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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]

Rhemetalces fiel ein: Diß sind die herrlichsten
Merckmahle eines Gebieters/ welche einem die
Tugend und die Natur eingepräget. Zepter und
Kronen hingegen nur Tockenwerck des Glückes/
welches einen Knecht so wenig zum König/ als ein
Perlen Halsband einen Affen zum Menschen
machen kan. Hingegen sahe man dem Cyrus
auch in der Hirten-Höle seinen hohen Ursprung
und sein Helden-Gemüthe an. Und als Käyser
Julius gleich von den See-Räubern gefangen
war/ jagte er ihnen doch Furcht und Schrecken
ein. Denn in Warheit/ wer zum Herrschen ge-
bohren ist/ verliert auch in Ketten und Banden
nicht seine Botmäßigkeit; einem dienstbaren
Geiste aber machen auch hundert Kronen kein
Ansehen. Zeno gab diß alles nach; entschul-
digte diese auff ihn gemachte Auslegung/ fuhr
also fort:

Der Herr des Schiffes und alle andern wu-
sten mir nicht genug zu dancken/ noch auch was
sie von mir als einem Weibsbilde urtheilen sol-
ten/ wenn nicht einer unter den Schiffenden
mich für die Fürstin Arsinoe erkennet/ und mich
also durch seine unzeitige Ehrerbietung allen
Anwesenden bekandt gemacht hätte; Welche
denn insgesamt mir zu Fusse fielen/ darfür hal-
tende/ daß der Himmel mich ihnen zu einer ab-
sondern Schutz-Göttin zugeschickt hätte. E-
ben diesen Titel legte mir das erlösete Frauen-
zimmer bey/ welches mich mit Thränen umb-
balsete/ und nicht genug ihre Verbindligkeit
auszudrücken wuste/ daß sie von mir aus den
Klauen dieser Raubvögel erlöset worden wä-
re. Jch versetzte gegen ihr/ daß ihre eigene
Tapfferkeit ein Werckzeug unsers Sieges ge-
west wäre/ und würde sie meinen geringen
Dienst überflüßig abschulden/ wenn ich allein
wissen möchte/ wie sie in diese Noth verfallen
wäre/ und wem ich dißmahl zu ihrer Freyheit
geholffen hätte? Penthasilea/ also nennte sie sich/
gab mir zu verstehen: Wenn mir beliebte ihr ei-
nen Ort zu unserer Einsamkeit anzuweisen/
[Spaltenumbruch] wolte sie mir in allem Vergnügung leisten.
Nachdem ich nun Vorsorge gethan/ daß/ was
von dem Raube Penthasileen zuständig wäre/
abgesondert/ und ihr wieder zugeeignet/ das ü-
brige aber für gute Beute ausgetheilet würde/
führte ich sie in mein Gemach des Schiffes/ dar-
innen sie mir eröffnete: Sie wäre der Amazoni-
schen Königin Minothea Schwester/ und eine
Tochter des Albanischen Königs Zober/ welcher
nebst dem Könige Pharnabazes in Jberien wi-
der des Antonius Feldhauptmann Canidius
Krieg geführet/ und/ als er von selbtem geschla-
gen worden/ sich nach Ampsalis/ der Amazoni-
schen Haupt-Stadt/ biß ihn Moneses mit dem
Antonius wieder ausgesöhnet/ geflüchtet/ und
daselbst ihre Mutter Androgyne geschwängert
hätte. Bey welcher sie in ihrer Kindheit ver-
möge der Amazonischen Reichs-Gesetze/ welche
den Vätern alles Recht über ihre Töchter ent-
ziehen/ hätte verbleiben müssen/ hernach aber
hätten sie die angewohnten Sitten/ und die
Süßigkeit ihrer Freyheit so eingenommen/ daß
ob wohl ihr Vater/ König Zober/ ohne Söhne
gestorben/ sie nach dem väterlichen Reichs Er-
be nie gefragt/ sondern eine Amazonin blieben
wäre. Jch war begierig von dieser Fürstin die
wahre Beschaffenheit ihres Reichs zu erfor-
schen/ welche sie sonst insgemein aus einer be-
sondern Staats-Klugheit für den Ausländern
auffs sorgfältigste verhölten. Daher gab ich
ihr mit einem freudigen Antlitz zur Antwort:
Jch vernehme mit grosser Vergnügung/ daß
die vertriebenen und unglückseligen Männer
bey denen Amazonen/ die doch in der Welt
für die grausamsten Feinde des Männlichen
Geschlechtes ausgeschrien würden/ ihren Auff-
enthalt findeten; Also hätte vermuthlich eine ver-
stossene Fürstin/ und insonderheit ich/ die ich zwar
nicht vom Geblüte/ aber wohl vom Gemüthe ei-
ne Amazonin wäre/ derogleichen sich zu getrö-
sten. Sintemahl ihr alle Anwesenden auff
dem Schiffe würden erzehlen können/ daß weil

ich
Erster Theil. U u u
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]

Rhemetalces fiel ein: Diß ſind die herrlichſten
Merckmahle eines Gebieters/ welche einem die
Tugend und die Natur eingepraͤget. Zepter und
Kronen hingegẽ nur Tockenwerck des Gluͤckes/
welches einẽ Knecht ſo wenig zum Koͤnig/ als ein
Perlen Halsband einen Affen zum Menſchen
machen kan. Hingegen ſahe man dem Cyrus
auch in der Hirten-Hoͤle ſeinen hohen Urſprung
und ſein Helden-Gemuͤthe an. Und als Kaͤyſer
Julius gleich von den See-Raͤubern gefangen
war/ jagte er ihnen doch Furcht und Schrecken
ein. Denn in Warheit/ wer zum Herrſchen ge-
bohren iſt/ verliert auch in Ketten und Banden
nicht ſeine Botmaͤßigkeit; einem dienſtbaren
Geiſte aber machen auch hundert Kronen kein
Anſehen. Zeno gab diß alles nach; entſchul-
digte dieſe auff ihn gemachte Auslegung/ fuhr
alſo fort:

Der Herr des Schiffes und alle andern wu-
ſten mir nicht genug zu dancken/ noch auch was
ſie von mir als einem Weibsbilde urtheilen ſol-
ten/ wenn nicht einer unter den Schiffenden
mich fuͤr die Fuͤrſtin Arſinoe erkennet/ und mich
alſo durch ſeine unzeitige Ehrerbietung allen
Anweſenden bekandt gemacht haͤtte; Welche
denn insgeſamt mir zu Fuſſe fielen/ darfuͤr hal-
tende/ daß der Himmel mich ihnen zu einer ab-
ſondern Schutz-Goͤttin zugeſchickt haͤtte. E-
ben dieſen Titel legte mir das erloͤſete Frauen-
zimmer bey/ welches mich mit Thraͤnen umb-
balſete/ und nicht genug ihre Verbindligkeit
auszudruͤcken wuſte/ daß ſie von mir aus den
Klauen dieſer Raubvoͤgel erloͤſet worden waͤ-
re. Jch verſetzte gegen ihr/ daß ihre eigene
Tapfferkeit ein Werckzeug unſers Sieges ge-
weſt waͤre/ und wuͤrde ſie meinen geringen
Dienſt uͤberfluͤßig abſchulden/ wenn ich allein
wiſſen moͤchte/ wie ſie in dieſe Noth verfallen
waͤre/ und wem ich dißmahl zu ihrer Freyheit
geholffen haͤtte? Penthaſilea/ alſo nennte ſie ſich/
gab mir zu verſtehen: Wenn mir beliebte ihr ei-
nen Ort zu unſerer Einſamkeit anzuweiſen/
[Spaltenumbruch] wolte ſie mir in allem Vergnuͤgung leiſten.
Nachdem ich nun Vorſorge gethan/ daß/ was
von dem Raube Penthaſileen zuſtaͤndig waͤre/
abgeſondert/ und ihr wieder zugeeignet/ das uͤ-
brige aber fuͤr gute Beute ausgetheilet wuͤrde/
fuͤhrte ich ſie in mein Gemach des Schiffes/ dar-
innen ſie mir eroͤffnete: Sie waͤre der Amazoni-
ſchen Koͤnigin Minothea Schweſter/ und eine
Tochter des Albaniſchen Koͤnigs Zober/ welcher
nebſt dem Koͤnige Pharnabazes in Jberien wi-
der des Antonius Feldhauptmann Canidius
Krieg gefuͤhret/ und/ als er von ſelbtem geſchla-
gen worden/ ſich nach Ampſalis/ der Amazoni-
ſchen Haupt-Stadt/ biß ihn Moneſes mit dem
Antonius wieder ausgeſoͤhnet/ gefluͤchtet/ und
daſelbſt ihre Mutter Androgyne geſchwaͤngert
haͤtte. Bey welcher ſie in ihrer Kindheit ver-
moͤge der Amazoniſchen Reichs-Geſetze/ welche
den Vaͤtern alles Recht uͤber ihre Toͤchter ent-
ziehen/ haͤtte verbleiben muͤſſen/ hernach aber
haͤtten ſie die angewohnten Sitten/ und die
Suͤßigkeit ihrer Freyheit ſo eingenommen/ daß
ob wohl ihr Vater/ Koͤnig Zober/ ohne Soͤhne
geſtorben/ ſie nach dem vaͤterlichen Reichs Er-
be nie gefragt/ ſondern eine Amazonin blieben
waͤre. Jch war begierig von dieſer Fuͤrſtin die
wahre Beſchaffenheit ihres Reichs zu erfor-
ſchen/ welche ſie ſonſt insgemein aus einer be-
ſondern Staats-Klugheit fuͤr den Auslaͤndern
auffs ſorgfaͤltigſte verhoͤlten. Daher gab ich
ihr mit einem freudigen Antlitz zur Antwort:
Jch vernehme mit groſſer Vergnuͤgung/ daß
die vertriebenen und ungluͤckſeligen Maͤnner
bey denen Amazonen/ die doch in der Welt
fuͤr die grauſamſten Feinde des Maͤnnlichen
Geſchlechtes ausgeſchrien wuͤrden/ ihren Auff-
enthalt findeten; Alſo haͤtte veꝛmuthlich eine ver-
ſtoſſene Fuͤrſtin/ und inſonderheit ich/ die ich zwar
nicht vom Gebluͤte/ aber wohl vom Gemuͤthe ei-
ne Amazonin waͤre/ derogleichen ſich zu getroͤ-
ſten. Sintemahl ihr alle Anweſenden auff
dem Schiffe wuͤrden erzehlen koͤnnen/ daß weil

ich
Erſter Theil. U u u
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[521/0577] Arminius und Thußnelda. Rhemetalces fiel ein: Diß ſind die herrlichſten Merckmahle eines Gebieters/ welche einem die Tugend und die Natur eingepraͤget. Zepter und Kronen hingegẽ nur Tockenwerck des Gluͤckes/ welches einẽ Knecht ſo wenig zum Koͤnig/ als ein Perlen Halsband einen Affen zum Menſchen machen kan. Hingegen ſahe man dem Cyrus auch in der Hirten-Hoͤle ſeinen hohen Urſprung und ſein Helden-Gemuͤthe an. Und als Kaͤyſer Julius gleich von den See-Raͤubern gefangen war/ jagte er ihnen doch Furcht und Schrecken ein. Denn in Warheit/ wer zum Herrſchen ge- bohren iſt/ verliert auch in Ketten und Banden nicht ſeine Botmaͤßigkeit; einem dienſtbaren Geiſte aber machen auch hundert Kronen kein Anſehen. Zeno gab diß alles nach; entſchul- digte dieſe auff ihn gemachte Auslegung/ fuhr alſo fort: Der Herr des Schiffes und alle andern wu- ſten mir nicht genug zu dancken/ noch auch was ſie von mir als einem Weibsbilde urtheilen ſol- ten/ wenn nicht einer unter den Schiffenden mich fuͤr die Fuͤrſtin Arſinoe erkennet/ und mich alſo durch ſeine unzeitige Ehrerbietung allen Anweſenden bekandt gemacht haͤtte; Welche denn insgeſamt mir zu Fuſſe fielen/ darfuͤr hal- tende/ daß der Himmel mich ihnen zu einer ab- ſondern Schutz-Goͤttin zugeſchickt haͤtte. E- ben dieſen Titel legte mir das erloͤſete Frauen- zimmer bey/ welches mich mit Thraͤnen umb- balſete/ und nicht genug ihre Verbindligkeit auszudruͤcken wuſte/ daß ſie von mir aus den Klauen dieſer Raubvoͤgel erloͤſet worden waͤ- re. Jch verſetzte gegen ihr/ daß ihre eigene Tapfferkeit ein Werckzeug unſers Sieges ge- weſt waͤre/ und wuͤrde ſie meinen geringen Dienſt uͤberfluͤßig abſchulden/ wenn ich allein wiſſen moͤchte/ wie ſie in dieſe Noth verfallen waͤre/ und wem ich dißmahl zu ihrer Freyheit geholffen haͤtte? Penthaſilea/ alſo nennte ſie ſich/ gab mir zu verſtehen: Wenn mir beliebte ihr ei- nen Ort zu unſerer Einſamkeit anzuweiſen/ wolte ſie mir in allem Vergnuͤgung leiſten. Nachdem ich nun Vorſorge gethan/ daß/ was von dem Raube Penthaſileen zuſtaͤndig waͤre/ abgeſondert/ und ihr wieder zugeeignet/ das uͤ- brige aber fuͤr gute Beute ausgetheilet wuͤrde/ fuͤhrte ich ſie in mein Gemach des Schiffes/ dar- innen ſie mir eroͤffnete: Sie waͤre der Amazoni- ſchen Koͤnigin Minothea Schweſter/ und eine Tochter des Albaniſchen Koͤnigs Zober/ welcher nebſt dem Koͤnige Pharnabazes in Jberien wi- der des Antonius Feldhauptmann Canidius Krieg gefuͤhret/ und/ als er von ſelbtem geſchla- gen worden/ ſich nach Ampſalis/ der Amazoni- ſchen Haupt-Stadt/ biß ihn Moneſes mit dem Antonius wieder ausgeſoͤhnet/ gefluͤchtet/ und daſelbſt ihre Mutter Androgyne geſchwaͤngert haͤtte. Bey welcher ſie in ihrer Kindheit ver- moͤge der Amazoniſchen Reichs-Geſetze/ welche den Vaͤtern alles Recht uͤber ihre Toͤchter ent- ziehen/ haͤtte verbleiben muͤſſen/ hernach aber haͤtten ſie die angewohnten Sitten/ und die Suͤßigkeit ihrer Freyheit ſo eingenommen/ daß ob wohl ihr Vater/ Koͤnig Zober/ ohne Soͤhne geſtorben/ ſie nach dem vaͤterlichen Reichs Er- be nie gefragt/ ſondern eine Amazonin blieben waͤre. Jch war begierig von dieſer Fuͤrſtin die wahre Beſchaffenheit ihres Reichs zu erfor- ſchen/ welche ſie ſonſt insgemein aus einer be- ſondern Staats-Klugheit fuͤr den Auslaͤndern auffs ſorgfaͤltigſte verhoͤlten. Daher gab ich ihr mit einem freudigen Antlitz zur Antwort: Jch vernehme mit groſſer Vergnuͤgung/ daß die vertriebenen und ungluͤckſeligen Maͤnner bey denen Amazonen/ die doch in der Welt fuͤr die grauſamſten Feinde des Maͤnnlichen Geſchlechtes ausgeſchrien wuͤrden/ ihren Auff- enthalt findeten; Alſo haͤtte veꝛmuthlich eine ver- ſtoſſene Fuͤrſtin/ und inſonderheit ich/ die ich zwar nicht vom Gebluͤte/ aber wohl vom Gemuͤthe ei- ne Amazonin waͤre/ derogleichen ſich zu getroͤ- ſten. Sintemahl ihr alle Anweſenden auff dem Schiffe wuͤrden erzehlen koͤnnen/ daß weil ich Erſter Theil. U u u

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/577>, abgerufen am 25.11.2024.