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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] unerträgliche Schmach hätte Huhansien zu rä-
chen bey der Sebel und Nacht-Eule geschworen/
welche die Tattern so klug und so heilig/ als die der
Pallas opffernden Athenienser verehrten/ sich
auch alsbald mit denen verhandenen Kräfften
auffgemacht/ die Serer nicht allein aus denen
in Tebet und Ususang habenden Orten getrie-
ben/ sondern auch in Xensi die Grentz-Festung
Socheu erobert/ folgends über den Saffran-
Fluß gesetzt/ und auff dem Gebürge Pexe den
belagerten Leanghoejus mit seinem halben Se-
rischen Heere durch Durst getödtet. Weil a-
ber hierüber Juen seines gantzen Reiches
Macht auff geführet/ hätte nunmehr auch Hu-
hansien alle seine Kräfften zusammen gesucht/
und fast alle Tatterische Könige in sein Bünd-
niß gebracht. Weil nun die Nord-Tattern
gleichfals in Xensi oder Xansi/ sein anders Heer
aber durch Tibee einbrechen solten/ versehen sie
sich eines erwünschten Fortganges; sonderlich
weil die Gerechtigkeit der Sache ihrer Kriegs-
Wage den Ausschlag gäbe. Dieses/ sagte Ze-
no/ wäre die Erzehlung des Scythischen Fürsten
gewest.

Unsere Reise aber anreichend/ so bald das
Scythische Kriegs-Heer über das Damasische
Gebürge an den Fluß Lu kam/ führte König
Huhansien selbtes in so schneller Eyl auff etlich
tausend kleinen Schiffen Strom ab/ und kam
über den See Mahu (der diesen Nahmen von
einem einst darauff gesehenen Drachen-Pfer-
de bekommen haben soll) so unversehens für die
vom Könige Hiaovus erbaute Stadt Jangko/
daß die Einwohner meinten/ wir fielen ihnen
vom Himmel auff den Halß. Dieses Schre-
cken öffnete uns alsobald die Pforten der Stadt/
und wir segelten nun mit allhier eroberten grös-
sern Schiffen auff dem strengen Fluße Mahu
hinunter/ und kamen für die mächtige Stadt
Siucheu/ dessen Mauern von diesem und dem
Flusse Kiang bestrichen werden. Diese stellten
sich zwar Anfangs zu tapfferer Gegenwehr/ und
[Spaltenumbruch] wir würden Noth gehabt haben/ diese von der
Natur so wohl befestigte Stadt zu erobern/ wenn
sie nicht ein thörichter Aberglaube/ welcher die
Furchtsamsten in Löwen/ die Hertzhafftigsten a-
ber in Hasen zu verwandeln vermag/ in der Scy-
then Hände geliefert hätte. Diese Stadt/ sagte
Zeno/ ist überlegt mit redenden Papagoyen und
andern Vögeln. Von diesen kam drey Tage
nach einander ein Papagoy auff die Spitze
des fürnehmsten Tempels zu sitzen/ und rieff mit
heller Stimme: Würden sie die Stadt nicht er-
geben/ so würde keine Seele den Scythischen
Schwerdtern entrinnen. Huhansien erfuhr
diese Begebenheit von einem Uberläuffer; Da-
her schickte er auff den Morgen eine Tafel/ dar-
auff eben diese des Papagoyens Worte geschrie-
ben waren/ nebst einer brennenden Fackel und
blutigem Schwerdte zum Zeichen ihrer Einä-
scherung und Unter gangs in die Stadt. Weil
nun die Serer glauben/ daß die Seelen der ab-
sterben den Menschen in ein ihrem Leben gleich
geartetes Thier/ der Weltweisen aber fürnehm-
lich in solche beredsame Vogel fahren; Uber diß
die Ubereinstimmung des Ausfoderungs-Schrei-
ben und des wahrsagenden Papagoyen merck-
würdig überein traff/ schickten sie noch selbigen
Tag zwölff Mandarinen heraus/ welche dem
Huhansien einen Fußfall thaten/ und ihm die
Stadt ergaben. Also ist die Vernunfft auch
der scharffsichtigsten Weltweisen/ wenn selbte
nicht von der göttlichen Versehung geleitet
wird/ ein Compaßohne Magnet-Nadel. Hu-
hansien zohe in die Stadt/ nicht als wie zu Fein-
den/ sondern als seinen geliebten Unterthanen
ein; kein Scythe dorffte einigem Einwohner
ein Haar krümmen; er ver geringerte ihnen ihre
Schatzung/ und alles Thun dieses gütigen Kö-
niges schien denen Uberwundenen ein Wun-
derwerck/ weil selbter ihnen mehr Wohlthaten
erzeigte/ als sie von einem Lands-Vater hätten
hoffen können. Wie nun Huhansien von die-
ser Stadt mit viel Köstligkeiten/ als edlen Stei-

nen

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] unertraͤgliche Schmach haͤtte Huhanſien zu raͤ-
chen bey deꝛ Sebel und Nacht-Eule geſchworen/
welche die Tattern ſo klug uñ ſo heilig/ als die der
Pallas opffernden Athenienſer verehrten/ ſich
auch alsbald mit denen verhandenen Kraͤfften
auffgemacht/ die Serer nicht allein aus denen
in Tebet und Uſuſang habenden Orten getrie-
ben/ ſondern auch in Xenſi die Grentz-Feſtung
Socheu erobert/ folgends uͤber den Saffran-
Fluß geſetzt/ und auff dem Gebuͤrge Pexe den
belagerten Leanghoejus mit ſeinem halben Se-
riſchen Heere durch Durſt getoͤdtet. Weil a-
ber hieruͤber Juen ſeines gantzen Reiches
Macht auff gefuͤhret/ haͤtte nunmehr auch Hu-
hanſien alle ſeine Kraͤfften zuſammen geſucht/
und faſt alle Tatteriſche Koͤnige in ſein Buͤnd-
niß gebracht. Weil nun die Nord-Tattern
gleichfals in Xenſi oder Xanſi/ ſein anders Heer
aber durch Tibee einbrechen ſolten/ verſehen ſie
ſich eines erwuͤnſchten Fortganges; ſonderlich
weil die Gerechtigkeit der Sache ihrer Kriegs-
Wage den Ausſchlag gaͤbe. Dieſes/ ſagte Ze-
no/ waͤre die Erzehlung des Scythiſchen Fuͤrſten
geweſt.

Unſere Reiſe aber anreichend/ ſo bald das
Scythiſche Kriegs-Heer uͤber das Damaſiſche
Gebuͤrge an den Fluß Lu kam/ fuͤhrte Koͤnig
Huhanſien ſelbtes in ſo ſchneller Eyl auff etlich
tauſend kleinen Schiffen Strom ab/ und kam
uͤber den See Mahu (der dieſen Nahmen von
einem einſt darauff geſehenen Drachen-Pfer-
de bekommen haben ſoll) ſo unverſehens fuͤr die
vom Koͤnige Hiaovus erbaute Stadt Jangko/
daß die Einwohner meinten/ wir fielen ihnen
vom Himmel auff den Halß. Dieſes Schre-
cken oͤffnete uns alſobald die Pforten der Stadt/
und wir ſegelten nun mit allhier eroberten groͤſ-
ſern Schiffen auff dem ſtrengen Fluße Mahu
hinunter/ und kamen fuͤr die maͤchtige Stadt
Siucheu/ deſſen Mauern von dieſem und dem
Fluſſe Kiang beſtrichen werden. Dieſe ſtellten
ſich zwar Anfangs zu tapfferer Gegenwehr/ und
[Spaltenumbruch] wir wuͤrden Noth gehabt haben/ dieſe von der
Natur ſo wohl befeſtigte Stadt zu erobern/ weñ
ſie nicht ein thoͤrichter Aberglaube/ welcher die
Furchtſamſten in Loͤwen/ die Hertzhafftigſten a-
ber in Haſen zu verwandeln vermag/ in deꝛ Scy-
then Haͤnde geliefert haͤtte. Dieſe Stadt/ ſagte
Zeno/ iſt uͤberlegt mit redenden Papagoyen und
andern Voͤgeln. Von dieſen kam drey Tage
nach einander ein Papagoy auff die Spitze
des fuͤrnehmſten Tempels zu ſitzen/ und rieff mit
heller Stimme: Wuͤrden ſie die Stadt nicht er-
geben/ ſo wuͤrde keine Seele den Scythiſchen
Schwerdtern entrinnen. Huhanſien erfuhr
dieſe Begebenheit von einem Uberlaͤuffer; Da-
her ſchickte er auff den Morgen eine Tafel/ dar-
auff eben dieſe des Papagoyens Worte geſchrie-
ben waren/ nebſt einer brennenden Fackel und
blutigem Schwerdte zum Zeichen ihrer Einaͤ-
ſcherung und Unter gangs in die Stadt. Weil
nun die Serer glauben/ daß die Seelen der ab-
ſterben den Menſchen in ein ihrem Leben gleich
geartetes Thier/ der Weltweiſen aber fuͤrnehm-
lich in ſolche beredſame Vogel fahren; Uber diß
die Ubereinſtim̃ung des Ausfoderungs-Schrei-
ben und des wahrſagenden Papagoyen merck-
wuͤrdig uͤberein traff/ ſchickten ſie noch ſelbigen
Tag zwoͤlff Mandarinen heraus/ welche dem
Huhanſien einen Fußfall thaten/ und ihm die
Stadt ergaben. Alſo iſt die Vernunfft auch
der ſcharffſichtigſten Weltweiſen/ wenn ſelbte
nicht von der goͤttlichen Verſehung geleitet
wird/ ein Compaßohne Magnet-Nadel. Hu-
hanſien zohe in die Stadt/ nicht als wie zu Fein-
den/ ſondern als ſeinen geliebten Unterthanen
ein; kein Scythe dorffte einigem Einwohner
ein Haar kruͤm̃en; er ver geringerte ihnen ihre
Schatzung/ und alles Thun dieſes guͤtigen Koͤ-
niges ſchien denen Uberwundenen ein Wun-
derwerck/ weil ſelbter ihnen mehr Wohlthaten
erzeigte/ als ſie von einem Lands-Vater haͤtten
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ſer Stadt mit viel Koͤſtligkeiten/ als edlen Stei-

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[606/0662] Fuͤnfftes Buch unertraͤgliche Schmach haͤtte Huhanſien zu raͤ- chen bey deꝛ Sebel und Nacht-Eule geſchworen/ welche die Tattern ſo klug uñ ſo heilig/ als die der Pallas opffernden Athenienſer verehrten/ ſich auch alsbald mit denen verhandenen Kraͤfften auffgemacht/ die Serer nicht allein aus denen in Tebet und Uſuſang habenden Orten getrie- ben/ ſondern auch in Xenſi die Grentz-Feſtung Socheu erobert/ folgends uͤber den Saffran- Fluß geſetzt/ und auff dem Gebuͤrge Pexe den belagerten Leanghoejus mit ſeinem halben Se- riſchen Heere durch Durſt getoͤdtet. Weil a- ber hieruͤber Juen ſeines gantzen Reiches Macht auff gefuͤhret/ haͤtte nunmehr auch Hu- hanſien alle ſeine Kraͤfften zuſammen geſucht/ und faſt alle Tatteriſche Koͤnige in ſein Buͤnd- niß gebracht. Weil nun die Nord-Tattern gleichfals in Xenſi oder Xanſi/ ſein anders Heer aber durch Tibee einbrechen ſolten/ verſehen ſie ſich eines erwuͤnſchten Fortganges; ſonderlich weil die Gerechtigkeit der Sache ihrer Kriegs- Wage den Ausſchlag gaͤbe. Dieſes/ ſagte Ze- no/ waͤre die Erzehlung des Scythiſchen Fuͤrſten geweſt. Unſere Reiſe aber anreichend/ ſo bald das Scythiſche Kriegs-Heer uͤber das Damaſiſche Gebuͤrge an den Fluß Lu kam/ fuͤhrte Koͤnig Huhanſien ſelbtes in ſo ſchneller Eyl auff etlich tauſend kleinen Schiffen Strom ab/ und kam uͤber den See Mahu (der dieſen Nahmen von einem einſt darauff geſehenen Drachen-Pfer- de bekommen haben ſoll) ſo unverſehens fuͤr die vom Koͤnige Hiaovus erbaute Stadt Jangko/ daß die Einwohner meinten/ wir fielen ihnen vom Himmel auff den Halß. Dieſes Schre- cken oͤffnete uns alſobald die Pforten der Stadt/ und wir ſegelten nun mit allhier eroberten groͤſ- ſern Schiffen auff dem ſtrengen Fluße Mahu hinunter/ und kamen fuͤr die maͤchtige Stadt Siucheu/ deſſen Mauern von dieſem und dem Fluſſe Kiang beſtrichen werden. Dieſe ſtellten ſich zwar Anfangs zu tapfferer Gegenwehr/ und wir wuͤrden Noth gehabt haben/ dieſe von der Natur ſo wohl befeſtigte Stadt zu erobern/ weñ ſie nicht ein thoͤrichter Aberglaube/ welcher die Furchtſamſten in Loͤwen/ die Hertzhafftigſten a- ber in Haſen zu verwandeln vermag/ in deꝛ Scy- then Haͤnde geliefert haͤtte. Dieſe Stadt/ ſagte Zeno/ iſt uͤberlegt mit redenden Papagoyen und andern Voͤgeln. Von dieſen kam drey Tage nach einander ein Papagoy auff die Spitze des fuͤrnehmſten Tempels zu ſitzen/ und rieff mit heller Stimme: Wuͤrden ſie die Stadt nicht er- geben/ ſo wuͤrde keine Seele den Scythiſchen Schwerdtern entrinnen. Huhanſien erfuhr dieſe Begebenheit von einem Uberlaͤuffer; Da- her ſchickte er auff den Morgen eine Tafel/ dar- auff eben dieſe des Papagoyens Worte geſchrie- ben waren/ nebſt einer brennenden Fackel und blutigem Schwerdte zum Zeichen ihrer Einaͤ- ſcherung und Unter gangs in die Stadt. Weil nun die Serer glauben/ daß die Seelen der ab- ſterben den Menſchen in ein ihrem Leben gleich geartetes Thier/ der Weltweiſen aber fuͤrnehm- lich in ſolche beredſame Vogel fahren; Uber diß die Ubereinſtim̃ung des Ausfoderungs-Schrei- ben und des wahrſagenden Papagoyen merck- wuͤrdig uͤberein traff/ ſchickten ſie noch ſelbigen Tag zwoͤlff Mandarinen heraus/ welche dem Huhanſien einen Fußfall thaten/ und ihm die Stadt ergaben. Alſo iſt die Vernunfft auch der ſcharffſichtigſten Weltweiſen/ wenn ſelbte nicht von der goͤttlichen Verſehung geleitet wird/ ein Compaßohne Magnet-Nadel. Hu- hanſien zohe in die Stadt/ nicht als wie zu Fein- den/ ſondern als ſeinen geliebten Unterthanen ein; kein Scythe dorffte einigem Einwohner ein Haar kruͤm̃en; er ver geringerte ihnen ihre Schatzung/ und alles Thun dieſes guͤtigen Koͤ- niges ſchien denen Uberwundenen ein Wun- derwerck/ weil ſelbter ihnen mehr Wohlthaten erzeigte/ als ſie von einem Lands-Vater haͤtten hoffen koͤnnen. Wie nun Huhanſien von die- ſer Stadt mit viel Koͤſtligkeiten/ als edlen Stei- nen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/662>, abgerufen am 22.11.2024.