Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
rung anzureitzen wol wahrnahm; und die für ih-nen als ein Marmel-Bild unbewegt stehende Vorrednerin ersuchte; sie möchte den berührten Trauerfall ihnen umständlicher entdecken. Die- se fing alsofort auff unverwendetem Fuße an: die hier liegende Tochter des Hertzogs Me- lo war von der Natur mit allen Schätzen ü- bermäßig beschüttet/ welche das weibliche Ge- schlechte von ihrer milden Hand anzunehmen fähig ist. Ja auch ihr Hertze war mit dem Schatze der Männer betheilet/ nehmlich ei- nem Heldenmuthe; also daß ihre Schönheit mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih- re Anschauer überwältigte; sondern ihr Geist auch fähig war Länder einzunehmen. Was mühe ich mich aber die heraus zu streichen/ wel- cher Vollkommenheit gantz Deutschland für- längst erkennet; nunmehr aber an ihr einen so herrlichen Schatz so schändlich verlohren hat? Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die schönsten Blumen anfeinden; und die Kröten aus den reinsten Kräutern ihr Eyter saugen; al- so hat die Tugend dieser so reinen Fürstin nicht die Anfechtung des geilen Varus zurück zu hal- ten vermocht. Dieser Unmensch zohe mit etli- chen tausend Römern und Galliern durch das Sicambrische Gebiethe nach Alison. Melo nahm ihn als einen Freund und Bundsgenos- sen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen seiner Lusthäuser/ wohin die Reise zutrug/ auffs höfflichste; und diese seine zu ihrem Unglücke so schöne Tochter muste die mit ihm reisende Frau des Lucius Asprenas und etliche andere Röme- rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs freundlichste unterhalten. Varus fing mit ih- rer ersten Erblickung alsbald Feuer/ und in einem Tage brandte sein Hertz lichterloh. Wie- wohl nun ihre ihr aus den Augen sehende Tu- gend diesen in seinen stinckenden Hertzen auff- steigenden Dampff hätte niederdrücken sollen; war doch dieser der Laster gewohnte Mensch so wenig seiner Vernunfft als seiner Begierden mächtig; sondern er meinte: daß die Schönheit [Spaltenumbruch] so selten keusch/ als die Sonne kalt wäre/ und Walpurgis für eine Ehre oder Gnade zu ach- ten hätte/ wenn ein Anverwandter des Römi- chen Käysers mit ihr seine Lust büssete. Ja es war Varus in sich selbst so sehr verliebt: daß er kein Frauenzimmer für so kaltsinnig hielt/ wel- ches bey seiner ersten Ansprache nicht die Frey- heit; bey der andern Zusammenkunfft die Ver- nunfft verliehren/ und seine Vollkommenheit nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die Sonne in Mohrenland alle Einwohner schwartz machen müste. Nachdem er auch ein und ander mahl in Abwesenheit der Römischen Frauen ge- gen sie ziemlich freye Reden und Geberden ge- braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß es zu Rom gewohnte Sitten wären/ ohne eusser- liche Empfindung hatte hingehen lassen/ bildete er sich ein/ dieser Fürstin Hertze wäre schon eine von ihm so in die Enge gebrachte Fe- stung: daß sie um sich zu ergeben nur die Ehre verlangte auffgefodert zu werden. Diesemnach er sie dann/ als Hertzog Melo mit des Asprenas Gemahlin in einem Lusthause das Königsspiel spielten/ bey der Hand nahm/ und in einem schattichten Gange des Gartens mit seinem garstigen Munde durch Abheischung unziemli- cher Liebe nichts minder das Haus seines so wohlthätigen Wirthes/ als die keusche Ohren dieser tugendhafften Fürstin verletzte. Walpur- gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/ als die Rosen mit Dornen ihre Beleidiger zu verletzen gewaffnet war/ hatte sich bey nahe ent- schlossen diesem unverschämten Tollkühnen mit einem Schimpffe zu begegnen; sie erwog aber alsbald vernünfftig/ was ihrem Vater und al- len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe- gung für Unheil erwachsen/ und/ nachdem Va- rus so grosse Kriegs-Macht an der Hand hat- te/ in was für Gefahr und Unglück sie sich durch zu geschwinden Eyfer stürtzen könte. Diesemnach sie denn/ wiewohl mit gantz ver- änderter Freundligkeit dem Varus antwor- tete: Sie muthmaßte aus diesem Vortrage/ wann B 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
rung anzureitzen wol wahrnahm; und die fuͤr ih-nen als ein Marmel-Bild unbewegt ſtehende Vorrednerin erſuchte; ſie moͤchte den beruͤhrten Trauerfall ihnen umſtaͤndlicher entdecken. Die- ſe fing alſofort auff unverwendetem Fuße an: die hier liegende Tochter des Hertzogs Me- lo war von der Natur mit allen Schaͤtzen uͤ- bermaͤßig beſchuͤttet/ welche das weibliche Ge- ſchlechte von ihrer milden Hand anzunehmen faͤhig iſt. Ja auch ihr Hertze war mit dem Schatze der Maͤnner betheilet/ nehmlich ei- nem Heldenmuthe; alſo daß ihre Schoͤnheit mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih- re Anſchauer uͤberwaͤltigte; ſondern ihr Geiſt auch faͤhig war Laͤnder einzunehmen. Was muͤhe ich mich aber die heraus zu ſtreichen/ wel- cher Vollkommenheit gantz Deutſchland fuͤr- laͤngſt erkennet; nunmehr aber an ihr einen ſo herrlichen Schatz ſo ſchaͤndlich verlohren hat? Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die ſchoͤnſten Blumen anfeinden; und die Kroͤten aus den reinſten Kraͤutern ihr Eyter ſaugen; al- ſo hat die Tugend dieſer ſo reinen Fuͤrſtin nicht die Anfechtung des geilen Varus zuruͤck zu hal- ten vermocht. Dieſer Unmenſch zohe mit etli- chen tauſend Roͤmern und Galliern durch das Sicambriſche Gebiethe nach Aliſon. Melo nahm ihn als einen Freund und Bundsgenoſ- ſen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen ſeiner Luſthaͤuſer/ wohin die Reiſe zutrug/ auffs hoͤfflichſte; und dieſe ſeine zu ihrem Ungluͤcke ſo ſchoͤne Tochter muſte die mit ihm reiſende Frau des Lucius Aſprenas und etliche andere Roͤme- rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs freundlichſte unterhalten. Varus fing mit ih- rer erſten Erblickung alsbald Feuer/ und in einem Tage brandte ſein Hertz lichterloh. Wie- wohl nun ihre ihr aus den Augen ſehende Tu- gend dieſen in ſeinen ſtinckenden Hertzen auff- ſteigenden Dampff haͤtte niederdruͤcken ſollen; war doch dieſer der Laſter gewohnte Menſch ſo wenig ſeiner Vernunfft als ſeiner Begierden maͤchtig; ſondern er meinte: daß die Schoͤnheit [Spaltenumbruch] ſo ſelten keuſch/ als die Sonne kalt waͤre/ und Walpurgis fuͤr eine Ehre oder Gnade zu ach- ten haͤtte/ wenn ein Anverwandter des Roͤmi- chen Kaͤyſers mit ihr ſeine Luſt buͤſſete. Ja es war Varus in ſich ſelbſt ſo ſehr verliebt: daß er kein Frauenzimmer fuͤr ſo kaltſinnig hielt/ wel- ches bey ſeiner erſten Anſprache nicht die Frey- heit; bey der andern Zuſammenkunfft die Ver- nunfft verliehren/ und ſeine Vollkommenheit nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die Soñe in Mohrenland alle Einwohner ſchwartz machen muͤſte. Nachdem er auch ein und ander mahl in Abweſenheit der Roͤmiſchen Frauen ge- gen ſie ziemlich freye Reden und Geberden ge- braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß es zu Rom gewohnte Sitten waͤren/ ohne euſſer- liche Empfindung hatte hingehen laſſen/ bildete er ſich ein/ dieſer Fuͤrſtin Hertze waͤre ſchon eine von ihm ſo in die Enge gebrachte Fe- ſtung: daß ſie um ſich zu ergeben nur die Ehre verlangte auffgefodert zu werden. Dieſemnach er ſie dann/ als Hertzog Melo mit des Aſprenas Gemahlin in einem Luſthauſe das Koͤnigsſpiel ſpielten/ bey der Hand nahm/ und in einem ſchattichten Gange des Gartens mit ſeinem garſtigen Munde durch Abheiſchung unziemli- cher Liebe nichts minder das Haus ſeines ſo wohlthaͤtigen Wirthes/ als die keuſche Ohren dieſer tugendhafften Fuͤrſtin verletzte. Walpur- gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/ als die Roſen mit Dornen ihre Beleidiger zu verletzen gewaffnet war/ hatte ſich bey nahe ent- ſchloſſen dieſem unverſchaͤmten Tollkuͤhnen mit einem Schimpffe zu begegnen; ſie erwog aber alsbald vernuͤnfftig/ was ihrem Vater und al- len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe- gung fuͤr Unheil erwachſen/ und/ nachdem Va- rus ſo groſſe Kriegs-Macht an der Hand hat- te/ in was fuͤr Gefahr und Ungluͤck ſie ſich durch zu geſchwinden Eyfer ſtuͤrtzen koͤnte. Dieſemnach ſie denn/ wiewohl mit gantz ver- aͤnderter Freundligkeit dem Varus antwor- tete: Sie muthmaßte aus dieſem Vortrage/ wann B 3
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Arminius und Thußnelda.
rung anzureitzen wol wahrnahm; und die fuͤr ih-
nen als ein Marmel-Bild unbewegt ſtehende
Vorrednerin erſuchte; ſie moͤchte den beruͤhrten
Trauerfall ihnen umſtaͤndlicher entdecken. Die-
ſe fing alſofort auff unverwendetem Fuße an:
die hier liegende Tochter des Hertzogs Me-
lo war von der Natur mit allen Schaͤtzen uͤ-
bermaͤßig beſchuͤttet/ welche das weibliche Ge-
ſchlechte von ihrer milden Hand anzunehmen
faͤhig iſt. Ja auch ihr Hertze war mit dem
Schatze der Maͤnner betheilet/ nehmlich ei-
nem Heldenmuthe; alſo daß ihre Schoͤnheit
mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih-
re Anſchauer uͤberwaͤltigte; ſondern ihr Geiſt
auch faͤhig war Laͤnder einzunehmen. Was
muͤhe ich mich aber die heraus zu ſtreichen/ wel-
cher Vollkommenheit gantz Deutſchland fuͤr-
laͤngſt erkennet; nunmehr aber an ihr einen ſo
herrlichen Schatz ſo ſchaͤndlich verlohren hat?
Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die
ſchoͤnſten Blumen anfeinden; und die Kroͤten
aus den reinſten Kraͤutern ihr Eyter ſaugen; al-
ſo hat die Tugend dieſer ſo reinen Fuͤrſtin nicht
die Anfechtung des geilen Varus zuruͤck zu hal-
ten vermocht. Dieſer Unmenſch zohe mit etli-
chen tauſend Roͤmern und Galliern durch das
Sicambriſche Gebiethe nach Aliſon. Melo
nahm ihn als einen Freund und Bundsgenoſ-
ſen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen
ſeiner Luſthaͤuſer/ wohin die Reiſe zutrug/ auffs
hoͤfflichſte; und dieſe ſeine zu ihrem Ungluͤcke ſo
ſchoͤne Tochter muſte die mit ihm reiſende Frau
des Lucius Aſprenas und etliche andere Roͤme-
rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs
freundlichſte unterhalten. Varus fing mit ih-
rer erſten Erblickung alsbald Feuer/ und in
einem Tage brandte ſein Hertz lichterloh. Wie-
wohl nun ihre ihr aus den Augen ſehende Tu-
gend dieſen in ſeinen ſtinckenden Hertzen auff-
ſteigenden Dampff haͤtte niederdruͤcken ſollen;
war doch dieſer der Laſter gewohnte Menſch ſo
wenig ſeiner Vernunfft als ſeiner Begierden
maͤchtig; ſondern er meinte: daß die Schoͤnheit
ſo ſelten keuſch/ als die Sonne kalt waͤre/ und
Walpurgis fuͤr eine Ehre oder Gnade zu ach-
ten haͤtte/ wenn ein Anverwandter des Roͤmi-
chen Kaͤyſers mit ihr ſeine Luſt buͤſſete. Ja es
war Varus in ſich ſelbſt ſo ſehr verliebt: daß er
kein Frauenzimmer fuͤr ſo kaltſinnig hielt/ wel-
ches bey ſeiner erſten Anſprache nicht die Frey-
heit; bey der andern Zuſammenkunfft die Ver-
nunfft verliehren/ und ſeine Vollkommenheit
nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die
Soñe in Mohrenland alle Einwohner ſchwartz
machen muͤſte. Nachdem er auch ein und ander
mahl in Abweſenheit der Roͤmiſchen Frauen ge-
gen ſie ziemlich freye Reden und Geberden ge-
braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß
es zu Rom gewohnte Sitten waͤren/ ohne euſſer-
liche Empfindung hatte hingehen laſſen/
bildete er ſich ein/ dieſer Fuͤrſtin Hertze waͤre
ſchon eine von ihm ſo in die Enge gebrachte Fe-
ſtung: daß ſie um ſich zu ergeben nur die Ehre
verlangte auffgefodert zu werden. Dieſemnach
er ſie dann/ als Hertzog Melo mit des Aſprenas
Gemahlin in einem Luſthauſe das Koͤnigsſpiel
ſpielten/ bey der Hand nahm/ und in einem
ſchattichten Gange des Gartens mit ſeinem
garſtigen Munde durch Abheiſchung unziemli-
cher Liebe nichts minder das Haus ſeines ſo
wohlthaͤtigen Wirthes/ als die keuſche Ohren
dieſer tugendhafften Fuͤrſtin verletzte. Walpur-
gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/
als die Roſen mit Dornen ihre Beleidiger zu
verletzen gewaffnet war/ hatte ſich bey nahe ent-
ſchloſſen dieſem unverſchaͤmten Tollkuͤhnen mit
einem Schimpffe zu begegnen; ſie erwog aber
alsbald vernuͤnfftig/ was ihrem Vater und al-
len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe-
gung fuͤr Unheil erwachſen/ und/ nachdem Va-
rus ſo groſſe Kriegs-Macht an der Hand hat-
te/ in was fuͤr Gefahr und Ungluͤck ſie ſich
durch zu geſchwinden Eyfer ſtuͤrtzen koͤnte.
Dieſemnach ſie denn/ wiewohl mit gantz ver-
aͤnderter Freundligkeit dem Varus antwor-
tete: Sie muthmaßte aus dieſem Vortrage/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/61>, abgerufen am 20.07.2024. |