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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die
scharffsichtige Liebe nicht leicht eine Spur über-
sihet; fiel diese kurtze Schrifft Antonien alsofort
in die Augen/ welche/ als sie Octavien und den
Mecenas ihr von ferne folgen sahe/ unter der an-
genommenen Betrachtung etlicher ausländi-
ser Gewächse die Schrifft hin und wieder treten-
de mit ihren Fußstapfen ausleschte; hiermit aber
die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden
Murena zweyfach anzündete. Octavia/ An-
tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan-
der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene
Vorwerg des Käysers Julius/ das funfzehn
Ellen lange Marmel-Bild seines Schutz-Got-
tes zu schauen/ welches Augustus für etlichen
Tagen daselbst hatte aufrichten lassen/ und in
kriegischer Gestalt in der rechten Hand eine
Opfer-Schüssel/ in der lincken ein Horn des
Uberflusses hielt; die Uberschrifft war daran:
Dem Schutz-Gotte des Käysers Ju-
lius.
Von dar verfügten sie sich in das kost-
bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas
wegen daselbst in den warmen Bädern wieder
erlangter Gesundheit dem Esculapius aus
Ertzt eine Säule aufrichten ließ. Jnzwischen
aber verfügte sich Lucius Murena nach Puteoli/
und ließ daselbst den Weiher der Antonia/ als
wenn er brennte/ und mit den Flammen die
darinnen spielende Murene überschüttete/ mit
in einander versetzten vielfärbichten Steinen ab-
bilden/ und in eine weisse Marmel-Taffel dar-
unter graben:

Jhr Motten/ die ihr blind in heisse Fackeln flüget/
Die Flügel euch sengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir.
Weil ihr vom ersten Straal bald eingeäschert lieget;
Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit für.
Jch brenn' in dieser Fluth/ wormit ich mich osst kühle/
Und meine Liebes-Brunst nur so viel länger fühle.
Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene;
Jhr könnt ja wohl bestehn in Flammen/ weil ihr kalt.
Das Wasser aber/ das ich mir nur hier entlehne/
Jst nicht mein Element/ Feu'r ist mein Aussenthalt.
Die Glut/ die ihr lescht aus/ schlägt über mir zu sammen/
Die Liebe steckt mein Hertz/ ich diese Fluth in Flammen.
[Spaltenumbruch]
Jhr Würmer/ die ihr lebt in siedend-heissen Qvellen/
Und euch vom Schwefel nährt/ die ihr von Kält' erbleicht;
Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Höllen/
Daß ener Feuer-Kost weit meiner Speise weicht.
Denn ihr speist nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze
Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.

Dieses Bild und Gemählde schickte er nach
seiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu-
te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem
Vorwand/ daß es Antonia bestellet hätte/
solches in dem daran stehenden Spatzier-Saale
aufsetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und
Mecenas dahin zurücke kamen/ fanden sie diese
Neuerung/ und Antonia nicht ohne sonderbare
Entsetzung. Jedoch weil sie ihr leicht an den
Fingern ausrechnen konte/ woher dieses Eben-
theuer käme/ verstellte sie so viel möglich ihre
Gemüths-Veränderung/ und gab auf Octa-
viens Befragung für: Sie hätte für etlicher
Zeit diese Reime in dem Saale gefunden/ und
weil sie solche für des Virgilius Maro Gemäch-
te hielte; so hätte sie so wohl ihm zu Ehren/ als
ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnüß fertigen
lassen. Sie konte sich aber an dieser Schrifft
nicht satt lesen/ und ie länger sie selbter nachdach-
te/ ie klärer stellte selbte die heftige Liebe/ ja so gar
den darinnen deutlich ausgedrückten Nahmen des
Lucius Murena für Augen. Ob nun wohl bey-
der Liebe täglich zunahm/ sonderlich da dieses
Feuer im Hertzen so feste verschlossen blieb; so er-
eignete sich doch keine sichere Gelegenheit solche
gegeneinander auszulassen/ biß auf den anmu-
thigen April/ da bey Baulis das Fest der Ve-
nus von dem Römischen Frauenzimmer be-
gangen ward. Der Käyser Julius hat daselbst
der gebährenden Venus als der Mutter der
Julier einen so herrlichen Tempel/ als der zu
Rom ist/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen über
und über mit Britannischen Perlen gestücket/
geweihet/ und darein ihr künstliches vom Arche-
silaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey-
mal die Lebens-Grösse übertrifft/ und in der
rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken

drey

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die
ſcharffſichtige Liebe nicht leicht eine Spur uͤber-
ſihet; fiel dieſe kurtze Schrifft Antonien alſofort
in die Augen/ welche/ als ſie Octavien und den
Mecenas ihr von ferne folgen ſahe/ unter der an-
genommenen Betrachtung etlicher auslaͤndi-
ſer Gewaͤchſe die Schrifft hin und wieder treten-
de mit ihren Fußſtapfen ausleſchte; hiermit aber
die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden
Murena zweyfach anzuͤndete. Octavia/ An-
tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan-
der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene
Vorwerg des Kaͤyſers Julius/ das funfzehn
Ellen lange Marmel-Bild ſeines Schutz-Got-
tes zu ſchauen/ welches Auguſtus fuͤr etlichen
Tagen daſelbſt hatte aufrichten laſſen/ und in
kriegiſcher Geſtalt in der rechten Hand eine
Opfer-Schuͤſſel/ in der lincken ein Horn des
Uberfluſſes hielt; die Uberſchrifft war daran:
Dem Schutz-Gotte des Kaͤyſers Ju-
lius.
Von dar verfuͤgten ſie ſich in das koſt-
bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas
wegen daſelbſt in den warmen Baͤdern wieder
erlangter Geſundheit dem Eſculapius aus
Ertzt eine Saͤule aufrichten ließ. Jnzwiſchen
aber verfuͤgte ſich Lucius Murena nach Puteoli/
und ließ daſelbſt den Weiher der Antonia/ als
wenn er brennte/ und mit den Flammen die
darinnen ſpielende Murene uͤberſchuͤttete/ mit
in einander verſetzten vielfaͤrbichten Steinen ab-
bilden/ und in eine weiſſe Marmel-Taffel dar-
unter graben:

Jhr Motten/ die ihr blind in heiſſe Fackeln fluͤget/
Die Fluͤgel euch ſengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir.
Weil ihr vom erſten Straal bald eingeaͤſchert lieget;
Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fuͤr.
Jch brenn’ in dieſer Fluth/ wormit ich mich oſſt kuͤhle/
Und meine Liebes-Brunſt nur ſo viel laͤnger fuͤhle.
Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene;
Jhr koͤnnt ja wohl beſtehn in Flammen/ weil ihr kalt.
Das Waſſer aber/ das ich mir nur hier entlehne/
Jſt nicht mein Element/ Feu’r iſt mein Auſſenthalt.
Die Glut/ die ihr leſcht aus/ ſchlaͤgt uͤber mir zu ſammen/
Die Liebe ſteckt mein Hertz/ ich dieſe Fluth in Flammen.
[Spaltenumbruch]
Jhr Wuͤrmer/ die ihr lebt in ſiedend-heiſſen Qvellen/
Und euch vom Schwefel naͤhrt/ die ihr von Kaͤlt’ erbleicht;
Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Hoͤllen/
Daß ener Feuer-Koſt weit meiner Speiſe weicht.
Denn ihr ſpeiſt nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze
Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.

Dieſes Bild und Gemaͤhlde ſchickte er nach
ſeiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu-
te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem
Vorwand/ daß es Antonia beſtellet haͤtte/
ſolches in dem daran ſtehenden Spatzier-Saale
aufſetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und
Mecenas dahin zuruͤcke kamen/ fanden ſie dieſe
Neuerung/ und Antonia nicht ohne ſonderbare
Entſetzung. Jedoch weil ſie ihr leicht an den
Fingern ausrechnen konte/ woher dieſes Eben-
theuer kaͤme/ verſtellte ſie ſo viel moͤglich ihre
Gemuͤths-Veraͤnderung/ und gab auf Octa-
viens Befragung fuͤr: Sie haͤtte fuͤr etlicher
Zeit dieſe Reime in dem Saale gefunden/ und
weil ſie ſolche fuͤr des Virgilius Maro Gemaͤch-
te hielte; ſo haͤtte ſie ſo wohl ihm zu Ehren/ als
ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnuͤß fertigen
laſſen. Sie konte ſich aber an dieſer Schrifft
nicht ſatt leſen/ und ie laͤnger ſie ſelbter nachdach-
te/ ie klaͤrer ſtellte ſelbte die heftige Liebe/ ja ſo gar
den darinnen deutlich ausgedruͤcktẽ Nahmẽ des
Lucius Murena fuͤr Augen. Ob nun wohl bey-
der Liebe taͤglich zunahm/ ſonderlich da dieſes
Feuer im Hertzen ſo feſte verſchloſſen blieb; ſo er-
eignete ſich doch keine ſichere Gelegenheit ſolche
gegeneinander auszulaſſen/ biß auf den anmu-
thigen April/ da bey Baulis das Feſt der Ve-
nus von dem Roͤmiſchen Frauenzimmer be-
gangen ward. Der Kaͤyſer Julius hat daſelbſt
der gebaͤhrenden Venus als der Mutter der
Julier einen ſo herrlichen Tempel/ als der zu
Rom iſt/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen uͤber
und uͤber mit Britanniſchen Perlen geſtuͤcket/
geweihet/ und darein ihr kuͤnſtliches vom Arche-
ſilaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey-
mal die Lebens-Groͤſſe uͤbertrifft/ und in der
rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken

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[388/0442] Vierdtes Buch in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die ſcharffſichtige Liebe nicht leicht eine Spur uͤber- ſihet; fiel dieſe kurtze Schrifft Antonien alſofort in die Augen/ welche/ als ſie Octavien und den Mecenas ihr von ferne folgen ſahe/ unter der an- genommenen Betrachtung etlicher auslaͤndi- ſer Gewaͤchſe die Schrifft hin und wieder treten- de mit ihren Fußſtapfen ausleſchte; hiermit aber die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden Murena zweyfach anzuͤndete. Octavia/ An- tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan- der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene Vorwerg des Kaͤyſers Julius/ das funfzehn Ellen lange Marmel-Bild ſeines Schutz-Got- tes zu ſchauen/ welches Auguſtus fuͤr etlichen Tagen daſelbſt hatte aufrichten laſſen/ und in kriegiſcher Geſtalt in der rechten Hand eine Opfer-Schuͤſſel/ in der lincken ein Horn des Uberfluſſes hielt; die Uberſchrifft war daran: Dem Schutz-Gotte des Kaͤyſers Ju- lius. Von dar verfuͤgten ſie ſich in das koſt- bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas wegen daſelbſt in den warmen Baͤdern wieder erlangter Geſundheit dem Eſculapius aus Ertzt eine Saͤule aufrichten ließ. Jnzwiſchen aber verfuͤgte ſich Lucius Murena nach Puteoli/ und ließ daſelbſt den Weiher der Antonia/ als wenn er brennte/ und mit den Flammen die darinnen ſpielende Murene uͤberſchuͤttete/ mit in einander verſetzten vielfaͤrbichten Steinen ab- bilden/ und in eine weiſſe Marmel-Taffel dar- unter graben: Jhr Motten/ die ihr blind in heiſſe Fackeln fluͤget/ Die Fluͤgel euch ſengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir. Weil ihr vom erſten Straal bald eingeaͤſchert lieget; Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fuͤr. Jch brenn’ in dieſer Fluth/ wormit ich mich oſſt kuͤhle/ Und meine Liebes-Brunſt nur ſo viel laͤnger fuͤhle. Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene; Jhr koͤnnt ja wohl beſtehn in Flammen/ weil ihr kalt. Das Waſſer aber/ das ich mir nur hier entlehne/ Jſt nicht mein Element/ Feu’r iſt mein Auſſenthalt. Die Glut/ die ihr leſcht aus/ ſchlaͤgt uͤber mir zu ſammen/ Die Liebe ſteckt mein Hertz/ ich dieſe Fluth in Flammen. Jhr Wuͤrmer/ die ihr lebt in ſiedend-heiſſen Qvellen/ Und euch vom Schwefel naͤhrt/ die ihr von Kaͤlt’ erbleicht; Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Hoͤllen/ Daß ener Feuer-Koſt weit meiner Speiſe weicht. Denn ihr ſpeiſt nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze. Dieſes Bild und Gemaͤhlde ſchickte er nach ſeiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu- te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem Vorwand/ daß es Antonia beſtellet haͤtte/ ſolches in dem daran ſtehenden Spatzier-Saale aufſetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und Mecenas dahin zuruͤcke kamen/ fanden ſie dieſe Neuerung/ und Antonia nicht ohne ſonderbare Entſetzung. Jedoch weil ſie ihr leicht an den Fingern ausrechnen konte/ woher dieſes Eben- theuer kaͤme/ verſtellte ſie ſo viel moͤglich ihre Gemuͤths-Veraͤnderung/ und gab auf Octa- viens Befragung fuͤr: Sie haͤtte fuͤr etlicher Zeit dieſe Reime in dem Saale gefunden/ und weil ſie ſolche fuͤr des Virgilius Maro Gemaͤch- te hielte; ſo haͤtte ſie ſo wohl ihm zu Ehren/ als ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnuͤß fertigen laſſen. Sie konte ſich aber an dieſer Schrifft nicht ſatt leſen/ und ie laͤnger ſie ſelbter nachdach- te/ ie klaͤrer ſtellte ſelbte die heftige Liebe/ ja ſo gar den darinnen deutlich ausgedruͤcktẽ Nahmẽ des Lucius Murena fuͤr Augen. Ob nun wohl bey- der Liebe taͤglich zunahm/ ſonderlich da dieſes Feuer im Hertzen ſo feſte verſchloſſen blieb; ſo er- eignete ſich doch keine ſichere Gelegenheit ſolche gegeneinander auszulaſſen/ biß auf den anmu- thigen April/ da bey Baulis das Feſt der Ve- nus von dem Roͤmiſchen Frauenzimmer be- gangen ward. Der Kaͤyſer Julius hat daſelbſt der gebaͤhrenden Venus als der Mutter der Julier einen ſo herrlichen Tempel/ als der zu Rom iſt/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen uͤber und uͤber mit Britanniſchen Perlen geſtuͤcket/ geweihet/ und darein ihr kuͤnſtliches vom Arche- ſilaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey- mal die Lebens-Groͤſſe uͤbertrifft/ und in der rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken drey

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/442>, abgerufen am 25.11.2024.