nicht
die Geſtalt; denn der Purpur kroͤnet ſo wol Un-
kraut als Roſen; Die Heydechſe pranget nichts
minder mit Sternen/ als der Himmel. Und
die Natter niſtet am liebſten unter die Balſam-
Staude. Die Entweihung ſo ſchoͤner Kinder
duͤncket mich grauſamer zu ſeyn/ als das Gebot
des Scedaſus/ deſſen entleibtem Geiſte Pelopi-
das/ da er anders zu ſiegen vermeinte/ eine
Jungfrau aufopffern ſolte; und der aberglaͤubi-
gen Griechen/ die das Ungewitter mit der
Jphigenia Blute zu ſtillen vermeinten. Bey-
des aber haben die Goͤtter verwehret/ welche
dort eine Stutte/ hier einen Hirſch zum Loͤſe-
geld aufgenommen. Fuͤrſten ſind in der Welt
Ebenbilder Gottes; alſo ſtehet ihnen ſo wenig
zu die Entehrung keuſcher Seelen/ als der Tod-
ſchlag der Leiber. Welche ihrer tollen Brunſt
hierinnen den Zuͤgel verhengen/ machen ſich zu
Jndianiſchen Teuffels-Goͤtzen/ derer ſchand-
baren Hoͤltzern die Braͤute ihre Jungfrauſchafft
opffern muͤſſen. Die Geilheit hat den Sie-
gern insgemein den Siegs-Krantz aus den
Haͤnden gewunden/ und Koͤnige in Staub ge-
treten. Nicanor hat zu Thebe nicht ehe ſeine
gefangene Buhlſchafft/ als eine ſelbſt haͤndig-
[Spaltenumbruch] ermordete Leiche umarmet. Jener uͤberwuͤn-
dende Macedonier hat mit den Kuͤſſen einer ge-
ſchaͤndeten Jungfrauen ſeine Seele durch eine
ins Hertz empfangene Wunde ausgeblaſen.
Unzucht hat Sardanapaln ins Feuer geſtuͤrtzt/
Troja eingeaͤſchert/ die Tarqvinier aus Rom
vertrieben/ und den Antonius zu Grunde ge-
richtet. Kehret dieſemnach nur zuruͤcke/ ihr
Ausbund der Jugend/ welche nicht ihr Vorſatz
verleitet/ ſondern die Mißbraͤuche des Vater-
landes verderben wollen. Trachtet durch Ver-
nunfft eure Gemuͤther ſchoͤner zu machen/ als
die Natur eure Glieder geſchmuͤckt hat; weil
auch eine Engliſche Helena ohne den Purpur
der Schamhafftigkeit heßlicher iſt/ als die runtz-
lichte Penelope. Eine keuſche Seele ſchreitet
begieriger in das Ehebette eines Schaͤffers/ als
in das Zimmer Koͤniglicher Kebsweiber. Denn
die Pracht der Welt und das Gluͤcke der Men-
ſchen hat ein falſches Licht/ an dem nichts tauer-
hafft/ als der Unbeſtand iſt. Die Tugend al-
leine hat Beſtand und Vergnuͤgung. Die
Keuſchheit hegt die empfindlichſte Ergetzligkeit;
Sie iſt der herrlichſte Aufputz der Schoͤnheit.
Wolluſt aber gebieret Reue und Eckel. Alſo
muſten nach gegebenem Zeichen zu hoͤchſter
Verwunderung aller Anweſenden dieſe hieruͤ-
ber zugleich verſtummenden irrdiſchen Goͤttin-
nen den Koͤniglichen Saal raͤumen. Jch ge-
ſtehe es/ ſagte Rhemetalces/ dieſe Enteuſerung
iſt hundertfach ruͤhmlicher/ als Xenocratens/ der
die geilen Umhalſungen der allgemeinen Phry-
ne ſo theuer nicht bezahlen wollen/ und des Sci-
pio/ der die zu neu Carthago gefangene Braut
ihrem Luccejus unverſehrt aushaͤndigte. Jn al-
le Wege/ verſetzte Zeno. Dannenher dieſe recht
Koͤnigliche Entſchluͤſſung nicht allein dem Hu-
hanſien die Gemuͤther der Serer/ welche der
Keuſchheit die Oberſtelle aller Tugenden zu-
eignen/ ihren Liebhabern nicht ſelten Ehren-
und Sieges-Vogen aufſetzen/ und den nach ſei-
ner Gemahlin Tode nicht wieder heyrathenden

Koͤnig
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[619/0675] Arminius und Thußnelda. nicht ein Mahl eines Nadelknopfs groß finden wuͤrden. Dieſe haͤtte Gott allein in Suchuen darum laſſen gebohren werden/ wormit es einen vollkommenen Koͤnig vergnuͤgen/ das Reich a- ber ſich ihrem Uberwinder mit etwas ungemei- nem verbinden koͤnte. Der Koͤnig Huhanſien laͤchelte uͤber dieſem unvermutheten Geſchen- cke/ und nach dem er ſie alle wol betrachtet/ gab er der gegen uͤberſtehenden Syrmanis einen freundlichen Anblick/ fing hierauf an: Jch er- kenne zwar aus dieſem den Seriſchen Koͤnigen zu bringen gewoͤhnlichen Geſchencke die Zunei- gung ihrer Gemuͤther; Aber die Scythen ſind gewohnet aus Liebe ihnen ihre Ehegatten zu er- kieſen/ nicht ihrer Geilheit zu Gefallen einen Menſchen-Zoll aufzurichten. Auch iſt bey ih- nen das Band der Hertzen die Tugend/ nicht die Geſtalt; denn der Purpur kroͤnet ſo wol Un- kraut als Roſen; Die Heydechſe pranget nichts minder mit Sternen/ als der Himmel. Und die Natter niſtet am liebſten unter die Balſam- Staude. Die Entweihung ſo ſchoͤner Kinder duͤncket mich grauſamer zu ſeyn/ als das Gebot des Scedaſus/ deſſen entleibtem Geiſte Pelopi- das/ da er anders zu ſiegen vermeinte/ eine Jungfrau aufopffern ſolte; und der aberglaͤubi- gen Griechen/ die das Ungewitter mit der Jphigenia Blute zu ſtillen vermeinten. Bey- des aber haben die Goͤtter verwehret/ welche dort eine Stutte/ hier einen Hirſch zum Loͤſe- geld aufgenommen. Fuͤrſten ſind in der Welt Ebenbilder Gottes; alſo ſtehet ihnen ſo wenig zu die Entehrung keuſcher Seelen/ als der Tod- ſchlag der Leiber. Welche ihrer tollen Brunſt hierinnen den Zuͤgel verhengen/ machen ſich zu Jndianiſchen Teuffels-Goͤtzen/ derer ſchand- baren Hoͤltzern die Braͤute ihre Jungfrauſchafft opffern muͤſſen. Die Geilheit hat den Sie- gern insgemein den Siegs-Krantz aus den Haͤnden gewunden/ und Koͤnige in Staub ge- treten. Nicanor hat zu Thebe nicht ehe ſeine gefangene Buhlſchafft/ als eine ſelbſt haͤndig- ermordete Leiche umarmet. Jener uͤberwuͤn- dende Macedonier hat mit den Kuͤſſen einer ge- ſchaͤndeten Jungfrauen ſeine Seele durch eine ins Hertz empfangene Wunde ausgeblaſen. Unzucht hat Sardanapaln ins Feuer geſtuͤrtzt/ Troja eingeaͤſchert/ die Tarqvinier aus Rom vertrieben/ und den Antonius zu Grunde ge- richtet. Kehret dieſemnach nur zuruͤcke/ ihr Ausbund der Jugend/ welche nicht ihr Vorſatz verleitet/ ſondern die Mißbraͤuche des Vater- landes verderben wollen. Trachtet durch Ver- nunfft eure Gemuͤther ſchoͤner zu machen/ als die Natur eure Glieder geſchmuͤckt hat; weil auch eine Engliſche Helena ohne den Purpur der Schamhafftigkeit heßlicher iſt/ als die runtz- lichte Penelope. Eine keuſche Seele ſchreitet begieriger in das Ehebette eines Schaͤffers/ als in das Zimmer Koͤniglicher Kebsweiber. Denn die Pracht der Welt und das Gluͤcke der Men- ſchen hat ein falſches Licht/ an dem nichts tauer- hafft/ als der Unbeſtand iſt. Die Tugend al- leine hat Beſtand und Vergnuͤgung. Die Keuſchheit hegt die empfindlichſte Ergetzligkeit; Sie iſt der herrlichſte Aufputz der Schoͤnheit. Wolluſt aber gebieret Reue und Eckel. Alſo muſten nach gegebenem Zeichen zu hoͤchſter Verwunderung aller Anweſenden dieſe hieruͤ- ber zugleich verſtummenden irrdiſchen Goͤttin- nen den Koͤniglichen Saal raͤumen. Jch ge- ſtehe es/ ſagte Rhemetalces/ dieſe Enteuſerung iſt hundertfach ruͤhmlicher/ als Xenocratens/ der die geilen Umhalſungen der allgemeinen Phry- ne ſo theuer nicht bezahlen wollen/ und des Sci- pio/ der die zu neu Carthago gefangene Braut ihrem Luccejus unverſehrt aushaͤndigte. Jn al- le Wege/ verſetzte Zeno. Dannenher dieſe recht Koͤnigliche Entſchluͤſſung nicht allein dem Hu- hanſien die Gemuͤther der Serer/ welche der Keuſchheit die Oberſtelle aller Tugenden zu- eignen/ ihren Liebhabern nicht ſelten Ehren- und Sieges-Vogen aufſetzen/ und den nach ſei- ner Gemahlin Tode nicht wieder heyrathenden Koͤnig J i i i 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/675>, abgerufen am 22.11.2024.