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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie auch das stillestehende verwerflich. Daher
die Corinther aus dem eißkalten Brunnen beym
Contoporischen Vorgebürge das Wasser nicht
ehe trincken/ als biß es ziemlich weit aus selbtem
hervor geflossen wäre. Und das köstliche A-
chillische Wasser bey Milet solte/ wenn es stille
stehen müste/ saltzicht werden; Das unterirrdi-
sche aber/ welche die Sonne nie beschiene/ taugte
noch weniger; also/ daß in Cappadocien das ge-
sündeste Wasser/ welches gleich stehende gut blie-
be/ verdürbe/ wenn es unter die Erde lieffe. E-
ben so wenig hielte man von den färbichten.
Denn wie der rothe Wein/ der gelbe Honig/
das grüne Oel/ der schwartze Balsam/ also wäre
das Milch-weisse Wasser auch das beste. Ja
auch den wolrüchenden Brunn in Mesopota-
mien zu Cabura wolten wenig loben; weil eben
so wol das gar nichts rüchende/ als das nichts
schmeckende Wasser das beste seyn solte. Her-
tzog Malovend bestätigte es/ und zohe als was
merckwürdiges an/ daß da die Sonne sonst das
Wasser so sehr verbesserte/ gleichwol das von de-
nen Sonnenstrahlen empor gezogene/ und her-
nach aus der Lufft herab fallende so wenig nütze
wäre. Sintemal das aus Schnee und Schlos-
sen zerlassene so gar eine Gifft bey sich haben/ der
Tau die Krätze verursachen/ das Regenwasser
aber wegen bey sich habenden Schlammes am
geschwindesten faulen/ und also auf die Schiffe
nichts taugen solte. Alleine diese geschwinde
Fäulnüß/ versetzte Jubil/ halten viel Aertzte für
ein Merckmal ihrer Heilsamkeit. Daher sie
das Regenwasser etliche mal mit Fleiß faulen
lassen/ und allemal reinigen/ also hernach sol-
ches für gesünder/ als alle andere rühmen. U-
berdiß hätten die Alten/ insonderheit aber/ wenn
sie truncken gewest/ Schnee zu trincken/ oder
auch solchen mit Weine zu vermischen/ grosses
Belieben gehabt. Des grossen Alexanders
Taffel wäre niemals leer davon gewest; und
hätte er im heissen Jndien/ bey Belägerung der
Stadt Petra/ in dreißig mit Eichenem Laube
[Spaltenumbruch] bedeckten Gruben den Schnee zu seinem Ge-
träncke aufs sorgfältigste verwahren lassen. Es
wäre diß nichts altes/ antwortete Hertzog Herr-
mann/ indem er zu Rom etliche hundert Eiß-
Gruben und Behältnüsse des Schnees gese-
hen/ welchen zu erhalten die Spreu eine deßhal-
ben so viel mehr wunderwürdige Eigenschafft
hätte; weil sie in sich durch ihre Wärmde das
unzeitige Obst reif machte. Den Schnee aber
und das Eiß brauchten die Römer bey ihren
Mahlzeiten/ nicht nur des Sommers den
Wein damit in Flaschen aufzufrischen/ sondern
sie würffen beydes/ und zwar auch im Winter/
nach dem sie die vom Rooste noch glühenden
Biltze oder andere scharf gepfefferte Speisen sie-
dendheiß verschlingen/ in ihr Geträncke/ wormit
sie mit dem noch unzergangenen Eiß und
Schnee ihre erhitzte Magen abkühleten. Ja
es wäre diß nicht etwan was besonders grosser
Leute zu Rom/ sondern der Pöfel wäre auch so
lüstern/ daß der Schnee ihme zur Unzeit eine
Würtze seiner Uppigkeit abgeben müste. Wor-
durch man denn daselbst eine Gelegenheit aus-
gesonnen hätte/ das gemeine Wasser zu kauffen;
nachdem es dieser wuchersüchtigen Stadt ver-
drüßlich wäre/ daß man die Lufft/ die Sonne/
oder sonst etwas umsonst haben solte. Allein es
wären alles diß nur Erfindungen der ver-
schwenderischen Wollust/ welche ihrer Lüstern-
heit so wol das Leben und die Gesundheit willig
aufopfferte. Zeno fing an: sonder allen Zweif-
fel muß dieses kalte Geträncke die natürliche
Wärmde sehr dämpffen/ und die Rohigkeit des
Eises und Schnees sehr schädlich seyn; wo es
anders wahr ist/ daß die gekochten Wasser am
gesündesten sind/ die Schmertzen der Wunden
stillen/ und daß auch die schädlichen Wasser/
wenn man sie halb einsieden läst/ trinckbar wer-
den. Ja ich halte nichts gesünders zu seyn/ als
das Geträncke der Seren/ welche nichts als ü-
ber ein gewisses Kraut siedend-heiß gegossenes
Wasser/ so warm es ihr Gaumen und Zunge

ver-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie auch das ſtilleſtehende verwerflich. Daher
die Corinther aus dem eißkalten Brunnen beym
Contoporiſchen Vorgebuͤrge das Waſſer nicht
ehe trincken/ als biß es ziemlich weit aus ſelbtem
hervor gefloſſen waͤre. Und das koͤſtliche A-
chilliſche Waſſer bey Milet ſolte/ wenn es ſtille
ſtehen muͤſte/ ſaltzicht werden; Das unterirrdi-
ſche aber/ welche die Sonne nie beſchiene/ taugte
noch weniger; alſo/ daß in Cappadocien das ge-
ſuͤndeſte Waſſer/ welches gleich ſtehende gut blie-
be/ verduͤrbe/ wenn es unter die Erde lieffe. E-
ben ſo wenig hielte man von den faͤrbichten.
Denn wie der rothe Wein/ der gelbe Honig/
das gruͤne Oel/ der ſchwartze Balſam/ alſo waͤre
das Milch-weiſſe Waſſer auch das beſte. Ja
auch den wolruͤchenden Brunn in Meſopota-
mien zu Cabura wolten wenig loben; weil eben
ſo wol das gar nichts ruͤchende/ als das nichts
ſchmeckende Waſſer das beſte ſeyn ſolte. Her-
tzog Malovend beſtaͤtigte es/ und zohe als was
merckwuͤrdiges an/ daß da die Sonne ſonſt das
Waſſer ſo ſehr verbeſſerte/ gleichwol das von de-
nen Sonnenſtrahlen empor gezogene/ und her-
nach aus der Lufft herab fallende ſo wenig nuͤtze
waͤre. Sintemal das aus Schnee und Schloſ-
ſen zerlaſſene ſo gar eine Gifft bey ſich haben/ der
Tau die Kraͤtze verurſachen/ das Regenwaſſer
aber wegen bey ſich habenden Schlammes am
geſchwindeſten faulen/ und alſo auf die Schiffe
nichts taugen ſolte. Alleine dieſe geſchwinde
Faͤulnuͤß/ verſetzte Jubil/ halten viel Aertzte fuͤr
ein Merckmal ihrer Heilſamkeit. Daher ſie
das Regenwaſſer etliche mal mit Fleiß faulen
laſſen/ und allemal reinigen/ alſo hernach ſol-
ches fuͤr geſuͤnder/ als alle andere ruͤhmen. U-
berdiß haͤtten die Alten/ inſonderheit aber/ wenn
ſie truncken geweſt/ Schnee zu trincken/ oder
auch ſolchen mit Weine zu vermiſchen/ groſſes
Belieben gehabt. Des groſſen Alexanders
Taffel waͤre niemals leer davon geweſt; und
haͤtte er im heiſſen Jndien/ bey Belaͤgerung der
Stadt Petra/ in dreißig mit Eichenem Laube
[Spaltenumbruch] bedeckten Gruben den Schnee zu ſeinem Ge-
traͤncke aufs ſorgfaͤltigſte verwahren laſſen. Es
waͤre diß nichts altes/ antwortete Hertzog Herr-
mann/ indem er zu Rom etliche hundert Eiß-
Gruben und Behaͤltnuͤſſe des Schnees geſe-
hen/ welchen zu erhalten die Spreu eine deßhal-
ben ſo viel mehr wunderwuͤrdige Eigenſchafft
haͤtte; weil ſie in ſich durch ihre Waͤrmde das
unzeitige Obſt reif machte. Den Schnee aber
und das Eiß brauchten die Roͤmer bey ihren
Mahlzeiten/ nicht nur des Sommers den
Wein damit in Flaſchen aufzufriſchen/ ſondern
ſie wuͤrffen beydes/ und zwar auch im Winter/
nach dem ſie die vom Rooſte noch gluͤhenden
Biltze oder andere ſcharf gepfefferte Speiſen ſie-
dendheiß veꝛſchlingen/ in ihꝛ Getraͤncke/ wormit
ſie mit dem noch unzergangenen Eiß und
Schnee ihre erhitzte Magen abkuͤhleten. Ja
es waͤre diß nicht etwan was beſonders groſſer
Leute zu Rom/ ſondern der Poͤfel waͤre auch ſo
luͤſtern/ daß der Schnee ihme zur Unzeit eine
Wuͤrtze ſeiner Uppigkeit abgeben muͤſte. Wor-
durch man denn daſelbſt eine Gelegenheit aus-
geſonnen haͤtte/ das gemeine Waſſer zu kauffen;
nachdem es dieſer wucherſuͤchtigen Stadt ver-
druͤßlich waͤre/ daß man die Lufft/ die Sonne/
oder ſonſt etwas umſonſt haben ſolte. Allein es
waͤren alles diß nur Erfindungen der ver-
ſchwenderiſchen Wolluſt/ welche ihrer Luͤſtern-
heit ſo wol das Leben und die Geſundheit willig
aufopfferte. Zeno fing an: ſonder allen Zweif-
fel muß dieſes kalte Getraͤncke die natuͤrliche
Waͤrmde ſehr daͤmpffen/ und die Rohigkeit des
Eiſes und Schnees ſehr ſchaͤdlich ſeyn; wo es
anders wahr iſt/ daß die gekochten Waſſer am
geſuͤndeſten ſind/ die Schmertzen der Wunden
ſtillen/ und daß auch die ſchaͤdlichen Waſſer/
wenn man ſie halb einſieden laͤſt/ trinckbar wer-
den. Ja ich halte nichts geſuͤnders zu ſeyn/ als
das Getraͤncke der Seren/ welche nichts als uͤ-
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Waſſer/ ſo warm es ihr Gaumen und Zunge

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[583/0639] Arminius und Thußnelda. wie auch das ſtilleſtehende verwerflich. Daher die Corinther aus dem eißkalten Brunnen beym Contoporiſchen Vorgebuͤrge das Waſſer nicht ehe trincken/ als biß es ziemlich weit aus ſelbtem hervor gefloſſen waͤre. Und das koͤſtliche A- chilliſche Waſſer bey Milet ſolte/ wenn es ſtille ſtehen muͤſte/ ſaltzicht werden; Das unterirrdi- ſche aber/ welche die Sonne nie beſchiene/ taugte noch weniger; alſo/ daß in Cappadocien das ge- ſuͤndeſte Waſſer/ welches gleich ſtehende gut blie- be/ verduͤrbe/ wenn es unter die Erde lieffe. E- ben ſo wenig hielte man von den faͤrbichten. Denn wie der rothe Wein/ der gelbe Honig/ das gruͤne Oel/ der ſchwartze Balſam/ alſo waͤre das Milch-weiſſe Waſſer auch das beſte. Ja auch den wolruͤchenden Brunn in Meſopota- mien zu Cabura wolten wenig loben; weil eben ſo wol das gar nichts ruͤchende/ als das nichts ſchmeckende Waſſer das beſte ſeyn ſolte. Her- tzog Malovend beſtaͤtigte es/ und zohe als was merckwuͤrdiges an/ daß da die Sonne ſonſt das Waſſer ſo ſehr verbeſſerte/ gleichwol das von de- nen Sonnenſtrahlen empor gezogene/ und her- nach aus der Lufft herab fallende ſo wenig nuͤtze waͤre. Sintemal das aus Schnee und Schloſ- ſen zerlaſſene ſo gar eine Gifft bey ſich haben/ der Tau die Kraͤtze verurſachen/ das Regenwaſſer aber wegen bey ſich habenden Schlammes am geſchwindeſten faulen/ und alſo auf die Schiffe nichts taugen ſolte. Alleine dieſe geſchwinde Faͤulnuͤß/ verſetzte Jubil/ halten viel Aertzte fuͤr ein Merckmal ihrer Heilſamkeit. Daher ſie das Regenwaſſer etliche mal mit Fleiß faulen laſſen/ und allemal reinigen/ alſo hernach ſol- ches fuͤr geſuͤnder/ als alle andere ruͤhmen. U- berdiß haͤtten die Alten/ inſonderheit aber/ wenn ſie truncken geweſt/ Schnee zu trincken/ oder auch ſolchen mit Weine zu vermiſchen/ groſſes Belieben gehabt. Des groſſen Alexanders Taffel waͤre niemals leer davon geweſt; und haͤtte er im heiſſen Jndien/ bey Belaͤgerung der Stadt Petra/ in dreißig mit Eichenem Laube bedeckten Gruben den Schnee zu ſeinem Ge- traͤncke aufs ſorgfaͤltigſte verwahren laſſen. Es waͤre diß nichts altes/ antwortete Hertzog Herr- mann/ indem er zu Rom etliche hundert Eiß- Gruben und Behaͤltnuͤſſe des Schnees geſe- hen/ welchen zu erhalten die Spreu eine deßhal- ben ſo viel mehr wunderwuͤrdige Eigenſchafft haͤtte; weil ſie in ſich durch ihre Waͤrmde das unzeitige Obſt reif machte. Den Schnee aber und das Eiß brauchten die Roͤmer bey ihren Mahlzeiten/ nicht nur des Sommers den Wein damit in Flaſchen aufzufriſchen/ ſondern ſie wuͤrffen beydes/ und zwar auch im Winter/ nach dem ſie die vom Rooſte noch gluͤhenden Biltze oder andere ſcharf gepfefferte Speiſen ſie- dendheiß veꝛſchlingen/ in ihꝛ Getraͤncke/ wormit ſie mit dem noch unzergangenen Eiß und Schnee ihre erhitzte Magen abkuͤhleten. Ja es waͤre diß nicht etwan was beſonders groſſer Leute zu Rom/ ſondern der Poͤfel waͤre auch ſo luͤſtern/ daß der Schnee ihme zur Unzeit eine Wuͤrtze ſeiner Uppigkeit abgeben muͤſte. Wor- durch man denn daſelbſt eine Gelegenheit aus- geſonnen haͤtte/ das gemeine Waſſer zu kauffen; nachdem es dieſer wucherſuͤchtigen Stadt ver- druͤßlich waͤre/ daß man die Lufft/ die Sonne/ oder ſonſt etwas umſonſt haben ſolte. Allein es waͤren alles diß nur Erfindungen der ver- ſchwenderiſchen Wolluſt/ welche ihrer Luͤſtern- heit ſo wol das Leben und die Geſundheit willig aufopfferte. Zeno fing an: ſonder allen Zweif- fel muß dieſes kalte Getraͤncke die natuͤrliche Waͤrmde ſehr daͤmpffen/ und die Rohigkeit des Eiſes und Schnees ſehr ſchaͤdlich ſeyn; wo es anders wahr iſt/ daß die gekochten Waſſer am geſuͤndeſten ſind/ die Schmertzen der Wunden ſtillen/ und daß auch die ſchaͤdlichen Waſſer/ wenn man ſie halb einſieden laͤſt/ trinckbar wer- den. Ja ich halte nichts geſuͤnders zu ſeyn/ als das Getraͤncke der Seren/ welche nichts als uͤ- ber ein gewiſſes Kraut ſiedend-heiß gegoſſenes Waſſer/ ſo warm es ihr Gaumen und Zunge ver-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/639>, abgerufen am 22.11.2024.