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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] te über dieser Zeitung/ und über eine Weile fing
er erst an: Jst es nicht einerley Missethat einen
ersäuffen/ oder einen Ersauffenden/ wenn man
kan/ nicht aus dem Wasser ziehen? Jch finde
mich in meinem Gewissen verpflichtet der O-
brigkeit des Aristippus schreckliche Einweihung
zu entdecken/ welche nicht ohne grausame der
Natur selbst widerstehende Laster geschehen kan.
Ob nun zwar ich und beyde andere Druyden
hierbey allerhand Bedencken hatten; war doch
Sotion nicht zu erhalten/ sondern eilte zum
Vürgermeister Lucius Cornelius/ erzehlte ihm
des Aristippus gantzes Leben/ und sein Fürha-
ben; iedoch verschwieg er/ daß unter der Römi-
schen Jugend/ welche er selbige Nacht der Hölle
verloben wolte/ des Käysers Enckel wären.
Cornelius wolte anfänglich dem fremden Soti-
on wenig Glauben beymessen/ die fürstehende
Gefahr aber und Sotions unerschrockene Be-
theurung überredete ihn endlich/ daß er zwar
den Sotion in Verwahrung behalten ließ/ er
selbst aber zum Käyser sich verfügte und ihm für-
trug: Es wäre ein ärgerer Ausländer in Rom/
als derselbe Grieche/ welcher für hundert und
zwey und achzig Jahren in Hetrurien/ hernach
in die Stadt eingeschlichen wäre/ das schändliche
Feyer des Bacchus ins geheim eingeführt/ den
Minius und Herenius Cerrinius zu Prie-
stern/ die Puculla Minia zur Priesterin ein-
geweyhet/ und biß sieben tausend Männer
und Weiber durch Unzucht/ Mord/ Gifft und
tausend schreckliche Laster dem Bacchus verlobet
hätte. Weil nun auff damahlige Anzeigung
der Freygelassenen Hispala und des jungen von
seiner eigenen Mutter Duronia der Hölle ge-
wiedmeten Ebutius wider alle Verschwornen
mit Schwerdt und Feuer verfahren worden
wäre; wäre kein Augenblick zu verspielen/ wor-
mit diesem noch abscheulicherm Ubel vorgebeu-
get würde. Augustus billichte des Bürgermei-
sters Gutachten/ und befahl dreyen Hauptleu-
ten/ daß sie mit einem Theile der Leibwache des
[Spaltenumbruch] Aristippus Garten in aller Stille besetzen/ von
der Seite der Tiber selbten ersteigen/ die Ge-
bäue auffbrechen/ das Fürhaben der darinnen
Betretenen erforschen/ und selbte/ insonderheit
aber den Aristippus in Hafft nehmem solten.
Dieser Befehl ward wegen des in dem Lusthau-
se mit Paucken und Hörnern verübten Getüm-
mels so unvermerckt volbracht/ daß die Wache
ohne einigen Menschens Warnehmung in den
grossen Saal kam/ darinnen ein Auffzug des
Bacchus und der Venus von eitel nackten Jüng-
lingen und Weibern mit abscheulich-garstigen
Unzuchts-Bildungen gehalten ward/ Aristip-
pus aber/ dessen Leib keinen Finger breit/ ausser
das Haupt mit einem Reben- und Myrten-
Laubenen Krantze bedeckt war/ einen auff dem
Altare stehenden Priapus mit Weine bespritzte/
und zu seiner teufflischen Einsegnung den
Anfang machte. Cajus selbst bildete den Bac-
chus/ die geile Cyrene die Venus/ und Lucius
den Cupido ab. Es ist leicht zu ermessen/ was
die Leib-Wache über Erblickung dieser beyden
Fürsten/ diese Versammlung aber über dem
Eintreten der Wache für Schrecken überfallen
habe. Cajus und Lucius wolten durch ihr ho-
hes Ansehn/ die andern durch Herfürsuchung
der Waffen die Wache abweisen; aber der an-
gedeutete Käyserliche Befehl/ und die für Au-
gen stehende Macht schlug aller Hertzen zu Bo-
dem; wo anders wollüstige Leute noch eins in
ihrem Busem haben. Sintemal kein Messer so
sehr/ als Geilheit einen Menschen zu entman-
nen fähig ist. Dem Cajus und Lucius wurden
allein ihre Kleider gereicht/ und auff einem
Wagen nach Hofe gebracht. Aristippus a-
ber ward mit drey hundert andern beyderley
Geschlechtes so/ wie sie betreten wurden/ fort-
geschlept/ und eintzelich in die Gefängnisse ge-
sperret. August erschrack über seiner Enckel
Verbrechen so sehr/ daß er etliche Nächte nicht
schlaffen konte/ und etliche Tage keinen Men-
schen/ als Livien vor sich ließ/ welche sich über

des

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] te uͤber dieſer Zeitung/ und uͤber eine Weile fing
er erſt an: Jſt es nicht einerley Miſſethat einen
erſaͤuffen/ oder einen Erſauffenden/ wenn man
kan/ nicht aus dem Waſſer ziehen? Jch finde
mich in meinem Gewiſſen verpflichtet der O-
brigkeit des Ariſtippus ſchreckliche Einweihung
zu entdecken/ welche nicht ohne grauſame der
Natur ſelbſt widerſtehende Laſter geſchehen kan.
Ob nun zwar ich und beyde andere Druyden
hierbey allerhand Bedencken hatten; war doch
Sotion nicht zu erhalten/ ſondern eilte zum
Vuͤrgermeiſter Lucius Cornelius/ erzehlte ihm
des Ariſtippus gantzes Leben/ und ſein Fuͤrha-
ben; iedoch verſchwieg er/ daß unter der Roͤmi-
ſchen Jugend/ welche er ſelbige Nacht der Hoͤlle
verloben wolte/ des Kaͤyſers Enckel waͤren.
Cornelius wolte anfaͤnglich dem fremden Soti-
on wenig Glauben beymeſſen/ die fuͤrſtehende
Gefahr aber und Sotions unerſchrockene Be-
theurung uͤberredete ihn endlich/ daß er zwar
den Sotion in Verwahrung behalten ließ/ er
ſelbſt aber zum Kaͤyſer ſich verfuͤgte und ihm fuͤr-
trug: Es waͤre ein aͤrgerer Auslaͤnder in Rom/
als derſelbe Grieche/ welcher fuͤr hundert und
zwey und achzig Jahren in Hetrurien/ hernach
in die Stadt eingeſchlichen waͤre/ das ſchaͤndliche
Feyer des Bacchus ins geheim eingefuͤhrt/ den
Minius und Herenius Cerrinius zu Prie-
ſtern/ die Puculla Minia zur Prieſterin ein-
geweyhet/ und biß ſieben tauſend Maͤnner
und Weiber durch Unzucht/ Mord/ Gifft und
tauſend ſchreckliche Laſter dem Bacchus verlobet
haͤtte. Weil nun auff damahlige Anzeigung
der Freygelaſſenen Hiſpala und des jungen von
ſeiner eigenen Mutter Duronia der Hoͤlle ge-
wiedmeten Ebutius wider alle Verſchwornen
mit Schwerdt und Feuer verfahren worden
waͤre; waͤre kein Augenblick zu verſpielen/ wor-
mit dieſem noch abſcheulicherm Ubel vorgebeu-
get wuͤrde. Auguſtus billichte des Buͤrgermei-
ſters Gutachten/ und befahl dreyen Hauptleu-
ten/ daß ſie mit einem Theile der Leibwache des
[Spaltenumbruch] Ariſtippus Garten in aller Stille beſetzen/ von
der Seite der Tiber ſelbten erſteigen/ die Ge-
baͤue auffbrechen/ das Fuͤrhaben der darinnen
Betretenen erforſchen/ und ſelbte/ inſonderheit
aber den Ariſtippus in Hafft nehmem ſolten.
Dieſer Befehl ward wegen des in dem Luſthau-
ſe mit Paucken und Hoͤrnern veruͤbten Getuͤm-
mels ſo unvermerckt volbracht/ daß die Wache
ohne einigen Menſchens Warnehmung in den
groſſen Saal kam/ darinnen ein Auffzug des
Bacchus uñ der Venus von eitel nackten Juͤng-
lingen und Weibern mit abſcheulich-garſtigen
Unzuchts-Bildungen gehalten ward/ Ariſtip-
pus aber/ deſſen Leib keinen Finger breit/ auſſer
das Haupt mit einem Reben- und Myrten-
Laubenen Krantze bedeckt war/ einen auff dem
Altare ſtehenden Priapus mit Weine beſpritzte/
und zu ſeiner teuffliſchen Einſegnung den
Anfang machte. Cajus ſelbſt bildete den Bac-
chus/ die geile Cyrene die Venus/ und Lucius
den Cupido ab. Es iſt leicht zu ermeſſen/ was
die Leib-Wache uͤber Erblickung dieſer beyden
Fuͤrſten/ dieſe Verſammlung aber uͤber dem
Eintreten der Wache fuͤr Schrecken uͤberfallen
habe. Cajus und Lucius wolten durch ihr ho-
hes Anſehn/ die andern durch Herfuͤrſuchung
der Waffen die Wache abweiſen; aber der an-
gedeutete Kaͤyſerliche Befehl/ und die fuͤr Au-
gen ſtehende Macht ſchlug aller Hertzen zu Bo-
dem; wo anders wolluͤſtige Leute noch eins in
ihrem Buſem haben. Sintemal kein Meſſer ſo
ſehr/ als Geilheit einen Menſchen zu entman-
nen faͤhig iſt. Dem Cajus und Lucius wurden
allein ihre Kleider gereicht/ und auff einem
Wagen nach Hofe gebracht. Ariſtippus a-
ber ward mit drey hundert andern beyderley
Geſchlechtes ſo/ wie ſie betreten wurden/ fort-
geſchlept/ und eintzelich in die Gefaͤngniſſe ge-
ſperret. Auguſt erſchrack uͤber ſeiner Enckel
Verbrechen ſo ſehr/ daß er etliche Naͤchte nicht
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/518>, abgerufen am 22.11.2024.