Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Polemon antwortete: Mein eigner Schutz-Geist hat mich aus dem bangsamen Schlafe er- wecket/ mir diesen Dolch in die Hände gegeben/ und hierdurch dem Vater-Mörder vorzukom- men ermahnet. Daher bereite dich/ Zeno/ nun- mehro behertzt zu sterben/ nach dem es das Ver- hängnüß also schicket/ und die Götter es befeh- len. Jch/ fuhr Zeno fort/ war meines Lebens schon überdrüssig/ und ich sahe ohne diß nichts/ als den Tod für mir/ welches/ nach verlorner Erato/ mich meines Jammers erledigen konte. Daher fiel ich für dem Polemon auf die Knie/ rieß die Kleider von meiner Brust weg/ und redete ihn an: Glaube/ Polemon/ daß/ wie ich dir im Leben zu gehorsamen mich alle- zeit gezwungen/ ausser da mir die Natur selbst einen Riegel fürgeschoben; also ich dir auch ster- bende nicht wil zuwider seyn. Glaube/ daß ich von dem/ dem ich das Leben zu dancken/ auch den Tod zu erdulden mich schuldig erkenne; daß ich vergnügter meinen letzten Athem ausblase/ als daß man mich Lebenden als einen Vater-Mörder fürchte; daß ich dardurch nicht so wohl meinen Ruhm als meine Liebe vollkommen zu machen gedencke/ wenn ich die Vater-Hand küsse/ die mich zu tödten das Eisen zückt. Stoß also/ stoß Polemon/ durch das hier nicht für Schre- cken/ sondern aus Liebe schlagende Hertze; aber beleidige nicht mehr die so unschuldige Dyna- mis Stoß zu! stoß zu/ Polemon! und zwei- fele nicht/ daß ich behertzter sterben/ als du mich tödten wirst; ja daß ich dir deine zitternde Hand selber zu führen nicht scheue. Hiermit küssete ich die gewasfnete Hand Polemons/ war auch selbst bemühet selbige mit dem Dolche gegen mei- ne Brust zu ziehen. Dynamis hatte hierüber in voller Ohnmacht liegende/ Sinnen und Ver- stand verloren. Polemon holete aus/ mir ei- nen starcken Stoß zu versetzen; im Augenblicke aber sprang er mit höchster Entsetzung zurücke/ ließ den Dolch fallen/ drehete sich auch ohne eini- ge Wort-Verlierung umb/ und eilete aus dem [Spaltenumbruch] Thurme/ also/ daß er nicht einst der Wache/ ob sie uns wieder verschliessen solte/ Befehl ertheile- te. Jch wuste derogestalt nicht/ wie mir/ weni- ger wie dem Könige geschehen war. Jnsonder- heit wuste ich die Ursache nicht zu ergründen/ welche den Polemon von Ausübung seines so blu- tigen Vorsatzes gehemmet haben müste/ ausser/ daß ich auf meinen willfertigen Gehorsam zu sterben muthmassete. Sintemal Grimm und Eifer eben so wie die stürmenden Meeres-Wel- len alles/ was sich mit Härtigkeit widersetzet/ zer- drümmern; aber jene an der Demuth/ diese in dem weichen Sande des Ufers sich besänftigen. Nach weniger Erholung rieb ich an der Köni- gin/ brachte sie auch endlich wieder zu sich selbst/ nach dem sie eine gute Zeit mich für einen Geist gehalten hatte. Jhre mütterliche hierauf er- folgte Umbarmungen kan ich nicht ausdrücken; iedoch vermochte diese Freude sich auch der Furcht für neuem Ubel nicht zu entschütten/ weil sie noch weniger als ich auszulegen wuste/ was für ein Trieb den vollen Stoß des Polemons zurück gezogen haben müsse. Wir lebten zwi- schen Furcht und Hoffnung oder vielmehr in ei- nem Mittel-Dinge des Todes und des Lebens/ unter der Umbwechselung mit Thränen und Küssen zusammen biß an den hohen Mittag; da ward unser von der Wache inzwischen wieder versperrtes Gefängnüß eröffnet/ und kam Ni- comedes/ der Königliche Stadthalter zu Libyssa/ wo der berühmte Hannibal begraben liegt/ mit freudigem Antlitz/ und gleichwohl weinen- den Augen zu uns hinein getreten. Seine ver- mischte Geberdung deutete auf eine gleichmäs- sige Verrichtung. Denn er kündigte der Kö- nigin die Freyheit/ mir aber einen Befehl an: Daß ich noch für der Sonnen Untergang Si- nope räumen solte. Jch war mit dieser Stra- fe vergnügt/ Dynamis aber über meiner Be- raubung hertzlich bekümmert. Weil sie denn zu Nicomeden ein sonderbares Vertrauen hat- te/ hat sie/ er möchte ihr nicht verschweigen/ was seit Erster Theil. T t t
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Polemon antwortete: Mein eigner Schutz-Geiſt hat mich aus dem bangſamen Schlafe er- wecket/ mir dieſen Dolch in die Haͤnde gegeben/ und hierdurch dem Vater-Moͤrder vorzukom- men ermahnet. Daher bereite dich/ Zeno/ nun- mehro behertzt zu ſterben/ nach dem es das Ver- haͤngnuͤß alſo ſchicket/ und die Goͤtter es befeh- len. Jch/ fuhr Zeno fort/ war meines Lebens ſchon uͤberdruͤſſig/ und ich ſahe ohne diß nichts/ als den Tod fuͤr mir/ welches/ nach verlorner Erato/ mich meines Jammers erledigen konte. Daher fiel ich fuͤr dem Polemon auf die Knie/ rieß die Kleider von meiner Bruſt weg/ und redete ihn an: Glaube/ Polemon/ daß/ wie ich dir im Leben zu gehorſamen mich alle- zeit gezwungen/ auſſer da mir die Natur ſelbſt einen Riegel fuͤrgeſchoben; alſo ich dir auch ſter- bende nicht wil zuwider ſeyn. Glaube/ daß ich von dem/ dem ich das Leben zu dancken/ auch den Tod zu erdulden mich ſchuldig erkenne; daß ich vergnuͤgter meinẽ letztẽ Athem ausblaſe/ als daß man mich Lebenden als einen Vater-Moͤrder fuͤrchte; daß ich dardurch nicht ſo wohl meinen Ruhm als meine Liebe vollkommen zu machen gedencke/ wenn ich die Vater-Hand kuͤſſe/ die mich zu toͤdten das Eiſen zuͤckt. Stoß alſo/ ſtoß Polemon/ durch das hier nicht fuͤr Schre- cken/ ſondern aus Liebe ſchlagende Hertze; aber beleidige nicht mehr die ſo unſchuldige Dyna- mis Stoß zu! ſtoß zu/ Polemon! und zwei- fele nicht/ daß ich behertzter ſterben/ als du mich toͤdten wirſt; ja daß ich dir deine zitternde Hand ſelber zu fuͤhren nicht ſcheue. Hiermit kuͤſſete ich die gewaſfnete Hand Polemons/ war auch ſelbſt bemuͤhet ſelbige mit dem Dolche gegen mei- ne Bruſt zu ziehen. Dynamis hatte hieruͤber in voller Ohnmacht liegende/ Sinnen und Ver- ſtand verloren. Polemon holete aus/ mir ei- nen ſtarcken Stoß zu verſetzen; im Augenblicke aber ſprang er mit hoͤchſter Entſetzung zuruͤcke/ ließ den Dolch fallen/ drehete ſich auch ohne eini- ge Wort-Verlierung umb/ und eilete aus dem [Spaltenumbruch] Thurme/ alſo/ daß er nicht einſt der Wache/ ob ſie uns wieder verſchlieſſen ſolte/ Befehl ertheile- te. Jch wuſte derogeſtalt nicht/ wie mir/ weni- ger wie dem Koͤnige geſchehen war. Jnſonder- heit wuſte ich die Urſache nicht zu ergruͤnden/ welche dẽ Polemon von Ausuͤbung ſeines ſo blu- tigen Vorſatzes gehemmet haben muͤſte/ auſſer/ daß ich auf meinen willfertigen Gehorſam zu ſterben muthmaſſete. Sintemal Grim̃ und Eifer eben ſo wie die ſtuͤrmenden Meeres-Wel- len alles/ was ſich mit Haͤrtigkeit widerſetzet/ zer- druͤmmern; aber jene an der Demuth/ dieſe in dem weichen Sande des Ufers ſich beſaͤnftigen. Nach weniger Erholung rieb ich an der Koͤni- gin/ brachte ſie auch endlich wieder zu ſich ſelbſt/ nach dem ſie eine gute Zeit mich fuͤr einen Geiſt gehalten hatte. Jhre muͤtterliche hierauf er- folgte Umbarmungen kan ich nicht ausdruͤcken; iedoch vermochte dieſe Freude ſich auch der Furcht fuͤr neuem Ubel nicht zu entſchuͤtten/ weil ſie noch weniger als ich auszulegen wuſte/ was fuͤr ein Trieb den vollen Stoß des Polemons zuruͤck gezogen haben muͤſſe. Wir lebten zwi- ſchen Furcht und Hoffnung oder vielmehr in ei- nem Mittel-Dinge des Todes und des Lebens/ unter der Umbwechſelung mit Thraͤnen und Kuͤſſen zuſammen biß an den hohen Mittag; da ward unſer von der Wache inzwiſchen wieder verſperrtes Gefaͤngnuͤß eroͤffnet/ und kam Ni- comedes/ der Koͤnigliche Stadthalter zu Libyſſa/ wo der beruͤhmte Hannibal begraben liegt/ mit freudigem Antlitz/ und gleichwohl weinen- den Augen zu uns hinein getreten. Seine ver- miſchte Geberdung deutete auf eine gleichmaͤſ- ſige Verrichtung. Denn er kuͤndigte der Koͤ- nigin die Freyheit/ mir aber einen Befehl an: Daß ich noch fuͤr der Sonnen Untergang Si- nope raͤumen ſolte. Jch war mit dieſer Stra- fe vergnuͤgt/ Dynamis aber uͤber meiner Be- raubung hertzlich bekuͤmmert. Weil ſie denn zu Nicomeden ein ſonderbares Vertrauen hat- te/ hat ſie/ er moͤchte ihr nicht verſchweigen/ was ſeit Erſter Theil. T t t
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Arminius und Thußnelda.
Polemon antwortete: Mein eigner Schutz-
Geiſt hat mich aus dem bangſamen Schlafe er-
wecket/ mir dieſen Dolch in die Haͤnde gegeben/
und hierdurch dem Vater-Moͤrder vorzukom-
men ermahnet. Daher bereite dich/ Zeno/ nun-
mehro behertzt zu ſterben/ nach dem es das Ver-
haͤngnuͤß alſo ſchicket/ und die Goͤtter es befeh-
len. Jch/ fuhr Zeno fort/ war meines Lebens
ſchon uͤberdruͤſſig/ und ich ſahe ohne diß nichts/
als den Tod fuͤr mir/ welches/ nach verlorner
Erato/ mich meines Jammers erledigen konte.
Daher fiel ich fuͤr dem Polemon auf die
Knie/ rieß die Kleider von meiner Bruſt weg/
und redete ihn an: Glaube/ Polemon/ daß/ wie
ich dir im Leben zu gehorſamen mich alle-
zeit gezwungen/ auſſer da mir die Natur ſelbſt
einen Riegel fuͤrgeſchoben; alſo ich dir auch ſter-
bende nicht wil zuwider ſeyn. Glaube/ daß ich
von dem/ dem ich das Leben zu dancken/ auch den
Tod zu erdulden mich ſchuldig erkenne; daß ich
vergnuͤgter meinẽ letztẽ Athem ausblaſe/ als daß
man mich Lebenden als einen Vater-Moͤrder
fuͤrchte; daß ich dardurch nicht ſo wohl meinen
Ruhm als meine Liebe vollkommen zu machen
gedencke/ wenn ich die Vater-Hand kuͤſſe/ die
mich zu toͤdten das Eiſen zuͤckt. Stoß alſo/
ſtoß Polemon/ durch das hier nicht fuͤr Schre-
cken/ ſondern aus Liebe ſchlagende Hertze; aber
beleidige nicht mehr die ſo unſchuldige Dyna-
mis Stoß zu! ſtoß zu/ Polemon! und zwei-
fele nicht/ daß ich behertzter ſterben/ als du mich
toͤdten wirſt; ja daß ich dir deine zitternde Hand
ſelber zu fuͤhren nicht ſcheue. Hiermit kuͤſſete
ich die gewaſfnete Hand Polemons/ war auch
ſelbſt bemuͤhet ſelbige mit dem Dolche gegen mei-
ne Bruſt zu ziehen. Dynamis hatte hieruͤber
in voller Ohnmacht liegende/ Sinnen und Ver-
ſtand verloren. Polemon holete aus/ mir ei-
nen ſtarcken Stoß zu verſetzen; im Augenblicke
aber ſprang er mit hoͤchſter Entſetzung zuruͤcke/
ließ den Dolch fallen/ drehete ſich auch ohne eini-
ge Wort-Verlierung umb/ und eilete aus dem
Thurme/ alſo/ daß er nicht einſt der Wache/ ob
ſie uns wieder verſchlieſſen ſolte/ Befehl ertheile-
te. Jch wuſte derogeſtalt nicht/ wie mir/ weni-
ger wie dem Koͤnige geſchehen war. Jnſonder-
heit wuſte ich die Urſache nicht zu ergruͤnden/
welche dẽ Polemon von Ausuͤbung ſeines ſo blu-
tigen Vorſatzes gehemmet haben muͤſte/ auſſer/
daß ich auf meinen willfertigen Gehorſam zu
ſterben muthmaſſete. Sintemal Grim̃ und
Eifer eben ſo wie die ſtuͤrmenden Meeres-Wel-
len alles/ was ſich mit Haͤrtigkeit widerſetzet/ zer-
druͤmmern; aber jene an der Demuth/ dieſe in
dem weichen Sande des Ufers ſich beſaͤnftigen.
Nach weniger Erholung rieb ich an der Koͤni-
gin/ brachte ſie auch endlich wieder zu ſich ſelbſt/
nach dem ſie eine gute Zeit mich fuͤr einen Geiſt
gehalten hatte. Jhre muͤtterliche hierauf er-
folgte Umbarmungen kan ich nicht ausdruͤcken;
iedoch vermochte dieſe Freude ſich auch der
Furcht fuͤr neuem Ubel nicht zu entſchuͤtten/ weil
ſie noch weniger als ich auszulegen wuſte/ was
fuͤr ein Trieb den vollen Stoß des Polemons
zuruͤck gezogen haben muͤſſe. Wir lebten zwi-
ſchen Furcht und Hoffnung oder vielmehr in ei-
nem Mittel-Dinge des Todes und des Lebens/
unter der Umbwechſelung mit Thraͤnen und
Kuͤſſen zuſammen biß an den hohen Mittag; da
ward unſer von der Wache inzwiſchen wieder
verſperrtes Gefaͤngnuͤß eroͤffnet/ und kam Ni-
comedes/ der Koͤnigliche Stadthalter zu Libyſſa/
wo der beruͤhmte Hannibal begraben liegt/
mit freudigem Antlitz/ und gleichwohl weinen-
den Augen zu uns hinein getreten. Seine ver-
miſchte Geberdung deutete auf eine gleichmaͤſ-
ſige Verrichtung. Denn er kuͤndigte der Koͤ-
nigin die Freyheit/ mir aber einen Befehl an:
Daß ich noch fuͤr der Sonnen Untergang Si-
nope raͤumen ſolte. Jch war mit dieſer Stra-
fe vergnuͤgt/ Dynamis aber uͤber meiner Be-
raubung hertzlich bekuͤmmert. Weil ſie denn
zu Nicomeden ein ſonderbares Vertrauen hat-
te/ hat ſie/ er moͤchte ihr nicht verſchweigen/ was
ſeit
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/569>, abgerufen am 29.06.2024. |