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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Also wäre eine Fürstin ihres Geschlechtes von
einem Ungeheuer anfangs in Band und Eisen
geschlagen/ hernach aber als sie vergebens um
durch einen rühmlichen Todt ihrer Schande für
zukommen/ aus einem hohen Zimmer herab ge-
sprungen/ in seinem Bette/ worfür sie Pfal und
Holtzstoß lieber beschritten hätte/ zu ihrer Ent-
weihung angebunden/ und aus hierüber ge-
schöpfftem Hertzeleide ihre reine Seele auff dem
Grabe ihres vorher ermordeten Ehherrn aus-
geblasen worden. Fürst Rhemetalces/ nach-
dem er mit Verwunderung so tugendhafften
Geschicht- und Entschlüssungen zugehöret hat-
te/ fing hierauff an: Er und die übrige Welt
müsten bey solcher Beschaffenheit nicht nur ih-
ren Meinungen beypflichten/ sondern auch ih-
ren Tugenden aus dem Wege treten. Armeni-
en aber/ fing Hertzog Jubil an/ würde sich nun-
mehr mit der Heldenthat ihrer Erato auch den
Deutschen zu gleichen und andern Völckern
für zu zücken haben. Jn alle wege fuhr der
Feldherr fort/ denn die Tugend ist an keine Ecke
der Welt angepflöcket. Wie unter einem güti-
gen Himmel und einem glückseligen Gestirne
solcher Art Menschen gebohren werden/ die un-
ter-dem kalten Angelsterne wohnen; Also wer-
den in dem eyßichten Nord auch solche gezeuget/
wie die/ so die Sonne über ihrem Würbel haben.
Mir ist zwar nicht unbewust/ daß die Stern-
verständigen die Weltkugel in sieben der Brei-
te nach genommene Landstriche abtheilen/ den
ersten/ der durch die Jnsel Meroe geht/ dem Sa-
turnus/ und desthalben groben/ argwohn- und
verrätherischen Leuten/ den andern bey der E-
gyptischen Stadt Siene dem Jupiter/ und dar-
um klugen andächtigen und ehrliebenden Ein-
wohnern/ den dritten/ der Alexandria berührt/
dem Mars/ und also kriegerischen und unruhi-
gen Menschen zueignen. Uber dem vierdten/
unter dem Rhodis und halb Griechenland gele-
gen/ setzen si die Sonne/ darinnen gelehrte/ be-
redsame un zu allen Künsten geschickte Leute
[Spaltenumbruch] wohnten; Den fünfften/ welcher Jtalien be-
greifft/ stellen sie unter den Einfluß der Venus/
und machen darinnen Wollust und Uppigkeit
zur Herrscherin. Den sechsten/ der Gallien in
sich hat/ soll Mercur unter sich/ und also verän-
derliche und unbeständige/ iedoch denen Wissen-
schafften ergebige Einwohner; Der siebende a-
ber/ der uns Deutsche und Britannien erreicht/
des Monden Eigenschafft haben/ und deßhalben
traurige/ und nur zur Kauffmannschafft und Ga-
stereyen geneigte Leute bewirthen. Alleine wie
ich unschwer enthenge/ daß die Würckung der
Gestirne über die Beschaffenheit der dort oder
dar sich befindlicher Leiber eben so wie über die
Erde selbst eine grosse Gewalt ausübe; wiewohl
auch diese nach ihrem Unterscheide jener Wür-
ckung verhindert; Daher es auch unter dem
mittelsten Sonnen-Zirckel nicht allenthalben
glüendheiß/ sondern recht mittelmäßig/ gegen
Mitternacht nicht allenthalben unerträglich
kalt ist/ also ist das edelste Kleinod des Gemüths
die Tugend/ welche ihren Ursprung nicht aus
den Sternen/ noch aus den Dünsten der Erden
sondern aus einem überirrdischen Saamen/ wel-
chen die Göttliche Versehung in Mutterleibe
noch in unsere Seelen eingeust/ und eine gute
Aufferziehung fortpflantzet/ nicht in gewisse
Winckel des Erdkreißes zu verriegeln. Zwar
ists nicht ohne/ daß ein Volck tugendhaffter sey
als das andere/ und daß zu gewisser Zeit gewisse
Laster/ wie manche Kranckheiten/ mehr im
Schwunge gehen. Allein es ist kein Ort und
keine Zeit so unglückselig/ daß eitel Klodier/ kein
Cato leben solte. Jedes Land hat seine Wun-
werwercke und seine Mißgeburten nichts weni-
ger/ als seine Tage und seine Nächte. Keines ist/
welches nicht seinen Hercules/ und seine Lucretia
auff die Schaubühne stellen könne. Und wo
Sonnen sind/ giebt es auch Finsterniße. Ob wir
Deutschen nun wohl dem berühmten Armenien
eine so köstliche Perle/ als ihre Königin Erato
ist/ nicht mißgönnen/ so rechnen wir es doch für

ein
Erster Theil. J i i

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Alſo waͤre eine Fuͤrſtin ihres Geſchlechtes von
einem Ungeheuer anfangs in Band und Eiſen
geſchlagen/ hernach aber als ſie vergebens um
durch einen ruͤhmlichen Todt ihrer Schande fuͤr
zukommen/ aus einem hohen Zimmer herab ge-
ſprungen/ in ſeinem Bette/ worfuͤr ſie Pfal und
Holtzſtoß lieber beſchritten haͤtte/ zu ihrer Ent-
weihung angebunden/ und aus hieruͤber ge-
ſchoͤpfftem Hertzeleide ihre reine Seele auff dem
Grabe ihres vorher ermordeten Ehherrn aus-
geblaſen worden. Fuͤrſt Rhemetalces/ nach-
dem er mit Verwunderung ſo tugendhafften
Geſchicht- und Entſchluͤſſungen zugehoͤret hat-
te/ fing hierauff an: Er und die uͤbrige Welt
muͤſten bey ſolcher Beſchaffenheit nicht nur ih-
ren Meinungen beypflichten/ ſondern auch ih-
ren Tugenden aus dem Wege treten. Armeni-
en aber/ fing Hertzog Jubil an/ wuͤrde ſich nun-
mehr mit der Heldenthat ihrer Erato auch den
Deutſchen zu gleichen und andern Voͤlckern
fuͤr zu zuͤcken haben. Jn alle wege fuhr der
Feldherr fort/ denn die Tugend iſt an keine Ecke
der Welt angepfloͤcket. Wie unter einem guͤti-
gen Himmel und einem gluͤckſeligen Geſtirne
ſolcher Art Menſchen gebohren werden/ die un-
ter-dem kalten Angelſterne wohnen; Alſo wer-
den in dem eyßichten Nord auch ſolche gezeuget/
wie die/ ſo die Sonne uͤber ihrem Wuͤrbel haben.
Mir iſt zwar nicht unbewuſt/ daß die Stern-
verſtaͤndigen die Weltkugel in ſieben der Brei-
te nach genommene Landſtriche abtheilen/ den
erſten/ der durch die Jnſel Meroe geht/ dem Sa-
turnus/ und deſthalben groben/ argwohn- und
verraͤtheriſchen Leuten/ den andern bey der E-
gyptiſchen Stadt Siene dem Jupiter/ und dar-
um klugen andaͤchtigen und ehrliebenden Ein-
wohnern/ den dritten/ der Alexandria beruͤhrt/
dem Mars/ und alſo kriegeriſchen und unruhi-
gen Menſchen zueignen. Uber dem vierdten/
unter dem Rhodis und halb Griechenland gele-
gen/ ſetzen ſi die Sonne/ darinnen gelehrte/ be-
redſame un zu allen Kuͤnſten geſchickte Leute
[Spaltenumbruch] wohnten; Den fuͤnfften/ welcher Jtalien be-
greifft/ ſtellen ſie unter den Einfluß der Venus/
und machen darinnen Wolluſt und Uppigkeit
zur Herrſcherin. Den ſechſten/ der Gallien in
ſich hat/ ſoll Mercur unter ſich/ und alſo veraͤn-
derliche und unbeſtaͤndige/ iedoch denen Wiſſen-
ſchafften ergebige Einwohner; Der ſiebende a-
ber/ der uns Deutſche und Britannien erreicht/
des Monden Eigenſchafft haben/ und deßhalben
traurige/ und nur zur Kauffmañſchafft und Ga-
ſtereyen geneigte Leute bewirthen. Alleine wie
ich unſchwer enthenge/ daß die Wuͤrckung der
Geſtirne uͤber die Beſchaffenheit der dort oder
dar ſich befindlicher Leiber eben ſo wie uͤber die
Erde ſelbſt eine groſſe Gewalt ausuͤbe; wiewohl
auch dieſe nach ihrem Unterſcheide jener Wuͤr-
ckung verhindert; Daher es auch unter dem
mittelſten Sonnen-Zirckel nicht allenthalben
gluͤendheiß/ ſondern recht mittelmaͤßig/ gegen
Mitternacht nicht allenthalben unertraͤglich
kalt iſt/ alſo iſt das edelſte Kleinod des Gemuͤths
die Tugend/ welche ihren Urſprung nicht aus
den Sternen/ noch aus den Duͤnſten der Erden
ſondern aus einem uͤberirrdiſchen Saamen/ wel-
chen die Goͤttliche Verſehung in Mutterleibe
noch in unſere Seelen eingeuſt/ und eine gute
Aufferziehung fortpflantzet/ nicht in gewiſſe
Winckel des Erdkreißes zu verriegeln. Zwar
iſts nicht ohne/ daß ein Volck tugendhaffter ſey
als das andere/ und daß zu gewiſſer Zeit gewiſſe
Laſter/ wie manche Kranckheiten/ mehr im
Schwunge gehen. Allein es iſt kein Ort und
keine Zeit ſo ungluͤckſelig/ daß eitel Klodier/ kein
Cato leben ſolte. Jedes Land hat ſeine Wun-
werwercke und ſeine Mißgeburten nichts weni-
ger/ als ſeine Tage und ſeine Naͤchte. Keines iſt/
welches nicht ſeinen Hercules/ und ſeine Lucretia
auff die Schaubuͤhne ſtellen koͤnne. Und wo
Sonnen ſind/ giebt es auch Finſterniße. Ob wir
Deutſchen nun wohl dem beruͤhmten Armenien
eine ſo koͤſtliche Perle/ als ihre Koͤnigin Erato
iſt/ nicht mißgoͤnnen/ ſo rechnen wir es doch fuͤr

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Erſter Theil. J i i
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/487>, abgerufen am 22.11.2024.