Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Stülen das Recht wider alle andere Ar-ten erlanget hätten. Diesem nach wäre es nun nicht mehr umb den Jnnhalt/ son- dern nur umb die Ursache des allenthalben/ insonderheit aber von der Liebe angenommenen Urtheils die Frage. Aller Anwesenden Augen nöthigten die Königin von Jsmenen das Wort zu nehmen/ und sich zu erklären: Sie wüste we- der von angezogenem Ausspruche/ noch weniger von der Beypflichtung der Liebe etwas; welche/ wenn es anders wahr wäre/ daß die Mutter aus dem blauen Meere ihren Ursprung hätte/ von Rechtswegen für schwartzen die blauen zu erkiesen schuldig gewest wäre. Salonine fiel ein: Soll sie denn die/ welche sie unter ihrer ei- genen Stirne getragen/ selbst andern verächtlich nachgesetzt haben; da sie keiner andern Göttin den Preiß der Schönheit zu enträumen willens ge- west ist? Erato antwortete: Jch erinnere mich wohl/ daß Pallas von ihren grossen blauen Augen berühmt ist/ und daß der Glantz blauer Augen ei- nes tieffsinnigen Geistes Merckmal sey; daß aber die Liebe schwartze gehabt/ darvon hab ich keine Gewißheit/ ungeachtet die Mahler/ welche ihre Unwahrheiten zu vertreten einen alten Frey-Brief haben/ solche/ ich weiß aber nicht aus was für einem Grunde schwartz bilden. Auch weiß die gantze Welt/ daß das uns vom Apelles hinterlassene Ebenbild der Venus aus vielen schönen Antlitzen zusammen gezogen/ des Praxiteles nach der Phryne/ und des Adiman- tus nach des Königs Demetrius Schwester Phile gebildet worden. Wenn ich aber ja für die schwartzen Augen was vorträgliches sagen muß; weiß ich nichts anders/ als daß sie wegen ihres vielen Wassers bey Tage/ die blauen aber wegen mehrern Feuers in der Nacht heller sehen sollen. Aber auch die Sternen leuchten nur bey Nacht. Thußnelda fiel ein: Und die Sonne nur bey Tage; ja wo Sonnen und schwartze Augen sind/ kan und darff keine Nacht seyn. Daher ich glaube/ daß wie diß die schön- [Spaltenumbruch] sten Diamanten sind/ welche die schwärtzesten Straalen von sich werffen/ weswegen man auch denen allzu lichten schwartze Folgen unterlegt; also auch die diesen Edelsteinen gleiche Augen der Ausbund aller andern. Erato versetzte: Jch verstehe mich zwar nicht auf die Edelgesteine/ welches die reinsten sind; diß aber bestätigen alle Naturkündiger/ daß in schwartzen Augen die Crystallen-Feuchtigkeit viel Erde in sich habe/ welche von der angebornen Wärmbde nicht ge- nung geläutert werden kan. Dahero die in heissen Ländern wohnende Mohren/ Jndianer und Syrer fast alle schwartze/ die Nordländer aber meist graue und blaue Augen haben; wenn ich aber von Gleichheit solcher Dinge die Schätz- barkeit der Augen messen solte/ würde ich/ mei- ner Neigung nach/ auch hierinnen den blauen Augen den Vorzug zu geben gezwungen/ weil in meinen Augen die Perlen schöner als alle Edelgesteine sind/ dieser Schönheit aber meist in blaulichtem Glantze bestehet/ als in einem schein- baren Zeugnüsse/ daß die Perlen mehr vom Himmel als vom Meere an sich haben. Fürst Zeno meynte seiner Erato beyzuspringen/ mel- dete also/ daß die klugen Serer die vielfärbichten Augen für die vollkommensten hielten/ und in- sonderheit von ihrem hoch-schätzbaren Könige Yaus rühmten/ daß er so gar vielfärbichte und wie Regenbogen spielende Augenbranen gehabt hätte. Jsmene fing an: Unter die Fürtrefflig- keit der Augen wird fürnehmlich gerechnet: daß ein ander sich darinnen wie in einem erhobenen Spiegel besehen könne. Weswegen man die Verschwindung dieses Gegenscheins für ein unfehlbar Sterbens-Zeichen hält/ und glaubt/ daß drey Tage für iedes Menschen Tode man sich nicht mehr in des Sterbenden Augen be- spiegeln könne. Weil nun die aus tunckelem Stale geschliffene/ alle gläserne Spiegel über- treffen/ ja diesen durch Anschmeltzung düsternen Bleyes noch geholffen werden muß/ ist ausser allem Zweifel: daß die schwartzen Augen denen sich Z z z 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Stuͤlen das Recht wider alle andere Ar-ten erlanget haͤtten. Dieſem nach waͤre es nun nicht mehr umb den Jnnhalt/ ſon- dern nur umb die Urſache des allenthalben/ inſonderheit aber von der Liebe angenommenen Urtheils die Frage. Aller Anweſenden Augen noͤthigten die Koͤnigin von Jſmenen das Wort zu nehmen/ und ſich zu erklaͤren: Sie wuͤſte we- der von angezogenem Ausſpruche/ noch weniger von der Beypflichtung der Liebe etwas; welche/ wenn es anders wahr waͤre/ daß die Mutter aus dem blauen Meere ihren Urſprung haͤtte/ von Rechtswegen fuͤr ſchwartzen die blauen zu erkieſen ſchuldig geweſt waͤre. Salonine fiel ein: Soll ſie denn die/ welche ſie unter ihrer ei- genen Stirne getragen/ ſelbſt andern veraͤchtlich nachgeſetzt habẽ; da ſie keiner andern Goͤttin den Preiß der Schoͤnheit zu entraͤumen willens ge- weſt iſt? Erato antwortete: Jch erinnere mich wohl/ daß Pallas von ihren groſſen blauen Augẽ beruͤhmt iſt/ und daß der Glantz blauer Augen ei- nes tieffſinnigen Geiſtes Merckmal ſey; daß aber die Liebe ſchwartze gehabt/ darvon hab ich keine Gewißheit/ ungeachtet die Mahler/ welche ihre Unwahrheiten zu vertreten einen alten Frey-Brief haben/ ſolche/ ich weiß aber nicht aus was fuͤr einem Grunde ſchwartz bilden. Auch weiß die gantze Welt/ daß das uns vom Apelles hinterlaſſene Ebenbild der Venus aus vielen ſchoͤnen Antlitzen zuſammen gezogen/ des Praxiteles nach der Phryne/ und des Adiman- tus nach des Koͤnigs Demetrius Schweſter Phile gebildet worden. Wenn ich aber ja fuͤr die ſchwartzen Augen was vortraͤgliches ſagen muß; weiß ich nichts anders/ als daß ſie wegen ihres vielen Waſſers bey Tage/ die blauen aber wegen mehrern Feuers in der Nacht heller ſehen ſollen. Aber auch die Sternen leuchten nur bey Nacht. Thußnelda fiel ein: Und die Sonne nur bey Tage; ja wo Sonnen und ſchwartze Augen ſind/ kan und darff keine Nacht ſeyn. Daher ich glaube/ daß wie diß die ſchoͤn- [Spaltenumbruch] ſten Diamanten ſind/ welche die ſchwaͤrtzeſten Straalen von ſich werffen/ weswegen man auch denen allzu lichten ſchwartze Folgen unterlegt; alſo auch die dieſen Edelſteinen gleiche Augen der Ausbund aller andern. Erato verſetzte: Jch verſtehe mich zwar nicht auf die Edelgeſteine/ welches die reinſten ſind; diß aber beſtaͤtigen alle Naturkuͤndiger/ daß in ſchwartzen Augen die Cryſtallen-Feuchtigkeit viel Erde in ſich habe/ welche von der angebornen Waͤrmbde nicht ge- nung gelaͤutert werden kan. Dahero die in heiſſen Laͤndern wohnende Mohren/ Jndianer und Syrer faſt alle ſchwartze/ die Nordlaͤnder aber meiſt graue und blaue Augen haben; wenn ich aber von Gleichheit ſolcher Dinge die Schaͤtz- barkeit der Augen meſſen ſolte/ wuͤrde ich/ mei- ner Neigung nach/ auch hierinnen den blauen Augen den Vorzug zu geben gezwungen/ weil in meinen Augen die Perlen ſchoͤner als alle Edelgeſteine ſind/ dieſer Schoͤnheit aber meiſt in blaulichtem Glantze beſtehet/ als in einem ſchein- baren Zeugnuͤſſe/ daß die Perlen mehr vom Himmel als vom Meere an ſich haben. Fuͤrſt Zeno meynte ſeiner Erato beyzuſpringen/ mel- dete alſo/ daß die klugen Serer die vielfaͤrbichten Augen fuͤr die vollkommenſten hielten/ und in- ſonderheit von ihrem hoch-ſchaͤtzbaren Koͤnige Yaus ruͤhmten/ daß er ſo gar vielfaͤrbichte und wie Regenbogen ſpielende Augenbranen gehabt haͤtte. Jſmene fing an: Unter die Fuͤrtrefflig- keit der Augen wird fuͤrnehmlich gerechnet: daß ein ander ſich darinnen wie in einem erhobenen Spiegel beſehen koͤnne. Weswegen man die Verſchwindung dieſes Gegenſcheins fuͤr ein unfehlbar Sterbens-Zeichen haͤlt/ und glaubt/ daß drey Tage fuͤr iedes Menſchen Tode man ſich nicht mehr in des Sterbenden Augen be- ſpiegeln koͤnne. Weil nun die aus tunckelem Stale geſchliffene/ alle glaͤſerne Spiegel uͤber- treffen/ ja dieſen durch Anſchmeltzung duͤſternen Bleyes noch geholffen werden muß/ iſt auſſer allem Zweifel: daß die ſchwartzen Augen denen ſich Z z z 3
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Arminius und Thußnelda.
Stuͤlen das Recht wider alle andere Ar-
ten erlanget haͤtten. Dieſem nach waͤre es
nun nicht mehr umb den Jnnhalt/ ſon-
dern nur umb die Urſache des allenthalben/
inſonderheit aber von der Liebe angenommenen
Urtheils die Frage. Aller Anweſenden Augen
noͤthigten die Koͤnigin von Jſmenen das Wort
zu nehmen/ und ſich zu erklaͤren: Sie wuͤſte we-
der von angezogenem Ausſpruche/ noch weniger
von der Beypflichtung der Liebe etwas; welche/
wenn es anders wahr waͤre/ daß die Mutter
aus dem blauen Meere ihren Urſprung haͤtte/
von Rechtswegen fuͤr ſchwartzen die blauen zu
erkieſen ſchuldig geweſt waͤre. Salonine fiel
ein: Soll ſie denn die/ welche ſie unter ihrer ei-
genen Stirne getragen/ ſelbſt andern veraͤchtlich
nachgeſetzt habẽ; da ſie keiner andern Goͤttin den
Preiß der Schoͤnheit zu entraͤumen willens ge-
weſt iſt? Erato antwortete: Jch erinnere mich
wohl/ daß Pallas von ihren groſſen blauen Augẽ
beruͤhmt iſt/ und daß der Glantz blauer Augen ei-
nes tieffſinnigen Geiſtes Merckmal ſey; daß
aber die Liebe ſchwartze gehabt/ darvon hab ich
keine Gewißheit/ ungeachtet die Mahler/ welche
ihre Unwahrheiten zu vertreten einen alten
Frey-Brief haben/ ſolche/ ich weiß aber nicht
aus was fuͤr einem Grunde ſchwartz bilden.
Auch weiß die gantze Welt/ daß das uns vom
Apelles hinterlaſſene Ebenbild der Venus aus
vielen ſchoͤnen Antlitzen zuſammen gezogen/ des
Praxiteles nach der Phryne/ und des Adiman-
tus nach des Koͤnigs Demetrius Schweſter
Phile gebildet worden. Wenn ich aber ja fuͤr
die ſchwartzen Augen was vortraͤgliches ſagen
muß; weiß ich nichts anders/ als daß ſie wegen
ihres vielen Waſſers bey Tage/ die blauen aber
wegen mehrern Feuers in der Nacht heller ſehen
ſollen. Aber auch die Sternen leuchten nur
bey Nacht. Thußnelda fiel ein: Und die
Sonne nur bey Tage; ja wo Sonnen und
ſchwartze Augen ſind/ kan und darff keine Nacht
ſeyn. Daher ich glaube/ daß wie diß die ſchoͤn-
ſten Diamanten ſind/ welche die ſchwaͤrtzeſten
Straalen von ſich werffen/ weswegen man auch
denen allzu lichten ſchwartze Folgen unterlegt;
alſo auch die dieſen Edelſteinen gleiche Augen
der Ausbund aller andern. Erato verſetzte: Jch
verſtehe mich zwar nicht auf die Edelgeſteine/
welches die reinſten ſind; diß aber beſtaͤtigen alle
Naturkuͤndiger/ daß in ſchwartzen Augen die
Cryſtallen-Feuchtigkeit viel Erde in ſich habe/
welche von der angebornen Waͤrmbde nicht ge-
nung gelaͤutert werden kan. Dahero die in
heiſſen Laͤndern wohnende Mohren/ Jndianer
und Syrer faſt alle ſchwartze/ die Nordlaͤnder
aber meiſt graue und blaue Augen haben; wenn
ich aber von Gleichheit ſolcher Dinge die Schaͤtz-
barkeit der Augen meſſen ſolte/ wuͤrde ich/ mei-
ner Neigung nach/ auch hierinnen den blauen
Augen den Vorzug zu geben gezwungen/ weil
in meinen Augen die Perlen ſchoͤner als alle
Edelgeſteine ſind/ dieſer Schoͤnheit aber meiſt in
blaulichtem Glantze beſtehet/ als in einem ſchein-
baren Zeugnuͤſſe/ daß die Perlen mehr vom
Himmel als vom Meere an ſich haben. Fuͤrſt
Zeno meynte ſeiner Erato beyzuſpringen/ mel-
dete alſo/ daß die klugen Serer die vielfaͤrbichten
Augen fuͤr die vollkommenſten hielten/ und in-
ſonderheit von ihrem hoch-ſchaͤtzbaren Koͤnige
Yaus ruͤhmten/ daß er ſo gar vielfaͤrbichte und
wie Regenbogen ſpielende Augenbranen gehabt
haͤtte. Jſmene fing an: Unter die Fuͤrtrefflig-
keit der Augen wird fuͤrnehmlich gerechnet: daß
ein ander ſich darinnen wie in einem erhobenen
Spiegel beſehen koͤnne. Weswegen man die
Verſchwindung dieſes Gegenſcheins fuͤr ein
unfehlbar Sterbens-Zeichen haͤlt/ und glaubt/
daß drey Tage fuͤr iedes Menſchen Tode man
ſich nicht mehr in des Sterbenden Augen be-
ſpiegeln koͤnne. Weil nun die aus tunckelem
Stale geſchliffene/ alle glaͤſerne Spiegel uͤber-
treffen/ ja dieſen durch Anſchmeltzung duͤſternen
Bleyes noch geholffen werden muß/ iſt auſſer
allem Zweifel: daß die ſchwartzen Augen denen
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/605>, abgerufen am 29.06.2024. |