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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] bedacht seyn; übrigens aber derogestalt an mich
halten solte/ daß die nichts minder rachgierige
als alles sehende Diana ihren Grimm über mich
aus zuschütten/ wie auch die Priester mich nach
ihren heiligen aber scharffen Gesetzen zu straffen
nicht gezwungen würden. Als ich dem Priester
mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beängstig-
te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein
itziger Zustand den/ welchen ich mehr als mich
selbst geliebt/ so kaltsinnig willkommen heist.
Dämpffe in deinem Hertzen die vor süssen/ nun-
mehr aber nur mir eitele Pein gebährende Flam-
men. Denn die Unmögligkeit stehet unser Lie-
be selbst im Lichten/ und die Göttin dieses Ortes
befiehlet in selbte mehr und kälteres Wasser zu
giessen/ als diß Bild allhier ausspritzet. Dieses
redete sie mit einer solchen Empfindligkeit/ daß
ich nicht wuste/ ob in mir die Liebe oder das Mit-
leiden hestiger wäre. Gleichwol konte ich mich
nicht bereden lassen/ daß es Didons gantzer
Ernst wäre mir die Liebe gantz auszureden; weil
mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze
gefundene Schrifft andeutete/ und so wohl der
Ort/ als die Anwesenheit des Priesters mir die-
sen Vortrag verdächtig machte/ daß Dido mit
gebundener Zunge redete. Daher fing ich an:
Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre
Verstossung/ oder die Mißgunst einer Göttin
so unglückselig? Jch kan wol dencken/ daß du
nicht ohne Gelübde der Diane Priesterin wor-
den bist. Aber hast du mir nicht ehe/ als ihr eines
gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Müssen
mir also die Götter dieses Ortes/ wo sie anders
gerecht sind/ nicht selbst das Vorrecht über dich
zuerkennen? Der Priester entrüstete sich über
diesen Worten/ gebot mir zu schweigen/ und fing
an: Wilst du thörichter an der Gerechtigkeit
Dianens zweiffeln/ welche am gerechtesten ist/
wenn es die alberen Menschen am wenigsten
glauben? Wilst du ohnmächtiger Mensch mit
den Göttern ums Vorrecht kämpffen/ welche
über dich die Gewalt des Lebens und des Todes/
[Spaltenumbruch] als über ihren Leibeigenen haben? Jch entschul-
digte meinen Jrrthum mit tieffer Demüthi-
gung/ so gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di-
do doch nur zu meinem Troste erzehlen möchte/
wie sie zu Vergessung des mir/ und zu Beschlüs-
sung des der Diane angelobten Gelüb des käme.
Als der Priester diß durch ein Zeichen willigte/
fing Dido an: Wenige Zeit nach seinem Ab-
schiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun
leider zu spat falsch erscheinende Zeitung/ daß
Flavius mit seinem Schiffe/ und allen Men-
schen darauf/ zu Grunde gegangen wäre. Dieses
Schrecknüß setzte alle meine Vernunft aus ih-
ren Angeln; also/ daß ich weiter weder um mich
einige Bekümmernüß zu führen ver gaß/ ob mir
schon von meinem Herrn Vater die Erlaubnüß
von Rom zu verreisen und wieder nach Africa zu
kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen
Versuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder
an meine Heimreise zu gedencken/ schickte mich
auch derogestalt darzu/ daß ich den siebenden
Tag von Ostia abzusegeln gedachte. Jch hat-
te kaum an drey oder vier Orten Abschied ge-
nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in
zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in
Spanien segeln/ und das Römische Krieges-
Heer wider die Cantabrer führen solte/ welche
wider die Römer mit einer verzweiffelten Ver-
bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih-
re Gesandten zu Rom lange Zeit mit Bestäti-
gung ihrer Freyheit geäffet/ hernach von einan-
der in gewisse Städte abgesondert/ und endlich
so schimpflich gehandelt worden waren/ daß sie
ihnen selbst aus Verdruß vom Leben geholffen
hatten. Des Lucius Reise erreichte auch den drit-
ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir
noch alle mir zugezogene Verdrüßligkeiten ent-
schuldigen. Den 3. Tag darauf schied ich in Be-
gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach
Ostia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß-
kischen und Ligustischen Küste hin biß nach Mas-
silien; theils weil ich die weltberühmte Anmuth

des-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] bedacht ſeyn; uͤbrigens aber derogeſtalt an mich
halten ſolte/ daß die nichts minder rachgierige
als alles ſehende Diana ihren Grimm uͤber mich
aus zuſchuͤtten/ wie auch die Prieſter mich nach
ihren heiligen aber ſcharffen Geſetzen zu ſtraffen
nicht gezwungen wuͤrden. Als ich dem Prieſter
mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beaͤngſtig-
te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein
itziger Zuſtand den/ welchen ich mehr als mich
ſelbſt geliebt/ ſo kaltſinnig willkommen heiſt.
Daͤmpffe in deinem Hertzen die vor ſuͤſſen/ nun-
mehr aber nuꝛ miꝛ eitele Pein gebaͤhrende Flam-
men. Denn die Unmoͤgligkeit ſtehet unſer Lie-
be ſelbſt im Lichten/ und die Goͤttin dieſes Ortes
befiehlet in ſelbte mehr und kaͤlteres Waſſer zu
gieſſen/ als diß Bild allhier ausſpritzet. Dieſes
redete ſie mit einer ſolchen Empfindligkeit/ daß
ich nicht wuſte/ ob in mir die Liebe oder das Mit-
leiden heſtiger waͤre. Gleichwol konte ich mich
nicht bereden laſſen/ daß es Didons gantzer
Ernſt waͤre mir die Liebe gantz auszureden; weil
mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze
gefundene Schrifft andeutete/ und ſo wohl der
Ort/ als die Anweſenheit des Prieſters mir die-
ſen Vortrag verdaͤchtig machte/ daß Dido mit
gebundener Zunge redete. Daher fing ich an:
Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre
Verſtoſſung/ oder die Mißgunſt einer Goͤttin
ſo ungluͤckſelig? Jch kan wol dencken/ daß du
nicht ohne Geluͤbde der Diane Prieſterin wor-
den biſt. Aber haſt du mir nicht ehe/ als ihr eines
gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Muͤſſen
mir alſo die Goͤtter dieſes Ortes/ wo ſie anders
gerecht ſind/ nicht ſelbſt das Vorrecht uͤber dich
zuerkennen? Der Prieſter entruͤſtete ſich uͤber
dieſen Worten/ gebot mir zu ſchweigen/ und fing
an: Wilſt du thoͤrichter an der Gerechtigkeit
Dianens zweiffeln/ welche am gerechteſten iſt/
wenn es die alberen Menſchen am wenigſten
glauben? Wilſt du ohnmaͤchtiger Menſch mit
den Goͤttern ums Vorrecht kaͤmpffen/ welche
uͤber dich die Gewalt des Lebens und des Todes/
[Spaltenumbruch] als uͤber ihren Leibeigenen haben? Jch entſchul-
digte meinen Jrrthum mit tieffer Demuͤthi-
gung/ ſo gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di-
do doch nur zu meinem Troſte erzehlen moͤchte/
wie ſie zu Vergeſſung des mir/ und zu Beſchluͤſ-
ſung des der Diane angelobten Geluͤb des kaͤme.
Als der Prieſter diß durch ein Zeichen willigte/
fing Dido an: Wenige Zeit nach ſeinem Ab-
ſchiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun
leider zu ſpat falſch erſcheinende Zeitung/ daß
Flavius mit ſeinem Schiffe/ und allen Men-
ſchen darauf/ zu Grunde gegangen waͤre. Dieſes
Schrecknuͤß ſetzte alle meine Vernunft aus ih-
ren Angeln; alſo/ daß ich weiter weder um mich
einige Bekuͤmmernuͤß zu fuͤhren ver gaß/ ob mir
ſchon von meinem Herrn Vater die Erlaubnuͤß
von Rom zu verreiſen und wieder nach Africa zu
kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen
Verſuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder
an meine Heimreiſe zu gedencken/ ſchickte mich
auch derogeſtalt darzu/ daß ich den ſiebenden
Tag von Oſtia abzuſegeln gedachte. Jch hat-
te kaum an drey oder vier Orten Abſchied ge-
nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in
zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in
Spanien ſegeln/ und das Roͤmiſche Krieges-
Heer wider die Cantabrer fuͤhren ſolte/ welche
wider die Roͤmer mit einer verzweiffelten Ver-
bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih-
re Geſandten zu Rom lange Zeit mit Beſtaͤti-
gung ihrer Freyheit geaͤffet/ hernach von einan-
der in gewiſſe Staͤdte abgeſondert/ und endlich
ſo ſchimpflich gehandelt worden waren/ daß ſie
ihnen ſelbſt aus Verdruß vom Leben geholffen
hatten. Des Lucius Reiſe erreichte auch den drit-
ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir
noch alle mir zugezogene Verdruͤßligkeiten ent-
ſchuldigen. Den 3. Tag darauf ſchied ich in Be-
gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach
Oſtia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß-
kiſchen und Liguſtiſchen Kuͤſte hin biß nach Maſ-
ſilien; theils weil ich die weltberuͤhmte Anmuth

deſ-
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[480/0534] Vierdtes Buch bedacht ſeyn; uͤbrigens aber derogeſtalt an mich halten ſolte/ daß die nichts minder rachgierige als alles ſehende Diana ihren Grimm uͤber mich aus zuſchuͤtten/ wie auch die Prieſter mich nach ihren heiligen aber ſcharffen Geſetzen zu ſtraffen nicht gezwungen wuͤrden. Als ich dem Prieſter mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beaͤngſtig- te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein itziger Zuſtand den/ welchen ich mehr als mich ſelbſt geliebt/ ſo kaltſinnig willkommen heiſt. Daͤmpffe in deinem Hertzen die vor ſuͤſſen/ nun- mehr aber nuꝛ miꝛ eitele Pein gebaͤhrende Flam- men. Denn die Unmoͤgligkeit ſtehet unſer Lie- be ſelbſt im Lichten/ und die Goͤttin dieſes Ortes befiehlet in ſelbte mehr und kaͤlteres Waſſer zu gieſſen/ als diß Bild allhier ausſpritzet. Dieſes redete ſie mit einer ſolchen Empfindligkeit/ daß ich nicht wuſte/ ob in mir die Liebe oder das Mit- leiden heſtiger waͤre. Gleichwol konte ich mich nicht bereden laſſen/ daß es Didons gantzer Ernſt waͤre mir die Liebe gantz auszureden; weil mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze gefundene Schrifft andeutete/ und ſo wohl der Ort/ als die Anweſenheit des Prieſters mir die- ſen Vortrag verdaͤchtig machte/ daß Dido mit gebundener Zunge redete. Daher fing ich an: Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre Verſtoſſung/ oder die Mißgunſt einer Goͤttin ſo ungluͤckſelig? Jch kan wol dencken/ daß du nicht ohne Geluͤbde der Diane Prieſterin wor- den biſt. Aber haſt du mir nicht ehe/ als ihr eines gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Muͤſſen mir alſo die Goͤtter dieſes Ortes/ wo ſie anders gerecht ſind/ nicht ſelbſt das Vorrecht uͤber dich zuerkennen? Der Prieſter entruͤſtete ſich uͤber dieſen Worten/ gebot mir zu ſchweigen/ und fing an: Wilſt du thoͤrichter an der Gerechtigkeit Dianens zweiffeln/ welche am gerechteſten iſt/ wenn es die alberen Menſchen am wenigſten glauben? Wilſt du ohnmaͤchtiger Menſch mit den Goͤttern ums Vorrecht kaͤmpffen/ welche uͤber dich die Gewalt des Lebens und des Todes/ als uͤber ihren Leibeigenen haben? Jch entſchul- digte meinen Jrrthum mit tieffer Demuͤthi- gung/ ſo gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di- do doch nur zu meinem Troſte erzehlen moͤchte/ wie ſie zu Vergeſſung des mir/ und zu Beſchluͤſ- ſung des der Diane angelobten Geluͤb des kaͤme. Als der Prieſter diß durch ein Zeichen willigte/ fing Dido an: Wenige Zeit nach ſeinem Ab- ſchiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun leider zu ſpat falſch erſcheinende Zeitung/ daß Flavius mit ſeinem Schiffe/ und allen Men- ſchen darauf/ zu Grunde gegangen waͤre. Dieſes Schrecknuͤß ſetzte alle meine Vernunft aus ih- ren Angeln; alſo/ daß ich weiter weder um mich einige Bekuͤmmernuͤß zu fuͤhren ver gaß/ ob mir ſchon von meinem Herrn Vater die Erlaubnuͤß von Rom zu verreiſen und wieder nach Africa zu kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen Verſuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder an meine Heimreiſe zu gedencken/ ſchickte mich auch derogeſtalt darzu/ daß ich den ſiebenden Tag von Oſtia abzuſegeln gedachte. Jch hat- te kaum an drey oder vier Orten Abſchied ge- nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in Spanien ſegeln/ und das Roͤmiſche Krieges- Heer wider die Cantabrer fuͤhren ſolte/ welche wider die Roͤmer mit einer verzweiffelten Ver- bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih- re Geſandten zu Rom lange Zeit mit Beſtaͤti- gung ihrer Freyheit geaͤffet/ hernach von einan- der in gewiſſe Staͤdte abgeſondert/ und endlich ſo ſchimpflich gehandelt worden waren/ daß ſie ihnen ſelbſt aus Verdruß vom Leben geholffen hatten. Des Lucius Reiſe erreichte auch den drit- ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir noch alle mir zugezogene Verdruͤßligkeiten ent- ſchuldigen. Den 3. Tag darauf ſchied ich in Be- gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach Oſtia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß- kiſchen und Liguſtiſchen Kuͤſte hin biß nach Maſ- ſilien; theils weil ich die weltberuͤhmte Anmuth deſ-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/534>, abgerufen am 23.11.2024.