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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Funfftes Buch
[Spaltenumbruch] Thai stehen/ ging mit fast allen seinen Kräfften
in aller Stille zurück über das Gebürge/ und
kam unverhoffter als der Blitz dem Serischen
Könige Lieupang auf den Hals/ jagte ihn mit
grossem Verluste von Taitung weg in das Ge-
bürge Peteng. Der darinnen belägerte Lieu-
pang ward gezwungen von dem Maotun demü-
thig Frieden zu bitten/ und ihn mit tausend Cent-
nern Silber zu erkauffen. Weil aber die be-
trüglichen Serer den Tattern in das Silber
viel Bley eingeschmeltzt hatten/ brach Maotun
aufs neue ein/ und versetzte dem Lieupang ein
solches Schrecken/ daß er ihm den Leuking mit
grossen Geschencken entgegen schickte/ und ihm/ so
gut erkönte/ Frieden zu schlüssen Vollmacht gab.
Dieser ward derogestalt getroffen/ daß die Se-
rer noch so viel Silber zahlten/ und der Serische
Reichs-Erbe Hoejus des Maotuns Tochter
heyrathen solte. Das erste ward gehalten;
die Tatterische Königs-Tochter aber ward be-
trüglich/ wiewohl mit Unwillen der beyden
Feld-Hauptleute Hansin und Chinhi/ einem
andern Serischen Fürsten beygelegt. Wie
nun dieser mit einem starcken Heere ge-
gen die einen neuen Einfall dräuenden Tat-
tern geschickt ward/ redete er den Hansin auf
wider den undanckbaren und betrüglichen Lieu-
pang sich zum Könige aufzuwerffen. Aber
dieser Anschlag ward entdeckt/ und durch Han-
sins Hinrichtung der Anschlag im käumen ersteckt;
Chinhiaber zu den Tattern zu fliehen genöthigt/
mit derer Beystand er biß an seinen Tod den Se-
rern genung zu schaffen machte. Nach sei-
nem Tode brachen die Nord - Tattern aufs
neue in Xamsi ein/ und muste des Königs Hoe-
jeus Mutter Liuheva des Königs Maotun
Sohn mit Verlobung ihrer Tochter/ und ei-
nem reichen Braut-Schatze versöhnen. Weil
aber diß letzte Versprechen nicht völlig erfolgte/
schickte der Tatterische König seine Braut der
Liuhera mit einem schimpflichen Schreiben
[Spaltenumbruch] zurücke. Dieses ehrsüchtige Weib/ welche
nach ihres Sohnes Absterben selbst die Se-
rische Herrschafft an sich zoh/ meynte zwar
Bäume auszureissen/ und die Tattern mit
Strumpf und Stiel auszurotten; aber ihr
Feldhauptmann Kipus dämpfte ihren unzeitigen
Eifer/ und versicherte sie: Wer an den Tattern
zum Ritter werden wolte/ müste in iedweder
Brust ein Männer-Hertze haben. Ungeach-
tet sie nun ihrem Enckel Uen das Serische
Reich abzutreten gezwungen ward/ vergassen
doch die Tattern nicht ihrer Rache/ sondern
überschwemmeten gantz Xansi biß an des al-
ten Königs Jvus Geburts-Stadt und König-
lichen Sitz Pingyang. Ob sie nun zwar/ als
der Feldherr Siang mit sieben hundert tausend
Serern auf sie loß ging/ für rathsam hielten/
mit ihrer Beute nach Hause zu kehren; ver-
knüpften sie sich doch mit den West-Tattern/
und brachen diese in Xensi/ jene in Xansi ein.
König Uen und sein berühmter Heerführer
Afu zohen beyden mit 3. mächtigen Heeren entge-
gen/ gleichwol aber hatten sie nicht das Hertze mit
ihnen zu schlagen/ sondern sie besetzten alleine
die Pässe/ schnidten ihnen alle Zufuhre ab/
nöthigten also hierdurch nach dem Beyspiele
des langsamen Fabius die Tattern/ daß sie
nach aufgezehrtem Vorrathe und Einäsche-
rung beyder Länder sich zurücke ziehen musten.
Uen starb kurtz hierauf/ und folgte ihm Hia-
cking; gegen diesen brachen die Nord-Tartern
in das Land Ki oder Yen/ und die von Westen
in Suchuen ein/ kehrten auch mit reicher Beu-
te nach Hause. Alleine hiermit ward auch
ihrem Glücke ein Ziel gesteckt/ als welches nie-
manden noch seiner Beständigkeit halber eini-
gen Bürgen gesetzt hat. Für Ursachen dieser
Enderung lassen sich nicht so wohl die Ein-
flüsse der Sternen/ als diese Umbstände anzie-
hen/ daß die Tattern durch ihr stetes Kriegen
die vorhin weichen Seren abgehärtet/ und

durch

Funfftes Buch
[Spaltenumbruch] Thai ſtehen/ ging mit faſt allen ſeinen Kraͤfften
in aller Stille zuruͤck uͤber das Gebuͤrge/ und
kam unverhoffter als der Blitz dem Seriſchen
Koͤnige Lieupang auf den Hals/ jagte ihn mit
groſſem Verluſte von Taitung weg in das Ge-
buͤrge Peteng. Der darinnen belaͤgerte Lieu-
pang ward gezwungẽ von dem Maotun demuͤ-
thig Frieden zu bitten/ und ihn mit tauſend Cent-
nern Silber zu erkauffen. Weil aber die be-
truͤglichen Serer den Tattern in das Silber
viel Bley eingeſchmeltzt hatten/ brach Maotun
aufs neue ein/ und verſetzte dem Lieupang ein
ſolches Schrecken/ daß er ihm den Leuking mit
groſſen Geſchenckẽ entgegen ſchickte/ und ihm/ ſo
gut erkoͤnte/ Friedẽ zu ſchluͤſſen Vollmacht gab.
Dieſer ward derogeſtalt getroffen/ daß die Se-
rer noch ſo viel Silber zahlten/ und der Seriſche
Reichs-Erbe Hoejus des Maotuns Tochter
heyrathen ſolte. Das erſte ward gehalten;
die Tatteriſche Koͤnigs-Tochter aber ward be-
truͤglich/ wiewohl mit Unwillen der beyden
Feld-Hauptleute Hanſin und Chinhi/ einem
andern Seriſchen Fuͤrſten beygelegt. Wie
nun dieſer mit einem ſtarcken Heere ge-
gen die einen neuen Einfall draͤuenden Tat-
tern geſchickt ward/ redete er den Hanſin auf
wider den undanckbaren und betruͤglichen Lieu-
pang ſich zum Koͤnige aufzuwerffen. Aber
dieſer Anſchlag ward entdeckt/ und durch Han-
ſins Hinrichtũg der Anſchlag im kaͤumẽ erſteckt;
Chinhiaber zu den Tattern zu fliehen genoͤthigt/
mit derer Beyſtand er biß an ſeinen Tod den Se-
rern genung zu ſchaffen machte. Nach ſei-
nem Tode brachen die Nord - Tattern aufs
neue in Xamſi ein/ und muſte des Koͤnigs Hoe-
jeus Mutter Liuheva des Koͤnigs Maotun
Sohn mit Verlobung ihrer Tochter/ und ei-
nem reichen Braut-Schatze verſoͤhnen. Weil
aber diß letzte Verſprechen nicht voͤllig erfolgte/
ſchickte der Tatteriſche Koͤnig ſeine Braut der
Liuhera mit einem ſchimpflichen Schreiben
[Spaltenumbruch] zuruͤcke. Dieſes ehrſuͤchtige Weib/ welche
nach ihres Sohnes Abſterben ſelbſt die Se-
riſche Herrſchafft an ſich zoh/ meynte zwar
Baͤume auszureiſſen/ und die Tattern mit
Strumpf und Stiel auszurotten; aber ihr
Feldhauptmañ Kipus daͤmpfte ihren unzeitigen
Eifer/ und verſicherte ſie: Wer an den Tattern
zum Ritter werden wolte/ muͤſte in iedweder
Bruſt ein Maͤnner-Hertze haben. Ungeach-
tet ſie nun ihrem Enckel Uen das Seriſche
Reich abzutreten gezwungen ward/ vergaſſen
doch die Tattern nicht ihrer Rache/ ſondern
uͤberſchwemmeten gantz Xanſi biß an des al-
ten Koͤnigs Jvus Geburts-Stadt und Koͤnig-
lichen Sitz Pingyang. Ob ſie nun zwar/ als
der Feldherr Siang mit ſieben hundert tauſend
Serern auf ſie loß ging/ fuͤr rathſam hielten/
mit ihrer Beute nach Hauſe zu kehren; ver-
knuͤpften ſie ſich doch mit den Weſt-Tattern/
und brachen dieſe in Xenſi/ jene in Xanſi ein.
Koͤnig Uen und ſein beruͤhmter Heerfuͤhrer
Afu zohen beydẽ mit 3. maͤchtigen Heeren entge-
gen/ gleichwol aber hatten ſie nicht das Hertze mit
ihnen zu ſchlagen/ ſondern ſie beſetzten alleine
die Paͤſſe/ ſchnidten ihnen alle Zufuhre ab/
noͤthigten alſo hierdurch nach dem Beyſpiele
des langſamen Fabius die Tattern/ daß ſie
nach aufgezehrtem Vorrathe und Einaͤſche-
rung beyder Laͤnder ſich zuruͤcke ziehen muſten.
Uen ſtarb kurtz hierauf/ und folgte ihm Hia-
cking; gegen dieſen brachen die Nord-Tartern
in das Land Ki oder Yen/ und die von Weſten
in Suchuen ein/ kehrten auch mit reicher Beu-
te nach Hauſe. Alleine hiermit ward auch
ihrem Gluͤcke ein Ziel geſteckt/ als welches nie-
manden noch ſeiner Beſtaͤndigkeit halber eini-
gen Buͤrgen geſetzt hat. Fuͤr Urſachen dieſer
Enderung laſſen ſich nicht ſo wohl die Ein-
fluͤſſe der Sternen/ als dieſe Umbſtaͤnde anzie-
hen/ daß die Tattern durch ihr ſtetes Kriegen
die vorhin weichen Seren abgehaͤrtet/ und

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[602/0658] Funfftes Buch Thai ſtehen/ ging mit faſt allen ſeinen Kraͤfften in aller Stille zuruͤck uͤber das Gebuͤrge/ und kam unverhoffter als der Blitz dem Seriſchen Koͤnige Lieupang auf den Hals/ jagte ihn mit groſſem Verluſte von Taitung weg in das Ge- buͤrge Peteng. Der darinnen belaͤgerte Lieu- pang ward gezwungẽ von dem Maotun demuͤ- thig Frieden zu bitten/ und ihn mit tauſend Cent- nern Silber zu erkauffen. Weil aber die be- truͤglichen Serer den Tattern in das Silber viel Bley eingeſchmeltzt hatten/ brach Maotun aufs neue ein/ und verſetzte dem Lieupang ein ſolches Schrecken/ daß er ihm den Leuking mit groſſen Geſchenckẽ entgegen ſchickte/ und ihm/ ſo gut erkoͤnte/ Friedẽ zu ſchluͤſſen Vollmacht gab. Dieſer ward derogeſtalt getroffen/ daß die Se- rer noch ſo viel Silber zahlten/ und der Seriſche Reichs-Erbe Hoejus des Maotuns Tochter heyrathen ſolte. Das erſte ward gehalten; die Tatteriſche Koͤnigs-Tochter aber ward be- truͤglich/ wiewohl mit Unwillen der beyden Feld-Hauptleute Hanſin und Chinhi/ einem andern Seriſchen Fuͤrſten beygelegt. Wie nun dieſer mit einem ſtarcken Heere ge- gen die einen neuen Einfall draͤuenden Tat- tern geſchickt ward/ redete er den Hanſin auf wider den undanckbaren und betruͤglichen Lieu- pang ſich zum Koͤnige aufzuwerffen. Aber dieſer Anſchlag ward entdeckt/ und durch Han- ſins Hinrichtũg der Anſchlag im kaͤumẽ erſteckt; Chinhiaber zu den Tattern zu fliehen genoͤthigt/ mit derer Beyſtand er biß an ſeinen Tod den Se- rern genung zu ſchaffen machte. Nach ſei- nem Tode brachen die Nord - Tattern aufs neue in Xamſi ein/ und muſte des Koͤnigs Hoe- jeus Mutter Liuheva des Koͤnigs Maotun Sohn mit Verlobung ihrer Tochter/ und ei- nem reichen Braut-Schatze verſoͤhnen. Weil aber diß letzte Verſprechen nicht voͤllig erfolgte/ ſchickte der Tatteriſche Koͤnig ſeine Braut der Liuhera mit einem ſchimpflichen Schreiben zuruͤcke. Dieſes ehrſuͤchtige Weib/ welche nach ihres Sohnes Abſterben ſelbſt die Se- riſche Herrſchafft an ſich zoh/ meynte zwar Baͤume auszureiſſen/ und die Tattern mit Strumpf und Stiel auszurotten; aber ihr Feldhauptmañ Kipus daͤmpfte ihren unzeitigen Eifer/ und verſicherte ſie: Wer an den Tattern zum Ritter werden wolte/ muͤſte in iedweder Bruſt ein Maͤnner-Hertze haben. Ungeach- tet ſie nun ihrem Enckel Uen das Seriſche Reich abzutreten gezwungen ward/ vergaſſen doch die Tattern nicht ihrer Rache/ ſondern uͤberſchwemmeten gantz Xanſi biß an des al- ten Koͤnigs Jvus Geburts-Stadt und Koͤnig- lichen Sitz Pingyang. Ob ſie nun zwar/ als der Feldherr Siang mit ſieben hundert tauſend Serern auf ſie loß ging/ fuͤr rathſam hielten/ mit ihrer Beute nach Hauſe zu kehren; ver- knuͤpften ſie ſich doch mit den Weſt-Tattern/ und brachen dieſe in Xenſi/ jene in Xanſi ein. Koͤnig Uen und ſein beruͤhmter Heerfuͤhrer Afu zohen beydẽ mit 3. maͤchtigen Heeren entge- gen/ gleichwol aber hatten ſie nicht das Hertze mit ihnen zu ſchlagen/ ſondern ſie beſetzten alleine die Paͤſſe/ ſchnidten ihnen alle Zufuhre ab/ noͤthigten alſo hierdurch nach dem Beyſpiele des langſamen Fabius die Tattern/ daß ſie nach aufgezehrtem Vorrathe und Einaͤſche- rung beyder Laͤnder ſich zuruͤcke ziehen muſten. Uen ſtarb kurtz hierauf/ und folgte ihm Hia- cking; gegen dieſen brachen die Nord-Tartern in das Land Ki oder Yen/ und die von Weſten in Suchuen ein/ kehrten auch mit reicher Beu- te nach Hauſe. Alleine hiermit ward auch ihrem Gluͤcke ein Ziel geſteckt/ als welches nie- manden noch ſeiner Beſtaͤndigkeit halber eini- gen Buͤrgen geſetzt hat. Fuͤr Urſachen dieſer Enderung laſſen ſich nicht ſo wohl die Ein- fluͤſſe der Sternen/ als dieſe Umbſtaͤnde anzie- hen/ daß die Tattern durch ihr ſtetes Kriegen die vorhin weichen Seren abgehaͤrtet/ und durch

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/658>, abgerufen am 22.11.2024.