Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
sen des Midas Tochter der in ihn verliebten Cy-bele vorzuziehen/ wäre er von dieser eyversichti- gen Göttin gezwungen worden/ ihm unter ei- nem Fichten-Baume mit einem geschärfften Kieselsteine sein Geburts-Glied abzuschneiden. Hiermit legte ich ihm Stein und Messer für/ eben diß an ihm zu vollbringen/ wormit er ein desto keuscher Priester seiner Diane/ aber ein nicht so schädlicher Räuber der für ihn nicht ge- wiedmeten Jungfrauschafften seyn möchte. Der Priester machte hierüber zwar tausend Schwürigkeiten; aber meine Andräuung grausamern Verfahrens nöthigte ihn sich der Schärffe meines ihm gegebenen Gesetzes würcklich zu unterwerffen. Gleichwohl ließ ich durch meine Wundärtzte ihn sorgfältig ver- binden/ forderte die andern sechs Priester vor mich/ verwieß ihnen ihren abscheulichen Got- tesdienst/ und sie zur Nachfolge an das Beyspiel des getreuen Combabus welcher für der ihm anvertrauten Begleitung der Königin Stra- tonice/ sich selbst entmannete/ und diese in Ho- nig/ Myrrhen und ander Gewürtze verwahre- te Wahre dem Könige Selevcus unter seinem Siegel anvertraute/ daß sie ihm konte hernach ein Zeugniß seiner Treue und Keuschheit/ eine Widerlegung der Verläumder/ und für des Selevcus Eyfersucht eine sattsame Beschir- mung seyn. An den König Juba schrieb ich: Nach dem die Deutschen für Aberglaube Diesen Brieff gab ich denen aus dem Schiffe se Te- Erster Theil. Q q q
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſen des Midas Tochter der in ihn verliebten Cy-bele vorzuziehen/ waͤre er von dieſer eyverſichti- gen Goͤttin gezwungen worden/ ihm unter ei- nem Fichten-Baume mit einem geſchaͤrfften Kieſelſteine ſein Geburts-Glied abzuſchneiden. Hiermit legte ich ihm Stein und Meſſer fuͤr/ eben diß an ihm zu vollbringen/ wormit er ein deſto keuſcher Prieſter ſeiner Diane/ aber ein nicht ſo ſchaͤdlicher Raͤuber der fuͤr ihn nicht ge- wiedmeten Jungfrauſchafften ſeyn moͤchte. Der Prieſter machte hieruͤber zwar tauſend Schwuͤrigkeiten; aber meine Andraͤuung grauſamern Verfahrens noͤthigte ihn ſich der Schaͤrffe meines ihm gegebenen Geſetzes wuͤrcklich zu unterwerffen. Gleichwohl ließ ich durch meine Wundaͤrtzte ihn ſorgfaͤltig ver- binden/ forderte die andern ſechs Prieſter vor mich/ verwieß ihnen ihren abſcheulichen Got- tesdienſt/ und ſie zur Nachfolge an das Beyſpiel des getreuen Combabus welcher fuͤr der ihm anvertrauten Begleitung der Koͤnigin Stra- tonice/ ſich ſelbſt entmannete/ und dieſe in Ho- nig/ Myrrhen und ander Gewuͤrtze verwahre- te Wahre dem Koͤnige Selevcus unter ſeinem Siegel anvertraute/ daß ſie ihm konte hernach ein Zeugniß ſeiner Treue und Keuſchheit/ eine Widerlegung der Verlaͤumder/ und fuͤr des Selevcus Eyferſucht eine ſattſame Beſchir- mung ſeyn. An den Koͤnig Juba ſchrieb ich: Nach dem die Deutſchen fuͤr Aberglaube Dieſen Brieff gab ich denen aus dem Schiffe ſe Te- Erſter Theil. Q q q
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Arminius und Thußnelda.
ſen des Midas Tochter der in ihn verliebten Cy-
bele vorzuziehen/ waͤre er von dieſer eyverſichti-
gen Goͤttin gezwungen worden/ ihm unter ei-
nem Fichten-Baume mit einem geſchaͤrfften
Kieſelſteine ſein Geburts-Glied abzuſchneiden.
Hiermit legte ich ihm Stein und Meſſer fuͤr/
eben diß an ihm zu vollbringen/ wormit er ein
deſto keuſcher Prieſter ſeiner Diane/ aber ein
nicht ſo ſchaͤdlicher Raͤuber der fuͤr ihn nicht ge-
wiedmeten Jungfrauſchafften ſeyn moͤchte.
Der Prieſter machte hieruͤber zwar tauſend
Schwuͤrigkeiten; aber meine Andraͤuung
grauſamern Verfahrens noͤthigte ihn ſich der
Schaͤrffe meines ihm gegebenen Geſetzes
wuͤrcklich zu unterwerffen. Gleichwohl ließ
ich durch meine Wundaͤrtzte ihn ſorgfaͤltig ver-
binden/ forderte die andern ſechs Prieſter vor
mich/ verwieß ihnen ihren abſcheulichen Got-
tesdienſt/ und ſie zur Nachfolge an das Beyſpiel
des getreuen Combabus welcher fuͤr der ihm
anvertrauten Begleitung der Koͤnigin Stra-
tonice/ ſich ſelbſt entmannete/ und dieſe in Ho-
nig/ Myrrhen und ander Gewuͤrtze verwahre-
te Wahre dem Koͤnige Selevcus unter ſeinem
Siegel anvertraute/ daß ſie ihm konte hernach
ein Zeugniß ſeiner Treue und Keuſchheit/ eine
Widerlegung der Verlaͤumder/ und fuͤr des
Selevcus Eyferſucht eine ſattſame Beſchir-
mung ſeyn. An den Koͤnig Juba ſchrieb ich:
Nach dem die Deutſchen fuͤr Aberglaube
und Unehre einen Eckel haͤtten/ koͤnte er ſeine
geſchaͤndete Tochter nicht in ein Fuͤrſtliches Eh-
bette erheben. Er entſchuldigte des Juba
Leichtglaͤubigkeit/ und haͤtte Mitleiden mit dem
Ungluͤcke der zu beweinen wuͤrdigen Dido. Sei-
ne an dem Prieſter veruͤbte Rache wuͤrde er
nicht fuͤr uͤbermaͤßig ſchelten/ weil er nur diß ge-
ſtrafft/ wormit er geſuͤndigt/ und ihn nichts
mehr/ als das Vermoͤgen mehr zu verbrechen/
ſelbſt von ſich zu thun/ angehalten haͤtte. Diß
ſein Beyſpiel ſolte dem Juba ein Wegweiſer
ſeyn/ wie er kuͤnfftiger Zeit fuͤr ſo ſchnoͤden Ver-
leitungen ſeiner unzuͤchtigen Prieſter ſicher
ſeyn koͤnte. Haͤtte Cybele zum Gedaͤchtniße
ihres geliebten Attis ein Geſetze machen koͤn-
nen/ daß alle ihr dienende Prieſter bey Trom-
peten-Schall entmannet werden muͤſten; ſo
haͤtte er ſeiner mehr liebwerthen Tochter halber
mehr Urſache alle Numidiſche auff gleiche Art
zum Dienſte der keuſchen Diana faͤhiger zu ma-
chen.
Dieſen Brieff gab ich denen aus dem Schiffe
geſetzten Numidiern/ hinterließ ſie mit den Prie-
ſtern auff dem Eylande Calathe; ich aber ſegel-
te mit meinen uͤbrigen Deutſchen gerade nach
Drexena in Sicilien. Nachdem ich nun ſo
wohl hierinnen/ als in Campanien alles Merck-
wuͤrdige beſehẽ hatte/ kam ich wieder nach Rom;
da mich deñ ſo wol der Kaͤyſer als der inzwiſchen
ans hoͤchſte Bret geſtiegene Tiberius ſehr wohl
auffnahmen; weil nicht nur Cornelius Coſſus/
ſondern auch der beym Tiberius ſehr hoch ge-
ſehene Qvirinius von mir viel gutes berichtet/
und meine Dienſte im Africaniſchen Kriege
aus Gewogenheit mercklich vergroͤſſert hatten.
Jch kam gleich nach Rom/ als Tiberius kurtz
vorher aus Deutſchland kommen war/ und
nebſt dem Sentius Saturninus ſich mit dieſen
Voͤlckern verglichen hatte. Dieſes halff mir/
daß der Kaͤyſer mich zum Haupte uͤber die zu ſei-
ner Leib-Wache erkieſeter Bataviſchen Reiterey
ſetzte. Weil aber ſich wenige Zeit der hefftige
Krieg in Dalmatien anſpann/ und Tiberius
dieſes gefaͤhrliche Feuer zu leſchen dahin beſtim-
met war/ muſte ich mit denen in Roͤmiſchen
Kriegsdienſten befindlichen Deutſchen nur auch
dahin. Batto hatte gleich bey Certiſſa an der
Sau die Roͤmer aus dem Felde geſchlagen/ die
Breuzen und Teraunizer/ zwey Pannoniſche
Voͤlcker ihm beyfaͤllig gemacht/ und nach Ero-
berung der Staͤdte Citalis und Budalia die an
dem Fluſſe Bucantius gelegene Haupt-Stadt
Sirmium belaͤgert; ja Bato Dyſidiatus hatte
mit ſeinen Dalmatiern alles zwiſchen dem Fluſ-
ſe Te-
Erſter Theil. Q q q
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/543>, abgerufen am 29.06.2024. |