Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] liebt gewest/ daß sich ihm und ihr zu Liebe die
meisten Höfflinge hätten verschneiden lassen.
Die Assyrier hätten denen Persischen Königen
jährlich eine gewisse Anzahl ausgeschnittener
Knaben zinsen müssen. Alle diese behielten
nicht nur ihre Haare und helle Stimme le-
benslang unversehrt/ ihre Schönheit und ge-
sunden Kräffte biß ins hohe Alter; Weßwe-
gen auch die allen andern unentmannten
Menschen und Thieren tödtlichen Schwefel-
Dünste bey Hieropolis in Asien ihnen nichts
schadeten/ sondern ihr Gehirne der Sitz der
Weißheit bliebe ihnen unvermindert/ welches
sonst zu Zeugung des Saamens seine beste
Kräffte beytragen müste. Daher wären sie ie-
derzeit bey allen Morgenländischen Reichen
die höchsten im Brete; ja nicht nur oberste
Räthe/ sondern auch Heerführer gewest/ und
von den Persischen Königen ihre Augen und
Ohren genennet worden. Zu geschweigen/
daß ihrer viel aus Andacht sich selbst verschnit-
ten/ weil sie in solcher Beschaffenheit eben so den
Göttern reine Opffer zu bringen vermeinten/
als die verschnittenen Thiere viel niedlichere
Speisen als andere abgeben. Dahero die
Mutter der Götter in dem Weltberühmten
Phrygischen Heiligthume nur Verschnittene
zu ihren Priestern würdigte. Ja der weise
Aristoteles hätte den Hermias/ dieses seines
Mangels unbeschadet/ so hoch gehalten/ daß er
ihm wie einem Gotte zu opffern kein Beden-
cken gehabt. Jubil begegnete dem Fürsten
Zeno mit einer besondern Annehmligkeit: Er
merckte wohl/ daß Fürst Zeno mehr aus den
Gesetzen seines Vaterlandes/ als der Natur
urtheilete/ und hierdurch unvermerckt seinem
Asien das Wort reden müste. Alleine die
Deutschen hielten nichts minder als die Rö-
mer die Entmannung für eine härtere Straf-
fe/ als den Tod selbst. Daher Käyser Julius
sich nicht hätte überwinden können des gros-
sen Mithridates Sohn Pharnaces zu begna-
[Spaltenumbruch] digen/ weil er von denen gefangenen Römern
etliche hätte verstimmeln lassen. Die zu ewi-
ger Fortpflantzung so begierige/ ja keinen Au-
genblick ohne Bezeugung sich befindende/ son-
dern stets schwangere und zugleich gebähren-
de Natur müste für dieser Verstimmelung
nothwendig die eusserste Abscheu haben. Da-
her sie auch in Zubereitung des Weiblichen
Geschlechts so vorsichtig gewest wäre/ daß
zwar/ wie Semiramis die Männer/ also An-
dramytis die Weiber zu verstimmeln am er-
sten bemüht gewest/ sie doch hierdurch ihrer
Fruchtbarkeit nicht können beraubet werden.
Wer vernünfftiges möchte auch den Raub
der nichts minder edelsten/ als zu Erhaltung
der Welt höchst nöthigen Geburts-Krafft ge-
gen den Gewinn einer glatten Haut/ etlicher
gekräuselten Haar-Locken/ und einer weibi-
schen nur zur Würtze der Uppigkeit dienenden
Stimme verwechseln? und sich zu etwas ma-
chen lassen/ was weder den Nahmen eines
Mannes/ noch eines Weibes führen kan/
und in dem die Natur sich fuchet/ aber nicht
findet? Wer wolte sich bereden lassen/ daß
durch ein Messer etwas schöner werden solte/
welches/ wenn es so gebohren würde/ eine
Mißgeburt hiesse? Uber diß wäre die Unfrucht-
barkeit des Gemüthes meistentheils mit der des
Leibes verschwistert; ja es schiene schier wider die
Vernunfft zu seyn/ daß ein Entmannter die
männliche Tugend der Tapfferkeit an sich ha-
ben solte. Weniger schickte sich was so ge-
brechliches zum Gottesdienste; Und könten
bey den Deutschen so wohl als bey den Hebre-
ern weder die gekappten Thiere Opffer/ noch
die Verschnittenen Priester abgeben. Sin-
temal was in den Augen der Menschen unvoll-
kommen wäre/ Gott ohne Verkleinerung nicht
gewiedmet werden könte. Hierdurch aber
meinte er keinesweges denen schwartzen Augen
der schönen Penthasilea einigen Abbruch zu
thun/ noch dem Fürsten Zeno zu verargen/ daß

er
Z z z 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] liebt geweſt/ daß ſich ihm und ihr zu Liebe die
meiſten Hoͤfflinge haͤtten verſchneiden laſſen.
Die Aſſyrier haͤtten denen Perſiſchen Koͤnigen
jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl ausgeſchnittener
Knaben zinſen muͤſſen. Alle dieſe behielten
nicht nur ihre Haare und helle Stimme le-
benslang unverſehrt/ ihre Schoͤnheit und ge-
ſunden Kraͤffte biß ins hohe Alter; Weßwe-
gen auch die allen andern unentmannten
Menſchen und Thieren toͤdtlichen Schwefel-
Duͤnſte bey Hieropolis in Aſien ihnen nichts
ſchadeten/ ſondern ihr Gehirne der Sitz der
Weißheit bliebe ihnen unvermindert/ welches
ſonſt zu Zeugung des Saamens ſeine beſte
Kraͤffte beytragen muͤſte. Daher waͤren ſie ie-
derzeit bey allen Morgenlaͤndiſchen Reichen
die hoͤchſten im Brete; ja nicht nur oberſte
Raͤthe/ ſondern auch Heerfuͤhrer geweſt/ und
von den Perſiſchen Koͤnigen ihre Augen und
Ohren genennet worden. Zu geſchweigen/
daß ihrer viel aus Andacht ſich ſelbſt verſchnit-
ten/ weil ſie in ſolcher Beſchaffenheit eben ſo den
Goͤttern reine Opffer zu bringen vermeinten/
als die verſchnittenen Thiere viel niedlichere
Speiſen als andere abgeben. Dahero die
Mutter der Goͤtter in dem Weltberuͤhmten
Phrygiſchen Heiligthume nur Verſchnittene
zu ihren Prieſtern wuͤrdigte. Ja der weiſe
Ariſtoteles haͤtte den Hermias/ dieſes ſeines
Mangels unbeſchadet/ ſo hoch gehalten/ daß er
ihm wie einem Gotte zu opffern kein Beden-
cken gehabt. Jubil begegnete dem Fuͤrſten
Zeno mit einer beſondern Annehmligkeit: Er
merckte wohl/ daß Fuͤrſt Zeno mehr aus den
Geſetzen ſeines Vaterlandes/ als der Natur
urtheilete/ und hierdurch unvermerckt ſeinem
Aſien das Wort reden muͤſte. Alleine die
Deutſchen hielten nichts minder als die Roͤ-
mer die Entmannung fuͤr eine haͤrtere Straf-
fe/ als den Tod ſelbſt. Daher Kaͤyſer Julius
ſich nicht haͤtte uͤberwinden koͤnnen des groſ-
ſen Mithridates Sohn Pharnaces zu begna-
[Spaltenumbruch] digen/ weil er von denen gefangenen Roͤmern
etliche haͤtte verſtimmeln laſſen. Die zu ewi-
ger Fortpflantzung ſo begierige/ ja keinen Au-
genblick ohne Bezeugung ſich befindende/ ſon-
dern ſtets ſchwangere und zugleich gebaͤhren-
de Natur muͤſte fuͤr dieſer Verſtimmelung
nothwendig die euſſerſte Abſcheu haben. Da-
her ſie auch in Zubereitung des Weiblichen
Geſchlechts ſo vorſichtig geweſt waͤre/ daß
zwar/ wie Semiramis die Maͤnner/ alſo An-
dramytis die Weiber zu verſtimmeln am er-
ſten bemuͤht geweſt/ ſie doch hierdurch ihrer
Fruchtbarkeit nicht koͤnnen beraubet werden.
Wer vernuͤnfftiges moͤchte auch den Raub
der nichts minder edelſten/ als zu Erhaltung
der Welt hoͤchſt noͤthigen Geburts-Krafft ge-
gen den Gewinn einer glatten Haut/ etlicher
gekraͤuſelten Haar-Locken/ und einer weibi-
ſchen nur zur Wuͤrtze der Uppigkeit dienenden
Stimme verwechſeln? und ſich zu etwas ma-
chen laſſen/ was weder den Nahmen eines
Mannes/ noch eines Weibes fuͤhren kan/
und in dem die Natur ſich fuchet/ aber nicht
findet? Wer wolte ſich bereden laſſen/ daß
durch ein Meſſer etwas ſchoͤner werden ſolte/
welches/ wenn es ſo gebohren wuͤrde/ eine
Mißgeburt hieſſe? Uber diß waͤre die Unfrucht-
barkeit des Gemuͤthes meiſtentheils mit der des
Leibes verſchwiſtert; ja es ſchiene ſchier wider die
Vernunfft zu ſeyn/ daß ein Entmannter die
maͤnnliche Tugend der Tapfferkeit an ſich ha-
ben ſolte. Weniger ſchickte ſich was ſo ge-
brechliches zum Gottesdienſte; Und koͤnten
bey den Deutſchen ſo wohl als bey den Hebre-
ern weder die gekappten Thiere Opffer/ noch
die Verſchnittenen Prieſter abgeben. Sin-
temal was in den Augen der Menſchen unvoll-
kommen waͤre/ Gott ohne Verkleinerung nicht
gewiedmet werden koͤnte. Hierdurch aber
meinte er keinesweges denen ſchwartzen Augen
der ſchoͤnen Penthaſilea einigen Abbruch zu
thun/ noch dem Fuͤrſten Zeno zu verargen/ daß

er
Z z z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0603" n="547"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
liebt gewe&#x017F;t/ daß &#x017F;ich ihm und ihr zu Liebe die<lb/>
mei&#x017F;ten Ho&#x0364;fflinge ha&#x0364;tten ver&#x017F;chneiden la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die A&#x017F;&#x017F;yrier ha&#x0364;tten denen Per&#x017F;i&#x017F;chen Ko&#x0364;nigen<lb/>
ja&#x0364;hrlich eine gewi&#x017F;&#x017F;e Anzahl ausge&#x017F;chnittener<lb/>
Knaben zin&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Alle die&#x017F;e behielten<lb/>
nicht nur ihre Haare und helle Stimme le-<lb/>
benslang unver&#x017F;ehrt/ ihre Scho&#x0364;nheit und ge-<lb/>
&#x017F;unden Kra&#x0364;ffte biß ins hohe Alter; Weßwe-<lb/>
gen auch die allen andern unentmannten<lb/>
Men&#x017F;chen und Thieren to&#x0364;dtlichen Schwefel-<lb/>
Du&#x0364;n&#x017F;te bey Hieropolis in A&#x017F;ien ihnen nichts<lb/>
&#x017F;chadeten/ &#x017F;ondern ihr Gehirne der Sitz der<lb/>
Weißheit bliebe ihnen unvermindert/ welches<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t zu Zeugung des Saamens &#x017F;eine be&#x017F;te<lb/>
Kra&#x0364;ffte beytragen mu&#x0364;&#x017F;te. Daher wa&#x0364;ren &#x017F;ie ie-<lb/>
derzeit bey allen Morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen Reichen<lb/>
die ho&#x0364;ch&#x017F;ten im Brete; ja nicht nur ober&#x017F;te<lb/>
Ra&#x0364;the/ &#x017F;ondern auch Heerfu&#x0364;hrer gewe&#x017F;t/ und<lb/>
von den Per&#x017F;i&#x017F;chen Ko&#x0364;nigen ihre Augen und<lb/>
Ohren genennet worden. Zu ge&#x017F;chweigen/<lb/>
daß ihrer viel aus Andacht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chnit-<lb/>
ten/ weil &#x017F;ie in &#x017F;olcher Be&#x017F;chaffenheit eben &#x017F;o den<lb/>
Go&#x0364;ttern reine Opffer zu bringen vermeinten/<lb/>
als die ver&#x017F;chnittenen Thiere viel niedlichere<lb/>
Spei&#x017F;en als andere abgeben. Dahero die<lb/>
Mutter der Go&#x0364;tter in dem Weltberu&#x0364;hmten<lb/>
Phrygi&#x017F;chen Heiligthume nur Ver&#x017F;chnittene<lb/>
zu ihren Prie&#x017F;tern wu&#x0364;rdigte. Ja der wei&#x017F;e<lb/>
Ari&#x017F;toteles ha&#x0364;tte den Hermias/ die&#x017F;es &#x017F;eines<lb/>
Mangels unbe&#x017F;chadet/ &#x017F;o hoch gehalten/ daß er<lb/>
ihm wie einem Gotte zu opffern kein Beden-<lb/>
cken gehabt. Jubil begegnete dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
Zeno mit einer be&#x017F;ondern Annehmligkeit: Er<lb/>
merckte wohl/ daß Fu&#x0364;r&#x017F;t Zeno mehr aus den<lb/>
Ge&#x017F;etzen &#x017F;eines Vaterlandes/ als der Natur<lb/>
urtheilete/ und hierdurch unvermerckt &#x017F;einem<lb/>
A&#x017F;ien das Wort reden mu&#x0364;&#x017F;te. Alleine die<lb/>
Deut&#x017F;chen hielten nichts minder als die Ro&#x0364;-<lb/>
mer die Entmannung fu&#x0364;r eine ha&#x0364;rtere Straf-<lb/>
fe/ als den Tod &#x017F;elb&#x017F;t. Daher Ka&#x0364;y&#x017F;er Julius<lb/>
&#x017F;ich nicht ha&#x0364;tte u&#x0364;berwinden ko&#x0364;nnen des gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Mithridates Sohn Pharnaces zu begna-<lb/><cb/>
digen/ weil er von denen gefangenen Ro&#x0364;mern<lb/>
etliche ha&#x0364;tte ver&#x017F;timmeln la&#x017F;&#x017F;en. Die zu ewi-<lb/>
ger Fortpflantzung &#x017F;o begierige/ ja keinen Au-<lb/>
genblick ohne Bezeugung &#x017F;ich befindende/ &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;tets &#x017F;chwangere und zugleich geba&#x0364;hren-<lb/>
de Natur mu&#x0364;&#x017F;te fu&#x0364;r die&#x017F;er Ver&#x017F;timmelung<lb/>
nothwendig die eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Ab&#x017F;cheu haben. Da-<lb/>
her &#x017F;ie auch in Zubereitung des Weiblichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechts &#x017F;o vor&#x017F;ichtig gewe&#x017F;t wa&#x0364;re/ daß<lb/>
zwar/ wie Semiramis die Ma&#x0364;nner/ al&#x017F;o An-<lb/>
dramytis die Weiber zu ver&#x017F;timmeln am er-<lb/>
&#x017F;ten bemu&#x0364;ht gewe&#x017F;t/ &#x017F;ie doch hierdurch ihrer<lb/>
Fruchtbarkeit nicht ko&#x0364;nnen beraubet werden.<lb/>
Wer vernu&#x0364;nfftiges mo&#x0364;chte auch den Raub<lb/>
der nichts minder edel&#x017F;ten/ als zu Erhaltung<lb/>
der Welt ho&#x0364;ch&#x017F;t no&#x0364;thigen Geburts-Krafft ge-<lb/>
gen den Gewinn einer glatten Haut/ etlicher<lb/>
gekra&#x0364;u&#x017F;elten Haar-Locken/ und einer weibi-<lb/>
&#x017F;chen nur zur Wu&#x0364;rtze der Uppigkeit dienenden<lb/>
Stimme verwech&#x017F;eln? und &#x017F;ich zu etwas ma-<lb/>
chen la&#x017F;&#x017F;en/ was weder den Nahmen eines<lb/>
Mannes/ noch eines Weibes fu&#x0364;hren kan/<lb/>
und in dem die Natur &#x017F;ich fuchet/ aber nicht<lb/>
findet? Wer wolte &#x017F;ich bereden la&#x017F;&#x017F;en/ daß<lb/>
durch ein Me&#x017F;&#x017F;er etwas &#x017F;cho&#x0364;ner werden &#x017F;olte/<lb/>
welches/ wenn es &#x017F;o gebohren wu&#x0364;rde/ eine<lb/>
Mißgeburt hie&#x017F;&#x017F;e? Uber diß wa&#x0364;re die Unfrucht-<lb/>
barkeit des Gemu&#x0364;thes mei&#x017F;tentheils mit der des<lb/>
Leibes ver&#x017F;chwi&#x017F;tert; ja es &#x017F;chiene &#x017F;chier wider die<lb/>
Vernunfft zu &#x017F;eyn/ daß ein Entmannter die<lb/>
ma&#x0364;nnliche Tugend der Tapfferkeit an &#x017F;ich ha-<lb/>
ben &#x017F;olte. Weniger &#x017F;chickte &#x017F;ich was &#x017F;o ge-<lb/>
brechliches zum Gottesdien&#x017F;te; Und ko&#x0364;nten<lb/>
bey den Deut&#x017F;chen &#x017F;o wohl als bey den Hebre-<lb/>
ern weder die gekappten Thiere Opffer/ noch<lb/>
die Ver&#x017F;chnittenen Prie&#x017F;ter abgeben. Sin-<lb/>
temal was in den Augen der Men&#x017F;chen unvoll-<lb/>
kommen wa&#x0364;re/ Gott ohne Verkleinerung nicht<lb/>
gewiedmet werden ko&#x0364;nte. Hierdurch aber<lb/>
meinte er keinesweges denen &#x017F;chwartzen Augen<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;nen Pentha&#x017F;ilea einigen Abbruch zu<lb/>
thun/ noch dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Zeno zu verargen/ daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[547/0603] Arminius und Thußnelda. liebt geweſt/ daß ſich ihm und ihr zu Liebe die meiſten Hoͤfflinge haͤtten verſchneiden laſſen. Die Aſſyrier haͤtten denen Perſiſchen Koͤnigen jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl ausgeſchnittener Knaben zinſen muͤſſen. Alle dieſe behielten nicht nur ihre Haare und helle Stimme le- benslang unverſehrt/ ihre Schoͤnheit und ge- ſunden Kraͤffte biß ins hohe Alter; Weßwe- gen auch die allen andern unentmannten Menſchen und Thieren toͤdtlichen Schwefel- Duͤnſte bey Hieropolis in Aſien ihnen nichts ſchadeten/ ſondern ihr Gehirne der Sitz der Weißheit bliebe ihnen unvermindert/ welches ſonſt zu Zeugung des Saamens ſeine beſte Kraͤffte beytragen muͤſte. Daher waͤren ſie ie- derzeit bey allen Morgenlaͤndiſchen Reichen die hoͤchſten im Brete; ja nicht nur oberſte Raͤthe/ ſondern auch Heerfuͤhrer geweſt/ und von den Perſiſchen Koͤnigen ihre Augen und Ohren genennet worden. Zu geſchweigen/ daß ihrer viel aus Andacht ſich ſelbſt verſchnit- ten/ weil ſie in ſolcher Beſchaffenheit eben ſo den Goͤttern reine Opffer zu bringen vermeinten/ als die verſchnittenen Thiere viel niedlichere Speiſen als andere abgeben. Dahero die Mutter der Goͤtter in dem Weltberuͤhmten Phrygiſchen Heiligthume nur Verſchnittene zu ihren Prieſtern wuͤrdigte. Ja der weiſe Ariſtoteles haͤtte den Hermias/ dieſes ſeines Mangels unbeſchadet/ ſo hoch gehalten/ daß er ihm wie einem Gotte zu opffern kein Beden- cken gehabt. Jubil begegnete dem Fuͤrſten Zeno mit einer beſondern Annehmligkeit: Er merckte wohl/ daß Fuͤrſt Zeno mehr aus den Geſetzen ſeines Vaterlandes/ als der Natur urtheilete/ und hierdurch unvermerckt ſeinem Aſien das Wort reden muͤſte. Alleine die Deutſchen hielten nichts minder als die Roͤ- mer die Entmannung fuͤr eine haͤrtere Straf- fe/ als den Tod ſelbſt. Daher Kaͤyſer Julius ſich nicht haͤtte uͤberwinden koͤnnen des groſ- ſen Mithridates Sohn Pharnaces zu begna- digen/ weil er von denen gefangenen Roͤmern etliche haͤtte verſtimmeln laſſen. Die zu ewi- ger Fortpflantzung ſo begierige/ ja keinen Au- genblick ohne Bezeugung ſich befindende/ ſon- dern ſtets ſchwangere und zugleich gebaͤhren- de Natur muͤſte fuͤr dieſer Verſtimmelung nothwendig die euſſerſte Abſcheu haben. Da- her ſie auch in Zubereitung des Weiblichen Geſchlechts ſo vorſichtig geweſt waͤre/ daß zwar/ wie Semiramis die Maͤnner/ alſo An- dramytis die Weiber zu verſtimmeln am er- ſten bemuͤht geweſt/ ſie doch hierdurch ihrer Fruchtbarkeit nicht koͤnnen beraubet werden. Wer vernuͤnfftiges moͤchte auch den Raub der nichts minder edelſten/ als zu Erhaltung der Welt hoͤchſt noͤthigen Geburts-Krafft ge- gen den Gewinn einer glatten Haut/ etlicher gekraͤuſelten Haar-Locken/ und einer weibi- ſchen nur zur Wuͤrtze der Uppigkeit dienenden Stimme verwechſeln? und ſich zu etwas ma- chen laſſen/ was weder den Nahmen eines Mannes/ noch eines Weibes fuͤhren kan/ und in dem die Natur ſich fuchet/ aber nicht findet? Wer wolte ſich bereden laſſen/ daß durch ein Meſſer etwas ſchoͤner werden ſolte/ welches/ wenn es ſo gebohren wuͤrde/ eine Mißgeburt hieſſe? Uber diß waͤre die Unfrucht- barkeit des Gemuͤthes meiſtentheils mit der des Leibes verſchwiſtert; ja es ſchiene ſchier wider die Vernunfft zu ſeyn/ daß ein Entmannter die maͤnnliche Tugend der Tapfferkeit an ſich ha- ben ſolte. Weniger ſchickte ſich was ſo ge- brechliches zum Gottesdienſte; Und koͤnten bey den Deutſchen ſo wohl als bey den Hebre- ern weder die gekappten Thiere Opffer/ noch die Verſchnittenen Prieſter abgeben. Sin- temal was in den Augen der Menſchen unvoll- kommen waͤre/ Gott ohne Verkleinerung nicht gewiedmet werden koͤnte. Hierdurch aber meinte er keinesweges denen ſchwartzen Augen der ſchoͤnen Penthaſilea einigen Abbruch zu thun/ noch dem Fuͤrſten Zeno zu verargen/ daß er Z z z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/603
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/603>, abgerufen am 22.11.2024.