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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] endlich ihre Unwürdigkeit; und die Wahrheit
ist von solchem Nachdrucke/ daß selbte weder
Feinde noch Heuchler vertilgen können. Da-
hero denn auch die Römer selbst wider Willen
frey heraus sagen/ daß den Ausländern nicht so
wol die Herrschafft/ als die Laster der Römer un-
erträglich wären. Also ereignete sich nach obi-
gem Abzuge des Drusus aus Deutschland/ daß
die Römische Besatzung aus Antonach und Bin-
gium den Catten mit täglichen Raubereyen be-
schwerlich waren. Wie nun diese nach aller
Völcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne-
ten; und mehrmals die Römer den kürtzern zo-
hen; von Drusus/ welcher gleich damals nebst
dem Qvintius Crispinus Bürgermeister war/
Anlaß zum dritten mal sein Heil in Deutschland
zu versuchen; sonderlich da die Catten und Che-
rusker selbst wider einander in Haaren lagen/
und Deutschland seine Hände in eigenem Blu-
te wusch. Diese Gelegenheit brauchte Drusus
zu einer Schein-Ursache eines neuen Zuges in
Deutschland; ungeachtet der Blitz in den Capi-
tolinischen Tempel schlug/ und die vom Drusus
aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem
fielen; Also die Wahrsager ihm wenig gutes
andeuteten/ der Käyser ihn auch ungerne von
sich ließ; wiewohl Drusus viel einen andern
Dorn im Fusse stecken hatte; dessen Erzehlung
aber vielleicht anzuhören der Versammlung be-
schwerlich fallen dörffte.

Als nun aber Rhemetalces und die andern
Fürsten Adgandestern anlagen/ diese Heimlig-
keit ihnen nicht zu verschweigen; vollführte er
seine Erzehlung folgender Gestalt: Der be-
rühmte Marcus Antonius/ dessen Geschlechte
vom Hercules seinen Uhrsprung haben soll/ hat
mit Octavien des Käysers Augustus Schwe-
ster zwey Töchter erzeuget; derer eine Domi-
tius-Enobarbus heyrathete. Die andere und
jüngste Nahmens Antonia/ war von der Natur
mit fürtreflicher Schönheit begabt/ und so wol
der einige Trost ihrer Mutter/ als ein Schoß-
[Spaltenumbruch] Kind des Käysers. Weil nun die Schönheit/
als die Mutter der Anmuth für sich selbst eine
geschwinde Jägerin abgiebt/ die Augen und
Hertzen leicht in ihre Garne bringt/ und man
auf dasselbe Bild so viel mehr die Augen wirfft/
das eine so grosse Sonne bestrahlet; entzündete
Antonia viel Hertzen/ ehe sie noch selbst wuste/
was sie für Feuer in sich selbst stecken hatte. A-
ber sie erfuhr zeitlich genung/ daß nichts anfälli-
ger als die Liebe wäre; und daß kein Licht von
dem andern so geschwinde Feuer/ als eine zarte
Seele diese süsse Empfindligkeit des andern Al-
ters fange. Denn als einsmahls an des Käy-
sers Geburts-Tage der Kern des Römischen
Adels sich mit prächtigen Aufzügen/ Rennen/
und andern Freuden spielen sehen ließ; Gewan
ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius
Muräna den Preiß/ und zugleich das Hertze
Antoniens. Seine Gestalt/ seine hohe Ankunft/
und seine Tapfferkeit schätzte sie anfangs ihres
Ruhmes/ hernach ihrer Gewogenheit würdig.
Diese Blüte der Liebe aber verwandelte sich
nach und nach unvermerckt in einen vollkomme-
nen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Glücke
insgemein der Liebe ein Bein unter zuschlagen
gewohnet ist; fühlte Antonia nicht so geschwinde
in ihrer Seele diesen anmuthigen Zunder; Als
der Käyser und Octavia auff Anstifftung der
Livia ihr einen Vorschlag thäten sich mit dem
Claudius Drusus zu verheyrathen. Dieser
Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter
Donnerschlag/ und ein rechter Wirbelwind/
der ihre Ruhe des Gemüthes in völlige Unru-
he versetzte. Wie aber die Liebe eine geschwinde
Erfinderin ist; Also war die junge Antonia also-
fort so klug/ daß sie mit ihrer Jugend und aller-
ley anderm Fürwand ihre Entschlüssung ins
weite Feld zu spielen wuste. Jnzwischen wuchs
ihre Liebe gegen den Muräna von Tag zu Tage/
und zwar so viel hefftiger/ weil sie Drusus durch
seine Liebesbezeugungen zuverdringen suchte;
sie aber ihr Hertze gegen keinem Menschen/ am

wenig-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] endlich ihre Unwuͤrdigkeit; und die Wahrheit
iſt von ſolchem Nachdrucke/ daß ſelbte weder
Feinde noch Heuchler vertilgen koͤnnen. Da-
hero denn auch die Roͤmer ſelbſt wider Willen
frey heraus ſagen/ daß den Auslaͤndern nicht ſo
wol die Herrſchafft/ als die Laſter der Roͤmer un-
ertraͤglich waͤren. Alſo ereignete ſich nach obi-
gem Abzuge des Druſus aus Deutſchland/ daß
die Roͤmiſche Beſatzung aus Antonach und Bin-
gium den Catten mit taͤglichen Raubereyen be-
ſchwerlich waren. Wie nun dieſe nach aller
Voͤlcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne-
ten; und mehrmals die Roͤmer den kuͤrtzern zo-
hen; von Druſus/ welcher gleich damals nebſt
dem Qvintius Criſpinus Buͤrgermeiſter war/
Anlaß zum dritten mal ſein Heil in Deutſchland
zu verſuchen; ſonderlich da die Catten und Che-
rusker ſelbſt wider einander in Haaren lagen/
und Deutſchland ſeine Haͤnde in eigenem Blu-
te wuſch. Dieſe Gelegenheit brauchte Druſus
zu einer Schein-Urſache eines neuen Zuges in
Deutſchland; ungeachtet der Blitz in den Capi-
toliniſchen Tempel ſchlug/ und die vom Druſus
aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem
fielen; Alſo die Wahrſager ihm wenig gutes
andeuteten/ der Kaͤyſer ihn auch ungerne von
ſich ließ; wiewohl Druſus viel einen andern
Dorn im Fuſſe ſtecken hatte; deſſen Erzehlung
aber vielleicht anzuhoͤren der Verſammlung be-
ſchwerlich fallen doͤrffte.

Als nun aber Rhemetalces und die andern
Fuͤrſten Adgandeſtern anlagen/ dieſe Heimlig-
keit ihnen nicht zu verſchweigen; vollfuͤhrte er
ſeine Erzehlung folgender Geſtalt: Der be-
ruͤhmte Marcus Antonius/ deſſen Geſchlechte
vom Hercules ſeinen Uhrſprung haben ſoll/ hat
mit Octavien des Kaͤyſers Auguſtus Schwe-
ſter zwey Toͤchter erzeuget; derer eine Domi-
tius-Enobarbus heyrathete. Die andere und
juͤngſte Nahmens Antonia/ war von der Natur
mit fuͤrtreflicher Schoͤnheit begabt/ und ſo wol
der einige Troſt ihrer Mutter/ als ein Schoß-
[Spaltenumbruch] Kind des Kaͤyſers. Weil nun die Schoͤnheit/
als die Mutter der Anmuth fuͤr ſich ſelbſt eine
geſchwinde Jaͤgerin abgiebt/ die Augen und
Hertzen leicht in ihre Garne bringt/ und man
auf daſſelbe Bild ſo viel mehr die Augen wirfft/
das eine ſo groſſe Sonne beſtrahlet; entzuͤndete
Antonia viel Hertzen/ ehe ſie noch ſelbſt wuſte/
was ſie fuͤr Feuer in ſich ſelbſt ſtecken hatte. A-
ber ſie erfuhr zeitlich genung/ daß nichts anfaͤlli-
ger als die Liebe waͤre; und daß kein Licht von
dem andern ſo geſchwinde Feuer/ als eine zarte
Seele dieſe ſuͤſſe Empfindligkeit des andern Al-
ters fange. Denn als einsmahls an des Kaͤy-
ſers Geburts-Tage der Kern des Roͤmiſchen
Adels ſich mit praͤchtigen Aufzuͤgen/ Rennen/
und andern Freuden ſpielen ſehen ließ; Gewan
ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius
Muraͤna den Preiß/ und zugleich das Hertze
Antoniens. Seine Geſtalt/ ſeine hohe Ankunft/
und ſeine Tapfferkeit ſchaͤtzte ſie anfangs ihres
Ruhmes/ hernach ihrer Gewogenheit wuͤrdig.
Dieſe Bluͤte der Liebe aber verwandelte ſich
nach und nach unvermerckt in einen vollkomme-
nen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Gluͤcke
insgemein der Liebe ein Bein unter zuſchlagen
gewohnet iſt; fuͤhlte Antonia nicht ſo geſchwinde
in ihrer Seele dieſen anmuthigen Zunder; Als
der Kaͤyſer und Octavia auff Anſtifftung der
Livia ihr einen Vorſchlag thaͤten ſich mit dem
Claudius Druſus zu verheyrathen. Dieſer
Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter
Donnerſchlag/ und ein rechter Wirbelwind/
der ihre Ruhe des Gemuͤthes in voͤllige Unru-
he verſetzte. Wie aber die Liebe eine geſchwinde
Erfinderin iſt; Alſo war die junge Antonia alſo-
fort ſo klug/ daß ſie mit ihrer Jugend und aller-
ley anderm Fuͤrwand ihre Entſchluͤſſung ins
weite Feld zu ſpielen wuſte. Jnzwiſchen wuchs
ihre Liebe gegen den Muraͤna von Tag zu Tage/
und zwar ſo viel hefftiger/ weil ſie Druſus durch
ſeine Liebesbezeugungen zuverdringen ſuchte;
ſie aber ihr Hertze gegen keinem Menſchen/ am

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[384/0438] Vierdtes Buch endlich ihre Unwuͤrdigkeit; und die Wahrheit iſt von ſolchem Nachdrucke/ daß ſelbte weder Feinde noch Heuchler vertilgen koͤnnen. Da- hero denn auch die Roͤmer ſelbſt wider Willen frey heraus ſagen/ daß den Auslaͤndern nicht ſo wol die Herrſchafft/ als die Laſter der Roͤmer un- ertraͤglich waͤren. Alſo ereignete ſich nach obi- gem Abzuge des Druſus aus Deutſchland/ daß die Roͤmiſche Beſatzung aus Antonach und Bin- gium den Catten mit taͤglichen Raubereyen be- ſchwerlich waren. Wie nun dieſe nach aller Voͤlcker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehne- ten; und mehrmals die Roͤmer den kuͤrtzern zo- hen; von Druſus/ welcher gleich damals nebſt dem Qvintius Criſpinus Buͤrgermeiſter war/ Anlaß zum dritten mal ſein Heil in Deutſchland zu verſuchen; ſonderlich da die Catten und Che- rusker ſelbſt wider einander in Haaren lagen/ und Deutſchland ſeine Haͤnde in eigenem Blu- te wuſch. Dieſe Gelegenheit brauchte Druſus zu einer Schein-Urſache eines neuen Zuges in Deutſchland; ungeachtet der Blitz in den Capi- toliniſchen Tempel ſchlug/ und die vom Druſus aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem fielen; Alſo die Wahrſager ihm wenig gutes andeuteten/ der Kaͤyſer ihn auch ungerne von ſich ließ; wiewohl Druſus viel einen andern Dorn im Fuſſe ſtecken hatte; deſſen Erzehlung aber vielleicht anzuhoͤren der Verſammlung be- ſchwerlich fallen doͤrffte. Als nun aber Rhemetalces und die andern Fuͤrſten Adgandeſtern anlagen/ dieſe Heimlig- keit ihnen nicht zu verſchweigen; vollfuͤhrte er ſeine Erzehlung folgender Geſtalt: Der be- ruͤhmte Marcus Antonius/ deſſen Geſchlechte vom Hercules ſeinen Uhrſprung haben ſoll/ hat mit Octavien des Kaͤyſers Auguſtus Schwe- ſter zwey Toͤchter erzeuget; derer eine Domi- tius-Enobarbus heyrathete. Die andere und juͤngſte Nahmens Antonia/ war von der Natur mit fuͤrtreflicher Schoͤnheit begabt/ und ſo wol der einige Troſt ihrer Mutter/ als ein Schoß- Kind des Kaͤyſers. Weil nun die Schoͤnheit/ als die Mutter der Anmuth fuͤr ſich ſelbſt eine geſchwinde Jaͤgerin abgiebt/ die Augen und Hertzen leicht in ihre Garne bringt/ und man auf daſſelbe Bild ſo viel mehr die Augen wirfft/ das eine ſo groſſe Sonne beſtrahlet; entzuͤndete Antonia viel Hertzen/ ehe ſie noch ſelbſt wuſte/ was ſie fuͤr Feuer in ſich ſelbſt ſtecken hatte. A- ber ſie erfuhr zeitlich genung/ daß nichts anfaͤlli- ger als die Liebe waͤre; und daß kein Licht von dem andern ſo geſchwinde Feuer/ als eine zarte Seele dieſe ſuͤſſe Empfindligkeit des andern Al- ters fange. Denn als einsmahls an des Kaͤy- ſers Geburts-Tage der Kern des Roͤmiſchen Adels ſich mit praͤchtigen Aufzuͤgen/ Rennen/ und andern Freuden ſpielen ſehen ließ; Gewan ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius Muraͤna den Preiß/ und zugleich das Hertze Antoniens. Seine Geſtalt/ ſeine hohe Ankunft/ und ſeine Tapfferkeit ſchaͤtzte ſie anfangs ihres Ruhmes/ hernach ihrer Gewogenheit wuͤrdig. Dieſe Bluͤte der Liebe aber verwandelte ſich nach und nach unvermerckt in einen vollkomme- nen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Gluͤcke insgemein der Liebe ein Bein unter zuſchlagen gewohnet iſt; fuͤhlte Antonia nicht ſo geſchwinde in ihrer Seele dieſen anmuthigen Zunder; Als der Kaͤyſer und Octavia auff Anſtifftung der Livia ihr einen Vorſchlag thaͤten ſich mit dem Claudius Druſus zu verheyrathen. Dieſer Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter Donnerſchlag/ und ein rechter Wirbelwind/ der ihre Ruhe des Gemuͤthes in voͤllige Unru- he verſetzte. Wie aber die Liebe eine geſchwinde Erfinderin iſt; Alſo war die junge Antonia alſo- fort ſo klug/ daß ſie mit ihrer Jugend und aller- ley anderm Fuͤrwand ihre Entſchluͤſſung ins weite Feld zu ſpielen wuſte. Jnzwiſchen wuchs ihre Liebe gegen den Muraͤna von Tag zu Tage/ und zwar ſo viel hefftiger/ weil ſie Druſus durch ſeine Liebesbezeugungen zuverdringen ſuchte; ſie aber ihr Hertze gegen keinem Menſchen/ am wenig-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/438>, abgerufen am 25.11.2024.