Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
stand/ noch daß man sich auff keine Seite desFeindes schlüge/ verstattete/ sondern in dem man sein Lebenlang kämpffen/ und entweder sterben oder siegen müste. Die Keuschheit hät- te zwar zu ihrem Sinnbilde die weichen Lilgen/ aber sie müste mit Disteln umgeben seyn. Ja ihrem Bedüncken nach wäre die Rose ihr fügli- cher zuzueignen/ welche nicht nur an ihrer Far- be verschämt/ sondern mit so viel Dörnern ge- waffnet ist. Unter den Thieren wäre das grö- ste und zum Kriege geschickteste/ nemlich der E- lefant/ auch das keuscheste/ welches von keinem Ehebruche wüste. Die Keuschheit habe so viel Feinde/ als das menschliche Gemüthe unziem- liche Regungen; und so viel mehr gefährliche/ als sich mit Anmuth und Tugend vermummen/ und daher weniger kentbar und schwerer zu- rück zu treiben wären/ als welche einen mit Dreuen und Schnauben zum Kampff ausfor- dern. Also lasse sich der sonst wider den Ham- mer bestehende Marmel von weichen Regen- Tropffen abnützen; und der allen starcken Thie- ren so schreckliche Löwe von einer Wespe über- winden. Dahero sey Hercules/ nach dem er die Ungeheuer der Welt und der Hölle überwäl- tiget/ Alexander und Julius/ nach dem sie so viel Völcker bestritten/ so viel Reiche zermalmet/ von der Liebe untergedrückt worden/ und ihr Helden-Geist niedriger gewest/ als welchen die Keuschheit von nöthen habe. Ja die Natur schlage sich mit ihrem Triebe/ unsere eigene Sinnen mit ihrer Kitzelung auf die Seite die- ser so annehmlichen Widersacher; eröfneten ih- nen verrätherisch die Pforte des Hertzens; dahe- ro wie die unvermerckte Krafft des Magnets das so schwere und unbewegliche Eisen ohne un- sere Gewaltsamkeit an sich zeucht/ also werde der Liebreitz auch leicht Meister unsers Willens/ und vereinbare sich mit unser Zuneigung. Hin- gegen habe die Tapfferkeit keine so schlaue und schleichende/ sondern nur einen öffentlichen Feind/ nemlich die gewaltsame Antastung; und nebst ihr die Natur selbst zum Beystande; welche [Spaltenumbruch] für Abwendung aller Beleidigung allezeit Schildwache hält/ und das Böse abzulehnen dem Gemüthe einen angebohrnen Trieb/ iedem Gliede eine absondere Fähigkeit zu Beschir- mung des gantzen Leibes eingepflantzet hat; wenn die Keuschheit von niemanden als der ei- nigen Vernunft ihre Waffen zuentlehnen weiß. Also sey in alle Wege der Tapfferkeit viel leich- ter einem Riesen die Stange zu bieten/ als der Keuschheit die Zuneigungen des Gemüthes zu zwingen/ das Verlangen der Seele/ den Trieb der Sinnen zu dämpffen/ die Vergnügung als ein so scheinbares Gut aus den Händen zu schla- gen/ ja der Wollust obzusiegen/ einer so hartnä- ckichten und zugleich liebkosenden Feindin/ wel- cher weder die Gewalt der Starcken/ noch das Nachdencken der vorsichtigsten etwas leicht an- hat/ ob sie schon nicht mit Schwerd und Feuer/ sondern mit Blumen und Schneeballen an- greift. Jch geschweige/ daß die Liebe und Wol- lust insgemein noch viel mächtige Feinde auf den Kampf-Platz bringe; als den Geitz/ durch Aus- schüttung köstlicher Perlen/ unschätzbarer Edel- gesteine/ und des güldenen Regens/ wordurch man auch unzehlbare Schlösser aufsprenget/ und zu Danaen durch eiserne Riegel dringet; die Schmach und Schande/ wenn man der wi- derspenstigen Keuschheit grausamste Laster und knechtische Buhlschafft anzutichten dräuet/ die Ehrsucht/ wenn man ihre ungemeine Würden/ Purpur und Anbetungen vieler Völcker ver- heisset/ ja endlich den so grausam aussehenden Tod/ wenn ein brüllender Tarqvin einer Lucre- tia den Dolch ans Hertze setzt; wenn ein Wüte- rich auf einer Seite sein aus Sammet und At- las bereitetes Bette/ auf der andern Seite der Hencker Rad und glüende Zange fürleget; also die Keuschheit alle annehmliche Eitelkeit groß- müthig verachten/ alles schreckliche mit einer unbeweglichen Gedult ausstehen/ beydes aber durch eine mehr als heldenmäßige Hertzhafftig- keit überwinden/ ja mit ihrem eigenen Messer dem Nothzwange toller Brunst zuvor kommen/ und
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſtand/ noch daß man ſich auff keine Seite desFeindes ſchluͤge/ verſtattete/ ſondern in dem man ſein Lebenlang kaͤmpffen/ und entweder ſterben oder ſiegen muͤſte. Die Keuſchheit haͤt- te zwar zu ihrem Sinnbilde die weichen Lilgen/ aber ſie muͤſte mit Diſteln umgeben ſeyn. Ja ihrem Beduͤncken nach waͤre die Roſe ihr fuͤgli- cher zuzueignen/ welche nicht nur an ihrer Far- be verſchaͤmt/ ſondern mit ſo viel Doͤrnern ge- waffnet iſt. Unter den Thieren waͤre das groͤ- ſte und zum Kriege geſchickteſte/ nemlich der E- lefant/ auch das keuſcheſte/ welches von keinem Ehebruche wuͤſte. Die Keuſchheit habe ſo viel Feinde/ als das menſchliche Gemuͤthe unziem- liche Regungen; und ſo viel mehr gefaͤhrliche/ als ſich mit Anmuth und Tugend vermummen/ und daher weniger kentbar und ſchwerer zu- ruͤck zu treiben waͤren/ als welche einen mit Dreuen und Schnauben zum Kampff ausfor- dern. Alſo laſſe ſich der ſonſt wider den Ham- mer beſtehende Marmel von weichen Regen- Tropffen abnuͤtzen; und der allen ſtarcken Thie- ren ſo ſchreckliche Loͤwe von einer Weſpe uͤber- winden. Dahero ſey Hercules/ nach dem er die Ungeheuer der Welt und der Hoͤlle uͤberwaͤl- tiget/ Alexander und Julius/ nach dem ſie ſo viel Voͤlcker beſtritten/ ſo viel Reiche zermalmet/ von der Liebe untergedruͤckt worden/ und ihr Helden-Geiſt niedriger geweſt/ als welchen die Keuſchheit von noͤthen habe. Ja die Natur ſchlage ſich mit ihrem Triebe/ unſere eigene Sinnen mit ihrer Kitzelung auf die Seite die- ſer ſo annehmlichen Widerſacher; eroͤfneten ih- nen verraͤtheriſch die Pforte des Hertzens; dahe- ro wie die unvermerckte Krafft des Magnets das ſo ſchwere und unbewegliche Eiſen ohne un- ſere Gewaltſamkeit an ſich zeucht/ alſo werde der Liebreitz auch leicht Meiſter unſers Willens/ und vereinbare ſich mit unſer Zuneigung. Hin- gegen habe die Tapfferkeit keine ſo ſchlaue und ſchleichende/ ſondern nur einen oͤffentlichen Feind/ nemlich die gewaltſame Antaſtung; und nebſt ihr die Natur ſelbſt zum Beyſtande; welche [Spaltenumbruch] fuͤr Abwendung aller Beleidigung allezeit Schildwache haͤlt/ und das Boͤſe abzulehnen dem Gemuͤthe einen angebohrnen Trieb/ iedem Gliede eine abſondere Faͤhigkeit zu Beſchir- mung des gantzen Leibes eingepflantzet hat; wenn die Keuſchheit von niemanden als der ei- nigen Veꝛnunft ihre Waffen zuentlehnen weiß. Alſo ſey in alle Wege der Tapfferkeit viel leich- ter einem Rieſen die Stange zu bieten/ als der Keuſchheit die Zuneigungen des Gemuͤthes zu zwingen/ das Verlangen der Seele/ den Trieb der Sinnen zu daͤmpffen/ die Vergnuͤgung als ein ſo ſcheinbares Gut aus den Haͤnden zu ſchla- gen/ ja der Wolluſt obzuſiegen/ einer ſo hartnaͤ- ckichten und zugleich liebkoſenden Feindin/ wel- cher weder die Gewalt der Starcken/ noch das Nachdencken der vorſichtigſten etwas leicht an- hat/ ob ſie ſchon nicht mit Schwerd und Feuer/ ſondern mit Blumen und Schneeballen an- greift. Jch geſchweige/ daß die Liebe und Wol- luſt insgemein noch viel maͤchtige Feinde auf den Kampf-Platz bringe; als den Geitz/ durch Aus- ſchuͤttung koͤſtlicher Perlen/ unſchaͤtzbarer Edel- geſteine/ und des guͤldenen Regens/ wordurch man auch unzehlbare Schloͤſſer aufſprenget/ und zu Danaen durch eiſerne Riegel dringet; die Schmach und Schande/ wenn man der wi- derſpenſtigen Keuſchheit grauſamſte Laſter und knechtiſche Buhlſchafft anzutichten draͤuet/ die Ehrſucht/ wenn man ihre ungemeine Wuͤrden/ Purpur und Anbetungen vieler Voͤlcker ver- heiſſet/ ja endlich den ſo grauſam ausſehenden Tod/ wenn ein bruͤllender Tarqvin einer Lucre- tia den Dolch ans Hertze ſetzt; wenn ein Wuͤte- rich auf einer Seite ſein aus Sammet und At- las bereitetes Bette/ auf der andern Seite der Hencker Rad und gluͤende Zange fuͤrleget; alſo die Keuſchheit alle annehmliche Eitelkeit groß- muͤthig verachten/ alles ſchreckliche mit einer unbeweglichen Gedult ausſtehen/ beydes aber durch eine mehr als heldenmaͤßige Hertzhafftig- keit uͤberwinden/ ja mit ihrem eigenen Meſſer dem Nothzwange toller Brunſt zuvor kommen/ und
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Arminius und Thußnelda.
ſtand/ noch daß man ſich auff keine Seite des
Feindes ſchluͤge/ verſtattete/ ſondern in dem
man ſein Lebenlang kaͤmpffen/ und entweder
ſterben oder ſiegen muͤſte. Die Keuſchheit haͤt-
te zwar zu ihrem Sinnbilde die weichen Lilgen/
aber ſie muͤſte mit Diſteln umgeben ſeyn. Ja
ihrem Beduͤncken nach waͤre die Roſe ihr fuͤgli-
cher zuzueignen/ welche nicht nur an ihrer Far-
be verſchaͤmt/ ſondern mit ſo viel Doͤrnern ge-
waffnet iſt. Unter den Thieren waͤre das groͤ-
ſte und zum Kriege geſchickteſte/ nemlich der E-
lefant/ auch das keuſcheſte/ welches von keinem
Ehebruche wuͤſte. Die Keuſchheit habe ſo viel
Feinde/ als das menſchliche Gemuͤthe unziem-
liche Regungen; und ſo viel mehr gefaͤhrliche/
als ſich mit Anmuth und Tugend vermummen/
und daher weniger kentbar und ſchwerer zu-
ruͤck zu treiben waͤren/ als welche einen mit
Dreuen und Schnauben zum Kampff ausfor-
dern. Alſo laſſe ſich der ſonſt wider den Ham-
mer beſtehende Marmel von weichen Regen-
Tropffen abnuͤtzen; und der allen ſtarcken Thie-
ren ſo ſchreckliche Loͤwe von einer Weſpe uͤber-
winden. Dahero ſey Hercules/ nach dem er
die Ungeheuer der Welt und der Hoͤlle uͤberwaͤl-
tiget/ Alexander und Julius/ nach dem ſie ſo viel
Voͤlcker beſtritten/ ſo viel Reiche zermalmet/
von der Liebe untergedruͤckt worden/ und ihr
Helden-Geiſt niedriger geweſt/ als welchen die
Keuſchheit von noͤthen habe. Ja die Natur
ſchlage ſich mit ihrem Triebe/ unſere eigene
Sinnen mit ihrer Kitzelung auf die Seite die-
ſer ſo annehmlichen Widerſacher; eroͤfneten ih-
nen verraͤtheriſch die Pforte des Hertzens; dahe-
ro wie die unvermerckte Krafft des Magnets
das ſo ſchwere und unbewegliche Eiſen ohne un-
ſere Gewaltſamkeit an ſich zeucht/ alſo werde der
Liebreitz auch leicht Meiſter unſers Willens/
und vereinbare ſich mit unſer Zuneigung. Hin-
gegen habe die Tapfferkeit keine ſo ſchlaue und
ſchleichende/ ſondern nur einen oͤffentlichen
Feind/ nemlich die gewaltſame Antaſtung; und
nebſt ihr die Natur ſelbſt zum Beyſtande; welche
fuͤr Abwendung aller Beleidigung allezeit
Schildwache haͤlt/ und das Boͤſe abzulehnen
dem Gemuͤthe einen angebohrnen Trieb/ iedem
Gliede eine abſondere Faͤhigkeit zu Beſchir-
mung des gantzen Leibes eingepflantzet hat;
wenn die Keuſchheit von niemanden als der ei-
nigen Veꝛnunft ihre Waffen zuentlehnen weiß.
Alſo ſey in alle Wege der Tapfferkeit viel leich-
ter einem Rieſen die Stange zu bieten/ als der
Keuſchheit die Zuneigungen des Gemuͤthes zu
zwingen/ das Verlangen der Seele/ den Trieb
der Sinnen zu daͤmpffen/ die Vergnuͤgung als
ein ſo ſcheinbares Gut aus den Haͤnden zu ſchla-
gen/ ja der Wolluſt obzuſiegen/ einer ſo hartnaͤ-
ckichten und zugleich liebkoſenden Feindin/ wel-
cher weder die Gewalt der Starcken/ noch das
Nachdencken der vorſichtigſten etwas leicht an-
hat/ ob ſie ſchon nicht mit Schwerd und Feuer/
ſondern mit Blumen und Schneeballen an-
greift. Jch geſchweige/ daß die Liebe und Wol-
luſt insgemein noch viel maͤchtige Feinde auf den
Kampf-Platz bringe; als den Geitz/ durch Aus-
ſchuͤttung koͤſtlicher Perlen/ unſchaͤtzbarer Edel-
geſteine/ und des guͤldenen Regens/ wordurch
man auch unzehlbare Schloͤſſer aufſprenget/
und zu Danaen durch eiſerne Riegel dringet;
die Schmach und Schande/ wenn man der wi-
derſpenſtigen Keuſchheit grauſamſte Laſter und
knechtiſche Buhlſchafft anzutichten draͤuet/ die
Ehrſucht/ wenn man ihre ungemeine Wuͤrden/
Purpur und Anbetungen vieler Voͤlcker ver-
heiſſet/ ja endlich den ſo grauſam ausſehenden
Tod/ wenn ein bruͤllender Tarqvin einer Lucre-
tia den Dolch ans Hertze ſetzt; wenn ein Wuͤte-
rich auf einer Seite ſein aus Sammet und At-
las bereitetes Bette/ auf der andern Seite der
Hencker Rad und gluͤende Zange fuͤrleget; alſo
die Keuſchheit alle annehmliche Eitelkeit groß-
muͤthig verachten/ alles ſchreckliche mit einer
unbeweglichen Gedult ausſtehen/ beydes aber
durch eine mehr als heldenmaͤßige Hertzhafftig-
keit uͤberwinden/ ja mit ihrem eigenen Meſſer
dem Nothzwange toller Brunſt zuvor kommen/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/485>, abgerufen am 16.02.2025. |