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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] fel. Aber auch ausser dem halte ich für mehr
wunderns-werth/ daß iemahls ein Mensch ei-
nes Thieres Aaß nur anzurühren/ ja gar ihrer
tödtlichen Wunden Eyter/ oder der Gebeine
Marck auszusaugen und das Blut ihrer A-
dern zu essen sich erkühnet habe? Welches ich
nichts anderm als dem Mangel des Getrey-
des in der sich mit Eicheln speisenden ersten
Welt zuschreiben kan; Weil ich angemerckt:
was viel Menschen für einen Eckel für noch nie
gesehenen Krebsen/ Schild-Kroten/ Meer-
Spinnen und Austern gehabt/ welche doch
der kostbaren Taffeln niedlichste Speisen
sind. Sonder Zweiffel haben auch die/ wel-
che zum ersten ihre Schwerdter in Menschen-
Blut getauchet/ mit Tödtung der Thiere/ und
zwar anfangs grimmiger Tyger/ wilder
Schweine/ schädlicher Bären den Anfang ge-
macht/ biß die der Grausamkeit gewohnte
Menschen/ nach Art der Athenienser/ welche
zum ersten den Verleumder Epitideus getöd-
tet/ hierdurch aber den tapfern Theramenes und
weisen Polemarchus zu tödten gelernet haben/
auch zu den frommen Lämmern und nützlichen
Rindern kommen sind. Dahero auch Empe-
docles den Griechen/ und der Römische Rath
Ochsen und Küh zu schlachten/ ja auch den Göt-
tern zu opffern ihrer Nutzbarkeit halber vor Al-
ters verboten hat. Mich bedüncket auch/ ja
meine Natur sagt mirs gleichsam/ daß sie nicht
nur unter den Menschen ein Band der Liebe/
sondern auch zwischen Menschen und Vieh
zum minsten eines des Friedens und des Mit-
leidens gestifftet habe. Die Elephanten lassen
von sich keine geringe und schlechte Merckmah-
le der mit uns gemein habender Vernunfft bli-
cken. Die Papagoyen und Schalastern thun
uns so gar die Sprache nach; Zwischen uns und
den Affen ist eine ziemliche Aehnligkeit. Weß-
wegen zu Athen auch auff eine Straffe gesetzt
war/ die nur einem lebenden Widder die Haut
abzohen. Jch brach hier ein: Fressen doch aber
[Spaltenumbruch] Löwen/ Bären/ Wölffe und Crocodile die Men-
schen/ und zerreissen also dieses vermeinte
Bündniß der Natur. Sotion antwortete:
Vermuthlich haben es ehe die Thiere von denen
einander selbst fressenden/ und also grimmigern
Menschen/ als diese von jenen gelernet; Wie-
wohl die Menschen die Vernunfft von dem ab-
halten solte/ was die unvernünfftigen Thiere
aus grossem Mangel oder aus Rache zu thun
genöthiget werden. Zudem tödten wir mehr
zahmes als wildes Vieh. Wir essen keine
Drachen/ Löwen/ keine Tiger noch Wölffe;
hingegen verschwenden wir tausend Lerchen auf
einer gethürmten Schüssel; Wir erwürgen auf
ein Gastmahl die Fasanen zu hunderten/ und
können ohne unzehlbare Leichen nicht so wohl
unsere grimmige Magen/ als unsere unbarm-
hertzige Augen sättigen; und lassen uns weder
der Vögel Blumen und Tapezerey wegstechen-
de Schönheit/ noch ihre und der Schaffe umb
Erbarmniß bittende Stimme von unser Blutbe-
gierde abwendig machen/ sondern ermorden die
edlen Phönicopter/ die wunderschönen Pfauen/
daß wir nur von jener hunderten einen einigen
Bissen niedlicher Zungen/ von diesen eine Scha-
le Gehirne haben; Von dem Scarus-Fische
und Hechten essen wir nur die Lebern/ von den
Murenen nur die Milch/ und in einem Löffel
verschlingen wir hundert Seelen mit hundert
Sonnen-Fischen; welche wir nur deßwegen
nicht grösser wachsen lassen/ wormit unsere
Verschwendung nicht zu wenigen Thieren das
Leben und Licht auslösche; da doch ein iedes un-
ter diesen/ ja auch eine Fliege ihrer fühlenden
Seele halber edler/ als die Sonne ist. Wer
wolte sich aber erkühnen den allerkleinesten
Stern auszulöschen/ wenn es schon in seinem
Vermögen stünde? Ja wir mästen nicht nur die
unschuldigen Thiere zu ihrem Tode/ wormit
wir selbte nicht aus einem Eyfer/ sondern mit
gar gutem Vorbedacht zu schlachten schei-
nen. Wir kappen oder entmannen sie auch/

wor-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] fel. Aber auch auſſer dem halte ich fuͤr mehr
wunderns-werth/ daß iemahls ein Menſch ei-
nes Thieres Aaß nur anzuruͤhren/ ja gar ihrer
toͤdtlichen Wunden Eyter/ oder der Gebeine
Marck auszuſaugen und das Blut ihrer A-
dern zu eſſen ſich erkuͤhnet habe? Welches ich
nichts anderm als dem Mangel des Getrey-
des in der ſich mit Eicheln ſpeiſenden erſten
Welt zuſchreiben kan; Weil ich angemerckt:
was viel Menſchen fuͤr einen Eckel fuͤr noch nie
geſehenen Krebſen/ Schild-Kroten/ Meer-
Spinnen und Auſtern gehabt/ welche doch
der koſtbaren Taffeln niedlichſte Speiſen
ſind. Sonder Zweiffel haben auch die/ wel-
che zum erſten ihre Schwerdter in Menſchen-
Blut getauchet/ mit Toͤdtung der Thiere/ und
zwar anfangs grimmiger Tyger/ wilder
Schweine/ ſchaͤdlicher Baͤren den Anfang ge-
macht/ biß die der Grauſamkeit gewohnte
Menſchen/ nach Art der Athenienſer/ welche
zum erſten den Verleumder Epitideus getoͤd-
tet/ hierdurch aber den tapfern Theramenes und
weiſen Polemarchus zu toͤdten gelernet haben/
auch zu den frommen Laͤmmern und nuͤtzlichen
Rindern kommen ſind. Dahero auch Empe-
docles den Griechen/ und der Roͤmiſche Rath
Ochſen und Kuͤh zu ſchlachten/ ja auch den Goͤt-
tern zu opffern ihrer Nutzbarkeit halber vor Al-
ters verboten hat. Mich beduͤncket auch/ ja
meine Natur ſagt mirs gleichſam/ daß ſie nicht
nur unter den Menſchen ein Band der Liebe/
ſondern auch zwiſchen Menſchen und Vieh
zum minſten eines des Friedens und des Mit-
leidens geſtifftet habe. Die Elephanten laſſen
von ſich keine geringe und ſchlechte Merckmah-
le der mit uns gemein habender Vernunfft bli-
cken. Die Papagoyen und Schalaſtern thun
uns ſo gar die Sprache nach; Zwiſchen uns und
den Affen iſt eine ziemliche Aehnligkeit. Weß-
wegen zu Athen auch auff eine Straffe geſetzt
war/ die nur einem lebenden Widder die Haut
abzohen. Jch brach hier ein: Freſſen doch aber
[Spaltenumbruch] Loͤwen/ Baͤren/ Woͤlffe und Crocodile die Men-
ſchen/ und zerreiſſen alſo dieſes vermeinte
Buͤndniß der Natur. Sotion antwortete:
Vermuthlich haben es ehe die Thiere von denen
einander ſelbſt freſſenden/ und alſo grimmigern
Menſchen/ als dieſe von jenen gelernet; Wie-
wohl die Menſchen die Vernunfft von dem ab-
halten ſolte/ was die unvernuͤnfftigen Thiere
aus groſſem Mangel oder aus Rache zu thun
genoͤthiget werden. Zudem toͤdten wir mehr
zahmes als wildes Vieh. Wir eſſen keine
Drachen/ Loͤwen/ keine Tiger noch Woͤlffe;
hingegen verſchwenden wir tauſend Lerchen auf
einer gethuͤrmten Schuͤſſel; Wir erwuͤrgen auf
ein Gaſtmahl die Faſanen zu hunderten/ und
koͤnnen ohne unzehlbare Leichen nicht ſo wohl
unſere grimmige Magen/ als unſere unbarm-
hertzige Augen ſaͤttigen; und laſſen uns weder
der Voͤgel Blumen und Tapezerey wegſtechen-
de Schoͤnheit/ noch ihre und der Schaffe umb
Erbarmniß bittende Stim̃e von unſer Blutbe-
gierde abwendig machen/ ſondern ermorden die
edlen Phoͤnicopter/ die wunderſchoͤnen Pfauen/
daß wir nur von jener hunderten einen einigen
Biſſen niedlicher Zungen/ von dieſen eine Scha-
le Gehirne haben; Von dem Scarus-Fiſche
und Hechten eſſen wir nur die Lebern/ von den
Murenen nur die Milch/ und in einem Loͤffel
verſchlingen wir hundert Seelen mit hundert
Sonnen-Fiſchen; welche wir nur deßwegen
nicht groͤſſer wachſen laſſen/ wormit unſere
Verſchwendung nicht zu wenigen Thieren das
Leben und Licht ausloͤſche; da doch ein iedes un-
ter dieſen/ ja auch eine Fliege ihrer fuͤhlenden
Seele halber edler/ als die Sonne iſt. Wer
wolte ſich aber erkuͤhnen den allerkleineſten
Stern auszuloͤſchen/ wenn es ſchon in ſeinem
Vermoͤgen ſtuͤnde? Ja wir maͤſten nicht nur die
unſchuldigen Thiere zu ihrem Tode/ wormit
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/516>, abgerufen am 22.11.2024.