Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
mit unverwendeten Augen an. Bald aber dar-auf ließ sie das Schlacht-Messer aus der Hand fallen/ fing an ihre Geberden und Antlitz zu ver- stellen. Endlich fiel sie gar zu Bodem/ und in Ohnmacht. Juba und alles Volck erschrack ü- ber diesem Zufalle so viel mehr/ weil die Men- schen-Opfferung an sich selbst schrecklich genung ist. Die Getulischen Priester aber/ um ihren Gottesdienst nicht verhast zu machen/ legten es für eine göttliche Entzückung aus. Gleichwol trugen sie sie von dem Altare weg/ und kleideten in möglichster Eil eine andere Priesterin zu sol- chem Opffer aus/ welches mit jämmerlichem Winseln der Sterbenden/ mit grosser Verwir- rung des Volckes/ und mit so hefftiger Bestür- tzung des Königs geschah/ daß er unerwartet des Ausgangs sich desselbten entbrach/ und nach der Halle/ in welcher Dido lag/ leiten ließ. Jch folg- te über eine Weile dem Juba nach/ und sahe/ daß sie sie durch reiben und Balsame wieder ein we- nig zu rechte gebracht hatten. So bald sie mich aber nur wieder erblickte/ fiel sie nicht alleine wieder in die erstere Ungebehrdung/ sondern ü- ber eine Weile rief sie bey ihrer Entzückung: Flavius/ Flavius! Jederman sahe mich hierü- ber an/ und ich selbst hatte keine solche Botmäs- sigkeit über mein Antlitz/ daß selbtes hätte meine Liebes- und Mitleidens-Regung verbergen können. Juba/ welcher hierunter ein gewisses Geheimnüß verborgen zu seyn muthmaste/ be- fahl der Dido in einem geheimern Zimmer des Tempels wahrzunehmen/ mich aber nahm er bey der Hand/ leitete mich aus dem Tempel/ und führte mich mit sich nach Hoffe in sein innerstes Gemach. Daselbst beschwur er mich bey der Redligkeit/ worvon alle Völcker die Deutschen rühmten/ daß ich ihm die Ursache der mit seiner Tochter sich ereignenden Zufälle eröfnen solte; weil nicht nur meine selbst eigene Veränderung meine Wissenschafft verrathen/ sondern der Di- do Mund mich selbst für den Ausleger erklärt hätte. Diese Beschwerung nöthigte mich ihm [Spaltenumbruch] rund heraus meine und ihre Liebe zu bekennen; auch alles zu erzehlen/ was sich zwischen uns und dem Lucius in Rom zugetragen hatte/ mit dem Schlusse/ daß mich nichts minder vergnügt und glückselig/ als seine Tochter gesund machen wür- de/ wenn er sich mich für seinen Eydam anzu- nehmen würdigen wolte. Juba hörte mich mit Gedult und genauer Aufmerckung an; an statt der Antwort aber holete er aus der innersten Seele einen tieffen Seufzer. Endlich fing er an: Er höre wol/ daß ich von den letzten Begeb- nüssen der Dido und denen Getulischen Gese- tzen keine Nachricht hätte. Daher/ wolte er auf den Morgen/ wo möglich/ mir hiervon nöthige Wissenschafft zu wege bringen. Wir nahmen hierauf von einander Abschied; aber die Nacht ward meinen Gedancken zu einem rechten Zir- ckel der Unruh; wiewol ich daraus nicht wenig Hoffnung schöpffte/ daß Juba meine Erklärung so gar gütig auffgenommen hatte. Auff den Morgen sehr früh fügte sich Juba in den Tem- pel der Dianen/ guter fünf Stunden darnach ließ er mich auch dahin beruffen. Man leitete mich durch selbten in ein unterirrdisches/ gleich- wol aber durch ein oben in der mitte des Gewöl- bes einfallendes Licht ziemlich erleuchtetes Ge- mach/ in dessen Mitte eine aus Egyptischem Porphyr gebildete Diana aus den Brüsten in ei- ne weite Marmel-Schale Eißkaltes Wasser spritzte/ und den Ortaufs annehmlichste erfrisch- te. Darinnen fand ich zwischen dem Könige und dem obersten Priester meine Dido sitzen. Die Traurigkeit sahe ihr aus den Augen/ und mach- te sie nicht nur stumm/ sondern gar unbeweglich. Der Priester bewillkommte mich freundlich/ fing aber alsbald an: die grosse Bestürtzung der Prie- sterin/ und die unabläßliche Bitte des Königs hät- te mir den sonst iederman verschlossenen Eingang in diß Heiligthum nur zu dem Ende zu wege ge- bracht/ daß ich darinnen die erheblichen Ursachen vernehmen möchte/ warum ich den Zunder mei- ner Liebe in meinen Hertzen gäntzlich zu vertilgen bedacht
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
mit unverwendeten Augen an. Bald aber dar-auf ließ ſie das Schlacht-Meſſer aus der Hand fallen/ fing an ihre Geberden und Antlitz zu ver- ſtellen. Endlich fiel ſie gar zu Bodem/ und in Ohnmacht. Juba und alles Volck erſchrack uͤ- ber dieſem Zufalle ſo viel mehr/ weil die Men- ſchen-Opfferung an ſich ſelbſt ſchrecklich genung iſt. Die Getuliſchen Prieſter aber/ um ihren Gottesdienſt nicht verhaſt zu machen/ legten es fuͤr eine goͤttliche Entzuͤckung aus. Gleichwol trugen ſie ſie von dem Altare weg/ und kleideten in moͤglichſter Eil eine andere Prieſterin zu ſol- chem Opffer aus/ welches mit jaͤmmerlichem Winſeln der Sterbenden/ mit groſſer Verwir- rung des Volckes/ und mit ſo hefftiger Beſtuͤr- tzung des Koͤnigs geſchah/ daß er unerwartet des Ausgangs ſich deſſelbten entbrach/ und nach der Halle/ in welcher Dido lag/ leiten ließ. Jch folg- te uͤber eine Weile dem Juba nach/ und ſahe/ daß ſie ſie durch reiben und Balſame wieder ein we- nig zu rechte gebracht hatten. So bald ſie mich aber nur wieder erblickte/ fiel ſie nicht alleine wieder in die erſtere Ungebehrdung/ ſondern uͤ- ber eine Weile rief ſie bey ihrer Entzuͤckung: Flavius/ Flavius! Jederman ſahe mich hieruͤ- ber an/ und ich ſelbſt hatte keine ſolche Botmaͤſ- ſigkeit uͤber mein Antlitz/ daß ſelbtes haͤtte meine Liebes- und Mitleidens-Regung verbergen koͤnnen. Juba/ welcher hierunter ein gewiſſes Geheimnuͤß verborgen zu ſeyn muthmaſte/ be- fahl der Dido in einem geheimern Zimmer des Tempels wahrzunehmen/ mich aber nahm er bey der Hand/ leitete mich aus dem Tempel/ und fuͤhrte mich mit ſich nach Hoffe in ſein innerſtes Gemach. Daſelbſt beſchwur er mich bey der Redligkeit/ worvon alle Voͤlcker die Deutſchen ruͤhmten/ daß ich ihm die Urſache der mit ſeiner Tochter ſich ereignenden Zufaͤlle eroͤfnen ſolte; weil nicht nur meine ſelbſt eigene Veraͤnderung meine Wiſſenſchafft verrathen/ ſondern der Di- do Mund mich ſelbſt fuͤr den Ausleger erklaͤrt haͤtte. Dieſe Beſchwerung noͤthigte mich ihm [Spaltenumbruch] rund heraus meine und ihre Liebe zu bekennen; auch alles zu erzehlen/ was ſich zwiſchen uns und dem Lucius in Rom zugetragen hatte/ mit dem Schluſſe/ daß mich nichts minder vergnuͤgt und gluͤckſelig/ als ſeine Tochter geſund machen wuͤr- de/ wenn er ſich mich fuͤr ſeinen Eydam anzu- nehmen wuͤrdigen wolte. Juba hoͤrte mich mit Gedult und genauer Aufmerckung an; an ſtatt der Antwort aber holete er aus der innerſten Seele einen tieffen Seufzer. Endlich fing er an: Er hoͤre wol/ daß ich von den letzten Begeb- nuͤſſen der Dido und denen Getuliſchen Geſe- tzen keine Nachricht haͤtte. Daher/ wolte er auf den Morgen/ wo moͤglich/ mir hiervon noͤthige Wiſſenſchafft zu wege bringen. Wir nahmen hierauf von einander Abſchied; aber die Nacht ward meinen Gedancken zu einem rechten Zir- ckel der Unruh; wiewol ich daraus nicht wenig Hoffnung ſchoͤpffte/ daß Juba meine Erklaͤrung ſo gar guͤtig auffgenommen hatte. Auff den Morgen ſehr fruͤh fuͤgte ſich Juba in den Tem- pel der Dianen/ guter fuͤnf Stunden darnach ließ er mich auch dahin beruffen. Man leitete mich durch ſelbten in ein unterirrdiſches/ gleich- wol aber durch ein oben in der mitte des Gewoͤl- bes einfallendes Licht ziemlich erleuchtetes Ge- mach/ in deſſen Mitte eine aus Egyptiſchem Porphyꝛ gebildete Diana aus den Bruͤſten in ei- ne weite Marmel-Schale Eißkaltes Waſſer ſpritzte/ und den Ortaufs annehmlichſte erfriſch- te. Darinnen fand ich zwiſchen dem Koͤnige und dem oberſten Prieſter meine Dido ſitzen. Die Traurigkeit ſahe ihr aus den Augen/ und mach- te ſie nicht nur ſtumm/ ſondern gar unbeweglich. Der Prieſter bewillkom̃te mich freundlich/ fing aber alsbald an: die groſſe Beſtuͤrtzung der Prie- ſterin/ uñ die unablaͤßliche Bitte des Koͤnigs haͤt- te mir den ſonſt iederman verſchloſſenẽ Eingang in diß Heiligthum nur zu dem Ende zu wege ge- bracht/ daß ich darinnen die erheblichen Urſachen vernehmen moͤchte/ warum ich den Zunder mei- neꝛ Liebe in meinen Heꝛtzen gaͤntzlich zu vertilgen bedacht
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Arminius und Thußnelda.
mit unverwendeten Augen an. Bald aber dar-
auf ließ ſie das Schlacht-Meſſer aus der Hand
fallen/ fing an ihre Geberden und Antlitz zu ver-
ſtellen. Endlich fiel ſie gar zu Bodem/ und in
Ohnmacht. Juba und alles Volck erſchrack uͤ-
ber dieſem Zufalle ſo viel mehr/ weil die Men-
ſchen-Opfferung an ſich ſelbſt ſchrecklich genung
iſt. Die Getuliſchen Prieſter aber/ um ihren
Gottesdienſt nicht verhaſt zu machen/ legten es
fuͤr eine goͤttliche Entzuͤckung aus. Gleichwol
trugen ſie ſie von dem Altare weg/ und kleideten
in moͤglichſter Eil eine andere Prieſterin zu ſol-
chem Opffer aus/ welches mit jaͤmmerlichem
Winſeln der Sterbenden/ mit groſſer Verwir-
rung des Volckes/ und mit ſo hefftiger Beſtuͤr-
tzung des Koͤnigs geſchah/ daß er unerwartet des
Ausgangs ſich deſſelbten entbrach/ und nach der
Halle/ in welcher Dido lag/ leiten ließ. Jch folg-
te uͤber eine Weile dem Juba nach/ und ſahe/ daß
ſie ſie durch reiben und Balſame wieder ein we-
nig zu rechte gebracht hatten. So bald ſie mich
aber nur wieder erblickte/ fiel ſie nicht alleine
wieder in die erſtere Ungebehrdung/ ſondern uͤ-
ber eine Weile rief ſie bey ihrer Entzuͤckung:
Flavius/ Flavius! Jederman ſahe mich hieruͤ-
ber an/ und ich ſelbſt hatte keine ſolche Botmaͤſ-
ſigkeit uͤber mein Antlitz/ daß ſelbtes haͤtte meine
Liebes- und Mitleidens-Regung verbergen
koͤnnen. Juba/ welcher hierunter ein gewiſſes
Geheimnuͤß verborgen zu ſeyn muthmaſte/ be-
fahl der Dido in einem geheimern Zimmer des
Tempels wahrzunehmen/ mich aber nahm er
bey der Hand/ leitete mich aus dem Tempel/ und
fuͤhrte mich mit ſich nach Hoffe in ſein innerſtes
Gemach. Daſelbſt beſchwur er mich bey der
Redligkeit/ worvon alle Voͤlcker die Deutſchen
ruͤhmten/ daß ich ihm die Urſache der mit ſeiner
Tochter ſich ereignenden Zufaͤlle eroͤfnen ſolte;
weil nicht nur meine ſelbſt eigene Veraͤnderung
meine Wiſſenſchafft verrathen/ ſondern der Di-
do Mund mich ſelbſt fuͤr den Ausleger erklaͤrt
haͤtte. Dieſe Beſchwerung noͤthigte mich ihm
rund heraus meine und ihre Liebe zu bekennen;
auch alles zu erzehlen/ was ſich zwiſchen uns und
dem Lucius in Rom zugetragen hatte/ mit dem
Schluſſe/ daß mich nichts minder vergnuͤgt und
gluͤckſelig/ als ſeine Tochter geſund machen wuͤr-
de/ wenn er ſich mich fuͤr ſeinen Eydam anzu-
nehmen wuͤrdigen wolte. Juba hoͤrte mich mit
Gedult und genauer Aufmerckung an; an ſtatt
der Antwort aber holete er aus der innerſten
Seele einen tieffen Seufzer. Endlich fing er
an: Er hoͤre wol/ daß ich von den letzten Begeb-
nuͤſſen der Dido und denen Getuliſchen Geſe-
tzen keine Nachricht haͤtte. Daher/ wolte er auf
den Morgen/ wo moͤglich/ mir hiervon noͤthige
Wiſſenſchafft zu wege bringen. Wir nahmen
hierauf von einander Abſchied; aber die Nacht
ward meinen Gedancken zu einem rechten Zir-
ckel der Unruh; wiewol ich daraus nicht wenig
Hoffnung ſchoͤpffte/ daß Juba meine Erklaͤrung
ſo gar guͤtig auffgenommen hatte. Auff den
Morgen ſehr fruͤh fuͤgte ſich Juba in den Tem-
pel der Dianen/ guter fuͤnf Stunden darnach
ließ er mich auch dahin beruffen. Man leitete
mich durch ſelbten in ein unterirrdiſches/ gleich-
wol aber durch ein oben in der mitte des Gewoͤl-
bes einfallendes Licht ziemlich erleuchtetes Ge-
mach/ in deſſen Mitte eine aus Egyptiſchem
Porphyꝛ gebildete Diana aus den Bruͤſten in ei-
ne weite Marmel-Schale Eißkaltes Waſſer
ſpritzte/ und den Ortaufs annehmlichſte erfriſch-
te. Darinnen fand ich zwiſchen dem Koͤnige und
dem oberſten Prieſter meine Dido ſitzen. Die
Traurigkeit ſahe ihr aus den Augen/ und mach-
te ſie nicht nur ſtumm/ ſondern gar unbeweglich.
Der Prieſter bewillkom̃te mich freundlich/ fing
aber alsbald an: die groſſe Beſtuͤrtzung der Prie-
ſterin/ uñ die unablaͤßliche Bitte des Koͤnigs haͤt-
te mir den ſonſt iederman verſchloſſenẽ Eingang
in diß Heiligthum nur zu dem Ende zu wege ge-
bracht/ daß ich darinnen die erheblichen Urſachen
vernehmen moͤchte/ warum ich den Zunder mei-
neꝛ Liebe in meinen Heꝛtzen gaͤntzlich zu vertilgen
bedacht
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