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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] aber hoffentlich nicht zu Verminderung deß von
der Minothea durch Ausstechung so schöner
Augen begangenen Lasters angesehen. Wie-
wohl er versict ert wäre/ daß ein so edler Fürst/
wie Jubil wäre/ seine Vergnügung in kei-
nem andern Finsterniße/ als zweyer so schwar-
tzen Augen/ wie sie die unglückselige Pentha-
silea gehabt und geliebt/ finden könte. Das
Gesichte wäre im Leibe der edelste Sinn/ wie
der Verstand in der Seele; Und darum stün-
den die Augen auff einer so ansehlichen Hö-
he. Es wäre der gewisseste und geschwindeste
Sinn. Denn das Gehöre wäre mehrmahls
denen Verleitungen der Unwarheit unter-
worffen/ und die Augen kämen mit ihrer
Botschafft bey dem gemeinen Sinne viel zei-
tiger an/ als die Ohren und das Fühlen. Al-
le andere Sinnen wären irrdisch/ das Fühlen
hätte die Eigenschafft der Erde/ das Rüchen
des Feuers/ der Geschmack des Wassers/ das
Gehöre der Lufft; das Auge alleine wäre den
Sternen ähnlich/ und also was Himmlisches;
Ja weil es in einem Augenblicke aus der Tief-
fe der Erden über viel tausend Sternen einen
unbegreifflichen und geschwindern Flug als
die Sonne selbst thun könte/ gleichsam was gött-
liches. Die Natur hätte sonder Zweiffel auch
das Gehirne als den Sitz der Vernunft von dem
Brunnen des Lebens/ nehmlich dem Hertzen
nur deßhalben ins Haupt entfernet; Wormit sie
nur eine Nachbarin der Augen/ als Fenster
der Seele seyn möge/ zwischen beyden aber wäre
eine sichtbare Verknüpffung. Sintemal die eus
serste weisse Schale des Auges von der eussersten
und härtern Haut des Gehirnes; die innwen-
dige dünnere schwärtzlichte Trauben-Haut des
Auges von der weichern Haut des Gehirnes
das ädrichte Augen-Netze und Spiegel aus
dem selbständigen Wesen des Gehirnes durch
die Augen-Spann-Ader den Ursprung hät-
ten/ und also beyde aneinander hingen. Ja
die Augen wären die Leiter und Pforten der
[Spaltenumbruch] Liebe; Ohne welche man die Welt für eine
Wüsteney/ das Leben für einen verdrüßlichen
Traum halten müste. Wer wolte nun zwei-
feln/ daß einen blind machen eben so viel sey/
als einen Lebenden in ein Grab verschlüssen?
Denn ob zwar der Verlust eines Auges im
Menschen nicht/ wie in einem Schweine/
den Verlust des Lebens nothwendig nach sich
zeucht; So wäre doch das Leben der Blinden
nur ein Schatten des Lebens/ und ein Blin-
der nichts besser als die in denen unter-irrdi-
schen Flüssen befindliche Fische/ welche An-
fangs blind/ hernach gar zu Steine würden/
ja ein Todter unter den Lebenden. Die Na-
tur hätte die Augen/ um diese unschätzbare
Werckzeuge in Sicherheit zu setzen/ so tieff zwi-
schen die Gebeine versetzt/ auch mit Augen-
brauen/ Liedern/ und zweyfachen Augen-Wim-
pern verwahret/ über diß fast alle Thiere mit
zweyen Augen versehen/ wormit/ wenn ja ei-
nes Schaden litte/ das andere ihnen das un-
schätzbare Sehen erhielte/ und das unvergleich-
liche Meisterstücke das Haupt um keiner an-
dern Ursache wendbar gemacht/ denn daß die
Augen allenthalben sich umschauen könten.
Jhre Runde wäre ein Zeugniß ihrer unwi-
dersprechlichen Vollkommenheit/ ja die Stoi-
schen Welt-Weisen gäben dem Gesichte gar
den Nahmen eines Gottes. Ein entmann-
ter Mensch hingegen litte an nichts/ als an sei-
nen Nachkommen und an Wellust Abbruch.
Wie viel aber wären nicht von Natur/ son-
dern aus eigener Willkühr und Gelübde un-
fruchtbar? Zudem wären jene nicht aller Ver-
gnügung entnommen/ wo die allem Vieh ge-
meine Wollust bey dem Menschen nicht mehr
in Verachtung/ als in Werth zu ziehen ist.
Die geilesten Weiber vergnügten sich mehr mit
der Verschnittenen Langsamkeit und dem
Schatten der Wollust/ als mit einer männli-
chen Zuthat. Unter diesen wäre Cambabus
bey der Syrischen Königin Stratonica so be-

liebt

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] aber hoffentlich nicht zu Verminderung deß von
der Minothea durch Ausſtechung ſo ſchoͤner
Augen begangenen Laſters angeſehen. Wie-
wohl er verſict ert waͤre/ daß ein ſo edler Fuͤrſt/
wie Jubil waͤre/ ſeine Vergnuͤgung in kei-
nem andern Finſterniße/ als zweyer ſo ſchwar-
tzen Augen/ wie ſie die ungluͤckſelige Pentha-
ſilea gehabt und geliebt/ finden koͤnte. Das
Geſichte waͤre im Leibe der edelſte Sinn/ wie
der Verſtand in der Seele; Und darum ſtuͤn-
den die Augen auff einer ſo anſehlichen Hoͤ-
he. Es waͤre der gewiſſeſte und geſchwindeſte
Sinn. Denn das Gehoͤre waͤre mehrmahls
denen Verleitungen der Unwarheit unter-
worffen/ und die Augen kaͤmen mit ihrer
Botſchafft bey dem gemeinen Sinne viel zei-
tiger an/ als die Ohren und das Fuͤhlen. Al-
le andere Sinnen waͤren irrdiſch/ das Fuͤhlen
haͤtte die Eigenſchafft der Erde/ das Ruͤchen
des Feuers/ der Geſchmack des Waſſers/ das
Gehoͤre der Lufft; das Auge alleine waͤre den
Sternen aͤhnlich/ und alſo was Himmliſches;
Ja weil es in einem Augenblicke aus der Tief-
fe der Erden uͤber viel tauſend Sternen einen
unbegreifflichen und geſchwindern Flug als
die Sonne ſelbſt thun koͤnte/ gleichſam was goͤtt-
liches. Die Natur haͤtte ſonder Zweiffel auch
das Gehirne als den Sitz deꝛ Vernunft von dem
Brunnen des Lebens/ nehmlich dem Hertzen
nur deßhalben ins Haupt entfernet; Wormit ſie
nur eine Nachbarin der Augen/ als Fenſter
der Seele ſeyn moͤge/ zwiſchen beyden aber waͤre
eine ſichtbare Verknuͤpffung. Sintemal die euſ
ſerſte weiſſe Schale des Auges von der euſſerſten
und haͤrtern Haut des Gehirnes; die innwen-
dige duͤnnere ſchwaͤrtzlichte Trauben-Haut des
Auges von der weichern Haut des Gehirnes
das aͤdrichte Augen-Netze und Spiegel aus
dem ſelbſtaͤndigen Weſen des Gehirnes durch
die Augen-Spann-Ader den Urſprung haͤt-
ten/ und alſo beyde aneinander hingen. Ja
die Augen waͤren die Leiter und Pforten der
[Spaltenumbruch] Liebe; Ohne welche man die Welt fuͤr eine
Wuͤſteney/ das Leben fuͤr einen verdruͤßlichen
Traum halten muͤſte. Wer wolte nun zwei-
feln/ daß einen blind machen eben ſo viel ſey/
als einen Lebenden in ein Grab verſchluͤſſen?
Denn ob zwar der Verluſt eines Auges im
Menſchen nicht/ wie in einem Schweine/
den Verluſt des Lebens nothwendig nach ſich
zeucht; So waͤre doch das Leben der Blinden
nur ein Schatten des Lebens/ und ein Blin-
der nichts beſſer als die in denen unter-irrdi-
ſchen Fluͤſſen befindliche Fiſche/ welche An-
fangs blind/ hernach gar zu Steine wuͤrden/
ja ein Todter unter den Lebenden. Die Na-
tur haͤtte die Augen/ um dieſe unſchaͤtzbare
Werckzeuge in Sicherheit zu ſetzen/ ſo tieff zwi-
ſchen die Gebeine verſetzt/ auch mit Augen-
brauen/ Liedern/ und zweyfachen Augen-Wim-
pern verwahret/ uͤber diß faſt alle Thiere mit
zweyen Augen verſehen/ wormit/ wenn ja ei-
nes Schaden litte/ das andere ihnen das un-
ſchaͤtzbare Sehen erhielte/ und das unvergleich-
liche Meiſterſtuͤcke das Haupt um keiner an-
dern Urſache wendbar gemacht/ denn daß die
Augen allenthalben ſich umſchauen koͤnten.
Jhre Runde waͤre ein Zeugniß ihrer unwi-
derſprechlichen Vollkommenheit/ ja die Stoi-
ſchen Welt-Weiſen gaͤben dem Geſichte gar
den Nahmen eines Gottes. Ein entmann-
ter Menſch hingegen litte an nichts/ als an ſei-
nen Nachkommen und an Welluſt Abbruch.
Wie viel aber waͤren nicht von Natur/ ſon-
dern aus eigener Willkuͤhr und Geluͤbde un-
fruchtbar? Zudem waͤren jene nicht aller Ver-
gnuͤgung entnommen/ wo die allem Vieh ge-
meine Wolluſt bey dem Menſchen nicht mehr
in Verachtung/ als in Werth zu ziehen iſt.
Die geileſten Weiber vergnuͤgten ſich mehr mit
der Verſchnittenen Langſamkeit und dem
Schatten der Wolluſt/ als mit einer maͤnnli-
chen Zuthat. Unter dieſen waͤre Cambabus
bey der Syriſchen Koͤnigin Stratonica ſo be-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/602>, abgerufen am 22.11.2024.