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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Priester/ die sich der Gewalt des Lebens und des
Todes über ihn angemaßt/ nicht ohne Ursache
abgestellt/ und er wüste nicht/ ob die Albaner so
sehr zu tadeln wären/ daß sie ihre Priester/ wenn
sie sie vorher wohl aufgemästet und eingebalsamt
hätten/ selbst zum Opfer schlachteten. Weil
aber diese Leute insgemein gefährlicher als glü-
endes Eisen anzurühren wären/ hätte der kluge
Aristobul bey den Juden/ der weise Anius bey
den Lateinern/ der verschmitzte Midas bey den
Phrygiern/ und die Römischen Käyser durch
klügere Erfindung sich selbst zu obersten Prie-
stern gemacht/ und die entwendete Gewalt
wieder an sich gebracht. Käyser August hätte
mit Schmertzen nach dem Tode des Priesters
Lepidus geseufzet/ weil er ohne sein Priester-
thum sich noch nicht des Römischen Reiches völ-
lig versichert zu seyn erachtet. Der fünfte deut-
sche Feldherr sein Uhr-Anherr Alemann habe
gleicher gestalt schon wahr genommen/ daß die
allzu grosse Gewalt der Priester/ und die allzu-
sehr umbschränckte Herrschafft der Feldherrn
der deutschen Macht einen grossen Abbruch thä-
te. Dahero/ wenn Alemann/ seinem Absehen
nach/ das oberste Priesterthum hätte an seine
Krone heften/ und auf seine Nachkommen fort-
pflantzen können/ wären die Deutschen hierdurch
erschrecklicher/ als durch seines Enckels des
glückseligen Marcomirs unzehlbare Siege und
Helden-Thaten worden. Ja er würde sein
Vaterland mehr/ als durch Beysetzung etlicher
Königreiche vergrössert haben/ wenn er nur sei-
ne heilsame Anschläge ins Werck zu setzen durch
den ihn übereilenden Tod nicht wäre verhindert
worden. Denn es war bereit unter der Hand/
daß dieselben Stifftungen/ die von denen unver-
wendlichen Gütern des Reiches wider die alten
Grund-Gesetze geschehen waren/ zurück gezo-
gen/ iedoch die er hobenen Nutzungen ver gessen/
und wo die Prie sterschafft ja ohne solche ihr
Auskommen nich thaben möchten/ andere Gü-
[Spaltenumbruch] ter erkaufft/ und ihnen zugeschlagen werden sol-
ten. Nebst diesem solte man alle bereit besesse-
ne geistlichen Güter in die Land-Taffel einzeich-
nen und untersuchen: Ob selbte auskommentlich
oder nicht; jenen so denn weder durch Behand-
lung noch durch einige Freygebigkeit mehrere
an sich zu bringen erlauben/ diesen aber den
Mängel durch anderer Uberfluß und dersel-
bten Zuschlagung ersetzen. Ferner solten die
kostbaren Wallfarthen und Gelübde nach Car-
nutum dem berühmten Sitz der Druyden in
Gallien/ wordurch nicht alleine Deutschland
aller Mittel erschöpft/ sondern denen weibischen
Galliern gleichsam zinsbar gemacht würde/
abgestellet seyn; am wenigsten auch von dar ei-
nige Bestätigung unserer Priesterthümer ge-
sucht/ sondern von dem Feldherrn/ welcher von
der Fähigkeit derer darzu beruffenen besser/ als
Ausländer urtheilen könte/ erlanget werden.
Nichts minder hatte Alemann für/ die übermäs-
sige Anzahl der Priester/ wordurch dem Vater-
lande/ an dessen Erbauung und an nöthigen
Kriegsleuten viel entginge/ auf die Helffte ein-
zuziehen/ der unbedachtsamen Jugend/ welche
ins gemein entweder durch Uberredung/ oder
durch eigene Ubereilung sich allzu frühzeitig dem
Altare wiedmete/ bey ihren reiffen Alter aber ver-
gebens bereuete/ das fünf und zwantzigste Jahr
zur Fähigkeit ein Gelübde zu thun auszusetzen/
die denen Geistlichen zufallenden Erbtheile dem
gemeinen Wesen zum Besten anzuwenden/ und
die Eltern/ die ihre Kinder in solchen Stand tre-
ten liessen/ mit alsbaldiger Abstattung in den
Reichs-Kasten zu bebürden. Seit der Zeit
sind unterschiedene Häupter zwar auch auf diese
Gedancken gefallen; aber es hat selbte entwe-
der die innerliche Unruhe gestöret/ oder die Miß-
bräuche haben durch Länge der Zeit so feste Wur-
tzel gefaßt/ daß sie solche auszurotten selbst ver-
zweifelt. Zumal man in diesen Kranckheiten
stürmerische Artzneyen ohne diß mit höchster Ge-

fahr

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Prieſter/ die ſich der Gewalt des Lebens und des
Todes uͤber ihn angemaßt/ nicht ohne Urſache
abgeſtellt/ und er wuͤſte nicht/ ob die Albaner ſo
ſehr zu tadeln waͤren/ daß ſie ihre Prieſter/ wenn
ſie ſie vorher wohl aufgemaͤſtet und eingebalſamt
haͤtten/ ſelbſt zum Opfer ſchlachteten. Weil
aber dieſe Leute insgemein gefaͤhrlicher als gluͤ-
endes Eiſen anzuruͤhren waͤren/ haͤtte der kluge
Ariſtobul bey den Juden/ der weiſe Anius bey
den Lateinern/ der verſchmitzte Midas bey den
Phrygiern/ und die Roͤmiſchen Kaͤyſer durch
kluͤgere Erfindung ſich ſelbſt zu oberſten Prie-
ſtern gemacht/ und die entwendete Gewalt
wieder an ſich gebracht. Kaͤyſer Auguſt haͤtte
mit Schmertzen nach dem Tode des Prieſters
Lepidus geſeufzet/ weil er ohne ſein Prieſter-
thum ſich noch nicht des Roͤmiſchen Reiches voͤl-
lig verſichert zu ſeyn erachtet. Der fuͤnfte deut-
ſche Feldherr ſein Uhr-Anherr Alemann habe
gleicher geſtalt ſchon wahr genommen/ daß die
allzu groſſe Gewalt der Prieſter/ und die allzu-
ſehr umbſchraͤnckte Herrſchafft der Feldherrn
der deutſchen Macht einen groſſen Abbruch thaͤ-
te. Dahero/ wenn Alemann/ ſeinem Abſehen
nach/ das oberſte Prieſterthum haͤtte an ſeine
Krone heften/ und auf ſeine Nachkommen fort-
pflantzen koͤnnen/ waͤren die Deutſchen hierdurch
erſchrecklicher/ als durch ſeines Enckels des
gluͤckſeligen Marcomirs unzehlbare Siege und
Helden-Thaten worden. Ja er wuͤrde ſein
Vaterland mehr/ als durch Beyſetzung etlicher
Koͤnigreiche vergroͤſſert haben/ wenn er nur ſei-
ne heilſame Anſchlaͤge ins Werck zu ſetzen durch
den ihn uͤbereilenden Tod nicht waͤre verhindert
worden. Denn es war bereit unter der Hand/
daß dieſelben Stifftungen/ die von denen unver-
wendlichen Guͤtern des Reiches wider die alten
Grund-Geſetze geſchehen waren/ zuruͤck gezo-
gen/ iedoch die er hobenen Nutzungen ver geſſen/
und wo die Prie ſterſchafft ja ohne ſolche ihr
Auskommen nich thaben moͤchten/ andere Guͤ-
[Spaltenumbruch] ter erkaufft/ und ihnen zugeſchlagen werden ſol-
ten. Nebſt dieſem ſolte man alle bereit beſeſſe-
ne geiſtlichen Guͤter in die Land-Taffel einzeich-
nen und unterſuchen: Ob ſelbte auskommentlich
oder nicht; jenen ſo denn weder durch Behand-
lung noch durch einige Freygebigkeit mehrere
an ſich zu bringen erlauben/ dieſen aber den
Maͤngel durch anderer Uberfluß und derſel-
bten Zuſchlagung erſetzen. Ferner ſolten die
koſtbaren Wallfarthen und Geluͤbde nach Car-
nutum dem beruͤhmten Sitz der Druyden in
Gallien/ wordurch nicht alleine Deutſchland
aller Mittel erſchoͤpft/ ſondern denen weibiſchen
Galliern gleichſam zinsbar gemacht wuͤrde/
abgeſtellet ſeyn; am wenigſten auch von dar ei-
nige Beſtaͤtigung unſerer Prieſterthuͤmer ge-
ſucht/ ſondern von dem Feldherrn/ welcher von
der Faͤhigkeit derer darzu beruffenen beſſer/ als
Auslaͤnder urtheilen koͤnte/ erlanget werden.
Nichts minder hatte Alemann fuͤr/ die uͤbermaͤſ-
ſige Anzahl der Prieſter/ wordurch dem Vater-
lande/ an deſſen Erbauung und an noͤthigen
Kriegsleuten viel entginge/ auf die Helffte ein-
zuziehen/ der unbedachtſamen Jugend/ welche
ins gemein entweder durch Uberredung/ oder
durch eigene Ubereilung ſich allzu fruͤhzeitig dem
Altare wiedmete/ bey ihrẽ reiffen Alter aber ver-
gebens bereuete/ das fuͤnf und zwantzigſte Jahr
zur Faͤhigkeit ein Geluͤbde zu thun auszuſetzen/
die denen Geiſtlichen zufallenden Erbtheile dem
gemeinen Weſen zum Beſten anzuwenden/ und
die Eltern/ die ihre Kinder in ſolchen Stand tre-
ten lieſſen/ mit alsbaldiger Abſtattung in den
Reichs-Kaſten zu bebuͤrden. Seit der Zeit
ſind unterſchiedene Haͤupter zwar auch auf dieſe
Gedancken gefallen; aber es hat ſelbte entwe-
der die innerliche Unruhe geſtoͤret/ oder die Miß-
braͤuche haben durch Laͤnge der Zeit ſo feſte Wur-
tzel gefaßt/ daß ſie ſolche auszurotten ſelbſt ver-
zweifelt. Zumal man in dieſen Kranckheiten
ſtuͤrmeriſche Artzneyen ohne diß mit hoͤchſter Ge-

fahr
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/618>, abgerufen am 22.11.2024.