Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] rung anzureitzen wol wahrnahm; und die für ih-
nen als ein Marmel-Bild unbewegt stehende
Vorrednerin ersuchte; sie möchte den berührten
Trauerfall ihnen umständlicher entdecken. Die-
se fing alsofort auff unverwendetem Fuße an:
die hier liegende Tochter des Hertzogs Me-
lo war von der Natur mit allen Schätzen ü-
bermäßig beschüttet/ welche das weibliche Ge-
schlechte von ihrer milden Hand anzunehmen
fähig ist. Ja auch ihr Hertze war mit dem
Schatze der Männer betheilet/ nehmlich ei-
nem Heldenmuthe; also daß ihre Schönheit
mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih-
re Anschauer überwältigte; sondern ihr Geist
auch fähig war Länder einzunehmen. Was
mühe ich mich aber die heraus zu streichen/ wel-
cher Vollkommenheit gantz Deutschland für-
längst erkennet; nunmehr aber an ihr einen so
herrlichen Schatz so schändlich verlohren hat?
Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die
schönsten Blumen anfeinden; und die Kröten
aus den reinsten Kräutern ihr Eyter saugen; al-
so hat die Tugend dieser so reinen Fürstin nicht
die Anfechtung des geilen Varus zurück zu hal-
ten vermocht. Dieser Unmensch zohe mit etli-
chen tausend Römern und Galliern durch das
Sicambrische Gebiethe nach Alison. Melo
nahm ihn als einen Freund und Bundsgenos-
sen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen
seiner Lusthäuser/ wohin die Reise zutrug/ auffs
höfflichste; und diese seine zu ihrem Unglücke so
schöne Tochter muste die mit ihm reisende Frau
des Lucius Asprenas und etliche andere Röme-
rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs
freundlichste unterhalten. Varus fing mit ih-
rer ersten Erblickung alsbald Feuer/ und in
einem Tage brandte sein Hertz lichterloh. Wie-
wohl nun ihre ihr aus den Augen sehende Tu-
gend diesen in seinen stinckenden Hertzen auff-
steigenden Dampff hätte niederdrücken sollen;
war doch dieser der Laster gewohnte Mensch so
wenig seiner Vernunfft als seiner Begierden
mächtig; sondern er meinte: daß die Schönheit
[Spaltenumbruch] so selten keusch/ als die Sonne kalt wäre/ und
Walpurgis für eine Ehre oder Gnade zu ach-
ten hätte/ wenn ein Anverwandter des Römi-
chen Käysers mit ihr seine Lust büssete. Ja es
war Varus in sich selbst so sehr verliebt: daß er
kein Frauenzimmer für so kaltsinnig hielt/ wel-
ches bey seiner ersten Ansprache nicht die Frey-
heit; bey der andern Zusammenkunfft die Ver-
nunfft verliehren/ und seine Vollkommenheit
nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die
Sonne in Mohrenland alle Einwohner schwartz
machen müste. Nachdem er auch ein und ander
mahl in Abwesenheit der Römischen Frauen ge-
gen sie ziemlich freye Reden und Geberden ge-
braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß
es zu Rom gewohnte Sitten wären/ ohne eusser-
liche Empfindung hatte hingehen lassen/
bildete er sich ein/ dieser Fürstin Hertze wäre
schon eine von ihm so in die Enge gebrachte Fe-
stung: daß sie um sich zu ergeben nur die Ehre
verlangte auffgefodert zu werden. Diesemnach
er sie dann/ als Hertzog Melo mit des Asprenas
Gemahlin in einem Lusthause das Königsspiel
spielten/ bey der Hand nahm/ und in einem
schattichten Gange des Gartens mit seinem
garstigen Munde durch Abheischung unziemli-
cher Liebe nichts minder das Haus seines so
wohlthätigen Wirthes/ als die keusche Ohren
dieser tugendhafften Fürstin verletzte. Walpur-
gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/
als die Rosen mit Dornen ihre Beleidiger zu
verletzen gewaffnet war/ hatte sich bey nahe ent-
schlossen diesem unverschämten Tollkühnen mit
einem Schimpffe zu begegnen; sie erwog aber
alsbald vernünfftig/ was ihrem Vater und al-
len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe-
gung für Unheil erwachsen/ und/ nachdem Va-
rus so grosse Kriegs-Macht an der Hand hat-
te/ in was für Gefahr und Unglück sie sich
durch zu geschwinden Eyfer stürtzen könte.
Diesemnach sie denn/ wiewohl mit gantz ver-
änderter Freundligkeit dem Varus antwor-
tete: Sie muthmaßte aus diesem Vortrage/

wann
B 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] rung anzureitzen wol wahrnahm; und die fuͤr ih-
nen als ein Marmel-Bild unbewegt ſtehende
Vorrednerin erſuchte; ſie moͤchte den beruͤhrten
Trauerfall ihnen umſtaͤndlicher entdecken. Die-
ſe fing alſofort auff unverwendetem Fuße an:
die hier liegende Tochter des Hertzogs Me-
lo war von der Natur mit allen Schaͤtzen uͤ-
bermaͤßig beſchuͤttet/ welche das weibliche Ge-
ſchlechte von ihrer milden Hand anzunehmen
faͤhig iſt. Ja auch ihr Hertze war mit dem
Schatze der Maͤnner betheilet/ nehmlich ei-
nem Heldenmuthe; alſo daß ihre Schoͤnheit
mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih-
re Anſchauer uͤberwaͤltigte; ſondern ihr Geiſt
auch faͤhig war Laͤnder einzunehmen. Was
muͤhe ich mich aber die heraus zu ſtreichen/ wel-
cher Vollkommenheit gantz Deutſchland fuͤr-
laͤngſt erkennet; nunmehr aber an ihr einen ſo
herrlichen Schatz ſo ſchaͤndlich verlohren hat?
Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die
ſchoͤnſten Blumen anfeinden; und die Kroͤten
aus den reinſten Kraͤutern ihr Eyter ſaugen; al-
ſo hat die Tugend dieſer ſo reinen Fuͤrſtin nicht
die Anfechtung des geilen Varus zuruͤck zu hal-
ten vermocht. Dieſer Unmenſch zohe mit etli-
chen tauſend Roͤmern und Galliern durch das
Sicambriſche Gebiethe nach Aliſon. Melo
nahm ihn als einen Freund und Bundsgenoſ-
ſen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen
ſeiner Luſthaͤuſer/ wohin die Reiſe zutrug/ auffs
hoͤfflichſte; und dieſe ſeine zu ihrem Ungluͤcke ſo
ſchoͤne Tochter muſte die mit ihm reiſende Frau
des Lucius Aſprenas und etliche andere Roͤme-
rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs
freundlichſte unterhalten. Varus fing mit ih-
rer erſten Erblickung alsbald Feuer/ und in
einem Tage brandte ſein Hertz lichterloh. Wie-
wohl nun ihre ihr aus den Augen ſehende Tu-
gend dieſen in ſeinen ſtinckenden Hertzen auff-
ſteigenden Dampff haͤtte niederdruͤcken ſollen;
war doch dieſer der Laſter gewohnte Menſch ſo
wenig ſeiner Vernunfft als ſeiner Begierden
maͤchtig; ſondern er meinte: daß die Schoͤnheit
[Spaltenumbruch] ſo ſelten keuſch/ als die Sonne kalt waͤre/ und
Walpurgis fuͤr eine Ehre oder Gnade zu ach-
ten haͤtte/ wenn ein Anverwandter des Roͤmi-
chen Kaͤyſers mit ihr ſeine Luſt buͤſſete. Ja es
war Varus in ſich ſelbſt ſo ſehr verliebt: daß er
kein Frauenzimmer fuͤr ſo kaltſinnig hielt/ wel-
ches bey ſeiner erſten Anſprache nicht die Frey-
heit; bey der andern Zuſammenkunfft die Ver-
nunfft verliehren/ und ſeine Vollkommenheit
nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die
Soñe in Mohrenland alle Einwohner ſchwartz
machen muͤſte. Nachdem er auch ein und ander
mahl in Abweſenheit der Roͤmiſchen Frauen ge-
gen ſie ziemlich freye Reden und Geberden ge-
braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß
es zu Rom gewohnte Sitten waͤren/ ohne euſſer-
liche Empfindung hatte hingehen laſſen/
bildete er ſich ein/ dieſer Fuͤrſtin Hertze waͤre
ſchon eine von ihm ſo in die Enge gebrachte Fe-
ſtung: daß ſie um ſich zu ergeben nur die Ehre
verlangte auffgefodert zu werden. Dieſemnach
er ſie dann/ als Hertzog Melo mit des Aſprenas
Gemahlin in einem Luſthauſe das Koͤnigsſpiel
ſpielten/ bey der Hand nahm/ und in einem
ſchattichten Gange des Gartens mit ſeinem
garſtigen Munde durch Abheiſchung unziemli-
cher Liebe nichts minder das Haus ſeines ſo
wohlthaͤtigen Wirthes/ als die keuſche Ohren
dieſer tugendhafften Fuͤrſtin verletzte. Walpur-
gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/
als die Roſen mit Dornen ihre Beleidiger zu
verletzen gewaffnet war/ hatte ſich bey nahe ent-
ſchloſſen dieſem unverſchaͤmten Tollkuͤhnen mit
einem Schimpffe zu begegnen; ſie erwog aber
alsbald vernuͤnfftig/ was ihrem Vater und al-
len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe-
gung fuͤr Unheil erwachſen/ und/ nachdem Va-
rus ſo groſſe Kriegs-Macht an der Hand hat-
te/ in was fuͤr Gefahr und Ungluͤck ſie ſich
durch zu geſchwinden Eyfer ſtuͤrtzen koͤnte.
Dieſemnach ſie denn/ wiewohl mit gantz ver-
aͤnderter Freundligkeit dem Varus antwor-
tete: Sie muthmaßte aus dieſem Vortrage/

wann
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
rung anzureitzen wol wahrnahm; und die fu&#x0364;r ih-<lb/>
nen als ein Marmel-Bild unbewegt &#x017F;tehende<lb/>
Vorrednerin er&#x017F;uchte; &#x017F;ie mo&#x0364;chte den beru&#x0364;hrten<lb/>
Trauerfall ihnen um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher entdecken. Die-<lb/>
&#x017F;e fing al&#x017F;ofort auff unverwendetem Fuße an:<lb/>
die hier liegende Tochter des Hertzogs Me-<lb/>
lo war von der Natur mit allen Scha&#x0364;tzen u&#x0364;-<lb/>
berma&#x0364;ßig be&#x017F;chu&#x0364;ttet/ welche das weibliche Ge-<lb/>
&#x017F;chlechte von ihrer milden Hand anzunehmen<lb/>
fa&#x0364;hig i&#x017F;t. Ja auch ihr Hertze war mit dem<lb/>
Schatze der Ma&#x0364;nner betheilet/ nehmlich ei-<lb/>
nem Heldenmuthe; al&#x017F;o daß ihre Scho&#x0364;nheit<lb/>
mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih-<lb/>
re An&#x017F;chauer u&#x0364;berwa&#x0364;ltigte; &#x017F;ondern ihr Gei&#x017F;t<lb/>
auch fa&#x0364;hig war La&#x0364;nder einzunehmen. Was<lb/>
mu&#x0364;he ich mich aber die heraus zu &#x017F;treichen/ wel-<lb/>
cher Vollkommenheit gantz Deut&#x017F;chland fu&#x0364;r-<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t erkennet; nunmehr aber an ihr einen &#x017F;o<lb/>
herrlichen Schatz &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich verlohren hat?<lb/>
Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Blumen anfeinden; und die Kro&#x0364;ten<lb/>
aus den rein&#x017F;ten Kra&#x0364;utern ihr Eyter &#x017F;augen; al-<lb/>
&#x017F;o hat die Tugend die&#x017F;er &#x017F;o reinen Fu&#x0364;r&#x017F;tin nicht<lb/>
die Anfechtung des geilen Varus zuru&#x0364;ck zu hal-<lb/>
ten vermocht. Die&#x017F;er Unmen&#x017F;ch zohe mit etli-<lb/>
chen tau&#x017F;end Ro&#x0364;mern und Galliern durch das<lb/>
Sicambri&#x017F;che Gebiethe nach Ali&#x017F;on. Melo<lb/>
nahm ihn als einen Freund und Bundsgeno&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen<lb/>
&#x017F;einer Lu&#x017F;tha&#x0364;u&#x017F;er/ wohin die Rei&#x017F;e zutrug/ auffs<lb/>
ho&#x0364;fflich&#x017F;te; und die&#x017F;e &#x017F;eine zu ihrem Unglu&#x0364;cke &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Tochter mu&#x017F;te die mit ihm rei&#x017F;ende Frau<lb/>
des Lucius A&#x017F;prenas und etliche andere Ro&#x0364;me-<lb/>
rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs<lb/>
freundlich&#x017F;te unterhalten. Varus fing mit ih-<lb/>
rer er&#x017F;ten Erblickung alsbald Feuer/ und in<lb/>
einem Tage brandte &#x017F;ein Hertz lichterloh. Wie-<lb/>
wohl nun ihre ihr aus den Augen &#x017F;ehende Tu-<lb/>
gend die&#x017F;en in &#x017F;einen &#x017F;tinckenden Hertzen auff-<lb/>
&#x017F;teigenden Dampff ha&#x0364;tte niederdru&#x0364;cken &#x017F;ollen;<lb/>
war doch die&#x017F;er der La&#x017F;ter gewohnte Men&#x017F;ch &#x017F;o<lb/>
wenig &#x017F;einer Vernunfft als &#x017F;einer Begierden<lb/>
ma&#x0364;chtig; &#x017F;ondern er meinte: daß die Scho&#x0364;nheit<lb/><cb/>
&#x017F;o &#x017F;elten keu&#x017F;ch/ als die Sonne kalt wa&#x0364;re/ und<lb/>
Walpurgis fu&#x0364;r eine Ehre oder Gnade zu ach-<lb/>
ten ha&#x0364;tte/ wenn ein Anverwandter des Ro&#x0364;mi-<lb/>
chen Ka&#x0364;y&#x017F;ers mit ihr &#x017F;eine Lu&#x017F;t bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete. Ja es<lb/>
war Varus in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr verliebt: daß er<lb/>
kein Frauenzimmer fu&#x0364;r &#x017F;o kalt&#x017F;innig hielt/ wel-<lb/>
ches bey &#x017F;einer er&#x017F;ten An&#x017F;prache nicht die Frey-<lb/>
heit; bey der andern Zu&#x017F;ammenkunfft die Ver-<lb/>
nunfft verliehren/ und &#x017F;eine Vollkommenheit<lb/>
nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die<lb/>
Son&#x0303;e in Mohrenland alle Einwohner &#x017F;chwartz<lb/>
machen mu&#x0364;&#x017F;te. Nachdem er auch ein und ander<lb/>
mahl in Abwe&#x017F;enheit der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Frauen ge-<lb/>
gen &#x017F;ie ziemlich freye Reden und Geberden ge-<lb/>
braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß<lb/>
es zu Rom gewohnte Sitten wa&#x0364;ren/ ohne eu&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
liche Empfindung hatte hingehen la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
bildete er &#x017F;ich ein/ die&#x017F;er Fu&#x0364;r&#x017F;tin Hertze wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;chon eine von ihm &#x017F;o in die Enge gebrachte Fe-<lb/>
&#x017F;tung: daß &#x017F;ie um &#x017F;ich zu ergeben nur die Ehre<lb/>
verlangte auffgefodert zu werden. Die&#x017F;emnach<lb/>
er &#x017F;ie dann/ als Hertzog Melo mit des A&#x017F;prenas<lb/>
Gemahlin in einem Lu&#x017F;thau&#x017F;e das Ko&#x0364;nigs&#x017F;piel<lb/>
&#x017F;pielten/ bey der Hand nahm/ und in einem<lb/>
&#x017F;chattichten Gange des Gartens mit &#x017F;einem<lb/>
gar&#x017F;tigen Munde durch Abhei&#x017F;chung unziemli-<lb/>
cher Liebe nichts minder das Haus &#x017F;eines &#x017F;o<lb/>
wohltha&#x0364;tigen Wirthes/ als die keu&#x017F;che Ohren<lb/>
die&#x017F;er tugendhafften Fu&#x0364;r&#x017F;tin verletzte. Walpur-<lb/>
gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/<lb/>
als die Ro&#x017F;en mit Dornen ihre Beleidiger zu<lb/>
verletzen gewaffnet war/ hatte &#x017F;ich bey nahe ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;em unver&#x017F;cha&#x0364;mten Tollku&#x0364;hnen mit<lb/>
einem Schimpffe zu begegnen; &#x017F;ie erwog aber<lb/>
alsbald vernu&#x0364;nfftig/ was ihrem Vater und al-<lb/>
len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe-<lb/>
gung fu&#x0364;r Unheil erwach&#x017F;en/ und/ nachdem Va-<lb/>
rus &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Kriegs-Macht an der Hand hat-<lb/>
te/ in was fu&#x0364;r Gefahr und Unglu&#x0364;ck &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
durch zu ge&#x017F;chwinden Eyfer &#x017F;tu&#x0364;rtzen ko&#x0364;nte.<lb/>
Die&#x017F;emnach &#x017F;ie denn/ wiewohl mit gantz ver-<lb/>
a&#x0364;nderter Freundligkeit dem Varus antwor-<lb/>
tete: Sie muthmaßte aus die&#x017F;em Vortrage/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0061] Arminius und Thußnelda. rung anzureitzen wol wahrnahm; und die fuͤr ih- nen als ein Marmel-Bild unbewegt ſtehende Vorrednerin erſuchte; ſie moͤchte den beruͤhrten Trauerfall ihnen umſtaͤndlicher entdecken. Die- ſe fing alſofort auff unverwendetem Fuße an: die hier liegende Tochter des Hertzogs Me- lo war von der Natur mit allen Schaͤtzen uͤ- bermaͤßig beſchuͤttet/ welche das weibliche Ge- ſchlechte von ihrer milden Hand anzunehmen faͤhig iſt. Ja auch ihr Hertze war mit dem Schatze der Maͤnner betheilet/ nehmlich ei- nem Heldenmuthe; alſo daß ihre Schoͤnheit mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ih- re Anſchauer uͤberwaͤltigte; ſondern ihr Geiſt auch faͤhig war Laͤnder einzunehmen. Was muͤhe ich mich aber die heraus zu ſtreichen/ wel- cher Vollkommenheit gantz Deutſchland fuͤr- laͤngſt erkennet; nunmehr aber an ihr einen ſo herrlichen Schatz ſo ſchaͤndlich verlohren hat? Denn wie es Schlangen giebt/ welche nur die ſchoͤnſten Blumen anfeinden; und die Kroͤten aus den reinſten Kraͤutern ihr Eyter ſaugen; al- ſo hat die Tugend dieſer ſo reinen Fuͤrſtin nicht die Anfechtung des geilen Varus zuruͤck zu hal- ten vermocht. Dieſer Unmenſch zohe mit etli- chen tauſend Roͤmern und Galliern durch das Sicambriſche Gebiethe nach Aliſon. Melo nahm ihn als einen Freund und Bundsgenoſ- ſen freundlich auff/ bewirthete ihn auff etlichen ſeiner Luſthaͤuſer/ wohin die Reiſe zutrug/ auffs hoͤfflichſte; und dieſe ſeine zu ihrem Ungluͤcke ſo ſchoͤne Tochter muſte die mit ihm reiſende Frau des Lucius Aſprenas und etliche andere Roͤme- rinnen/ oder vielmehr Kuplerinnen auffs freundlichſte unterhalten. Varus fing mit ih- rer erſten Erblickung alsbald Feuer/ und in einem Tage brandte ſein Hertz lichterloh. Wie- wohl nun ihre ihr aus den Augen ſehende Tu- gend dieſen in ſeinen ſtinckenden Hertzen auff- ſteigenden Dampff haͤtte niederdruͤcken ſollen; war doch dieſer der Laſter gewohnte Menſch ſo wenig ſeiner Vernunfft als ſeiner Begierden maͤchtig; ſondern er meinte: daß die Schoͤnheit ſo ſelten keuſch/ als die Sonne kalt waͤre/ und Walpurgis fuͤr eine Ehre oder Gnade zu ach- ten haͤtte/ wenn ein Anverwandter des Roͤmi- chen Kaͤyſers mit ihr ſeine Luſt buͤſſete. Ja es war Varus in ſich ſelbſt ſo ſehr verliebt: daß er kein Frauenzimmer fuͤr ſo kaltſinnig hielt/ wel- ches bey ſeiner erſten Anſprache nicht die Frey- heit; bey der andern Zuſammenkunfft die Ver- nunfft verliehren/ und ſeine Vollkommenheit nichts minder alles Weibsvolck verliebt/ als die Soñe in Mohrenland alle Einwohner ſchwartz machen muͤſte. Nachdem er auch ein und ander mahl in Abweſenheit der Roͤmiſchen Frauen ge- gen ſie ziemlich freye Reden und Geberden ge- braucht/ Walpurgis aber es in Meinung: daß es zu Rom gewohnte Sitten waͤren/ ohne euſſer- liche Empfindung hatte hingehen laſſen/ bildete er ſich ein/ dieſer Fuͤrſtin Hertze waͤre ſchon eine von ihm ſo in die Enge gebrachte Fe- ſtung: daß ſie um ſich zu ergeben nur die Ehre verlangte auffgefodert zu werden. Dieſemnach er ſie dann/ als Hertzog Melo mit des Aſprenas Gemahlin in einem Luſthauſe das Koͤnigsſpiel ſpielten/ bey der Hand nahm/ und in einem ſchattichten Gange des Gartens mit ſeinem garſtigen Munde durch Abheiſchung unziemli- cher Liebe nichts minder das Haus ſeines ſo wohlthaͤtigen Wirthes/ als die keuſche Ohren dieſer tugendhafften Fuͤrſtin verletzte. Walpur- gis/ welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit/ als die Roſen mit Dornen ihre Beleidiger zu verletzen gewaffnet war/ hatte ſich bey nahe ent- ſchloſſen dieſem unverſchaͤmten Tollkuͤhnen mit einem Schimpffe zu begegnen; ſie erwog aber alsbald vernuͤnfftig/ was ihrem Vater und al- len Sicambern aus einer zu hitzigen Bewe- gung fuͤr Unheil erwachſen/ und/ nachdem Va- rus ſo groſſe Kriegs-Macht an der Hand hat- te/ in was fuͤr Gefahr und Ungluͤck ſie ſich durch zu geſchwinden Eyfer ſtuͤrtzen koͤnte. Dieſemnach ſie denn/ wiewohl mit gantz ver- aͤnderter Freundligkeit dem Varus antwor- tete: Sie muthmaßte aus dieſem Vortrage/ wann B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/61
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/61>, abgerufen am 22.11.2024.