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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gewinnen wären. Dahero die Römer die
Furcht für so göttlich gehalten/ daß/ wie sie in
der Welt die erste Andacht gestifftet; also sie ihr
selbst Altäre gebaut und geopffert hätten. Mit
einem Worte: ein Fürst müste allezeit klug/ ins-
gemein hertzhafft/ zuweilen furchtsam/ aber nie-
mals verzagt seyn. Jch muß es gestehen/ fing
Flavius an/ daß die Furcht mich nichts minder
aus der Römer Händen errettet habe/ als sie die
Hirschen der Grausamkeit der Jäger zu ent-
reissen pfleget. Hertzog Herrmann bat hier-
auf den Flavius: Er möchte doch/ wie er so
glücklich von Rom in Deutschland entronnen/
kürtzlich entwerffen. Rhemetalces aber setzte
bey: Er möchte doch seine auch vorher ihm zu
Rom begegnete Zufälle darbey nicht gäntzlich
vergessen. Denn er wüste wol/ daß wie Africa
eine Mutter täglicher Mißgeburten/ also
Rom seltzamer Zufälle wäre/ und insonderheit
Fremden. Flavius antwortete: Aus seinen
wäre zwar kein Wunderwerck zu machen; ie-
doch wolte er seine merckwürdigste Begebnüsse
ohne Umschweif berühren/ um theils der Anwe-
senden Verlangen zu vergnügen/ theils ihre
Gedult nicht zu mißbrauchen. Hiermit fing
er an: das Verhängnüs machte unsere unglück-
liche Gefangenschafft dardurch glückselig/ daß
uns Drusus nicht mit zum Siegs-Gepränge/
sondern der Käyser/ weil mein Bruder Herr-
mann ihn bey Mniturne aus dem Wasser er-
rettete/ uns neben dem jungen Agrippa und
Germanicus in Rom einführte. Jch genoß
allenthalben dasselbe mit/ was Hertzog Herr-
mann durch seine Tugend verdiente/ worvon
ich viel denckwürdige Begebnüsse erzehlen mü-
ste/ wenn ich mich nicht bescheidete/ daß seine Ar-
men wohl grosse Thaten auszuüben geschickt
sind/ seine Ohren aber ihre Erzehlung nicht ver-
tragen können. Einmal neigte mir ja mehr
das Glücke/ als meine Geschickligkeit ein Mit-
tel zu/ des Käysers Gewogenheit etlicher mas-
sen zu erwerhen/ als ich auf einer vom Drusus
[Spaltenumbruch] angestellten Jagt ein wildes Schwein aufhielt/
daß es den fallenden Käyser nicht verletzen kon-
te. Der Käyser war über meiner Auferzie-
hung und Unterweisung in der Bau-Rechen-
und Meß-Kunst/ wie auch in ritterlichen U-
bungen mehrmals so sorgfältig/ daß uns ieder
Fremder ehe für des Augustus Enckel/ als für
Gefangene angesehn haben würde. Jch hät-
te den Käyser vielleicht auch wohl zuweilen in
unsern Prüsungen vergnügt/ wenn mein Thun
nicht allemal von meinem Bruder und dem
Germanicus wäre verdüstert worden. Wie-
wol diese Verdüsterung gleichwol zu meinem
Vortheil gereichte; weil mein eingeschlaffener
Geist aus Eiffersucht ermuntert/ und mein
Gemüthe durch zweyer so lebhaffter Fürsten
Beyspiel gleichsam rege zu werden gezwungen
ward. Sintemal die Laster nicht nur anfällig
find; sondern auch die Tugend/ wie des Apollo
Leyer/ welche einen Stein/ an dem sie gehan-
gen/ singend gemacht/ und des Orpheus Grab/
bey welchem die Nachtigaln eine viel süssere
Stimme bekommen haben sollen/ ihre Gefäu-
then mit ihrer Köstligkeit betheilet. Auser die-
sem waren Herrmanns Verdienste so groß/ daß
die Schätzbarkeit der Römer ihre Gewogenheit
nicht gar auf ihn ausschütten konten/ sondern
wie die Sonne mit ihren Stralen auf unfrucht-
bare Klippen/ mich Unwürdigen damit bethei-
len musten. Jn dessen Ansehn ward mir auch
Mecenas hold/ und der Käyser hieß mich nebst
meinem Bruder des verbrennten Drusus Asche
in der Julier Begräbnüß tragen. Welche
Verrichtung zwar in Deutschland einen
Schein der Dienstbarkeit haben kan/ in Rom
aber eine der grösten Ehren ist/ welcher nur die
Rathsherren fähig sind. Uber diß ward ich zu
allen Gemeinschafften gezogen/ in denen sich
des Käysers Enckel Lucius und Cajus befan-
den; und ich hatte das Glücke/ daß ich mit diesen
unbändigen Jünglin gen niemals zerfiel; und
weil ich zuweilen mit etwas verhieng; erlangte

ich

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] gewinnen waͤren. Dahero die Roͤmer die
Furcht fuͤr ſo goͤttlich gehalten/ daß/ wie ſie in
der Welt die erſte Andacht geſtifftet; alſo ſie ihr
ſelbſt Altaͤre gebaut und geopffert haͤtten. Mit
einem Worte: ein Fuͤrſt muͤſte allezeit klug/ ins-
gemein hertzhafft/ zuweilen furchtſam/ aber nie-
mals verzagt ſeyn. Jch muß es geſtehen/ fing
Flavius an/ daß die Furcht mich nichts minder
aus der Roͤmer Haͤnden errettet habe/ als ſie die
Hirſchen der Grauſamkeit der Jaͤger zu ent-
reiſſen pfleget. Hertzog Herrmann bat hier-
auf den Flavius: Er moͤchte doch/ wie er ſo
gluͤcklich von Rom in Deutſchland entronnen/
kuͤrtzlich entwerffen. Rhemetalces aber ſetzte
bey: Er moͤchte doch ſeine auch vorher ihm zu
Rom begegnete Zufaͤlle darbey nicht gaͤntzlich
vergeſſen. Denn er wuͤſte wol/ daß wie Africa
eine Mutter taͤglicher Mißgeburten/ alſo
Rom ſeltzamer Zufaͤlle waͤre/ und inſonderheit
Fremden. Flavius antwortete: Aus ſeinen
waͤre zwar kein Wunderwerck zu machen; ie-
doch wolte er ſeine merckwuͤrdigſte Begebnuͤſſe
ohne Umſchweif beruͤhren/ um theils der Anwe-
ſenden Verlangen zu vergnuͤgen/ theils ihre
Gedult nicht zu mißbrauchen. Hiermit fing
er an: das Verhaͤngnuͤs machte unſere ungluͤck-
liche Gefangenſchafft dardurch gluͤckſelig/ daß
uns Druſus nicht mit zum Siegs-Gepraͤnge/
ſondern der Kaͤyſer/ weil mein Bruder Herr-
mann ihn bey Mniturne aus dem Waſſer er-
rettete/ uns neben dem jungen Agrippa und
Germanicus in Rom einfuͤhrte. Jch genoß
allenthalben daſſelbe mit/ was Hertzog Herr-
mann durch ſeine Tugend verdiente/ worvon
ich viel denckwuͤrdige Begebnuͤſſe erzehlen muͤ-
ſte/ wenn ich mich nicht beſcheidete/ daß ſeine Ar-
men wohl groſſe Thaten auszuuͤben geſchickt
ſind/ ſeine Ohren aber ihre Erzehlung nicht ver-
tragen koͤnnen. Einmal neigte mir ja mehr
das Gluͤcke/ als meine Geſchickligkeit ein Mit-
tel zu/ des Kaͤyſers Gewogenheit etlicher maſ-
ſen zu erwerhen/ als ich auf einer vom Druſus
[Spaltenumbruch] angeſtellten Jagt ein wildes Schwein aufhielt/
daß es den fallenden Kaͤyſer nicht verletzen kon-
te. Der Kaͤyſer war uͤber meiner Auferzie-
hung und Unterweiſung in der Bau-Rechen-
und Meß-Kunſt/ wie auch in ritterlichen U-
bungen mehrmals ſo ſorgfaͤltig/ daß uns ieder
Fremder ehe fuͤr des Auguſtus Enckel/ als fuͤr
Gefangene angeſehn haben wuͤrde. Jch haͤt-
te den Kaͤyſer vielleicht auch wohl zuweilen in
unſern Pruͤſungen vergnuͤgt/ wenn mein Thun
nicht allemal von meinem Bruder und dem
Germanicus waͤꝛe verduͤſtert worden. Wie-
wol dieſe Verduͤſterung gleichwol zu meinem
Vortheil gereichte; weil mein eingeſchlaffener
Geiſt aus Eifferſucht ermuntert/ und mein
Gemuͤthe durch zweyer ſo lebhaffter Fuͤrſten
Beyſpiel gleichſam rege zu werden gezwungen
ward. Sintemal die Laſter nicht nur anfaͤllig
find; ſondern auch die Tugend/ wie des Apollo
Leyer/ welche einen Stein/ an dem ſie gehan-
gen/ ſingend gemacht/ und des Orpheus Grab/
bey welchem die Nachtigaln eine viel ſuͤſſere
Stimme bekommen haben ſollen/ ihre Gefaͤu-
then mit ihrer Koͤſtligkeit betheilet. Auſer die-
ſem waren Herrmanns Verdienſte ſo groß/ daß
die Schaͤtzbarkeit der Roͤmer ihre Gewogenheit
nicht gar auf ihn ausſchuͤtten konten/ ſondern
wie die Sonne mit ihren Stralen auf unfrucht-
bare Klippen/ mich Unwuͤrdigen damit bethei-
len muſten. Jn deſſen Anſehn ward mir auch
Mecenas hold/ und der Kaͤyſer hieß mich nebſt
meinem Bruder des verbrennten Druſus Aſche
in der Julier Begraͤbnuͤß tragen. Welche
Verrichtung zwar in Deutſchland einen
Schein der Dienſtbarkeit haben kan/ in Rom
aber eine der groͤſten Ehren iſt/ welcher nur die
Rathsherren faͤhig ſind. Uber diß ward ich zu
allen Gemeinſchafften gezogen/ in denen ſich
des Kaͤyſers Enckel Lucius und Cajus befan-
den; und ich hatte das Gluͤcke/ daß ich mit dieſen
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weil ich zuweilen mit etwas verhieng; erlangte

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/504>, abgerufen am 22.11.2024.