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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Volck/ was nur zu Puteoli war/ in den
Schau-Platz/ also/ daß alle Strassen gantz
einsam blieben. Julia foderte auch selbst An-
tonien ab/ und wormit der gemachte Anschlag
ihr so viel weniger Verdacht verursachen kön-
te/ wenn ja iemand die Enlassung des Mure-
na wahrnehme/ erbot sie sich mit ihr die Stel-
len im Schau-Platze zu verwechseln. Es
dienet hieher nicht/ sagte Adgandester/ die
trefflichen Schauspiele zu erzehlen; diß aber
kan ich gleichwohl nicht verschweigen/ daß Her-
tzog Segimers Gesandter der Ritter von der
Lippe damahls zwey wilde Ochsen mit einem
Spieße von seinem Sitze herunter auff einen
Wurff getödtet habe. Ungeachtet dieser und
anderer vergnügender Begebnisse/ machte doch
die Gemüths-Unruhe der verliebten Julia und
Antonia nicht allein die lustigen Schau-Spie-
le/ sondern auch die annehmliche Gesellschafft
mehr vergnügt/ als die sonst traurige Einsam-
keit verdrüßlich. Das Verlangen machte ihnen
ieden Augenblick zum Jahre/ und das offtere
Auff- und zuziehen der goldgewürckten Für-
hänge verrieth gleichsam ihre Ungedult. So
bald nun das Ringen angehen solte/ trat An-
tonia von ihrem Fenster wie andere Frauen-
zimmer ab/ fügte sich/ der Julien Abrede nach/
ins untere Gemach/ allwo sie bey schon tun-
ckelem Abende von ihrem eingebildeten Mu-
rena auffs freundlichste bewillkommet und um-
armet ward. Die Liebe/ welche in solchen
Begebenheiten eine stumme Rednerin ist/ und
daß beyde ohne diß laut zu seyn wegen der
nahe daran stossenden fremden Zimmer nicht
für rathsam achteten/ verursachte/ daß dieser
zweyer gehender Liebhaber Jrrthum/ oder viel-
mehr Juliens Arglist länger als eine Viertel-
stunde verborgen blieb. Ja die keuscheste Anto-
nia ward nach Geniessung unterschiedener
Küsse endlich überwunden/ daß sie dem/ wel-
chem sie sich bereit selbst gewiedmet hatte/ auch
einen Kuß zu geben unterwand/ mit beyge-
[Spaltenumbruch] fügten Worten: Erkenne hieraus/ liebster Mu-
rena/ zu was für kühner Entschlüssung mich die
Hefftigkeit meiner Liebe verleitet. Uber die-
sen Worten vernahm sie einen tieffen Seuffzer/
und fühlte/ daß der sie bißher Umfassende die
Armen sincken ließ. Antonien kam diese Ent-
eusserung seltzam und verdächtig für; also strich
sie den Fürhang/ der für einer in der Mauer ver-
tiefften Ampel hieng/ auff die Seite/ welches
Licht ihr den leibhafften Drusus für Augen stell-
te/ beyde aber in ungemeine Bestürtzung setzte.
Nach dem sie eine gute Weile wie Marmelbil-
der gegen einander gestanden/ erholte sich end-
lich Antonia/ und fing an: Gehe hin Drusus/
ich glaube/ daß du/ wie ich/ nicht aus Vorsatz/
sondern aus Jrrthum gesündiget hast; Glau-
be aber/ wo du der Unschuld kein Laster auff-
bürden wilst/ daß ausser dir kein Mensch ie
Antonien geküsset habe/ oder ihr lebtage mehr
küssen werde. Sey auch vergewissert/ daß
meine Seele niemahls über deiner Kaltsinnig-
keit empfindlich/ noch gegen der göttlichen Ju-
lie eiffernd seyn wird. Denn da der Himmel
zweyerley Einflüsse verträgt/ und ein Stern
verliebt/ der andere abgeneigt macht; habe ich
nicht Ursache mich zu verwundern/ daß er wie
der Magnet zweyerley Ertzt; also Drusus An-
tonien verwirfft/ und Julien erwehlet. Ja wenn
diese zu lieben ein Laster wäre/ würde der Hoff
gantz Rom verjagen/ und sich selbst zur Wüste-
ney machen müssen. Weil sich dieses allhier
begab/ umhalsete Muräna in einem andern fin-
stern Zimmer Julien/ und sie ihn mit einer sol-
chen Empfindligkeit/ als eine so hefftige Liebe
verursachen kan. Sie beantwortete des Mu-
räna endliche Anredungen mit nichts als ver-
liebten Seuffzern/ und stillschweigenden Küs-
sen. Wie nun aber eine ziemliche Zeit vor-
bey gegangen war/ hob Muräna endlich
an: Hat dich denn/ liebste Antonie/ deine Lie-
be gantz stumm gemacht? und vermag sie mir die
angedeuteten wichtigen Angelegenheiten nicht

für-
Erster Theil. D d d

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Volck/ was nur zu Puteoli war/ in den
Schau-Platz/ alſo/ daß alle Straſſen gantz
einſam blieben. Julia foderte auch ſelbſt An-
tonien ab/ und wormit der gemachte Anſchlag
ihr ſo viel weniger Verdacht verurſachen koͤn-
te/ wenn ja iemand die Enlaſſung des Mure-
na wahrnehme/ erbot ſie ſich mit ihr die Stel-
len im Schau-Platze zu verwechſeln. Es
dienet hieher nicht/ ſagte Adgandeſter/ die
trefflichen Schauſpiele zu erzehlen; diß aber
kan ich gleichwohl nicht verſchweigen/ daß Her-
tzog Segimers Geſandter der Ritter von der
Lippe damahls zwey wilde Ochſen mit einem
Spieße von ſeinem Sitze herunter auff einen
Wurff getoͤdtet habe. Ungeachtet dieſer und
anderer vergnuͤgender Begebniſſe/ machte doch
die Gemuͤths-Unruhe der verliebten Julia und
Antonia nicht allein die luſtigen Schau-Spie-
le/ ſondern auch die annehmliche Geſellſchafft
mehr vergnuͤgt/ als die ſonſt traurige Einſam-
keit verdruͤßlich. Das Verlangen machte ihnen
ieden Augenblick zum Jahre/ und das offtere
Auff- und zuziehen der goldgewuͤrckten Fuͤr-
haͤnge verrieth gleichſam ihre Ungedult. So
bald nun das Ringen angehen ſolte/ trat An-
tonia von ihrem Fenſter wie andere Frauen-
zimmer ab/ fuͤgte ſich/ der Julien Abrede nach/
ins untere Gemach/ allwo ſie bey ſchon tun-
ckelem Abende von ihrem eingebildeten Mu-
rena auffs freundlichſte bewillkommet und um-
armet ward. Die Liebe/ welche in ſolchen
Begebenheiten eine ſtumme Rednerin iſt/ und
daß beyde ohne diß laut zu ſeyn wegen der
nahe daran ſtoſſenden fremden Zimmer nicht
fuͤr rathſam achteten/ verurſachte/ daß dieſer
zweyer gehender Liebhaber Jrrthum/ oder viel-
mehr Juliens Argliſt laͤnger als eine Viertel-
ſtunde verborgen blieb. Ja die keuſcheſte Anto-
nia ward nach Genieſſung unterſchiedener
Kuͤſſe endlich uͤberwunden/ daß ſie dem/ wel-
chem ſie ſich bereit ſelbſt gewiedmet hatte/ auch
einen Kuß zu geben unterwand/ mit beyge-
[Spaltenumbruch] fuͤgten Worten: Erkenne hieraus/ liebſter Mu-
rena/ zu was fuͤr kuͤhner Entſchluͤſſung mich die
Hefftigkeit meiner Liebe verleitet. Uber die-
ſen Worten vernahm ſie einen tieffen Seuffzer/
und fuͤhlte/ daß der ſie bißher Umfaſſende die
Armen ſincken ließ. Antonien kam dieſe Ent-
euſſerung ſeltzam und verdaͤchtig fuͤr; alſo ſtrich
ſie den Fuͤrhang/ der fuͤr einer in der Mauer ver-
tiefften Ampel hieng/ auff die Seite/ welches
Licht ihr den leibhafften Druſus fuͤr Augen ſtell-
te/ beyde aber in ungemeine Beſtuͤrtzung ſetzte.
Nach dem ſie eine gute Weile wie Marmelbil-
der gegen einander geſtanden/ erholte ſich end-
lich Antonia/ und fing an: Gehe hin Druſus/
ich glaube/ daß du/ wie ich/ nicht aus Vorſatz/
ſondern aus Jrrthum geſuͤndiget haſt; Glau-
be aber/ wo du der Unſchuld kein Laſter auff-
buͤrden wilſt/ daß auſſer dir kein Menſch ie
Antonien gekuͤſſet habe/ oder ihr lebtage mehr
kuͤſſen werde. Sey auch vergewiſſert/ daß
meine Seele niemahls uͤber deiner Kaltſinnig-
keit empfindlich/ noch gegen der goͤttlichen Ju-
lie eiffernd ſeyn wird. Denn da der Himmel
zweyerley Einfluͤſſe vertraͤgt/ und ein Stern
verliebt/ der andere abgeneigt macht; habe ich
nicht Urſache mich zu verwundern/ daß er wie
der Magnet zweyerley Ertzt; alſo Druſus An-
tonien verwirfft/ und Julien erwehlet. Ja wenn
dieſe zu lieben ein Laſter waͤre/ wuͤrde der Hoff
gantz Rom verjagen/ und ſich ſelbſt zur Wuͤſte-
ney machen muͤſſen. Weil ſich dieſes allhier
begab/ umhalſete Muraͤna in einem andern fin-
ſtern Zimmer Julien/ und ſie ihn mit einer ſol-
chen Empfindligkeit/ als eine ſo hefftige Liebe
verurſachen kan. Sie beantwortete des Mu-
raͤna endliche Anredungen mit nichts als ver-
liebten Seuffzern/ und ſtillſchweigenden Kuͤſ-
ſen. Wie nun aber eine ziemliche Zeit vor-
bey gegangen war/ hob Muraͤna endlich
an: Hat dich denn/ liebſte Antonie/ deine Lie-
be gantz ſtumm gemacht? und vermag ſie mir die
angedeuteten wichtigen Angelegenheiten nicht

fuͤr-
Erſter Theil. D d d
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/447>, abgerufen am 22.11.2024.