Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
die Zuneigung der Eltern ihre Kinder deroge-stalt nicht erkenne/ wie die Wünschel-Ruthe von einer Hasel-Staude das vergrabene Gold und Silber/ die von einem Eschbaume verbor genes Ertzt andeutet. Es ist wahr/ antwortete Zeno/ ich habe hernach bekümmert erfahren/ wie Ariobarzanes den Polemon auf seinem Tod- Bette für seinen Vater erkennet/ also diß Ge- spenste wahr geredet habe/ und ich so arm wor- den sey/ daß ich weder Vater noch Mutter zu nennen weiß/ und wenn ich nicht zu dem all- gemeinen Ursprunge der Menschen gehörete/ mich aus einem Steine entsprossen zu seyn schätzen müste. Aber ich wil mich nicht ver- sehen/ daß mein und der Dynamis Jrrthum die Gesetze der Natur zerreissen/ oder die an- geborne Zuneigung zu einer blossen Einbildung machen werde. Wenn das menschliche Ge- müthe ausser der Kinder-Liebe sonst keine Zunei- gung/ sondern wie der Magnet nur zum Ei- sen/ der Agstein nur zur Spreu einen Trieb hätte/ würde sie ihre denen Augen unkenntliche Kinder Zweifels-frey erkiesen/ und das Hertze über ihrer Erblickung viel anders zu schlagen anfangen. So aber werden wir von der Gleich- heit unserer Geburts-Art/ von der Tugend/ von Aehnligkeit der Gestalt/ oder von einem geheimen Einflusse des Gestirnes offt zu eines gantz frembden Menschens Liebe gezogen/ also/ daß da uns weder das Geblüte noch andere Gaben reitzen/ wir mehrmals selbst die Ursa- che unserer Gewogenheit nicht finden können. Diese Vielheit der Gemüths - Regungen machet also unsere Unterscheidung schwer und zweifelhaft/ hebt aber der Eltern inner- lichen Trieb nicht auf. Uns würden sonst die unvernünftigen Thiere beschämen/ wenn die wilden Bären für ihre Jungen biß aufs Blut kämpfen/ wenn die Panther lieber in die Eisen der Jäger rennen/ als ihre Frucht im Stiche lassen/ wenn die Löwen gegen de- [Spaltenumbruch] nen zu Lämmern werden/ die ihnen zu ihrem Brute verhelffen; wenn die Störche die jüngern auf ihren Flügeln tragen; an- dere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen; die Adler die ihrigen gegen die Straalen der Sonne abrichten; wenn die Wallfische ihren Brut in ihren Rachen für sich nähernden Raub- fischen wieder einschlüssen/ und nach dem die Gefahr fürüber/ selbte gleichsam zum andern mal gebähren. Zwar ist nicht ohne/ daß eine kräfftige Einbildung der Natur mit ihren Wür- ckungen ziemlich nahe kommet/ daß offt Mütter fremde Wechsel-Bälge/ und Väter die ihnen durch Ehebruch eingeschobene Kinder mit der zärtlichsten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber deshalben ist dieser ihr unverfälschter Trieb so wenig zu verwerffen/ als der Glantz denen Gestirnen abzusprechen/ weil auch die Jrr- wische ihrer Straalen sich bedienen. Die Fürstin Thußnelda warff hierwider ein; Warumb aber fressen so viel Thiere ihre eigene Jungen? Warumb zerschlagen so viel Vö- gel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Ly- simachus seinen tapfern Sohn Agathocles? Warumb nagelt Maleus seinen Sohn Cartalus ans Creutze? Warumb setzet Ptolomeus Physcon seinen zergliederten Sohn Menephiten der Mutter Cleopatra für ein Gerüchte auf? Warumb richtet Laodice ihre fünff mit dem Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin? Und wer weiß alle Kinder- oder auch Va- ter- und Mutter-Mörde zu erzehlen? Nach- dem gantze Völcker an dem Caspischen Mee- reihre verlebte Eltern erhungern/ die Bactrianer aber sie gar von den Hunden auffressen lassen. Freylich wohl/ versetzte Zeno/ giebt es unter den Menschen eben so wol undanckbare Kuckucke/ grausame Nattern/ Spinnen und Scorpionen/ die ihres eigenen Geschlechts und Blutes nicht schonen. Dessen aber ungeachtet/ bleibet doch der Natur gemäß/ daß die Eltern und Kinder einan- T t t 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
die Zuneigung der Eltern ihre Kinder deroge-ſtalt nicht erkenne/ wie die Wuͤnſchel-Ruthe von einer Haſel-Staude das vergrabene Gold und Silber/ die von einem Eſchbaume verbor genes Ertzt andeutet. Es iſt wahr/ antwortete Zeno/ ich habe hernach bekuͤmmert erfahren/ wie Ariobarzanes den Polemon auf ſeinem Tod- Bette fuͤr ſeinen Vater erkennet/ alſo diß Ge- ſpenſte wahr geredet habe/ und ich ſo arm wor- den ſey/ daß ich weder Vater noch Mutter zu nennen weiß/ und wenn ich nicht zu dem all- gemeinen Urſprunge der Menſchen gehoͤrete/ mich aus einem Steine entſproſſen zu ſeyn ſchaͤtzen muͤſte. Aber ich wil mich nicht ver- ſehen/ daß mein und der Dynamis Jrrthum die Geſetze der Natur zerreiſſen/ oder die an- geborne Zuneigung zu einer bloſſen Einbildung machen werde. Wenn das menſchliche Ge- muͤthe auſſer der Kinder-Liebe ſonſt keine Zunei- gung/ ſondern wie der Magnet nur zum Ei- ſen/ der Agſtein nur zur Spreu einen Trieb haͤtte/ wuͤrde ſie ihre denen Augen unkenntliche Kinder Zweifels-frey erkieſen/ und das Hertze uͤber ihrer Erblickung viel anders zu ſchlagen anfangen. So aber werden wir von der Gleich- heit unſerer Geburts-Art/ von der Tugend/ von Aehnligkeit der Geſtalt/ oder von einem geheimen Einfluſſe des Geſtirnes offt zu eines gantz frembden Menſchens Liebe gezogen/ alſo/ daß da uns weder das Gebluͤte noch andere Gaben reitzen/ wir mehrmals ſelbſt die Urſa- che unſerer Gewogenheit nicht finden koͤnnen. Dieſe Vielheit der Gemuͤths - Regungen machet alſo unſere Unterſcheidung ſchwer und zweifelhaft/ hebt aber der Eltern inner- lichen Trieb nicht auf. Uns wuͤrden ſonſt die unvernuͤnftigen Thiere beſchaͤmen/ wenn die wilden Baͤren fuͤr ihre Jungen biß aufs Blut kaͤmpfen/ wenn die Panther lieber in die Eiſen der Jaͤger rennen/ als ihre Frucht im Stiche laſſen/ wenn die Loͤwen gegen de- [Spaltenumbruch] nen zu Laͤmmern werden/ die ihnen zu ihrem Brute verhelffen; wenn die Stoͤrche die juͤngern auf ihren Fluͤgeln tragen; an- dere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen; die Adler die ihrigen gegen die Straalen der Sonne abrichten; wenn die Wallfiſche ihren Brut in ihren Rachen fuͤr ſich naͤhernden Raub- fiſchen wieder einſchluͤſſen/ und nach dem die Gefahr fuͤruͤber/ ſelbte gleichſam zum andern mal gebaͤhren. Zwar iſt nicht ohne/ daß eine kraͤfftige Einbildung der Natur mit ihren Wuͤr- ckungen ziemlich nahe kommet/ daß offt Muͤtter fremde Wechſel-Baͤlge/ und Vaͤter die ihnen durch Ehebruch eingeſchobene Kinder mit der zaͤrtlichſten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber deshalben iſt dieſer ihr unverfaͤlſchter Trieb ſo wenig zu verwerffen/ als der Glantz denen Geſtirnen abzuſprechen/ weil auch die Jrr- wiſche ihrer Straalen ſich bedienen. Die Fuͤrſtin Thußnelda warff hierwider ein; Warumb aber freſſen ſo viel Thiere ihre eigene Jungen? Warumb zerſchlagen ſo viel Voͤ- gel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Ly- ſimachus ſeinen tapfern Sohn Agathocles? Warumb nagelt Maleus ſeinẽ Sohn Cartalus ans Creutze? Warumb ſetzet Ptolomeus Phyſcon ſeinen zergliederten Sohn Menephiten der Mutter Cleopatra fuͤr ein Geruͤchte auf? Warumb richtet Laodice ihre fuͤnff mit dem Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin? Und wer weiß alle Kinder- oder auch Va- ter- und Mutter-Moͤrde zu erzehlen? Nach- dem gantze Voͤlcker an dem Caſpiſchen Mee- reihre verlebte Eltern erhungern/ die Bactrianeꝛ aber ſie gar von den Hunden auffreſſen laſſen. Freylich wohl/ verſetzte Zeno/ giebt es unter den Menſchen eben ſo wol undanckbare Kuckucke/ grauſame Nattern/ Spinnen und Scorpionen/ die ihres eigenen Geſchlechts und Blutes nicht ſchonen. Deſſen aber ungeachtet/ bleibet doch der Natur gemaͤß/ daß die Eltern und Kinder einan- T t t 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0573" n="517"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> die Zuneigung der Eltern ihre Kinder deroge-<lb/> ſtalt nicht erkenne/ wie die Wuͤnſchel-Ruthe von<lb/> einer Haſel-Staude das vergrabene Gold und<lb/> Silber/ die von einem Eſchbaume verbor genes<lb/> Ertzt andeutet. Es iſt wahr/ antwortete Zeno/<lb/> ich habe hernach bekuͤmmert erfahren/ wie<lb/> Ariobarzanes den Polemon auf ſeinem Tod-<lb/> Bette fuͤr ſeinen Vater erkennet/ alſo diß Ge-<lb/> ſpenſte wahr geredet habe/ und ich ſo arm wor-<lb/> den ſey/ daß ich weder Vater noch Mutter zu<lb/> nennen weiß/ und wenn ich nicht zu dem all-<lb/> gemeinen Urſprunge der Menſchen gehoͤrete/<lb/> mich aus einem Steine entſproſſen zu ſeyn<lb/> ſchaͤtzen muͤſte. Aber ich wil mich nicht ver-<lb/> ſehen/ daß mein und der Dynamis Jrrthum<lb/> die Geſetze der Natur zerreiſſen/ oder die an-<lb/> geborne Zuneigung zu einer bloſſen Einbildung<lb/> machen werde. Wenn das menſchliche Ge-<lb/> muͤthe auſſer der Kinder-Liebe ſonſt keine Zunei-<lb/> gung/ ſondern wie der Magnet nur zum Ei-<lb/> ſen/ der Agſtein nur zur Spreu einen Trieb<lb/> haͤtte/ wuͤrde ſie ihre denen Augen unkenntliche<lb/> Kinder Zweifels-frey erkieſen/ und das Hertze<lb/> uͤber ihrer Erblickung viel anders zu ſchlagen<lb/> anfangen. So aber werden wir von der Gleich-<lb/> heit unſerer Geburts-Art/ von der Tugend/<lb/> von Aehnligkeit der Geſtalt/ oder von einem<lb/> geheimen Einfluſſe des Geſtirnes offt zu eines<lb/> gantz frembden Menſchens Liebe gezogen/ alſo/<lb/> daß da uns weder das Gebluͤte noch andere<lb/> Gaben reitzen/ wir mehrmals ſelbſt die Urſa-<lb/> che unſerer Gewogenheit nicht finden koͤnnen.<lb/> Dieſe Vielheit der Gemuͤths - Regungen<lb/> machet alſo unſere Unterſcheidung ſchwer<lb/> und zweifelhaft/ hebt aber der Eltern inner-<lb/> lichen Trieb nicht auf. Uns wuͤrden ſonſt<lb/> die unvernuͤnftigen Thiere beſchaͤmen/ wenn<lb/> die wilden Baͤren fuͤr ihre Jungen biß aufs<lb/> Blut kaͤmpfen/ wenn die Panther lieber in<lb/> die Eiſen der Jaͤger rennen/ als ihre Frucht<lb/> im Stiche laſſen/ wenn die Loͤwen gegen de-<lb/><cb/> nen zu Laͤmmern werden/ die ihnen zu<lb/> ihrem Brute verhelffen; wenn die Stoͤrche<lb/> die juͤngern auf ihren Fluͤgeln tragen; an-<lb/> dere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen;<lb/> die Adler die ihrigen gegen die Straalen der<lb/> Sonne abrichten; wenn die Wallfiſche ihren<lb/> Brut in ihren Rachen fuͤr ſich naͤhernden Raub-<lb/> fiſchen wieder einſchluͤſſen/ und nach dem die<lb/> Gefahr fuͤruͤber/ ſelbte gleichſam zum andern<lb/> mal gebaͤhren. Zwar iſt nicht ohne/ daß eine<lb/> kraͤfftige Einbildung der Natur mit ihren Wuͤr-<lb/> ckungen ziemlich nahe kommet/ daß offt Muͤtter<lb/> fremde Wechſel-Baͤlge/ und Vaͤter die ihnen<lb/> durch Ehebruch eingeſchobene Kinder mit der<lb/> zaͤrtlichſten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber<lb/> deshalben iſt dieſer ihr unverfaͤlſchter Trieb ſo<lb/> wenig zu verwerffen/ als der Glantz denen<lb/> Geſtirnen abzuſprechen/ weil auch die Jrr-<lb/> wiſche ihrer Straalen ſich bedienen. Die<lb/> Fuͤrſtin Thußnelda warff hierwider ein;<lb/> Warumb aber freſſen ſo viel Thiere ihre eigene<lb/> Jungen? Warumb zerſchlagen ſo viel Voͤ-<lb/> gel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Ly-<lb/> ſimachus ſeinen tapfern Sohn Agathocles?<lb/> Warumb nagelt Maleus ſeinẽ Sohn Cartalus<lb/> ans Creutze? Warumb ſetzet Ptolomeus Phyſcon<lb/> ſeinen zergliederten Sohn Menephiten der<lb/> Mutter Cleopatra fuͤr ein Geruͤchte auf?<lb/> Warumb richtet Laodice ihre fuͤnff mit dem<lb/> Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin?<lb/> Und wer weiß alle Kinder- oder auch Va-<lb/> ter- und Mutter-Moͤrde zu erzehlen? Nach-<lb/> dem gantze Voͤlcker an dem Caſpiſchen Mee-<lb/> reihre verlebte Eltern erhungern/ die Bactrianeꝛ<lb/> aber ſie gar von den Hunden auffreſſen laſſen.<lb/> Freylich wohl/ verſetzte Zeno/ giebt es unter den<lb/> Menſchen eben ſo wol undanckbare Kuckucke/<lb/> grauſame Nattern/ Spinnen und Scorpionen/<lb/> die ihres eigenen Geſchlechts und Blutes nicht<lb/> ſchonen. Deſſen aber ungeachtet/ bleibet doch<lb/> der Natur gemaͤß/ daß die Eltern und Kinder<lb/> <fw place="bottom" type="sig">T t t 3</fw><fw place="bottom" type="catch">einan-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [517/0573]
Arminius und Thußnelda.
die Zuneigung der Eltern ihre Kinder deroge-
ſtalt nicht erkenne/ wie die Wuͤnſchel-Ruthe von
einer Haſel-Staude das vergrabene Gold und
Silber/ die von einem Eſchbaume verbor genes
Ertzt andeutet. Es iſt wahr/ antwortete Zeno/
ich habe hernach bekuͤmmert erfahren/ wie
Ariobarzanes den Polemon auf ſeinem Tod-
Bette fuͤr ſeinen Vater erkennet/ alſo diß Ge-
ſpenſte wahr geredet habe/ und ich ſo arm wor-
den ſey/ daß ich weder Vater noch Mutter zu
nennen weiß/ und wenn ich nicht zu dem all-
gemeinen Urſprunge der Menſchen gehoͤrete/
mich aus einem Steine entſproſſen zu ſeyn
ſchaͤtzen muͤſte. Aber ich wil mich nicht ver-
ſehen/ daß mein und der Dynamis Jrrthum
die Geſetze der Natur zerreiſſen/ oder die an-
geborne Zuneigung zu einer bloſſen Einbildung
machen werde. Wenn das menſchliche Ge-
muͤthe auſſer der Kinder-Liebe ſonſt keine Zunei-
gung/ ſondern wie der Magnet nur zum Ei-
ſen/ der Agſtein nur zur Spreu einen Trieb
haͤtte/ wuͤrde ſie ihre denen Augen unkenntliche
Kinder Zweifels-frey erkieſen/ und das Hertze
uͤber ihrer Erblickung viel anders zu ſchlagen
anfangen. So aber werden wir von der Gleich-
heit unſerer Geburts-Art/ von der Tugend/
von Aehnligkeit der Geſtalt/ oder von einem
geheimen Einfluſſe des Geſtirnes offt zu eines
gantz frembden Menſchens Liebe gezogen/ alſo/
daß da uns weder das Gebluͤte noch andere
Gaben reitzen/ wir mehrmals ſelbſt die Urſa-
che unſerer Gewogenheit nicht finden koͤnnen.
Dieſe Vielheit der Gemuͤths - Regungen
machet alſo unſere Unterſcheidung ſchwer
und zweifelhaft/ hebt aber der Eltern inner-
lichen Trieb nicht auf. Uns wuͤrden ſonſt
die unvernuͤnftigen Thiere beſchaͤmen/ wenn
die wilden Baͤren fuͤr ihre Jungen biß aufs
Blut kaͤmpfen/ wenn die Panther lieber in
die Eiſen der Jaͤger rennen/ als ihre Frucht
im Stiche laſſen/ wenn die Loͤwen gegen de-
nen zu Laͤmmern werden/ die ihnen zu
ihrem Brute verhelffen; wenn die Stoͤrche
die juͤngern auf ihren Fluͤgeln tragen; an-
dere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen;
die Adler die ihrigen gegen die Straalen der
Sonne abrichten; wenn die Wallfiſche ihren
Brut in ihren Rachen fuͤr ſich naͤhernden Raub-
fiſchen wieder einſchluͤſſen/ und nach dem die
Gefahr fuͤruͤber/ ſelbte gleichſam zum andern
mal gebaͤhren. Zwar iſt nicht ohne/ daß eine
kraͤfftige Einbildung der Natur mit ihren Wuͤr-
ckungen ziemlich nahe kommet/ daß offt Muͤtter
fremde Wechſel-Baͤlge/ und Vaͤter die ihnen
durch Ehebruch eingeſchobene Kinder mit der
zaͤrtlichſten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber
deshalben iſt dieſer ihr unverfaͤlſchter Trieb ſo
wenig zu verwerffen/ als der Glantz denen
Geſtirnen abzuſprechen/ weil auch die Jrr-
wiſche ihrer Straalen ſich bedienen. Die
Fuͤrſtin Thußnelda warff hierwider ein;
Warumb aber freſſen ſo viel Thiere ihre eigene
Jungen? Warumb zerſchlagen ſo viel Voͤ-
gel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Ly-
ſimachus ſeinen tapfern Sohn Agathocles?
Warumb nagelt Maleus ſeinẽ Sohn Cartalus
ans Creutze? Warumb ſetzet Ptolomeus Phyſcon
ſeinen zergliederten Sohn Menephiten der
Mutter Cleopatra fuͤr ein Geruͤchte auf?
Warumb richtet Laodice ihre fuͤnff mit dem
Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin?
Und wer weiß alle Kinder- oder auch Va-
ter- und Mutter-Moͤrde zu erzehlen? Nach-
dem gantze Voͤlcker an dem Caſpiſchen Mee-
reihre verlebte Eltern erhungern/ die Bactrianeꝛ
aber ſie gar von den Hunden auffreſſen laſſen.
Freylich wohl/ verſetzte Zeno/ giebt es unter den
Menſchen eben ſo wol undanckbare Kuckucke/
grauſame Nattern/ Spinnen und Scorpionen/
die ihres eigenen Geſchlechts und Blutes nicht
ſchonen. Deſſen aber ungeachtet/ bleibet doch
der Natur gemaͤß/ daß die Eltern und Kinder
einan-
T t t 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |