Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ undstach ihn der Dido zwischen das Schulterblat hinein. Micipsa/ ein die Dido bedienender Edelknabe/ ward dessen gewahr; ergrief also seinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei- le Agrippen ins Bein. Hierüber entstand ein grosser Lermen/ und kamen alle im Garten An- wesende/ ja der Käyser selbst mit Livien herbey; welcher über denen auf der Erden für todt aus- gestreckten/ und häuffiges Blut von sich lassen- den vier Verwundeten aufs euserste bestürtzt war. Die Sorge für ihr Leben verschob die Untersuchung dieser Begebnüs. Gleichwohl wurden alle Deutschen und Mohren gefäng- lich eingezogen. Agrippens und der Dido Verletzung ward für nicht so sehr gefährlich; meine und des Lucius aber für tödtlich befunden. Agrippa kam derogestalt bald zu rechte; Dido aber/ als sie meinen Zustand vernahm/ riß ihr selbst die Pflaster von der Wunde/ und sagte of- fentlich/ daß sie mich nicht zu überleben begehr- te: Jnzwischen schöpfften die Wund-Aertzte auch von des Lucius Genesung einige Hofnung; worüber Dido fast unsinnig ward/ und in ihrer Raserey tausend Flüche und Dräuungen auff den Lucius ausschüttete; welcher inmittelst mit einem Wundfeber überfallen/ und sein Aufkom- men sehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich gab sich ein Britannischer Artzt beym Käyser/ an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey Verlust seines Kopffes versprach. Weil uns nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns der Käyser dieses gefangenen Britanniers Willkühr übergeben/ ihm auch nebst seiner Freyheit ansehnliche Belohnung versprechen. Dieser riß so wol dem Lucius als mir alle Pfla- ster ab/ und wusch unsere Wunden mit einem gewissen Weine aus. Hernach forderte er den Dolch/ von welchem wir waren beschädigt wor- den; sauberte selbten aufs fleißigste/ salbete ihn ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche; unsere Wunden aber verhüllete er nur mit ei- [Spaltenumbruch] nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng nicht nur mir und dem Lucius/ sondern auch der Dido/ welche durch ihr Pflaster-abreissen ihren Schaden wiederum sehr verärgert hatte/ alle bißherige Hitze. Nach dem dieser Artzt drey- mal unser Wunden ausgewaschen/ und so viel mal den Dolch mit einem gewissen Staube be- streut und verbunden hatte/ wurden wir nicht nur der Schwulst/ sondern auch der Schmertzen erledigt. Als dieses Lucius wahrnahm; frag- te er den Britannier: Ob denn die Verbindung des Beleidigung-Waffens der Wunde durch natürliche Würckung zu statten käme? Als der Artzt diß verjahete/ und daß diese Heilung ver- mittelst einer geheimen Verwandnüß gewisser Dinge geschehe; ja dessen Warheit dardurch bewährete/ daß wenn er den verbundenen Dolch über das Kohlfeuer hielt/ den Lucius seine Wun- de hitzte; Bey dessen Annetzung aber wieder schmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle mit diesem Dolche gemachte Wunden zugleich heileten? und wie der Britannier abermals diß bestätigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen könte/ daß nur seine darvon heil/ des Flavius a- ber ärger würde; verneinte es der Artzt und mel- dete: Er hätte an diese unbarmhertzige Kunst noch nie gedacht. Uber diesem Bescheide fuhr Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der Faust/ und stach ihn selbst dem Artzte in Bauch/ mit Beysetzung dieser verzweiffelten Worte: Jch will lieber mit meinem Feinde sterben/ als ihn mit mir genesen sehen. Alle Umstehenden erschracken hierüber euserst; der Britannier a- ber zohe ihm unerschrocken den Dolch aus dem Leibe/ wischte selbten ab/ und verband ihn aufs neue. Jch und Dido empfanden um selbige Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/ als wenn wir in unsere alte Wunde einen neuen Stich bekämen. August schöpffte über des Lu- cius erfahrnen Grausamkeit einen hefftigen Unwillen; ließ also den Lucius nicht allein be- wachen/ sondern auch binden; wormit er nicht in meh- Erster Theil. O o o
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ undſtach ihn der Dido zwiſchen das Schulterblat hinein. Micipſa/ ein die Dido bedienender Edelknabe/ ward deſſen gewahr; ergrief alſo ſeinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei- le Agrippen ins Bein. Hieruͤber entſtand ein groſſer Lermen/ und kamen alle im Garten An- weſende/ ja der Kaͤyſer ſelbſt mit Livien herbey; welcher uͤber denen auf der Erden fuͤr todt aus- geſtreckten/ und haͤuffiges Blut von ſich laſſen- den vier Verwundeten aufs euſerſte beſtuͤrtzt war. Die Sorge fuͤr ihr Leben verſchob die Unterſuchung dieſer Begebnuͤs. Gleichwohl wurden alle Deutſchen und Mohren gefaͤng- lich eingezogen. Agrippens und der Dido Verletzung ward fuͤr nicht ſo ſehr gefaͤhrlich; meine und des Lucius aber fuͤr toͤdtlich befunden. Agrippa kam derogeſtalt bald zu rechte; Dido aber/ als ſie meinen Zuſtand vernahm/ riß ihr ſelbſt die Pflaſter von der Wunde/ und ſagte of- fentlich/ daß ſie mich nicht zu uͤberleben begehr- te: Jnzwiſchen ſchoͤpfften die Wund-Aertzte auch von des Lucius Geneſung einige Hofnung; woruͤber Dido faſt unſinnig ward/ und in ihrer Raſerey tauſend Fluͤche und Draͤuungen auff den Lucius ausſchuͤttete; welcher inmittelſt mit einem Wundfeber uͤberfallen/ und ſein Aufkom- men ſehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich gab ſich ein Britanniſcher Artzt beym Kaͤyſer/ an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey Verluſt ſeines Kopffes verſprach. Weil uns nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns der Kaͤyſer dieſes gefangenen Britanniers Willkuͤhr uͤbergeben/ ihm auch nebſt ſeiner Freyheit anſehnliche Belohnung verſprechen. Dieſer riß ſo wol dem Lucius als mir alle Pfla- ſter ab/ und wuſch unſere Wunden mit einem gewiſſen Weine aus. Hernach forderte er den Dolch/ von welchem wir waren beſchaͤdigt wor- den; ſauberte ſelbten aufs fleißigſte/ ſalbete ihn ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche; unſere Wunden aber verhuͤllete er nur mit ei- [Spaltenumbruch] nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng nicht nur mir und dem Lucius/ ſondern auch der Dido/ welche durch ihr Pflaſter-abreiſſen ihren Schaden wiederum ſehr veraͤrgert hatte/ alle bißherige Hitze. Nach dem dieſer Artzt drey- mal unſer Wunden ausgewaſchen/ und ſo viel mal den Dolch mit einem gewiſſen Staube be- ſtreut und verbunden hatte/ wurden wir nicht nur der Schwulſt/ ſondern auch der Schmertzen erledigt. Als dieſes Lucius wahrnahm; frag- te er den Britannier: Ob denn die Verbindung des Beleidigung-Waffens der Wunde durch natuͤrliche Wuͤrckung zu ſtatten kaͤme? Als der Artzt diß verjahete/ und daß dieſe Heilung ver- mittelſt einer geheimen Verwandnuͤß gewiſſer Dinge geſchehe; ja deſſen Warheit dardurch bewaͤhrete/ daß wenn er den verbundenen Dolch uͤber das Kohlfeuer hielt/ den Lucius ſeine Wun- de hitzte; Bey deſſen Annetzung aber wieder ſchmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle mit dieſem Dolche gemachte Wunden zugleich heileten? und wie der Britannier abermals diß beſtaͤtigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen koͤnte/ daß nur ſeine darvon heil/ des Flavius a- ber aͤrger wuͤrde; verneinte es der Artzt und mel- dete: Er haͤtte an dieſe unbarmhertzige Kunſt noch nie gedacht. Uber dieſem Beſcheide fuhr Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der Fauſt/ und ſtach ihn ſelbſt dem Artzte in Bauch/ mit Beyſetzung dieſer verzweiffelten Worte: Jch will lieber mit meinem Feinde ſterben/ als ihn mit mir geneſen ſehen. Alle Umſtehenden erſchracken hieruͤber euſerſt; der Britannier a- ber zohe ihm unerſchrocken den Dolch aus dem Leibe/ wiſchte ſelbten ab/ und verband ihn aufs neue. Jch und Dido empfanden um ſelbige Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/ als wenn wir in unſere alte Wunde einen neuen Stich bekaͤmen. Auguſt ſchoͤpffte uͤber des Lu- cius erfahrnen Grauſamkeit einen hefftigen Unwillen; ließ alſo den Lucius nicht allein be- wachen/ ſondern auch binden; wormit er nicht in meh- Erſter Theil. O o o
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Arminius und Thußnelda.
pelnden Lucius den Dolch aus der Wunde/ und
ſtach ihn der Dido zwiſchen das Schulterblat
hinein. Micipſa/ ein die Dido bedienender
Edelknabe/ ward deſſen gewahr; ergrief alſo
ſeinen Bogen/ und verwundete mit einem Pfei-
le Agrippen ins Bein. Hieruͤber entſtand ein
groſſer Lermen/ und kamen alle im Garten An-
weſende/ ja der Kaͤyſer ſelbſt mit Livien herbey;
welcher uͤber denen auf der Erden fuͤr todt aus-
geſtreckten/ und haͤuffiges Blut von ſich laſſen-
den vier Verwundeten aufs euſerſte beſtuͤrtzt
war. Die Sorge fuͤr ihr Leben verſchob die
Unterſuchung dieſer Begebnuͤs. Gleichwohl
wurden alle Deutſchen und Mohren gefaͤng-
lich eingezogen. Agrippens und der Dido
Verletzung ward fuͤr nicht ſo ſehr gefaͤhrlich;
meine und des Lucius aber fuͤr toͤdtlich befunden.
Agrippa kam derogeſtalt bald zu rechte; Dido
aber/ als ſie meinen Zuſtand vernahm/ riß ihr
ſelbſt die Pflaſter von der Wunde/ und ſagte of-
fentlich/ daß ſie mich nicht zu uͤberleben begehr-
te: Jnzwiſchen ſchoͤpfften die Wund-Aertzte
auch von des Lucius Geneſung einige Hofnung;
woruͤber Dido faſt unſinnig ward/ und in ihrer
Raſerey tauſend Fluͤche und Draͤuungen auff
den Lucius ausſchuͤttete; welcher inmittelſt mit
einem Wundfeber uͤberfallen/ und ſein Aufkom-
men ſehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich
gab ſich ein Britanniſcher Artzt beym Kaͤyſer/
an/ der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey
Verluſt ſeines Kopffes verſprach. Weil uns
nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns
der Kaͤyſer dieſes gefangenen Britanniers
Willkuͤhr uͤbergeben/ ihm auch nebſt ſeiner
Freyheit anſehnliche Belohnung verſprechen.
Dieſer riß ſo wol dem Lucius als mir alle Pfla-
ſter ab/ und wuſch unſere Wunden mit einem
gewiſſen Weine aus. Hernach forderte er den
Dolch/ von welchem wir waren beſchaͤdigt wor-
den; ſauberte ſelbten aufs fleißigſte/ ſalbete ihn
ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche;
unſere Wunden aber verhuͤllete er nur mit ei-
nem trockenen. Jn wenig Stunden vergieng
nicht nur mir und dem Lucius/ ſondern auch der
Dido/ welche durch ihr Pflaſter-abreiſſen ihren
Schaden wiederum ſehr veraͤrgert hatte/ alle
bißherige Hitze. Nach dem dieſer Artzt drey-
mal unſer Wunden ausgewaſchen/ und ſo viel
mal den Dolch mit einem gewiſſen Staube be-
ſtreut und verbunden hatte/ wurden wir nicht
nur der Schwulſt/ ſondern auch der Schmertzen
erledigt. Als dieſes Lucius wahrnahm; frag-
te er den Britannier: Ob denn die Verbindung
des Beleidigung-Waffens der Wunde durch
natuͤrliche Wuͤrckung zu ſtatten kaͤme? Als der
Artzt diß verjahete/ und daß dieſe Heilung ver-
mittelſt einer geheimen Verwandnuͤß gewiſſer
Dinge geſchehe; ja deſſen Warheit dardurch
bewaͤhrete/ daß wenn er den verbundenen Dolch
uͤber das Kohlfeuer hielt/ den Lucius ſeine Wun-
de hitzte; Bey deſſen Annetzung aber wieder
ſchmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle
mit dieſem Dolche gemachte Wunden zugleich
heileten? und wie der Britannier abermals diß
beſtaͤtigte/ fuhr er fort: Ob er denn nicht machen
koͤnte/ daß nur ſeine darvon heil/ des Flavius a-
ber aͤrger wuͤrde; verneinte es der Artzt und mel-
dete: Er haͤtte an dieſe unbarmhertzige Kunſt
noch nie gedacht. Uber dieſem Beſcheide fuhr
Lucius auf/ rieß dem Artzte den Dolch aus der
Fauſt/ und ſtach ihn ſelbſt dem Artzte in Bauch/
mit Beyſetzung dieſer verzweiffelten Worte:
Jch will lieber mit meinem Feinde ſterben/ als
ihn mit mir geneſen ſehen. Alle Umſtehenden
erſchracken hieruͤber euſerſt; der Britannier a-
ber zohe ihm unerſchrocken den Dolch aus dem
Leibe/ wiſchte ſelbten ab/ und verband ihn aufs
neue. Jch und Dido empfanden um ſelbige
Zeit unglaubliche Schmertzen/ nicht anders/
als wenn wir in unſere alte Wunde einen neuen
Stich bekaͤmen. Auguſt ſchoͤpffte uͤber des Lu-
cius erfahrnen Grauſamkeit einen hefftigen
Unwillen; ließ alſo den Lucius nicht allein be-
wachen/ ſondern auch binden; wormit er nicht in
meh-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/527>, abgerufen am 29.06.2024. |