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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welche ewige Jungfrauschafft gelobte/ und die
Stadt Sinope baute; der Lampeto ihre Toch-
ter Antiope/ welche zwey mit ihren Thaten die
Welt also erfülleten/ daß es eine Amazone zu
überwinden so unmöglich/ als den Himmel mit
den Fingern zu erreichen gehalten ward.
Wie denn deshalben Bacchus in dem Tem-
pel zu Samos etlicher von ihm erlegter Ama-
zonen Gebeine als ein grosses Wunderwerck
aufhenckte. Daher als Hercules in Griechen-
land nach unterschiedenen grossen Verrichtun-
gen/ und insonderheit/ daß er das goldene Fell
aus Colchis geholt/ und den an dem Caucasus an-
geschmiedeten Prometheus loßgemacht hatte/ sich
beym Könige noch grösserer Streiche vermaß/
legte dieser ihm auf/ einer Amazonischen Köni-
gin Gürtel zu bringen. Hercules nahm die-
ses auf sich/ und die Gelegenheit in Acht/ als
Orithia mit den meisten Amazonen über den
Phrat gesetzt war/ zohe den Kern des Griechi-
schen Adels/ unter denen Theseus/ Enneus/
Thoas/ Sokoan/ Artolicus/ Demeleon/ Phlo-
gius die fürnehmsten waren/ an sich/ segelte mit
neun langen Schiffen durch die Thracische
Meer-Enge über das Euxinische Meer in den
Fluß Thermodon/ schlug also des Nachts un-
vermuthet bey der Stadt Themiscyra ein Lä-
ger auf. Des Morgens schickte Anti-
ope zu den Griechen/ sie für Freunde halten-
de/ welche nach Gewohnheit ihrer Lan-
des - Art ihrer Liebe zu genüssen dahin
kommen wären/ allerhand Erfrischungen
sie zu bewillkommen. Hercules und Theseus
nahmen selbte an/ luden die Amazonen mit
allerhand Liebes-Bezeugung auf ihre Schiffe/
wordurch sich der Königin Schwester Hippoly-
te nebst etlichen andern blenden/ und also vom
Theseus/ der sich Augenblicks in sie heftig ver-
liebte/ fangen ließ. Hierauf forderte Hercules
noch den Gürtel der Königin/ oder er wäre ent-
schlossen solchen mit Gewalt zu nehmen. Die
Amazonen/ wie wenig ihrer gleich einheimisch
[Spaltenumbruch] waren/ wolten ehe rühmlich sterben/ als ihrem
Ruhme durch Zagheit einigen Schandfleck an-
brennen/ oder auch nur sich in die Mauren zu
Themiscyra einsperren lassen. Daher fielen sie
auf die in voller Schlacht-Ordnung stehenden
Griechen aus/ nach dem sie vorher geloset/ wie sie
hintereinander auf den großmüthigen Hercules
treffen solten. Die Griechen aber überfiel eine sol-
che Furcht/ daß Hercules dem Schrecken als einen
Gotte opfern muste. Jsmene fing hierüber
an zu lächeln/ und zu melden: Die Schwachheit
unsers allzuviel redenden Krancken veranlassete
mich die Thorheit der sonst so klugen Griechen
zu verlachen/ daß sie diß für Gottheiten vereh-
ren/ was wir Deutschen für Schwachheiten/
oder gar für Laster haben. Dergleichen aller-
dings die von dem schrecklichen Hercules ange-
bethene Furcht ist. Ja/ sagte Rhemetalces/
und zu Athen stehen noch zwey Tempel/ derer
einer der Verachtung/ der andere der Unscham-
hafftigkeit gewiedmet ist. Thußnelde fragte
halb-entrüstet hierüber: Heist diß aber nicht
unverschämt seyn? und ist es nicht eine offenbare
Gottes-Verachtung/ wenn man durch eine so
lächerliche Andacht nur des Himmels spottet?
Rhemetalces als ein Griechischer Nachbar rö-
thete sich ein wenig über diesem Eifer. Wormit
er nun nicht für einen/ der an diesem Aberglau-
ben Theil hätte/ angesehen haben möchte/ hob er
an: Er wüntschte/ daß die Athenienser ehe/ als
sie so verdammliche Tempel gebaut/ mit den Elea-
ten den weisen Xenophanes zu Rathe gefragt
hätten; welcher auf ihre Befragung: Ob sie
länger der Morgenröthe mit Heulen und Weh-
klagen opfern solten? ihnen vernünftig antwor-
tete: Wenn sie die Morgen-Röthe für eine
Göttin hielten/ wären die Thränen nichts nü-
tze; wäre sie aber eine Verstorbene/ so verdiente
sie kein Opfer. Jsmene fragte: Was richtete
Hercules aber mit seinem furchtsamen Opfer
aus? Zeno sagte: Mit seinen von der Medea
empfangenen Zaubereyen/ welche ihn unver-

wundlich

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welche ewige Jungfrauſchafft gelobte/ und die
Stadt Sinope baute; der Lampeto ihre Toch-
ter Antiope/ welche zwey mit ihren Thaten die
Welt alſo erfuͤlleten/ daß es eine Amazone zu
uͤberwinden ſo unmoͤglich/ als den Himmel mit
den Fingern zu erreichen gehalten ward.
Wie denn deshalben Bacchus in dem Tem-
pel zu Samos etlicher von ihm erlegter Ama-
zonen Gebeine als ein groſſes Wunderwerck
aufhenckte. Daher als Hercules in Griechen-
land nach unterſchiedenen groſſen Verrichtun-
gen/ und inſonderheit/ daß er das goldene Fell
aus Colchis geholt/ und den an dem Caucaſus an-
geſchmiedetẽ Prometheus loßgemacht hatte/ ſich
beym Koͤnige noch groͤſſerer Streiche vermaß/
legte dieſer ihm auf/ einer Amazoniſchen Koͤni-
gin Guͤrtel zu bringen. Hercules nahm die-
ſes auf ſich/ und die Gelegenheit in Acht/ als
Orithia mit den meiſten Amazonen uͤber den
Phrat geſetzt war/ zohe den Kern des Griechi-
ſchen Adels/ unter denen Theſeus/ Enneus/
Thoas/ Sokoan/ Artolicus/ Demeleon/ Phlo-
gius die fuͤrnehmſten waren/ an ſich/ ſegelte mit
neun langen Schiffen durch die Thraciſche
Meer-Enge uͤber das Euxiniſche Meer in den
Fluß Thermodon/ ſchlug alſo des Nachts un-
vermuthet bey der Stadt Themiſcyra ein Laͤ-
ger auf. Des Morgens ſchickte Anti-
ope zu den Griechen/ ſie fuͤr Freunde halten-
de/ welche nach Gewohnheit ihrer Lan-
des - Art ihrer Liebe zu genuͤſſen dahin
kommen waͤren/ allerhand Erfriſchungen
ſie zu bewillkommen. Hercules und Theſeus
nahmen ſelbte an/ luden die Amazonen mit
allerhand Liebes-Bezeugung auf ihre Schiffe/
wordurch ſich der Koͤnigin Schweſter Hippoly-
te nebſt etlichen andern blenden/ und alſo vom
Theſeus/ der ſich Augenblicks in ſie heftig ver-
liebte/ fangen ließ. Hierauf forderte Hercules
noch den Guͤrtel der Koͤnigin/ oder er waͤre ent-
ſchloſſen ſolchen mit Gewalt zu nehmen. Die
Amazonen/ wie wenig ihrer gleich einheimiſch
[Spaltenumbruch] waren/ wolten ehe ruͤhmlich ſterben/ als ihrem
Ruhme durch Zagheit einigen Schandfleck an-
brennen/ oder auch nur ſich in die Mauren zu
Themiſcyra einſperren laſſen. Daher fielen ſie
auf die in voller Schlacht-Ordnung ſtehenden
Griechen aus/ nach dem ſie vorher geloſet/ wie ſie
hintereinander auf den großmuͤthigen Hercules
treffen ſolten. Die Griechen aber uͤberfiel eine ſol-
che Furcht/ daß Hercules dem Schrecken als einẽ
Gotte opfern muſte. Jſmene fing hieruͤber
an zu laͤcheln/ und zu melden: Die Schwachheit
unſers allzuviel redenden Krancken veranlaſſete
mich die Thorheit der ſonſt ſo klugen Griechen
zu verlachen/ daß ſie diß fuͤr Gottheiten vereh-
ren/ was wir Deutſchen fuͤr Schwachheiten/
oder gar fuͤr Laſter haben. Dergleichen aller-
dings die von dem ſchrecklichen Hercules ange-
bethene Furcht iſt. Ja/ ſagte Rhemetalces/
und zu Athen ſtehen noch zwey Tempel/ derer
einer der Verachtung/ der andere der Unſcham-
hafftigkeit gewiedmet iſt. Thußnelde fragte
halb-entruͤſtet hieruͤber: Heiſt diß aber nicht
unverſchaͤmt ſeyn? und iſt es nicht eine offenbare
Gottes-Verachtung/ wenn man durch eine ſo
laͤcherliche Andacht nur des Himmels ſpottet?
Rhemetalces als ein Griechiſcher Nachbar roͤ-
thete ſich ein wenig uͤber dieſem Eifer. Wormit
er nun nicht fuͤr einen/ der an dieſem Aberglau-
ben Theil haͤtte/ angeſehen haben moͤchte/ hob er
an: Er wuͤntſchte/ daß die Athenienſer ehe/ als
ſie ſo verdam̃liche Tempel gebaut/ mit den Elea-
ten den weiſen Xenophanes zu Rathe gefragt
haͤtten; welcher auf ihre Befragung: Ob ſie
laͤnger der Morgenroͤthe mit Heulen und Weh-
klagen opfern ſolten? ihnen vernuͤnftig antwor-
tete: Wenn ſie die Morgen-Roͤthe fuͤr eine
Goͤttin hielten/ waͤren die Thraͤnen nichts nuͤ-
tze; waͤre ſie aber eine Verſtorbene/ ſo verdiente
ſie kein Opfer. Jſmene fragte: Was richtete
Hercules aber mit ſeinem furchtſamen Opfer
aus? Zeno ſagte: Mit ſeinen von der Medea
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[527/0583] Arminius und Thußnelda. welche ewige Jungfrauſchafft gelobte/ und die Stadt Sinope baute; der Lampeto ihre Toch- ter Antiope/ welche zwey mit ihren Thaten die Welt alſo erfuͤlleten/ daß es eine Amazone zu uͤberwinden ſo unmoͤglich/ als den Himmel mit den Fingern zu erreichen gehalten ward. Wie denn deshalben Bacchus in dem Tem- pel zu Samos etlicher von ihm erlegter Ama- zonen Gebeine als ein groſſes Wunderwerck aufhenckte. Daher als Hercules in Griechen- land nach unterſchiedenen groſſen Verrichtun- gen/ und inſonderheit/ daß er das goldene Fell aus Colchis geholt/ und den an dem Caucaſus an- geſchmiedetẽ Prometheus loßgemacht hatte/ ſich beym Koͤnige noch groͤſſerer Streiche vermaß/ legte dieſer ihm auf/ einer Amazoniſchen Koͤni- gin Guͤrtel zu bringen. Hercules nahm die- ſes auf ſich/ und die Gelegenheit in Acht/ als Orithia mit den meiſten Amazonen uͤber den Phrat geſetzt war/ zohe den Kern des Griechi- ſchen Adels/ unter denen Theſeus/ Enneus/ Thoas/ Sokoan/ Artolicus/ Demeleon/ Phlo- gius die fuͤrnehmſten waren/ an ſich/ ſegelte mit neun langen Schiffen durch die Thraciſche Meer-Enge uͤber das Euxiniſche Meer in den Fluß Thermodon/ ſchlug alſo des Nachts un- vermuthet bey der Stadt Themiſcyra ein Laͤ- ger auf. Des Morgens ſchickte Anti- ope zu den Griechen/ ſie fuͤr Freunde halten- de/ welche nach Gewohnheit ihrer Lan- des - Art ihrer Liebe zu genuͤſſen dahin kommen waͤren/ allerhand Erfriſchungen ſie zu bewillkommen. Hercules und Theſeus nahmen ſelbte an/ luden die Amazonen mit allerhand Liebes-Bezeugung auf ihre Schiffe/ wordurch ſich der Koͤnigin Schweſter Hippoly- te nebſt etlichen andern blenden/ und alſo vom Theſeus/ der ſich Augenblicks in ſie heftig ver- liebte/ fangen ließ. Hierauf forderte Hercules noch den Guͤrtel der Koͤnigin/ oder er waͤre ent- ſchloſſen ſolchen mit Gewalt zu nehmen. Die Amazonen/ wie wenig ihrer gleich einheimiſch waren/ wolten ehe ruͤhmlich ſterben/ als ihrem Ruhme durch Zagheit einigen Schandfleck an- brennen/ oder auch nur ſich in die Mauren zu Themiſcyra einſperren laſſen. Daher fielen ſie auf die in voller Schlacht-Ordnung ſtehenden Griechen aus/ nach dem ſie vorher geloſet/ wie ſie hintereinander auf den großmuͤthigen Hercules treffen ſolten. Die Griechen aber uͤberfiel eine ſol- che Furcht/ daß Hercules dem Schrecken als einẽ Gotte opfern muſte. Jſmene fing hieruͤber an zu laͤcheln/ und zu melden: Die Schwachheit unſers allzuviel redenden Krancken veranlaſſete mich die Thorheit der ſonſt ſo klugen Griechen zu verlachen/ daß ſie diß fuͤr Gottheiten vereh- ren/ was wir Deutſchen fuͤr Schwachheiten/ oder gar fuͤr Laſter haben. Dergleichen aller- dings die von dem ſchrecklichen Hercules ange- bethene Furcht iſt. Ja/ ſagte Rhemetalces/ und zu Athen ſtehen noch zwey Tempel/ derer einer der Verachtung/ der andere der Unſcham- hafftigkeit gewiedmet iſt. Thußnelde fragte halb-entruͤſtet hieruͤber: Heiſt diß aber nicht unverſchaͤmt ſeyn? und iſt es nicht eine offenbare Gottes-Verachtung/ wenn man durch eine ſo laͤcherliche Andacht nur des Himmels ſpottet? Rhemetalces als ein Griechiſcher Nachbar roͤ- thete ſich ein wenig uͤber dieſem Eifer. Wormit er nun nicht fuͤr einen/ der an dieſem Aberglau- ben Theil haͤtte/ angeſehen haben moͤchte/ hob er an: Er wuͤntſchte/ daß die Athenienſer ehe/ als ſie ſo verdam̃liche Tempel gebaut/ mit den Elea- ten den weiſen Xenophanes zu Rathe gefragt haͤtten; welcher auf ihre Befragung: Ob ſie laͤnger der Morgenroͤthe mit Heulen und Weh- klagen opfern ſolten? ihnen vernuͤnftig antwor- tete: Wenn ſie die Morgen-Roͤthe fuͤr eine Goͤttin hielten/ waͤren die Thraͤnen nichts nuͤ- tze; waͤre ſie aber eine Verſtorbene/ ſo verdiente ſie kein Opfer. Jſmene fragte: Was richtete Hercules aber mit ſeinem furchtſamen Opfer aus? Zeno ſagte: Mit ſeinen von der Medea empfangenen Zaubereyen/ welche ihn unver- wundlich

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/583>, abgerufen am 25.11.2024.