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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Höfligkeit/ wie vorhin seiner Tapfferkeit zusam-
men/ einer so liebreichen Königin annehmlich
zu begegnen. Er strich ihre gegen die gewaf-
neten Sarmater erwiesene Hertzhafftigkeit mit
so hohen Lobsprüchen/ als es ihre herrliche That
verdiente/ und mit so lebhafften Farben heraus/
daß der Feldherr seine Thußnelda und die an-
dern Fürsten/ (welche ihre überstandene Eben-
theuer zu vernehmen begierig waren) alles
gleichsam noch einmal geschehen sahen. Er
verkleinerte seine Verdienste/ indem das Glü-
cke ihm in allem Thun die Hand geführet/ und
einen wilden Bären ihm zum Pferde und Weg-
weiser gemacht hätte; solte ja aber seine Tapffer-
keit etwas darbey gethan haben/ wäre ihr un-
vergleichliches Beyspiel für den Zunder zu hal-
ten/ welcher seinen Geist zu behertzten Ent-
schlüssungen angesteckt hätte. Dahero wäre
seine That nicht so wol aus eigner Würdigkeit/
als nur wegen so erfreulichen Ausschlages/ da
eine so tugendhaffte Königin aus einer so ab-
scheulichen Antastung errettet worden/ zu schä-
tzen. Hingegen überstiege ihre zusammen ver-
mählte Tapfferkeit und Keuschheit das Lob al-
ler Sterblichen/ zumal die einige Keuschheit oh-
ne diß für eine grössere Hertzhafftigkeit/ als aller
Welt-Eroberer Helden-Thaten zu achten wä-
re. Fürst Rhemetalces brach hier ein: Er
wäre verwundert über dieser grossen Heldin/
und der Neid selbst würde ihrem Ruhme ehe
was beysetzen müssen/ als einen Gran wegneh-
men können. Aber diß könne er nicht begreif-
fen/ wie die Keuschheit die eigenthümliche Tu-
gend des schwächeren Geschlechtes eine grössere
Hertz hafftigkeit/ als die Tapfferkeit der Helden
abgeben solle? Jene hätte ja meist ihre Anfech-
tung nur von anmuthigem Reitze und zucker-
nen Worten/ ihr Kampff geschehe in wohlrü-
chenden Zimmern; und die ihr am hefftigsten
zusetzten/ küsseten ihrem Feinde die Hände/ leg-
ten sich ihm unter die Füsse/ verschmertzten alle
Beleidigung/ gehorsamten ihrem Augenwinck/
[Spaltenumbruch] opfferten ihm Seuffzen und Thränen/ und
nicht selten ihre hellodernde Seele auff dem Al-
tar der Verzweiffelung auff. Also hätte die
Keuschheit mehr das Ansehn einer gebietenden
Käyserin/ als einer streitenden Amazone. Sie
liesse sich mehrmals die tiefste Demuth nicht er-
bitten; sie aber gebiete wol über Könige/ und la-
che derer/ die alle ihre Kräfften mit eben solchem
Vortheil an ihre Unbarmhertzigkeit/ als das
Meer seine Wellen an eine steile Klippe an-
schlagen. Hingegen müsse die Helden-Tu-
gend so vielen Todten die Stirne bieten/ als es
Pfeile in den Köchern der Feinde/ und Spitzen
an Degen eines versammleten Kriegs-Heeres
habe/ sie müsse über unwegbare Felsen/ durch
ungründbare Ströme/ auf geharnschte Mau-
ern/ wider Feuer und Schwerdter/ und den
Donner der Geschütze behertzt ansetzen/ welche
in der Welt grössere Schrecken und Mörde
stiffteten/ als der natürliche Blitz aus den Wol-
cken. Diese gewinne Schlachten/ erobere Fe-
stungen/ erwerbe Zepter und Kronen/ und zeh-
le ihre Uberwundene nach tausenden. Die hold-
selige Thußnelda begegnete dem Thracischen
Fürsten mit einer durchdringenden Anmuth/
daß nicht so wol die Selbstliebe ihres Geschlech-
tes/ als die Warheit sie nöthigte/ dem Fürsten
Jubil beyzufallen. Denn wenn man die eu-
serliche Bemühung des Leibes/ und ansehnliche
Geschickligkeit der Glieder/ weil die Tugenden
ja nicht in Fleisch und Beinen/ sondern im Ge-
müthe ihren Sitz hätten/ wegnehme/ würde
wenig mehr scheinbares für die Helden übrig
bleiben/ daß ihre Tapfferkeit sich der Hertzhaff-
tigkeit einer keuschen Frauen fürzücken solte.
Diese müste zu ihrer Ausübung nicht immer die
Sebel in der Hand/ Stahl und Feuer über dem
Kopffe/ blutige Hände und feurige Augen ha-
ben/ noch auf Leichen und Asche gehen. Jedoch
wäre die Keuschheit nicht nur eine Tugend des
Krieges/ sondern auch des Friedens; und zwar
eines so harten/ welcher weder einen Stille-

stand

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Hoͤfligkeit/ wie vorhin ſeiner Tapfferkeit zuſam-
men/ einer ſo liebreichen Koͤnigin annehmlich
zu begegnen. Er ſtrich ihre gegen die gewaf-
neten Sarmater erwieſene Hertzhafftigkeit mit
ſo hohen Lobſpruͤchen/ als es ihre herrliche That
verdiente/ und mit ſo lebhafften Farben heraus/
daß der Feldherr ſeine Thußnelda und die an-
dern Fuͤrſten/ (welche ihre uͤberſtandene Eben-
theuer zu vernehmen begierig waren) alles
gleichſam noch einmal geſchehen ſahen. Er
verkleinerte ſeine Verdienſte/ indem das Gluͤ-
cke ihm in allem Thun die Hand gefuͤhret/ und
einen wilden Baͤren ihm zum Pferde und Weg-
weiſer gemacht haͤtte; ſolte ja aber ſeine Tapffer-
keit etwas darbey gethan haben/ waͤre ihr un-
vergleichliches Beyſpiel fuͤr den Zunder zu hal-
ten/ welcher ſeinen Geiſt zu behertzten Ent-
ſchluͤſſungen angeſteckt haͤtte. Dahero waͤre
ſeine That nicht ſo wol aus eigner Wuͤrdigkeit/
als nur wegen ſo erfreulichen Ausſchlages/ da
eine ſo tugendhaffte Koͤnigin aus einer ſo ab-
ſcheulichen Antaſtung errettet worden/ zu ſchaͤ-
tzen. Hingegen uͤberſtiege ihre zuſammen ver-
maͤhlte Tapfferkeit und Keuſchheit das Lob al-
ler Sterblichen/ zumal die einige Keuſchheit oh-
ne diß fuͤr eine groͤſſere Hertzhafftigkeit/ als aller
Welt-Eroberer Helden-Thaten zu achten waͤ-
re. Fuͤrſt Rhemetalces brach hier ein: Er
waͤre verwundert uͤber dieſer groſſen Heldin/
und der Neid ſelbſt wuͤrde ihrem Ruhme ehe
was beyſetzen muͤſſen/ als einen Gran wegneh-
men koͤnnen. Aber diß koͤnne er nicht begreif-
fen/ wie die Keuſchheit die eigenthuͤmliche Tu-
gend des ſchwaͤcheren Geſchlechtes eine groͤſſere
Hertz hafftigkeit/ als die Tapfferkeit der Helden
abgeben ſolle? Jene haͤtte ja meiſt ihre Anfech-
tung nur von anmuthigem Reitze und zucker-
nen Worten/ ihr Kampff geſchehe in wohlruͤ-
chenden Zimmern; und die ihr am hefftigſten
zuſetzten/ kuͤſſeten ihrem Feinde die Haͤnde/ leg-
ten ſich ihm unter die Fuͤſſe/ verſchmertzten alle
Beleidigung/ gehorſamten ihrem Augenwinck/
[Spaltenumbruch] opfferten ihm Seuffzen und Thraͤnen/ und
nicht ſelten ihre hellodernde Seele auff dem Al-
tar der Verzweiffelung auff. Alſo haͤtte die
Keuſchheit mehr das Anſehn einer gebietenden
Kaͤyſerin/ als einer ſtreitenden Amazone. Sie
lieſſe ſich mehrmals die tiefſte Demuth nicht er-
bitten; ſie aber gebiete wol uͤber Koͤnige/ und la-
che derer/ die alle ihre Kraͤfften mit eben ſolchem
Vortheil an ihre Unbarmhertzigkeit/ als das
Meer ſeine Wellen an eine ſteile Klippe an-
ſchlagen. Hingegen muͤſſe die Helden-Tu-
gend ſo vielen Todten die Stirne bieten/ als es
Pfeile in den Koͤchern der Feinde/ und Spitzen
an Degen eines verſammleten Kriegs-Heeres
habe/ ſie muͤſſe uͤber unwegbare Felſen/ durch
ungruͤndbare Stroͤme/ auf geharnſchte Mau-
ern/ wider Feuer und Schwerdter/ und den
Donner der Geſchuͤtze behertzt anſetzen/ welche
in der Welt groͤſſere Schrecken und Moͤrde
ſtiffteten/ als der natuͤrliche Blitz aus den Wol-
cken. Dieſe gewinne Schlachten/ erobere Fe-
ſtungen/ erwerbe Zepter und Kronen/ und zeh-
le ihre Uberwundene nach tauſenden. Die hold-
ſelige Thußnelda begegnete dem Thraciſchen
Fuͤrſten mit einer durchdringenden Anmuth/
daß nicht ſo wol die Selbſtliebe ihres Geſchlech-
tes/ als die Warheit ſie noͤthigte/ dem Fuͤrſten
Jubil beyzufallen. Denn wenn man die eu-
ſerliche Bemuͤhung des Leibes/ und anſehnliche
Geſchickligkeit der Glieder/ weil die Tugenden
ja nicht in Fleiſch und Beinen/ ſondern im Ge-
muͤthe ihren Sitz haͤtten/ wegnehme/ wuͤrde
wenig mehr ſcheinbares fuͤr die Helden uͤbrig
bleiben/ daß ihre Tapfferkeit ſich der Hertzhaff-
tigkeit einer keuſchen Frauen fuͤrzuͤcken ſolte.
Dieſe muͤſte zu ihrer Ausuͤbung nicht immer die
Sebel in der Hand/ Stahl und Feuer uͤber dem
Kopffe/ blutige Haͤnde und feurige Augen ha-
ben/ noch auf Leichen und Aſche gehen. Jedoch
waͤre die Keuſchheit nicht nur eine Tugend des
Krieges/ ſondern auch des Friedens; und zwar
eines ſo harten/ welcher weder einen Stille-

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[430/0484] Vierdtes Buch Hoͤfligkeit/ wie vorhin ſeiner Tapfferkeit zuſam- men/ einer ſo liebreichen Koͤnigin annehmlich zu begegnen. Er ſtrich ihre gegen die gewaf- neten Sarmater erwieſene Hertzhafftigkeit mit ſo hohen Lobſpruͤchen/ als es ihre herrliche That verdiente/ und mit ſo lebhafften Farben heraus/ daß der Feldherr ſeine Thußnelda und die an- dern Fuͤrſten/ (welche ihre uͤberſtandene Eben- theuer zu vernehmen begierig waren) alles gleichſam noch einmal geſchehen ſahen. Er verkleinerte ſeine Verdienſte/ indem das Gluͤ- cke ihm in allem Thun die Hand gefuͤhret/ und einen wilden Baͤren ihm zum Pferde und Weg- weiſer gemacht haͤtte; ſolte ja aber ſeine Tapffer- keit etwas darbey gethan haben/ waͤre ihr un- vergleichliches Beyſpiel fuͤr den Zunder zu hal- ten/ welcher ſeinen Geiſt zu behertzten Ent- ſchluͤſſungen angeſteckt haͤtte. Dahero waͤre ſeine That nicht ſo wol aus eigner Wuͤrdigkeit/ als nur wegen ſo erfreulichen Ausſchlages/ da eine ſo tugendhaffte Koͤnigin aus einer ſo ab- ſcheulichen Antaſtung errettet worden/ zu ſchaͤ- tzen. Hingegen uͤberſtiege ihre zuſammen ver- maͤhlte Tapfferkeit und Keuſchheit das Lob al- ler Sterblichen/ zumal die einige Keuſchheit oh- ne diß fuͤr eine groͤſſere Hertzhafftigkeit/ als aller Welt-Eroberer Helden-Thaten zu achten waͤ- re. Fuͤrſt Rhemetalces brach hier ein: Er waͤre verwundert uͤber dieſer groſſen Heldin/ und der Neid ſelbſt wuͤrde ihrem Ruhme ehe was beyſetzen muͤſſen/ als einen Gran wegneh- men koͤnnen. Aber diß koͤnne er nicht begreif- fen/ wie die Keuſchheit die eigenthuͤmliche Tu- gend des ſchwaͤcheren Geſchlechtes eine groͤſſere Hertz hafftigkeit/ als die Tapfferkeit der Helden abgeben ſolle? Jene haͤtte ja meiſt ihre Anfech- tung nur von anmuthigem Reitze und zucker- nen Worten/ ihr Kampff geſchehe in wohlruͤ- chenden Zimmern; und die ihr am hefftigſten zuſetzten/ kuͤſſeten ihrem Feinde die Haͤnde/ leg- ten ſich ihm unter die Fuͤſſe/ verſchmertzten alle Beleidigung/ gehorſamten ihrem Augenwinck/ opfferten ihm Seuffzen und Thraͤnen/ und nicht ſelten ihre hellodernde Seele auff dem Al- tar der Verzweiffelung auff. Alſo haͤtte die Keuſchheit mehr das Anſehn einer gebietenden Kaͤyſerin/ als einer ſtreitenden Amazone. Sie lieſſe ſich mehrmals die tiefſte Demuth nicht er- bitten; ſie aber gebiete wol uͤber Koͤnige/ und la- che derer/ die alle ihre Kraͤfften mit eben ſolchem Vortheil an ihre Unbarmhertzigkeit/ als das Meer ſeine Wellen an eine ſteile Klippe an- ſchlagen. Hingegen muͤſſe die Helden-Tu- gend ſo vielen Todten die Stirne bieten/ als es Pfeile in den Koͤchern der Feinde/ und Spitzen an Degen eines verſammleten Kriegs-Heeres habe/ ſie muͤſſe uͤber unwegbare Felſen/ durch ungruͤndbare Stroͤme/ auf geharnſchte Mau- ern/ wider Feuer und Schwerdter/ und den Donner der Geſchuͤtze behertzt anſetzen/ welche in der Welt groͤſſere Schrecken und Moͤrde ſtiffteten/ als der natuͤrliche Blitz aus den Wol- cken. Dieſe gewinne Schlachten/ erobere Fe- ſtungen/ erwerbe Zepter und Kronen/ und zeh- le ihre Uberwundene nach tauſenden. Die hold- ſelige Thußnelda begegnete dem Thraciſchen Fuͤrſten mit einer durchdringenden Anmuth/ daß nicht ſo wol die Selbſtliebe ihres Geſchlech- tes/ als die Warheit ſie noͤthigte/ dem Fuͤrſten Jubil beyzufallen. Denn wenn man die eu- ſerliche Bemuͤhung des Leibes/ und anſehnliche Geſchickligkeit der Glieder/ weil die Tugenden ja nicht in Fleiſch und Beinen/ ſondern im Ge- muͤthe ihren Sitz haͤtten/ wegnehme/ wuͤrde wenig mehr ſcheinbares fuͤr die Helden uͤbrig bleiben/ daß ihre Tapfferkeit ſich der Hertzhaff- tigkeit einer keuſchen Frauen fuͤrzuͤcken ſolte. Dieſe muͤſte zu ihrer Ausuͤbung nicht immer die Sebel in der Hand/ Stahl und Feuer uͤber dem Kopffe/ blutige Haͤnde und feurige Augen ha- ben/ noch auf Leichen und Aſche gehen. Jedoch waͤre die Keuſchheit nicht nur eine Tugend des Krieges/ ſondern auch des Friedens; und zwar eines ſo harten/ welcher weder einen Stille- ſtand

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/484>, abgerufen am 25.11.2024.