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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der zuweilen hundert und zwantzig Tage nach
einander mit Auffopfferung vieler tausend
Fechter besänfftigt haben. Es läst sich noch ver-
schmertzen: daß Römische Bürger ihre Gast-
mahle nicht vor vergnüglich halten/ wenn nicht
ihr Tisch mit dem Blute der dabey kämpffenden
Deutschen bespritzt wird; welche man hierzu
vorher mit niedlichen Speisen in gewissen Ge-
mächern mit Fleiß gemästet hat. Denn hierdurch
ist von unsern Feinden nichts als das Leben ver-
sehret worden/ worüber ein Uberwinder aller-
dings ein Recht erlangt. Aber die Schändung
unserer Kinder/ die Verunehrung unser Wei-
ber/ und zwar unter dem Scheine der Freund-
schafft/ ist ein unverdauliches und nur mit ihrem
Blute ausleschliches Unrecht. Was haben un-
sere Augen kurtz vorher an der Leiche der tu-
gendhafften Walpurgis für ein Trauerspiel
anschauen müssen? Warlich ihre stummen Lip-
pen haben in ihrer Seele eine solche Krafft der
Beredsamkeit/ daß/ wenn ich auch nie gemeint ge-
west wäre der Römer Feind zu werden/ ich mich
mit ihnen zu brechen nur dieser Greuelthat hal-
ben entschlüssen müste. Diese todte Rednerin
ist mir mit ihrer nachdrücklichen Betagung der
Rache zuvor kommen: daß ich mit wichtigen
gründen euch zum Kriege zu bereden überhoben
zu seyn scheine. Es ist ein besonder Geheimnüß
des Verhängnüsses: daß es das Laster der Un-
zucht nichts minder zum Fallbrete mächtigster
Reiche/ als zum Fallstricke grössester Uberwin-
der erkieset. Daher ich festiglich glaube: daß
die Schandthat des Varus ihm den Hals bre-
chen/ und der Römischen Herrschafft in Deutsch-
land einen tödtlichen Stoß versetzen werde; wenn
wir anders den/ welchen das Schrecken über
seiner Boßheit furchtsam/ die Furcht verzagt
und taumelnd macht/ durch unsere Unachtsam-
keit sich nicht wieder erholen lassen. Meinen
aber wir an der Beschimpffung des Fürsten
Melo kein Theil zu haben; so behertzigt den un-
ermeßlichen Geitz und Grausamkeit dieses
[Spaltenumbruch] Wüterichs/ welcher auch dar Schätze gesamm-
let/ wo niemand für ihm einige gesucht; und für
einen Centner Ertzt gerne tausend Deutsche ver-
graben hat; in dem er die Klüffte unsers Hartz-
waldes gleich einem Maulwurffe durchfahren/
und unzehlich viel unser darüber schmachten-
der Landesleute noch bey Lebzeiten in eine Hölle
verdammet hat/ biß er die Gold- und Silber-
Adern erfunden/ welche die Natur oder die
mehr milden als zornigen Götter für den uner-
sättlichen Augen der Menschen verborgen hat-
ten. Auch hat nicht nur er sich mit unserm
Schweiß und Blute angefüllet; sondern zu Be-
festigung seines ungewöhnlichen Richterstuls
uns den durstigen Aegeln der Zancksüchtigen
Sachredner zum Raube übergeben; welche die
Deutschen nicht nur biß auffs Blut ausgeso-
gen/ sondern ihnen mit ihren gifftigen Zungen
durch Seel und Hertz gedrungen. Jst wohl
eine schimpfflichere Dienstbarkeit zu ersinnen;
als daß die edlen Deutschen sich von einem ge-
ringen Ausländer/ der vielleicht nicht seinen
Großvater zu nennen weiß/ müßen urtheilen
lassen? daß Deutschland seine heilsame Sitten/
welche die Römer ehmahls selbst anderer Völ-
cker besten Gesetzen weit fürgezogen haben/ zu
Bodem treten/ ihm fremde Rechte auffdrin-
gen/ oder vielmehr nach andern Begierden ihm
Ehre/ Hals und Vermögen absprechen lassen/
auch Beil und Stecken gleichsam zum tägli-
chen Schrecken fürtragen sehen muß. Daß
wir Deutschen in Deutschland unsere Noth-
durfft und Gemüths-Meinung nicht in unse-
rer uhralten Muttersprache fürtragen dörffen/
sondern auch Fürsten durch den Mund lateini-
scher Knechte und Dolmetscher reden müssen?
Dieses aber ist grausamer als die Grausamkeit
selbst/ und unsern freyen Gemüthern unerträg-
lich/ daß sich dieser auffgeblasene Mensch für
Hoffarth selbst nicht kennet/ und die Edelsten
unter uns am verächtlichsten hält. Wie viel
Stunden muß offters ein deutscher Fürst/ wel-

chem
C 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der zuweilen hundert und zwantzig Tage nach
einander mit Auffopfferung vieler tauſend
Fechter beſaͤnfftigt haben. Es laͤſt ſich noch ver-
ſchmertzen: daß Roͤmiſche Buͤrger ihre Gaſt-
mahle nicht vor vergnuͤglich halten/ wenn nicht
ihr Tiſch mit dem Blute der dabey kaͤmpffenden
Deutſchen beſpritzt wird; welche man hierzu
vorher mit niedlichen Speiſen in gewiſſen Ge-
maͤchern mit Fleiß gemaͤſtet hat. Deñ hierdurch
iſt von unſern Feinden nichts als das Leben ver-
ſehret worden/ woruͤber ein Uberwinder aller-
dings ein Recht erlangt. Aber die Schaͤndung
unſerer Kinder/ die Verunehrung unſer Wei-
ber/ und zwar unter dem Scheine der Freund-
ſchafft/ iſt ein unverdauliches und nur mit ihrem
Blute ausleſchliches Unrecht. Was haben un-
ſere Augen kurtz vorher an der Leiche der tu-
gendhafften Walpurgis fuͤr ein Trauerſpiel
anſchauen muͤſſen? Warlich ihre ſtummen Lip-
pen haben in ihrer Seele eine ſolche Krafft der
Beꝛedſamkeit/ daß/ weñ ich auch nie gemeint ge-
weſt waͤre der Roͤmer Feind zu werden/ ich mich
mit ihnen zu brechen nur dieſer Greuelthat hal-
ben entſchluͤſſen muͤſte. Dieſe todte Rednerin
iſt mir mit ihrer nachdruͤcklichen Betagung der
Rache zuvor kommen: daß ich mit wichtigen
gruͤnden euch zum Kriege zu bereden uͤberhoben
zu ſeyn ſcheine. Es iſt ein beſonder Geheimnuͤß
des Verhaͤngnuͤſſes: daß es das Laſter der Un-
zucht nichts minder zum Fallbrete maͤchtigſter
Reiche/ als zum Fallſtricke groͤſſeſter Uberwin-
der erkieſet. Daher ich feſtiglich glaube: daß
die Schandthat des Varus ihm den Hals bre-
chen/ und der Roͤmiſchen Herrſchafft in Deutſch-
land einen toͤdtlichen Stoß verſetzen werde; weñ
wir anders den/ welchen das Schrecken uͤber
ſeiner Boßheit furchtſam/ die Furcht verzagt
und taumelnd macht/ durch unſere Unachtſam-
keit ſich nicht wieder erholen laſſen. Meinen
aber wir an der Beſchimpffung des Fuͤrſten
Melo kein Theil zu haben; ſo behertzigt den un-
ermeßlichen Geitz und Grauſamkeit dieſes
[Spaltenumbruch] Wuͤterichs/ welcher auch dar Schaͤtze geſamm-
let/ wo niemand fuͤr ihm einige geſucht; und fuͤr
einen Centner Ertzt gerne tauſend Deutſche ver-
graben hat; in dem er die Kluͤffte unſers Hartz-
waldes gleich einem Maulwurffe durchfahren/
und unzehlich viel unſer daruͤber ſchmachten-
der Landesleute noch bey Lebzeiten in eine Hoͤlle
verdammet hat/ biß er die Gold- und Silber-
Adern erfunden/ welche die Natur oder die
mehr milden als zornigen Goͤtter fuͤr den uner-
ſaͤttlichen Augen der Menſchen verborgen hat-
ten. Auch hat nicht nur er ſich mit unſerm
Schweiß und Blute angefuͤllet; ſondern zu Be-
feſtigung ſeines ungewoͤhnlichen Richterſtuls
uns den durſtigen Aegeln der Zanckſuͤchtigen
Sachredner zum Raube uͤbergeben; welche die
Deutſchen nicht nur biß auffs Blut ausgeſo-
gen/ ſondern ihnen mit ihren gifftigen Zungen
durch Seel und Hertz gedrungen. Jſt wohl
eine ſchimpfflichere Dienſtbarkeit zu erſinnen;
als daß die edlen Deutſchen ſich von einem ge-
ringen Auslaͤnder/ der vielleicht nicht ſeinen
Großvater zu nennen weiß/ muͤßen urtheilen
laſſen? daß Deutſchland ſeine heilſame Sitten/
welche die Roͤmer ehmahls ſelbſt anderer Voͤl-
cker beſten Geſetzen weit fuͤrgezogen haben/ zu
Bodem treten/ ihm fremde Rechte auffdrin-
gen/ oder vielmehr nach andern Begierden ihm
Ehre/ Hals und Vermoͤgen abſprechen laſſen/
auch Beil und Stecken gleichſam zum taͤgli-
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wir Deutſchen in Deutſchland unſere Noth-
durfft und Gemuͤths-Meinung nicht in unſe-
rer uhralten Mutterſprache fuͤrtragen doͤrffen/
ſondern auch Fuͤrſten durch den Mund lateini-
ſcher Knechte und Dolmetſcher reden muͤſſen?
Dieſes aber iſt grauſamer als die Grauſamkeit
ſelbſt/ und unſern freyen Gemuͤthern unertraͤg-
lich/ daß ſich dieſer auffgeblaſene Menſch fuͤr
Hoffarth ſelbſt nicht kennet/ und die Edelſten
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/67>, abgerufen am 22.11.2024.