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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zwar an sich selbst nicht falsch/ aber zum Miß-
brauch überaus diente. Dieses wäre die Be-
redsamkeit/ die Dichter - Bau - Stern- und
Meß-Kunst/ ja alle dieselben Wissenschafften/
welche an sich eine angeborne Liebligkeit hätten/
die Ruhe liebten/ dem Kriege und rauhen Arten
feind wären. Durch diese verlernte man die
Krieges-Ubungen/ der Leib würde verzärtelt/
das Gemüthe eingeschläft/ das Volck zu Schau-
spielen und andern Kurtzweilen verliebet/ und
den tapfersten Leuten unvermerckt das Hertz aus
der Brust/ und das Schwerdt aus den Händen
gerissen. Durch dis Kunst-Stücke hätte Cy-
rus die Lydier/ Aristodemus die Cumaner ge-
bändiget/ indem jener ihnen Pferde und Waf-
fen genommen/ hingegen Wirths- und Huren-
Häuser aufgerichtet; dieser aber der Bürger
Söhne biß ins zwanzigste Jahr im Frauen-
Zimmer unter Bisam und Balsam erzogen/
welche zuvor im zehnden schon in das staubichte
Lager genommen worden. Denen Römern
wäre es bey Menschen Gedencken mit den Bri-
tanniern/ welche sie Tempel/ Raths-Häuser/
und Bäder zu bauen/ sich in der Lateinischen
Beredsamkeit zu üben/ Lust-Spielen und Ga-
stereyen zu ergeben angewöhnet/ glücklich ange-
gangen/ daß sie ihnen unter dem Schein der
Höfligkeit das Seil der Dienstbarkeit an die
Hörner geschlingt. Dieses hätte seine Vorfahren/
als sie in Griechenland und Gallien eingebro-
chen/ beweget/ daß sie von Verbrennung ihrer
Bücher abgelassen/ weil sie nach und nach
wahrgenommen/ daß sie daraus wohl gelehrt/
aber auch weibisch worden. Und er erin-
nere sich zu Rom gehört zu haben/ daß Cato stets
im Munde geführet: Rom hätte seine Freyheit
verlohren/ als die Künste der Griechen bey ihnen
Bürger-Recht gewonnen. Ja er habe zuwege
gebracht/ daß drey beruffene Griechische Redner
alsofort wieder wären nach Hause geschickt wor-
den. Rhemetalces versetzte: Dieses ist nicht
die Schuld dieser herrlichen Künste und Wissen-
[Spaltenumbruch] schafften/ sondern derselben/ die sich ihrer schänd-
lich mißbrauchen. Soll man aber darumb
alle Rosen-Sträuche ausrotten/ weil die Spin-
ne Gift daraus sauget; oder gar den Gottes-
Dienst aufheben/ weil die Thorheit ihn zum
Aberglauben macht? Die Lehre der Tugend
und Sitten ist freylich wohl der Kern der Welt-
weißheit/ die Tugend aber selbst nicht so unbarm-
hertzig/ daß sie dem menschlichen Gemüthe alle
Anmuth mißgönnen/ und iede Ergetzligkeit ver-
stören solte. Die Oelbäume vertrügen neben
sich die Myrthen/ der Wein - Stock das an-
nehmliche Blumwerck. Und ich möchte selbst
in keiner Stadt wohnen/ in welcher alle Woh-
nungen Zeughäuser oder Ruder-Bäncke wä-
ren. Soll man aber dieser Weißheit gram wer-
den/ weil der Mißbrauch ihr Leid anthut? Jch
meyne vielmehr/ daß ihre Unschuld nichts min-
der zu beweinen sey/ als eine Jungfrau/ welcher
die Geilheit Unehre zumuthet. Fürst Zeno ant-
wortete: Jch habe in meiner Erzehlung weder
die sauersehende/ noch auch die anmuthige Welt-
weißheit verdammet; sondern allein die Serer
getadelt/ daß sie dieser allein umbarmet/ die
Kriegs-Kunst aber zur Thüre hinaus gestossen/
und hierdurch ihr mächtiges Reich/ für dessen
Kräfften gantz Asien zittern solte/ zum Raube
schwächerer Völcker gemacht. Wiewohl ich
gestehe/ daß sie dieses mal ihren Mann noch ziem-
lich gewehret: Dahero denn auch die Schlacht
den halben Tag mit gleichem Glücke abwechsel-
te/ biß Zingis ein Scythischer Fürst nebst dreissig
tausend auserlesenen Nomaden und Sarma-
tern hinter dem Berge Chungie herfür kam/
und den Serern recht in Rücken fiel; da denn
zwar jene einen Vortheil zu kriegen schienen/
iedoch brachte der tapfere König Juen durch sei-
ne Hertzhaftigkeit/ und die neue Hülffe des Se-
rischen Hinterhalts alles wieder in gleiches Ge-
wichte. Weil nun der in gelben Kleidern allein
prangende König Juen fast allenthalben/ wo es
am gefährlichsten schien/ an der Spitze fochte/

und
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zwar an ſich ſelbſt nicht falſch/ aber zum Miß-
brauch uͤberaus diente. Dieſes waͤre die Be-
redſamkeit/ die Dichter - Bau - Stern- und
Meß-Kunſt/ ja alle dieſelben Wiſſenſchafften/
welche an ſich eine angeborne Liebligkeit haͤtten/
die Ruhe liebten/ dem Kriege und rauhen Arten
feind waͤren. Durch dieſe verlernte man die
Krieges-Ubungen/ der Leib wuͤrde verzaͤrtelt/
das Gemuͤthe eingeſchlaͤft/ das Volck zu Schau-
ſpielen und andern Kurtzweilen verliebet/ und
den tapferſten Leuten unvermerckt das Hertz aus
der Bruſt/ und das Schwerdt aus den Haͤnden
geriſſen. Durch dis Kunſt-Stuͤcke haͤtte Cy-
rus die Lydier/ Ariſtodemus die Cumaner ge-
baͤndiget/ indem jener ihnen Pferde und Waf-
fen genommen/ hingegen Wirths- und Huren-
Haͤuſer aufgerichtet; dieſer aber der Buͤrger
Soͤhne biß ins zwanzigſte Jahr im Frauen-
Zimmer unter Biſam und Balſam erzogen/
welche zuvor im zehnden ſchon in das ſtaubichte
Lager genommen worden. Denen Roͤmern
waͤre es bey Menſchen Gedencken mit den Bri-
tanniern/ welche ſie Tempel/ Raths-Haͤuſer/
und Baͤder zu bauen/ ſich in der Lateiniſchen
Beredſamkeit zu uͤben/ Luſt-Spielen und Ga-
ſtereyen zu ergeben angewoͤhnet/ gluͤcklich ange-
gangen/ daß ſie ihnen unter dem Schein der
Hoͤfligkeit das Seil der Dienſtbarkeit an die
Hoͤrner geſchlingt. Dieſes haͤtte ſeine Vorfahrẽ/
als ſie in Griechenland und Gallien eingebro-
chen/ beweget/ daß ſie von Verbrennung ihrer
Buͤcher abgelaſſen/ weil ſie nach und nach
wahrgenommen/ daß ſie daraus wohl gelehrt/
aber auch weibiſch worden. Und er erin-
nere ſich zu Rom gehoͤrt zu haben/ daß Cato ſtets
im Munde gefuͤhret: Rom haͤtte ſeine Freyheit
verlohren/ als die Kuͤnſte der Griechen bey ihnen
Buͤrger-Recht gewonnen. Ja er habe zuwege
gebracht/ daß drey beruffene Griechiſche Redner
alſofort wieder waͤren nach Hauſe geſchickt wor-
den. Rhemetalces verſetzte: Dieſes iſt nicht
die Schuld dieſer herrlichen Kuͤnſte und Wiſſen-
[Spaltenumbruch] ſchafften/ ſondern derſelben/ die ſich ihrer ſchaͤnd-
lich mißbrauchen. Soll man aber darumb
alle Roſen-Straͤuche ausrotten/ weil die Spin-
ne Gift daraus ſauget; oder gar den Gottes-
Dienſt aufheben/ weil die Thorheit ihn zum
Aberglauben macht? Die Lehre der Tugend
und Sitten iſt freylich wohl der Kern der Welt-
weißheit/ die Tugend aber ſelbſt nicht ſo unbarm-
hertzig/ daß ſie dem menſchlichen Gemuͤthe alle
Anmuth mißgoͤnnen/ und iede Ergetzligkeit ver-
ſtoͤren ſolte. Die Oelbaͤume vertruͤgen neben
ſich die Myrthen/ der Wein - Stock das an-
nehmliche Blumwerck. Und ich moͤchte ſelbſt
in keiner Stadt wohnen/ in welcher alle Woh-
nungen Zeughaͤuſer oder Ruder-Baͤncke waͤ-
ren. Soll man aber dieſer Weißheit gram wer-
den/ weil der Mißbrauch ihr Leid anthut? Jch
meyne vielmehr/ daß ihre Unſchuld nichts min-
der zu beweinen ſey/ als eine Jungfrau/ welcher
die Geilheit Unehre zumuthet. Fuͤrſt Zeno ant-
wortete: Jch habe in meiner Erzehlung weder
die ſauerſehende/ noch auch die anmuthige Welt-
weißheit verdammet; ſondern allein die Serer
getadelt/ daß ſie dieſer allein umbarmet/ die
Kriegs-Kunſt aber zur Thuͤre hinaus geſtoſſen/
und hierdurch ihr maͤchtiges Reich/ fuͤr deſſen
Kraͤfften gantz Aſien zittern ſolte/ zum Raube
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geſtehe/ daß ſie dieſes mal ihren Mann noch ziem-
lich gewehret: Dahero denn auch die Schlacht
den halben Tag mit gleichem Gluͤcke abwechſel-
te/ biß Zingis ein Scythiſcher Fuͤrſt nebſt dreiſſig
tauſend auserleſenen Nomaden und Sarma-
tern hinter dem Berge Chungie herfuͤr kam/
und den Serern recht in Ruͤcken fiel; da denn
zwar jene einen Vortheil zu kriegen ſchienen/
iedoch brachte der tapfere Koͤnig Juen durch ſei-
ne Hertzhaftigkeit/ und die neue Huͤlffe des Se-
riſchen Hinterhalts alles wieder in gleiches Ge-
wichte. Weil nun der in gelben Kleidern allein
prangende Koͤnig Juen faſt allenthalben/ wo es
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/669>, abgerufen am 23.11.2024.