Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schläfft/ gleich als sie sich mit jenem auff ewig ver-
mählet/ oder diese mit dem Feinde nur zu spielen/
nicht zu fechten hätten/ also ihnen nichts weniger
als einen Unfall habe träumen lassen/ weniger
auff den Fall/ da etwas umschlüge/ vorsichtige
Anstalt gemacht. Dieses stürtzte den Pompejus/
welcher in der Pharsalischen Schlacht in seinem
Gemüthe sich ehe überwunden gab/ als er im
Felde angegriffen ward. Es fällte die Spar-
taner/ als die Athenienser ihnen wider vermu-
then Pylus und Cythere wegnahmen. Denn wie
soll ein niemahls verwundeter Fechter/ ein nie zu
Bodem gelegener Ringer/ ein Schiffer/ der nie
keinen Sturm ausgestanden/ das erste mahl da-
für nicht erschrecken? Und es scheinet/ daß die ge-
wohnten Siege der Römer dißmahl das Schre-
cken über des Varus Niederlage zu Rom frey-
lich ver grössert habe. Allein ich bin gleichwohl
der Meinung/ daß es in solchen Gefährligkei-
ten/ welche den Staat leicht über einen Hauffen
werffen können/ oder da das Volck allzu sicher o-
der zu vermessen ist/ es so wenig einem Fürsten
rathsam sey ein groß Unglücke/ als einem Kran-
cken sein Ubel zu verschweigen. Wenn ein
Schiffer den Wellen nicht mehr gewachsen/ ruft
er ängstiglich alle Schiffende/ daß sie entweder
mit Hand ans Ruder legen/ oder ihre Götter um
Hülffe anruffen. Wenn ein Fürst zu allem Un-
glücke unempfindlich ist/ scheints/ daß er entwe-
der keine Liebe zu seinem Volcke/ oder keine Acht
auff sein Reich habe/ oder aus dem Blitze der zor-
nigen Götter ein Gelächter mache. Ein treues
Haupt eines Landes fühlet alle Wunden der
Glieder/ und alle Thränen seines Volcks gehen
einem Vater des Vaterlandes durchs Hertz.
Die Natur hat allen Thieren als ein Mittel ih-
rer Erhaltung das Fühlen eingepflantzet/ die
Staats-Klugheit den Fürsten eine Empfind-
ligkeit. Die Krancken sind so denn in eusserster
Gefahr/ wenn ihnen nichts mehr weh thut/ und
die Fürsten/ wenn ihrem Reichs-Cörper ein
Glied nach dem andern ohne Empfindligkeit
abgerissen wird. Es giebt Sardanapaln/ welche
[Spaltenumbruch] sich mehr um niedliche Speisen/ als umbs Läger
bekümmern; Die auff Erfindungen sinnen/ daß
sie das gantze Jahr frische Feigen/ alle Monden
neue Blumen haben; den Sommer in Spreu/
Schnee und Eiß/ und drey Jahr die Weintrau-
ben gut behalten/ daß sie auff einen Stamm zeh-
nerley Früchte pfropffen/ und in einem Apffel
Pomerantzen und Granat-Aepffel mit einan-
der vermählen; hingegen sich über einer verlohr-
ne Schlacht kützeln/ meinende: Es hätte dem
schwürigen Pöfel eine Ader müssen geschlagen
werden; Aus dem Verlust einer eingebüsten
Stadt noch einen Wucher machen/ weil sie als
alzuweit entlegen gar zu viel zu erhalten gekostet/
die/ wenn sie ein fruchtbar Land verspielet/ dar-
für halten daß in den übrigen noch Weitzen ge-
nug wachse/ wenn des Nachbars Haus brennet/
das ihrige noch weit genug entfernet schätzen.
Da denn insgemein heuchlerische Diener aus
solcher Schlaffsucht eine Großmüthigkeit ma-
chen/ und diese Blindheit für ein Staats-Ge-
heimniß verkauffen. Denn es hat noch nie ein so
schlimmer Fürst gelebt/ dem seine Hoffheuchler
nicht den Titel eines Helden gegeben/ den die
Klügern auch eine gute Zeit vertragen und seine
Fehler zum besten gedeutet/ ungeachtet er nach sei-
nem Tode kaum für ein Mittelding zwischen
Mensch und Vieh angesehen worden. Es ist
in alle Wege wahr/ antwortete der Catten Her-
tzog/ daß ein Fürst seines Reiches Wunden füh-
len/ sein Unglück nicht gar verstellen/ und das ge-
meine Feuer zu leschen iederman beruffen solle.
Daher könte er nicht schelten/ daß Augustus über
so grossem Verluste seine Empfindligkeit bezeigt/
insonderheit aber die Sorgfalt die Reichs-Gren-
tzen zu versichern nicht vergessen hätte. Alleine
seine erzehlte Ungeberdung wäre nicht männ-
lich/ weniger Fürstlich. Denn ein Fürst solle wie
ein kluger Schiffer auch bey dem gefährlichsten
Ungewitter nie erblassen/ noch die Grösse der
Noth mercken lassen/ wenn er nicht seine Gehül-
fen verursachen wolte/ daß sie aus Verzweiffelung
die Hände sincken lassen/ und die Augen mit un-

nützen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchlaͤfft/ gleich als ſie ſich mit jenem auff ewig ver-
maͤhlet/ oder dieſe mit dem Feinde nur zu ſpielen/
nicht zu fechten haͤtten/ alſo ihnen nichts weniger
als einen Unfall habe traͤumen laſſen/ weniger
auff den Fall/ da etwas umſchluͤge/ vorſichtige
Anſtalt gemacht. Dieſes ſtuͤrtzte den Pompejus/
welcher in der Pharſaliſchen Schlacht in ſeinem
Gemuͤthe ſich ehe uͤberwunden gab/ als er im
Felde angegriffen ward. Es faͤllte die Spar-
taner/ als die Athenienſer ihnen wider vermu-
then Pylus und Cythere wegnahmen. Deñ wie
ſoll ein niemahls verwundeter Fechter/ ein nie zu
Bodem gelegener Ringer/ ein Schiffer/ der nie
keinen Sturm ausgeſtanden/ das erſte mahl da-
fuͤr nicht erſchrecken? Und es ſcheinet/ daß die ge-
wohnten Siege der Roͤmer dißmahl das Schre-
cken uͤber des Varus Niederlage zu Rom frey-
lich ver groͤſſert habe. Allein ich bin gleichwohl
der Meinung/ daß es in ſolchen Gefaͤhrligkei-
ten/ welche den Staat leicht uͤber einen Hauffen
werffen koͤnnen/ oder da das Volck allzu ſicher o-
der zu vermeſſen iſt/ es ſo wenig einem Fuͤrſten
rathſam ſey ein groß Ungluͤcke/ als einem Kran-
cken ſein Ubel zu verſchweigen. Wenn ein
Schiffer den Wellen nicht mehr gewachſen/ ruft
er aͤngſtiglich alle Schiffende/ daß ſie entweder
mit Hand ans Ruder legen/ oder ihre Goͤtter um
Huͤlffe anruffen. Wenn ein Fuͤrſt zu allem Un-
gluͤcke unempfindlich iſt/ ſcheints/ daß er entwe-
der keine Liebe zu ſeinem Volcke/ oder keine Acht
auff ſein Reich habe/ oder aus dem Blitze der zor-
nigen Goͤtter ein Gelaͤchter mache. Ein treues
Haupt eines Landes fuͤhlet alle Wunden der
Glieder/ und alle Thraͤnen ſeines Volcks gehen
einem Vater des Vaterlandes durchs Hertz.
Die Natur hat allen Thieren als ein Mittel ih-
rer Erhaltung das Fuͤhlen eingepflantzet/ die
Staats-Klugheit den Fuͤrſten eine Empfind-
ligkeit. Die Krancken ſind ſo denn in euſſerſter
Gefahr/ wenn ihnen nichts mehr weh thut/ und
die Fuͤrſten/ wenn ihrem Reichs-Coͤrper ein
Glied nach dem andern ohne Empfindligkeit
abgeriſſen wird. Es giebt Sardanapaln/ welche
[Spaltenumbruch] ſich mehr um niedliche Speiſen/ als umbs Laͤger
bekuͤmmern; Die auff Erfindungen ſinnen/ daß
ſie das gantze Jahr friſche Feigen/ alle Monden
neue Blumen haben; den Sommer in Spreu/
Schnee und Eiß/ und drey Jahr die Weintrau-
ben gut behalten/ daß ſie auff einen Stamm zeh-
nerley Fruͤchte pfropffen/ und in einem Apffel
Pomerantzen und Granat-Aepffel mit einan-
der vermaͤhlen; hingegen ſich uͤber einer verlohr-
ne Schlacht kuͤtzeln/ meinende: Es haͤtte dem
ſchwuͤrigen Poͤfel eine Ader muͤſſen geſchlagen
werden; Aus dem Verluſt einer eingebuͤſten
Stadt noch einen Wucher machen/ weil ſie als
alzuweit entlegen gar zu viel zu erhalten gekoſtet/
die/ wenn ſie ein fruchtbar Land verſpielet/ dar-
fuͤr halten daß in den uͤbrigen noch Weitzen ge-
nug wachſe/ wenn des Nachbars Haus brennet/
das ihrige noch weit genug entfernet ſchaͤtzen.
Da denn insgemein heuchleriſche Diener aus
ſolcher Schlaffſucht eine Großmuͤthigkeit ma-
chen/ und dieſe Blindheit fuͤr ein Staats-Ge-
heimniß verkauffen. Denn es hat noch nie ein ſo
ſchlimmer Fuͤrſt gelebt/ dem ſeine Hoffheuchler
nicht den Titel eines Helden gegeben/ den die
Kluͤgern auch eine gute Zeit vertragen und ſeine
Fehler zum beſtẽ gedeutet/ ungeachtet er nach ſei-
nem Tode kaum fuͤr ein Mittelding zwiſchen
Menſch und Vieh angeſehen worden. Es iſt
in alle Wege wahr/ antwortete der Catten Her-
tzog/ daß ein Fuͤrſt ſeines Reiches Wunden fuͤh-
len/ ſein Ungluͤck nicht gar verſtellen/ und das ge-
meine Feuer zu leſchen iederman beruffen ſolle.
Daher koͤnte er nicht ſchelten/ daß Auguſtus uͤber
ſo groſſem Veꝛluſte ſeine Empfindligkeit bezeigt/
inſonderheit aber die Sorgfalt die Reichs-Gren-
tzen zu verſichern nicht vergeſſen haͤtte. Alleine
ſeine erzehlte Ungeberdung waͤre nicht maͤnn-
lich/ weniger Fuͤrſtlich. Denn ein Fuͤrſt ſolle wie
ein kluger Schiffer auch bey dem gefaͤhrlichſten
Ungewitter nie erblaſſen/ noch die Groͤſſe der
Noth mercken laſſen/ wenn er nicht ſeine Gehuͤl-
fen verurſachẽ wolte/ daß ſie aus Veꝛzweiffelung
die Haͤnde ſincken laſſen/ und die Augen mit un-

nuͤtzen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0501" n="447"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;chla&#x0364;fft/ gleich als &#x017F;ie &#x017F;ich mit jenem auff ewig ver-<lb/>
ma&#x0364;hlet/ oder die&#x017F;e mit dem Feinde nur zu &#x017F;pielen/<lb/>
nicht zu fechten ha&#x0364;tten/ al&#x017F;o ihnen nichts weniger<lb/>
als einen Unfall habe tra&#x0364;umen la&#x017F;&#x017F;en/ weniger<lb/>
auff den Fall/ da etwas um&#x017F;chlu&#x0364;ge/ vor&#x017F;ichtige<lb/>
An&#x017F;talt gemacht. Die&#x017F;es &#x017F;tu&#x0364;rtzte den Pompejus/<lb/>
welcher in der Phar&#x017F;ali&#x017F;chen Schlacht in &#x017F;einem<lb/>
Gemu&#x0364;the &#x017F;ich ehe u&#x0364;berwunden gab/ als er im<lb/>
Felde angegriffen ward. Es fa&#x0364;llte die Spar-<lb/>
taner/ als die Athenien&#x017F;er ihnen wider vermu-<lb/>
then Pylus und Cythere wegnahmen. Den&#x0303; wie<lb/>
&#x017F;oll ein niemahls verwundeter Fechter/ ein nie zu<lb/>
Bodem gelegener Ringer/ ein Schiffer/ der nie<lb/>
keinen Sturm ausge&#x017F;tanden/ das er&#x017F;te mahl da-<lb/>
fu&#x0364;r nicht er&#x017F;chrecken? Und es &#x017F;cheinet/ daß die ge-<lb/>
wohnten Siege der Ro&#x0364;mer dißmahl das Schre-<lb/>
cken u&#x0364;ber des Varus Niederlage zu Rom frey-<lb/>
lich ver gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert habe. Allein ich bin gleichwohl<lb/>
der Meinung/ daß es in &#x017F;olchen Gefa&#x0364;hrligkei-<lb/>
ten/ welche den Staat leicht u&#x0364;ber einen Hauffen<lb/>
werffen ko&#x0364;nnen/ oder da das Volck allzu &#x017F;icher o-<lb/>
der zu verme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t/ es &#x017F;o wenig einem Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
rath&#x017F;am &#x017F;ey ein groß Unglu&#x0364;cke/ als einem Kran-<lb/>
cken &#x017F;ein Ubel zu ver&#x017F;chweigen. Wenn ein<lb/>
Schiffer den Wellen nicht mehr gewach&#x017F;en/ ruft<lb/>
er a&#x0364;ng&#x017F;tiglich alle Schiffende/ daß &#x017F;ie entweder<lb/>
mit Hand ans Ruder legen/ oder ihre Go&#x0364;tter um<lb/>
Hu&#x0364;lffe anruffen. Wenn ein Fu&#x0364;r&#x017F;t zu allem Un-<lb/>
glu&#x0364;cke unempfindlich i&#x017F;t/ &#x017F;cheints/ daß er entwe-<lb/>
der keine Liebe zu &#x017F;einem Volcke/ oder keine Acht<lb/>
auff &#x017F;ein Reich habe/ oder aus dem Blitze der zor-<lb/>
nigen Go&#x0364;tter ein Gela&#x0364;chter mache. Ein treues<lb/>
Haupt eines Landes fu&#x0364;hlet alle Wunden der<lb/>
Glieder/ und alle Thra&#x0364;nen &#x017F;eines Volcks gehen<lb/>
einem Vater des Vaterlandes durchs Hertz.<lb/>
Die Natur hat allen Thieren als ein Mittel ih-<lb/>
rer Erhaltung das Fu&#x0364;hlen eingepflantzet/ die<lb/>
Staats-Klugheit den Fu&#x0364;r&#x017F;ten eine Empfind-<lb/>
ligkeit. Die Krancken &#x017F;ind &#x017F;o denn in eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ter<lb/>
Gefahr/ wenn ihnen nichts mehr weh thut/ und<lb/>
die Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ wenn ihrem Reichs-Co&#x0364;rper ein<lb/>
Glied nach dem andern ohne Empfindligkeit<lb/>
abgeri&#x017F;&#x017F;en wird. Es giebt Sardanapaln/ welche<lb/><cb/>
&#x017F;ich mehr um niedliche Spei&#x017F;en/ als umbs La&#x0364;ger<lb/>
beku&#x0364;mmern; Die auff Erfindungen &#x017F;innen/ daß<lb/>
&#x017F;ie das gantze Jahr fri&#x017F;che Feigen/ alle Monden<lb/>
neue Blumen haben; den Sommer in Spreu/<lb/>
Schnee und Eiß/ und drey Jahr die Weintrau-<lb/>
ben gut behalten/ daß &#x017F;ie auff einen Stamm zeh-<lb/>
nerley Fru&#x0364;chte pfropffen/ und in einem Apffel<lb/>
Pomerantzen und Granat-Aepffel mit einan-<lb/>
der verma&#x0364;hlen; hingegen &#x017F;ich u&#x0364;ber einer verlohr-<lb/>
ne Schlacht ku&#x0364;tzeln/ meinende: Es ha&#x0364;tte dem<lb/>
&#x017F;chwu&#x0364;rigen Po&#x0364;fel eine Ader mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;chlagen<lb/>
werden; Aus dem Verlu&#x017F;t einer eingebu&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Stadt noch einen Wucher machen/ weil &#x017F;ie als<lb/>
alzuweit entlegen gar zu viel zu erhalten geko&#x017F;tet/<lb/>
die/ wenn &#x017F;ie ein fruchtbar Land ver&#x017F;pielet/ dar-<lb/>
fu&#x0364;r halten daß in den u&#x0364;brigen noch Weitzen ge-<lb/>
nug wach&#x017F;e/ wenn des Nachbars Haus brennet/<lb/>
das ihrige noch weit genug entfernet &#x017F;cha&#x0364;tzen.<lb/>
Da denn insgemein heuchleri&#x017F;che Diener aus<lb/>
&#x017F;olcher Schlaff&#x017F;ucht eine Großmu&#x0364;thigkeit ma-<lb/>
chen/ und die&#x017F;e Blindheit fu&#x0364;r ein Staats-Ge-<lb/>
heimniß verkauffen. Denn es hat noch nie ein &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlimmer Fu&#x0364;r&#x017F;t gelebt/ dem &#x017F;eine Hoffheuchler<lb/>
nicht den Titel eines Helden gegeben/ den die<lb/>
Klu&#x0364;gern auch eine gute Zeit vertragen und &#x017F;eine<lb/>
Fehler zum be&#x017F;te&#x0303; gedeutet/ ungeachtet er nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Tode kaum fu&#x0364;r ein Mittelding zwi&#x017F;chen<lb/>
Men&#x017F;ch und Vieh ange&#x017F;ehen worden. Es i&#x017F;t<lb/>
in alle Wege wahr/ antwortete der Catten Her-<lb/>
tzog/ daß ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;eines Reiches Wunden fu&#x0364;h-<lb/>
len/ &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck nicht gar ver&#x017F;tellen/ und das ge-<lb/>
meine Feuer zu le&#x017F;chen iederman beruffen &#x017F;olle.<lb/>
Daher ko&#x0364;nte er nicht &#x017F;chelten/ daß Augu&#x017F;tus u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;em Ve&#xA75B;lu&#x017F;te &#x017F;eine Empfindligkeit bezeigt/<lb/>
in&#x017F;onderheit aber die Sorgfalt die Reichs-Gren-<lb/>
tzen zu ver&#x017F;ichern nicht verge&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Alleine<lb/>
&#x017F;eine erzehlte Ungeberdung wa&#x0364;re nicht ma&#x0364;nn-<lb/>
lich/ weniger Fu&#x0364;r&#x017F;tlich. Denn ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;olle wie<lb/>
ein kluger Schiffer auch bey dem gefa&#x0364;hrlich&#x017F;ten<lb/>
Ungewitter nie erbla&#x017F;&#x017F;en/ noch die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Noth mercken la&#x017F;&#x017F;en/ wenn er nicht &#x017F;eine Gehu&#x0364;l-<lb/>
fen verur&#x017F;ache&#x0303; wolte/ daß &#x017F;ie aus Ve&#xA75B;zweiffelung<lb/>
die Ha&#x0364;nde &#x017F;incken la&#x017F;&#x017F;en/ und die Augen mit un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nu&#x0364;tzen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0501] Arminius und Thußnelda. ſchlaͤfft/ gleich als ſie ſich mit jenem auff ewig ver- maͤhlet/ oder dieſe mit dem Feinde nur zu ſpielen/ nicht zu fechten haͤtten/ alſo ihnen nichts weniger als einen Unfall habe traͤumen laſſen/ weniger auff den Fall/ da etwas umſchluͤge/ vorſichtige Anſtalt gemacht. Dieſes ſtuͤrtzte den Pompejus/ welcher in der Pharſaliſchen Schlacht in ſeinem Gemuͤthe ſich ehe uͤberwunden gab/ als er im Felde angegriffen ward. Es faͤllte die Spar- taner/ als die Athenienſer ihnen wider vermu- then Pylus und Cythere wegnahmen. Deñ wie ſoll ein niemahls verwundeter Fechter/ ein nie zu Bodem gelegener Ringer/ ein Schiffer/ der nie keinen Sturm ausgeſtanden/ das erſte mahl da- fuͤr nicht erſchrecken? Und es ſcheinet/ daß die ge- wohnten Siege der Roͤmer dißmahl das Schre- cken uͤber des Varus Niederlage zu Rom frey- lich ver groͤſſert habe. Allein ich bin gleichwohl der Meinung/ daß es in ſolchen Gefaͤhrligkei- ten/ welche den Staat leicht uͤber einen Hauffen werffen koͤnnen/ oder da das Volck allzu ſicher o- der zu vermeſſen iſt/ es ſo wenig einem Fuͤrſten rathſam ſey ein groß Ungluͤcke/ als einem Kran- cken ſein Ubel zu verſchweigen. Wenn ein Schiffer den Wellen nicht mehr gewachſen/ ruft er aͤngſtiglich alle Schiffende/ daß ſie entweder mit Hand ans Ruder legen/ oder ihre Goͤtter um Huͤlffe anruffen. Wenn ein Fuͤrſt zu allem Un- gluͤcke unempfindlich iſt/ ſcheints/ daß er entwe- der keine Liebe zu ſeinem Volcke/ oder keine Acht auff ſein Reich habe/ oder aus dem Blitze der zor- nigen Goͤtter ein Gelaͤchter mache. Ein treues Haupt eines Landes fuͤhlet alle Wunden der Glieder/ und alle Thraͤnen ſeines Volcks gehen einem Vater des Vaterlandes durchs Hertz. Die Natur hat allen Thieren als ein Mittel ih- rer Erhaltung das Fuͤhlen eingepflantzet/ die Staats-Klugheit den Fuͤrſten eine Empfind- ligkeit. Die Krancken ſind ſo denn in euſſerſter Gefahr/ wenn ihnen nichts mehr weh thut/ und die Fuͤrſten/ wenn ihrem Reichs-Coͤrper ein Glied nach dem andern ohne Empfindligkeit abgeriſſen wird. Es giebt Sardanapaln/ welche ſich mehr um niedliche Speiſen/ als umbs Laͤger bekuͤmmern; Die auff Erfindungen ſinnen/ daß ſie das gantze Jahr friſche Feigen/ alle Monden neue Blumen haben; den Sommer in Spreu/ Schnee und Eiß/ und drey Jahr die Weintrau- ben gut behalten/ daß ſie auff einen Stamm zeh- nerley Fruͤchte pfropffen/ und in einem Apffel Pomerantzen und Granat-Aepffel mit einan- der vermaͤhlen; hingegen ſich uͤber einer verlohr- ne Schlacht kuͤtzeln/ meinende: Es haͤtte dem ſchwuͤrigen Poͤfel eine Ader muͤſſen geſchlagen werden; Aus dem Verluſt einer eingebuͤſten Stadt noch einen Wucher machen/ weil ſie als alzuweit entlegen gar zu viel zu erhalten gekoſtet/ die/ wenn ſie ein fruchtbar Land verſpielet/ dar- fuͤr halten daß in den uͤbrigen noch Weitzen ge- nug wachſe/ wenn des Nachbars Haus brennet/ das ihrige noch weit genug entfernet ſchaͤtzen. Da denn insgemein heuchleriſche Diener aus ſolcher Schlaffſucht eine Großmuͤthigkeit ma- chen/ und dieſe Blindheit fuͤr ein Staats-Ge- heimniß verkauffen. Denn es hat noch nie ein ſo ſchlimmer Fuͤrſt gelebt/ dem ſeine Hoffheuchler nicht den Titel eines Helden gegeben/ den die Kluͤgern auch eine gute Zeit vertragen und ſeine Fehler zum beſtẽ gedeutet/ ungeachtet er nach ſei- nem Tode kaum fuͤr ein Mittelding zwiſchen Menſch und Vieh angeſehen worden. Es iſt in alle Wege wahr/ antwortete der Catten Her- tzog/ daß ein Fuͤrſt ſeines Reiches Wunden fuͤh- len/ ſein Ungluͤck nicht gar verſtellen/ und das ge- meine Feuer zu leſchen iederman beruffen ſolle. Daher koͤnte er nicht ſchelten/ daß Auguſtus uͤber ſo groſſem Veꝛluſte ſeine Empfindligkeit bezeigt/ inſonderheit aber die Sorgfalt die Reichs-Gren- tzen zu verſichern nicht vergeſſen haͤtte. Alleine ſeine erzehlte Ungeberdung waͤre nicht maͤnn- lich/ weniger Fuͤrſtlich. Denn ein Fuͤrſt ſolle wie ein kluger Schiffer auch bey dem gefaͤhrlichſten Ungewitter nie erblaſſen/ noch die Groͤſſe der Noth mercken laſſen/ wenn er nicht ſeine Gehuͤl- fen verurſachẽ wolte/ daß ſie aus Veꝛzweiffelung die Haͤnde ſincken laſſen/ und die Augen mit un- nuͤtzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/501
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/501>, abgerufen am 22.11.2024.