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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] pels zu bescha uen/ wieder in das Thal/ fanden a-
ber alles denckwürdige entweder in Staub ver-
wandelt oder unter die Klippen vergraben; Aus-
ser des Prometheus Leichenstein/ den wir doch
im Tempel nie wahr genommen hatten/ lag an
einen Stein angelehnet/ dessen oberste Seite uns
mit seiner Schrifft benachrichtigte/ wo er her-
kommen wäre. Denn es war darauff zu lesen:

Prometheus nicht/ sein Staub liegt nur in dieser Höle;
Sein lebend Leib war schon in dieses Berges Klufft
Versperrt; die Sternen warn die Wohnung seiner Seele.
So war er halb gebohrn dem Himmel/ halb der Grufft.

Auff der andern und inwendigen Seite war
eingegraben:

Schilt nicht/ o kleine Welt/ auff Untergang und's Grab;
Dein Talg ist ja nur Staub/ dein Grund ein Thönern Fuß
Auch stürmst du auff dich selbst/ vergiebst durch Uberfluß
Gesunder Speisen dir; frist's Hertze dir selbst ab
Durch Ehrsucht/ Rache/ Geitz. Dein längster Mäßestab
Hält dreyzehn Spannen kaum; da der Verhängniß - Schluß
Der grossen Welt nicht schont/ wenn auch's Gestirne muß
Verschwinden/ das der Nacht so Licht als Leben gab.
Die Sonn' ist selbst nicht frey von Fleck und Eitelkeit/
Der Himmel schrumpffet ein/ wird ein vermodernd Kleid/
Der Sternen Oel verseugt/ die Tempel stehn entweih't
Die Flüsse trocknen aus/ der Berge Marck verstäubt.

Allhier war ein Stücke vom Steine abgebro-
chen/ und also mangelte der Schluß dieser Rey-
me. Weil wir denn ohne diß wegen Mattigkeit
und einbrechender Nacht allhier übernachten mu-
sten; grub ich mit einem daselbst befindlichen spi-
tzigen und harten Steine folgende Worte darzu:

Die Gräber fall'n in's Grab. Was frißt nun nicht die Zeit?
Nun auch die Asche nicht uneingeäschert bleibt.

Ob wir nun wohl nach der mehr durch unru-
hige Träume/ als durch sanfften Schlaff hinge-
brachte Nacht/ nicht Ursache hatten/ an diesem
gefährlichen Orte viel Zeit zu verspielen; so weiß
ich doch nicht: ob unsere Erbarmung über dieser
Verwüstung/ oder unser Vorwitz/ welcher auch
in denen Einäscherungen und in zermalmetem
Grausse herrlicher Gebäu etwas schönes zu fin-
den ihm eingebildet/ uns noch einen halben Tag
in Beschauung des zerdrümmerten Tempels
[Spaltenumbruch] aufhielt. Hierauff erinnerte uns die Begierde
unsers Magens auf unsere Speise und hiermit
auch auff Enderung unsers Ortes vorzusinnen.
Dem erstern Vergnügung zu schaffen/ fanden
wir nichts/ als etliche Wurtzeln. Dahero hätten
wir uns gerne in das von uns verlassene Para-
diß zurück gezogen/ wenn uns das Erdbeben
durch Abspaltung so vieler Stein-Klippen nicht
alle Wege verschrenckt hätte. Die Fürstin Syr-
manis kam in dieser Einöde wiederum die Liebe
ihres Vaterlandes an/ für welcher ihr so lange
geeckelt hatte. Daher rieth der ihr beystimmende
Oropastes/ wir solten unsern Weg nach Nord-
west einrich ten/ da wir entweder an die Brunden
des Flusses Hippus oder Agrus kommen würden/
welche beyde in diesem Gebürge ihren Ursprung
hätten/ und durch das Land Colchis in das Euxi-
nische Meer ihr Wasser ausschütteten. Wir be-
fahlen unsern wenigen Bedienten an den Fel-
sen hinauff zu klettern und zu erkundigen: Ob
wir daselbst aus diesem steinernen Gefängniße
einige Ausflucht finden könten? Aber nachdem
sie mit eusserster Lebens-Gefahr sich verstiegen/
wurden sie theils durch die Unmögligkeit ferner
zu kommen genöthiget/ theils durch unsere Zei-
chen verursachet mit noch grösserer Gefahr zu-
rück zu kehren. Weil wir nun durch unsere eus-
serste und beynahe verzweiffelnde Mühwaltung
nirgend anders/ als Ostwerts aus dem Crantze
dieser unsäglich hohen Berge endlich einen Weg
selbte zu übersteigen fanden/ musten wir hier nur
den Leitungen der Natur/ nicht unsers Willens
folgen. Wir kamen den dritten Tagan eine ziem-
lich starcke Bach/ welche gegen der Sonnen Auf-
gang von den Gebürgen abschoß. Dieser folg-
ten wir/ als unser Einbildung nach einer Weg-
weiserin zu dem Caspischen Meere/ und dannen-
hero auch in eine von Menschen bewohnte Land-
schafft; Welche letztere wir auch nach zweyer
Tage beschwerlicher Reyse erlangten/ auff der
uns gleichwohl etliche von unsern Pfeilen erleg-
te Gemsen zur Speise aushalffen. Daselbst nah-
men wir wahr/ wie diese Bach nebst etlichen an-

dern
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] pels zu beſcha uen/ wieder in das Thal/ fanden a-
ber alles denckwuͤrdige entweder in Staub ver-
wandelt oder unter die Klippen vergraben; Auſ-
ſer des Prometheus Leichenſtein/ den wir doch
im Tempel nie wahr genommen hatten/ lag an
einen Stein angelehnet/ deſſen obeꝛſte Seite uns
mit ſeiner Schrifft benachrichtigte/ wo er her-
kommen waͤre. Denn es war darauff zu leſen:

Prometheus nicht/ ſein Staub liegt nur in dieſer Hoͤle;
Sein lebend Leib war ſchon in dieſes Berges Klufft
Verſperrt; die Sternen warn die Wohnung ſeiner Seele.
So war er halb gebohrn dem Himmel/ halb der Grufft.

Auff der andern und inwendigen Seite war
eingegraben:

Schilt nicht/ o kleine Welt/ auff Untergang und’s Grab;
Dein Talg iſt ja nur Staub/ dein Grund ein Thoͤnern Fuß
Auch ſtuͤrmſt du auff dich ſelbſt/ vergiebſt durch Uberfluß
Geſunder Speiſen dir; friſt’s Hertze dir ſelbſt ab
Durch Ehrſucht/ Rache/ Geitz. Dein laͤngſter Maͤßeſtab
Haͤlt dreyzehn Spannen kaum; da der Verhaͤngniß - Schluß
Der groſſen Welt nicht ſchont/ wenn auch’s Geſtirne muß
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Die Sonn’ iſt ſelbſt nicht frey von Fleck und Eitelkeit/
Der Himmel ſchrumpffet ein/ wird ein vermodernd Kleid/
Der Sternen Oel verſeugt/ die Tempel ſtehn entweih’t
Die Fluͤſſe trocknen aus/ der Berge Marck verſtaͤubt.

Allhier war ein Stuͤcke vom Steine abgebro-
chen/ und alſo mangelte der Schluß dieſer Rey-
me. Weil wir denn ohne diß wegen Mattigkeit
uñ einbrechendeꝛ Nacht allhieꝛ uͤbernachten mu-
ſten; grub ich mit einem daſelbſt befindlichen ſpi-
tzigen und harten Steine folgende Worte darzu:

Die Graͤber fall’n in’s Grab. Was frißt nun nicht die Zeit?
Nun auch die Aſche nicht uneingeaͤſchert bleibt.

Ob wir nun wohl nach der mehr durch unru-
hige Traͤume/ als durch ſanfften Schlaff hinge-
brachte Nacht/ nicht Urſache hatten/ an dieſem
gefaͤhrlichen Orte viel Zeit zu verſpielen; ſo weiß
ich doch nicht: ob unſere Erbarmung uͤber dieſer
Verwuͤſtung/ oder unſer Vorwitz/ welcher auch
in denen Einaͤſcherungen und in zermalmetem
Grauſſe herrlicher Gebaͤu etwas ſchoͤnes zu fin-
den ihm eingebildet/ uns noch einen halben Tag
in Beſchauung des zerdruͤmmerten Tempels
[Spaltenumbruch] aufhielt. Hierauff erinnerte uns die Begierde
unſers Magens auf unſere Speiſe und hiermit
auch auff Enderung unſers Ortes vorzuſinnen.
Dem erſtern Vergnuͤgung zu ſchaffen/ fanden
wir nichts/ als etliche Wurtzeln. Dahero haͤtten
wir uns gerne in das von uns verlaſſene Para-
diß zuruͤck gezogen/ wenn uns das Erdbeben
durch Abſpaltung ſo vieler Stein-Klippen nicht
alle Wege verſchrenckt haͤtte. Die Fuͤrſtin Syr-
manis kam in dieſer Einoͤde wiederum die Liebe
ihres Vaterlandes an/ fuͤr welcher ihr ſo lange
geeckelt hatte. Daher rieth der ihr beyſtim̃ende
Oropaſtes/ wir ſolten unſern Weg nach Nord-
weſt einrich ten/ da wir entweder an die Bruñen
des Fluſſes Hippus oder Agrus kom̃en wuͤrden/
welche beyde in dieſem Gebuͤrge ihren Urſprung
haͤtten/ und durch das Land Colchis in das Euxi-
niſche Meer ihr Waſſer ausſchuͤtteten. Wir be-
fahlen unſern wenigen Bedienten an den Fel-
ſen hinauff zu klettern und zu erkundigen: Ob
wir daſelbſt aus dieſem ſteinernen Gefaͤngniße
einige Ausflucht finden koͤnten? Aber nachdem
ſie mit euſſerſter Lebens-Gefahr ſich verſtiegen/
wurden ſie theils durch die Unmoͤgligkeit ferner
zu kommen genoͤthiget/ theils durch unſere Zei-
chen verurſachet mit noch groͤſſerer Gefahr zu-
ruͤck zu kehren. Weil wir nun durch unſere euſ-
ſerſte und beynahe verzweiffelnde Muͤhwaltung
nirgend anders/ als Oſtwerts aus dem Crantze
dieſer unſaͤglich hohen Berge endlich einen Weg
ſelbte zu uͤberſteigen fanden/ muſten wir hier nur
den Leitungen der Natur/ nicht unſers Willens
folgen. Wiꝛ kamen den dꝛitten Tagan eine ziem-
lich ſtarcke Bach/ welche gegen der Sonnen Auf-
gang von den Gebuͤrgen abſchoß. Dieſer folg-
ten wir/ als unſer Einbildung nach einer Weg-
weiſerin zu dem Caſpiſchen Meere/ und dannen-
hero auch in eine von Menſchen bewohnte Land-
ſchafft; Welche letztere wir auch nach zweyer
Tage beſchwerlicher Reyſe erlangten/ auff der
uns gleichwohl etliche von unſern Pfeilen erleg-
te Gemſen zur Speiſe aushalffen. Daſelbſt nah-
men wir wahr/ wie dieſe Bach nebſt etlichen an-

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[587/0643] Arminius und Thußnelda. pels zu beſcha uen/ wieder in das Thal/ fanden a- ber alles denckwuͤrdige entweder in Staub ver- wandelt oder unter die Klippen vergraben; Auſ- ſer des Prometheus Leichenſtein/ den wir doch im Tempel nie wahr genommen hatten/ lag an einen Stein angelehnet/ deſſen obeꝛſte Seite uns mit ſeiner Schrifft benachrichtigte/ wo er her- kommen waͤre. Denn es war darauff zu leſen: Prometheus nicht/ ſein Staub liegt nur in dieſer Hoͤle; Sein lebend Leib war ſchon in dieſes Berges Klufft Verſperrt; die Sternen warn die Wohnung ſeiner Seele. So war er halb gebohrn dem Himmel/ halb der Grufft. Auff der andern und inwendigen Seite war eingegraben: Schilt nicht/ o kleine Welt/ auff Untergang und’s Grab; Dein Talg iſt ja nur Staub/ dein Grund ein Thoͤnern Fuß Auch ſtuͤrmſt du auff dich ſelbſt/ vergiebſt durch Uberfluß Geſunder Speiſen dir; friſt’s Hertze dir ſelbſt ab Durch Ehrſucht/ Rache/ Geitz. Dein laͤngſter Maͤßeſtab Haͤlt dreyzehn Spannen kaum; da der Verhaͤngniß - Schluß Der groſſen Welt nicht ſchont/ wenn auch’s Geſtirne muß Verſchwinden/ das der Nacht ſo Licht als Leben gab. Die Sonn’ iſt ſelbſt nicht frey von Fleck und Eitelkeit/ Der Himmel ſchrumpffet ein/ wird ein vermodernd Kleid/ Der Sternen Oel verſeugt/ die Tempel ſtehn entweih’t Die Fluͤſſe trocknen aus/ der Berge Marck verſtaͤubt. Allhier war ein Stuͤcke vom Steine abgebro- chen/ und alſo mangelte der Schluß dieſer Rey- me. Weil wir denn ohne diß wegen Mattigkeit uñ einbrechendeꝛ Nacht allhieꝛ uͤbernachten mu- ſten; grub ich mit einem daſelbſt befindlichen ſpi- tzigen und harten Steine folgende Worte darzu: Die Graͤber fall’n in’s Grab. Was frißt nun nicht die Zeit? Nun auch die Aſche nicht uneingeaͤſchert bleibt. Ob wir nun wohl nach der mehr durch unru- hige Traͤume/ als durch ſanfften Schlaff hinge- brachte Nacht/ nicht Urſache hatten/ an dieſem gefaͤhrlichen Orte viel Zeit zu verſpielen; ſo weiß ich doch nicht: ob unſere Erbarmung uͤber dieſer Verwuͤſtung/ oder unſer Vorwitz/ welcher auch in denen Einaͤſcherungen und in zermalmetem Grauſſe herrlicher Gebaͤu etwas ſchoͤnes zu fin- den ihm eingebildet/ uns noch einen halben Tag in Beſchauung des zerdruͤmmerten Tempels aufhielt. Hierauff erinnerte uns die Begierde unſers Magens auf unſere Speiſe und hiermit auch auff Enderung unſers Ortes vorzuſinnen. Dem erſtern Vergnuͤgung zu ſchaffen/ fanden wir nichts/ als etliche Wurtzeln. Dahero haͤtten wir uns gerne in das von uns verlaſſene Para- diß zuruͤck gezogen/ wenn uns das Erdbeben durch Abſpaltung ſo vieler Stein-Klippen nicht alle Wege verſchrenckt haͤtte. Die Fuͤrſtin Syr- manis kam in dieſer Einoͤde wiederum die Liebe ihres Vaterlandes an/ fuͤr welcher ihr ſo lange geeckelt hatte. Daher rieth der ihr beyſtim̃ende Oropaſtes/ wir ſolten unſern Weg nach Nord- weſt einrich ten/ da wir entweder an die Bruñen des Fluſſes Hippus oder Agrus kom̃en wuͤrden/ welche beyde in dieſem Gebuͤrge ihren Urſprung haͤtten/ und durch das Land Colchis in das Euxi- niſche Meer ihr Waſſer ausſchuͤtteten. Wir be- fahlen unſern wenigen Bedienten an den Fel- ſen hinauff zu klettern und zu erkundigen: Ob wir daſelbſt aus dieſem ſteinernen Gefaͤngniße einige Ausflucht finden koͤnten? Aber nachdem ſie mit euſſerſter Lebens-Gefahr ſich verſtiegen/ wurden ſie theils durch die Unmoͤgligkeit ferner zu kommen genoͤthiget/ theils durch unſere Zei- chen verurſachet mit noch groͤſſerer Gefahr zu- ruͤck zu kehren. Weil wir nun durch unſere euſ- ſerſte und beynahe verzweiffelnde Muͤhwaltung nirgend anders/ als Oſtwerts aus dem Crantze dieſer unſaͤglich hohen Berge endlich einen Weg ſelbte zu uͤberſteigen fanden/ muſten wir hier nur den Leitungen der Natur/ nicht unſers Willens folgen. Wiꝛ kamen den dꝛitten Tagan eine ziem- lich ſtarcke Bach/ welche gegen der Sonnen Auf- gang von den Gebuͤrgen abſchoß. Dieſer folg- ten wir/ als unſer Einbildung nach einer Weg- weiſerin zu dem Caſpiſchen Meere/ und dannen- hero auch in eine von Menſchen bewohnte Land- ſchafft; Welche letztere wir auch nach zweyer Tage beſchwerlicher Reyſe erlangten/ auff der uns gleichwohl etliche von unſern Pfeilen erleg- te Gemſen zur Speiſe aushalffen. Daſelbſt nah- men wir wahr/ wie dieſe Bach nebſt etlichen an- dern E e e e 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/643>, abgerufen am 22.11.2024.