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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Unterscheid/ da kein Kraut dem andern/ kein
Blat eines Baumes/ keine Feder eines Sper-
linges einem andern gantz ehnlich ist/ sey ein
Merckmal der göttlichen Weißheit/ die Ab-
wechselung der Zeit/ des Gewitters/ und daß die
Stauden nicht auff einmal/ sondern nach und
nach ihre Blüten und Früchte brächten/ wor-
mit es uns so viel mehr genoßbar würde/ bezeich-
ne seine väterliche Liebe. Die Lufft flösse uns
zwar mit iedem Athem-holen einen Hauch der
göttlichen Gnade ein; Befruchte mit ihrem
Anblasen die Erde/ ergötze und speise uns mit
dem Gesange und dem Fleische so unzehlbarer
Vögel; ja die göttliche Versehung habe zweif-
felsfrey den Vogeln alleine für allen andern
Thieren eine so annehmliche Stimme/ keinem
einigen aber das wenigste Gifft beygelegt/ um
den Menschen zu ermuntern/ daß er so viel
mehr seine Zunge zum Lobe Gottes an-
wenden/ und seine Seele für allem Giffte/ wel-
ches allein denen auf der Erde krichenden Thie-
ren anklebet/ rein behalten; Und wie das
männliche Geflügel allezeit schöner als das
weibliche ist; also auch unser Geschlechte aller
weiblichen Schwachheiten frey/ und diesem ein
Leitstern zur Tugend seyn solle. Es wären
die Gebürge die Gebeine der Erden eine Kette
der Natur/ welche derselben Glieder aufs künst-
lichste an einander hielte; Ein Behältnüß des
göttlichen Reichthums/ darinnen das Ertzt ge-
schmiedet/ die Brunnen von dem Meer-Saltze
geleutert/ von denen die Wolcken zertheilet/ auf
denen die hohen Bäume zu Häusern und
Schiffen gefället würden. Es sey zwar das
Meer ein Spiegel der göttlichen Allmacht/
dessen gethürmte Wellen/ welche die Sternen
zu bekriegen schienen/ doch keinen Fußbreit
Erde verschlingen könten/ da ihnen doch die
Natur nichts als Staub zu einer Mauer ent-
gegen gesetzt hätte/ dessen unergründliche Tief-
fe niemahls überlieffe/ ob gleich so viel tausend
schifbare Ströme so viel tausend Jahr hinein
[Spaltenumbruch] gelauffen wären. Es wäre eine unerschöpfli-
che Speisekammer/ welches dem Menschen so
viel unzehlbare Fische gebieret/ daß/ nachdem
sie der gantze Erdkreiß nicht aufzuzehren mag/
sie einander selbst auffressen müsten; Es wä-
ren die nimmer verseugenden Flüsse ein Für-
bild der göttlichen Ewigkeit/ die Artzt- und
Heilbrunnen seiner Barmhertzigkeit/ die Wun-
der-Qvellen ein Anweiser/ daß etwas sey über
den gemeinen Lauff der Natur/ nehmlich ein
verborgener/ und seinem Wesen nach in seine
unerreichliche Unbegreiffligkeit eingehülleter/
aber in den Geschöpffen augenscheinlich offen-
barter Schöpffer/ der zwar unsern Augen ent-
fernet/ seinen Wercken nach aber uns so nahe/
als wir uns selbst wären/ dessen Willen wir so
sehr in unserm Thun widerstrebten/ so sehr er
unser Hertz durch einen innerlichen Trieb zu
seiner Liebe und Erkäntnüß nicht anders als
der Nordstern die Magnet-Nadel/ der Mittel-
punct die Schwerde/ die Höhe das Feuer an sich
züge/ also/ daß man zwar Länder ohne Feuer/
keines aber ohne die Wissenschafft/ daß ein Gott
sey/ angetroffen hätte; und noch niemahls
ein Vernunfft-fähiger Klügling gefunden wor-
den/ der das geringste Geschöpffe zu tadeln ge-
wüst/ oder an der so vollkommenen Natur
etwas zu verbessern ihm getrauet hätte. Denn
die/ welche die so gütige Natur nicht für eine
Rechte/ sondern für eine Stieff-Mutter zu
schelten sich erkühnet; und die Thiere alles Gif-
tes/ das Feld alles Unkrautes/ die Lufft aller
Mücken/ die Zeit alles Winters befreyt zu seyn
verlanget/ wären nicht ihre Kinder/ sondern
unvernünfftige Wechselbälge. Die sie aber
tadelten/ daß sie den Flöhen mehr Beine als
den Elefanten/ der Raupe mehr Geläncke als
dem Krokodil/ der Krähe ein viel grösseres Al-
ter als dem Menschen gegeben/ verdienten als
Unsinnige mehr als Prometheus in stählernen
Fesseln auff dem Caucasus angeschmiedet zu
werden. Jch fiel/ fuhr Zeno fort/ dem Prie-

ster

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Unterſcheid/ da kein Kraut dem andern/ kein
Blat eines Baumes/ keine Feder eines Sper-
linges einem andern gantz ehnlich iſt/ ſey ein
Merckmal der goͤttlichen Weißheit/ die Ab-
wechſelung der Zeit/ des Gewitters/ und daß die
Stauden nicht auff einmal/ ſondern nach und
nach ihre Bluͤten und Fruͤchte braͤchten/ wor-
mit es uns ſo viel mehr genoßbar wuͤrde/ bezeich-
ne ſeine vaͤterliche Liebe. Die Lufft floͤſſe uns
zwar mit iedem Athem-holen einen Hauch der
goͤttlichen Gnade ein; Befruchte mit ihrem
Anblaſen die Erde/ ergoͤtze und ſpeiſe uns mit
dem Geſange und dem Fleiſche ſo unzehlbarer
Voͤgel; ja die goͤttliche Verſehung habe zweif-
felsfrey den Vogeln alleine fuͤr allen andern
Thieren eine ſo annehmliche Stimme/ keinem
einigen aber das wenigſte Gifft beygelegt/ um
den Menſchen zu ermuntern/ daß er ſo viel
mehr ſeine Zunge zum Lobe Gottes an-
wenden/ und ſeine Seele fuͤr allem Giffte/ wel-
ches allein denen auf der Erde krichenden Thie-
ren anklebet/ rein behalten; Und wie das
maͤnnliche Gefluͤgel allezeit ſchoͤner als das
weibliche iſt; alſo auch unſer Geſchlechte aller
weiblichen Schwachheiten frey/ und dieſem ein
Leitſtern zur Tugend ſeyn ſolle. Es waͤren
die Gebuͤrge die Gebeine der Erden eine Kette
der Natur/ welche derſelben Glieder aufs kuͤnſt-
lichſte an einander hielte; Ein Behaͤltnuͤß des
goͤttlichen Reichthums/ darinnen das Ertzt ge-
ſchmiedet/ die Brunnen von dem Meer-Saltze
geleutert/ von denen die Wolcken zertheilet/ auf
denen die hohen Baͤume zu Haͤuſern und
Schiffen gefaͤllet wuͤrden. Es ſey zwar das
Meer ein Spiegel der goͤttlichen Allmacht/
deſſen gethuͤrmte Wellen/ welche die Sternen
zu bekriegen ſchienen/ doch keinen Fußbreit
Erde verſchlingen koͤnten/ da ihnen doch die
Natur nichts als Staub zu einer Mauer ent-
gegen geſetzt haͤtte/ deſſen unergruͤndliche Tief-
fe niemahls uͤberlieffe/ ob gleich ſo viel tauſend
ſchifbare Stroͤme ſo viel tauſend Jahr hinein
[Spaltenumbruch] gelauffen waͤren. Es waͤre eine unerſchoͤpfli-
che Speiſekammer/ welches dem Menſchen ſo
viel unzehlbare Fiſche gebieret/ daß/ nachdem
ſie der gantze Erdkreiß nicht aufzuzehren mag/
ſie einander ſelbſt auffreſſen muͤſten; Es waͤ-
ren die nimmer verſeugenden Fluͤſſe ein Fuͤr-
bild der goͤttlichen Ewigkeit/ die Artzt- und
Heilbrunnen ſeiner Barmhertzigkeit/ die Wun-
der-Qvellen ein Anweiſer/ daß etwas ſey uͤber
den gemeinen Lauff der Natur/ nehmlich ein
verborgener/ und ſeinem Weſen nach in ſeine
unerreichliche Unbegreiffligkeit eingehuͤlleter/
aber in den Geſchoͤpffen augenſcheinlich offen-
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fernet/ ſeinen Wercken nach aber uns ſo nahe/
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ſehr in unſerm Thun widerſtrebten/ ſo ſehr er
unſer Hertz durch einen innerlichen Trieb zu
ſeiner Liebe und Erkaͤntnuͤß nicht anders als
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punct die Schwerde/ die Hoͤhe das Feuer an ſich
zuͤge/ alſo/ daß man zwar Laͤnder ohne Feuer/
keines aber ohne die Wiſſenſchafft/ daß ein Gott
ſey/ angetroffen haͤtte; und noch niemahls
ein Vernunfft-faͤhiger Kluͤgling gefunden wor-
den/ der das geringſte Geſchoͤpffe zu tadeln ge-
wuͤſt/ oder an der ſo vollkommenen Natur
etwas zu verbeſſern ihm getrauet haͤtte. Denn
die/ welche die ſo guͤtige Natur nicht fuͤr eine
Rechte/ ſondern fuͤr eine Stieff-Mutter zu
ſchelten ſich erkuͤhnet; und die Thiere alles Gif-
tes/ das Feld alles Unkrautes/ die Lufft aller
Muͤcken/ die Zeit alles Winters befreyt zu ſeyn
verlanget/ waͤren nicht ihre Kinder/ ſondern
unvernuͤnfftige Wechſelbaͤlge. Die ſie aber
tadelten/ daß ſie den Floͤhen mehr Beine als
den Elefanten/ der Raupe mehr Gelaͤncke als
dem Krokodil/ der Kraͤhe ein viel groͤſſeres Al-
ter als dem Menſchen gegeben/ verdienten als
Unſinnige mehr als Prometheus in ſtaͤhlernen
Feſſeln auff dem Caucaſus angeſchmiedet zu
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ſter
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[554/0610] Fuͤnfftes Buch Unterſcheid/ da kein Kraut dem andern/ kein Blat eines Baumes/ keine Feder eines Sper- linges einem andern gantz ehnlich iſt/ ſey ein Merckmal der goͤttlichen Weißheit/ die Ab- wechſelung der Zeit/ des Gewitters/ und daß die Stauden nicht auff einmal/ ſondern nach und nach ihre Bluͤten und Fruͤchte braͤchten/ wor- mit es uns ſo viel mehr genoßbar wuͤrde/ bezeich- ne ſeine vaͤterliche Liebe. Die Lufft floͤſſe uns zwar mit iedem Athem-holen einen Hauch der goͤttlichen Gnade ein; Befruchte mit ihrem Anblaſen die Erde/ ergoͤtze und ſpeiſe uns mit dem Geſange und dem Fleiſche ſo unzehlbarer Voͤgel; ja die goͤttliche Verſehung habe zweif- felsfrey den Vogeln alleine fuͤr allen andern Thieren eine ſo annehmliche Stimme/ keinem einigen aber das wenigſte Gifft beygelegt/ um den Menſchen zu ermuntern/ daß er ſo viel mehr ſeine Zunge zum Lobe Gottes an- wenden/ und ſeine Seele fuͤr allem Giffte/ wel- ches allein denen auf der Erde krichenden Thie- ren anklebet/ rein behalten; Und wie das maͤnnliche Gefluͤgel allezeit ſchoͤner als das weibliche iſt; alſo auch unſer Geſchlechte aller weiblichen Schwachheiten frey/ und dieſem ein Leitſtern zur Tugend ſeyn ſolle. Es waͤren die Gebuͤrge die Gebeine der Erden eine Kette der Natur/ welche derſelben Glieder aufs kuͤnſt- lichſte an einander hielte; Ein Behaͤltnuͤß des goͤttlichen Reichthums/ darinnen das Ertzt ge- ſchmiedet/ die Brunnen von dem Meer-Saltze geleutert/ von denen die Wolcken zertheilet/ auf denen die hohen Baͤume zu Haͤuſern und Schiffen gefaͤllet wuͤrden. Es ſey zwar das Meer ein Spiegel der goͤttlichen Allmacht/ deſſen gethuͤrmte Wellen/ welche die Sternen zu bekriegen ſchienen/ doch keinen Fußbreit Erde verſchlingen koͤnten/ da ihnen doch die Natur nichts als Staub zu einer Mauer ent- gegen geſetzt haͤtte/ deſſen unergruͤndliche Tief- fe niemahls uͤberlieffe/ ob gleich ſo viel tauſend ſchifbare Stroͤme ſo viel tauſend Jahr hinein gelauffen waͤren. Es waͤre eine unerſchoͤpfli- che Speiſekammer/ welches dem Menſchen ſo viel unzehlbare Fiſche gebieret/ daß/ nachdem ſie der gantze Erdkreiß nicht aufzuzehren mag/ ſie einander ſelbſt auffreſſen muͤſten; Es waͤ- ren die nimmer verſeugenden Fluͤſſe ein Fuͤr- bild der goͤttlichen Ewigkeit/ die Artzt- und Heilbrunnen ſeiner Barmhertzigkeit/ die Wun- der-Qvellen ein Anweiſer/ daß etwas ſey uͤber den gemeinen Lauff der Natur/ nehmlich ein verborgener/ und ſeinem Weſen nach in ſeine unerreichliche Unbegreiffligkeit eingehuͤlleter/ aber in den Geſchoͤpffen augenſcheinlich offen- barter Schoͤpffer/ der zwar unſern Augen ent- fernet/ ſeinen Wercken nach aber uns ſo nahe/ als wir uns ſelbſt waͤren/ deſſen Willen wir ſo ſehr in unſerm Thun widerſtrebten/ ſo ſehr er unſer Hertz durch einen innerlichen Trieb zu ſeiner Liebe und Erkaͤntnuͤß nicht anders als der Nordſtern die Magnet-Nadel/ der Mittel- punct die Schwerde/ die Hoͤhe das Feuer an ſich zuͤge/ alſo/ daß man zwar Laͤnder ohne Feuer/ keines aber ohne die Wiſſenſchafft/ daß ein Gott ſey/ angetroffen haͤtte; und noch niemahls ein Vernunfft-faͤhiger Kluͤgling gefunden wor- den/ der das geringſte Geſchoͤpffe zu tadeln ge- wuͤſt/ oder an der ſo vollkommenen Natur etwas zu verbeſſern ihm getrauet haͤtte. Denn die/ welche die ſo guͤtige Natur nicht fuͤr eine Rechte/ ſondern fuͤr eine Stieff-Mutter zu ſchelten ſich erkuͤhnet; und die Thiere alles Gif- tes/ das Feld alles Unkrautes/ die Lufft aller Muͤcken/ die Zeit alles Winters befreyt zu ſeyn verlanget/ waͤren nicht ihre Kinder/ ſondern unvernuͤnfftige Wechſelbaͤlge. Die ſie aber tadelten/ daß ſie den Floͤhen mehr Beine als den Elefanten/ der Raupe mehr Gelaͤncke als dem Krokodil/ der Kraͤhe ein viel groͤſſeres Al- ter als dem Menſchen gegeben/ verdienten als Unſinnige mehr als Prometheus in ſtaͤhlernen Feſſeln auff dem Caucaſus angeſchmiedet zu werden. Jch fiel/ fuhr Zeno fort/ dem Prie- ſter

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/610>, abgerufen am 22.11.2024.