Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
gen. Wie nun andere Gefangene diesen Be-richt bestärckten/ wunderte er sich über der Red- ligkeit dieses gefangenen Fürsten; welche des Römischen Raths überwog/ da sie ihren Feind den König Pyrrhus selbst für Gifft warnig- ten/ als sein Artzt Timochares ihm zu verge- ben antrug. Wormit aber Drusus so viel- mehr erforschte: Ob Theudo aus Heucheley um dardurch seinen Uberwinder zu besänfftigen/ o- der aus Großmüthigkeit/ ihn gewarniget hät- te/ fragte er ihn: Warum er wider die Römer die Waffen ergriffen/ und den Batavern Hülf- fe geleistet hätte? Theudo antwortete mit lä- chelndem Munde/ und unveränderter Stim- me: Weil ich die Römer für allzu herrschens- süchtig/ die Friesen aber für unüberwindlich ge- halten. Als nun Drusus ferner erkundigte: Ob er diesen seinen Fehler nunmehr bereuete? versetzte Theudo: Kein Unfall vermöge die Tu- gend so zu verstellen/ daß man sich derselben schämen/ oder gereuen lassen solte. Auff fer- nere Frage des Drusus/ wie er in seiner Ge- fängniß verhalten wolte seyn; erklärte sich Theu- do sonder die geringste Veränderung des Ge- sichtes und der Geberden./ wie er meinte/ daß es dem Sieger vorträglich/ und der Uberwun- dene würdig wäre. Drusus sahe über so hertz- haffter Antwort diesen unerschrockenen Fürsten eine gute Weile an/ und nach einem nachdenckli- chen Stilleschweigen fragte er ihn ferner: Ob er wohl mit seinen Friesen dem Römischen Volcke treu verbleiben wolte/ da ihm selbige länger zu beherrschen verstattet würde? Theu- do antwortete so ernsthafft als vorher/ und als wenn es ihm gleich gielte/ ob er wieder zur Herrschafft kommen möchte oder nicht: Ja/ so lange die Römer die Friesen als auffgenom- mene Freunde und Bunds-Genossen/ nicht als Knechte handeln würden. Drusus war hie[r]über so vergnügt/ daß er ihm alsofort die Ketten abnehmen ließ/ die Gefangenen loß- gab/ und den Theudo gegen Versprechen wi- [Spaltenumbruch] der die Römer nicht mehr zu kriegen und jähr- lich tausend Ochsenhäute zu zinsen/ in seiner völligen Herrschafft bestetigte. Malovend brach dem Adgandester ein: Es solte ein Fürst in allewege sein Antlitz nicht mit seinem Glü- cke verändern/ sondern dem Widrigen und dem Uberwinder gerade ins Gesichte sehen. Denn die Kleinmüthigkeit des Uberwunde- nen wäre dem Sieger selbst schimpflich/ sei- ne Hertzhafftigkeit aber gereichte ihm zur Eh- re/ und dem Bezwungenen zur Wohlfarth. Da hingegen die Furcht den Grimm des Fein- des nicht mildert/ noch das Schrecken ieman- den aus der Gefahr zeucht/ sondern vielmehr sein Gegentheil muthiger/ die Seinigen aber kleinmüthig macht/ welche aus dem Antlitze ihres Fürsten/ wie aus denen umbhaubten Gipffeln der Berge das bevorstehende Unge- witter wahrnehmen. Alles diß begegnete dem so verzagten Pompejus/ welchem nicht so viel der Verlust der Schlacht/ als daß er ihm die Kennzeichen eines Römischen Feldherrn selbst abnahm/ schadete/ und durch seine Erniedri- gung eines Verschnittenen Hand wider sich be- hertzt machte. Ja es schämte sich Emilius/ daß er an dem fußfälligen Perseus einen Knecht/ keinen Fürsten überwunden hatte. Der Römische Rath konte die Rede des weibischen Prusia nicht aushören/ sondern verspeyete seine Zagheit/ als er in Sclaven-Kleidern und mit beschornem Kopffe für den Römischen Gesand- ten zu Bodem fiel/ sich einen Freygelassenen deß Römischen Volcks/ die Rathsherren aber seine Götter schalt/ und die Schwelle des Rath- hauses küßte. Hingegen hat der gefangene Hermundurer Hertzog Socas durch seine Großmüthigkeit sein Leben und Ehre errettet/ als er Marcomirn/ ungeachtet schärffster Be- dräuungen/ die belägerte Festung Elbburg auf- zugeben seinen Kriegsleuten nicht befehlen wol- te; Auch als ihm über dem Schach-Spiele das Leben abgesagt ward/ er sich daran nichts irren
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
gen. Wie nun andere Gefangene dieſen Be-richt beſtaͤrckten/ wunderte er ſich uͤber der Red- ligkeit dieſes gefangenen Fuͤrſten; welche des Roͤmiſchen Raths uͤberwog/ da ſie ihren Feind den Koͤnig Pyrrhus ſelbſt fuͤr Gifft warnig- ten/ als ſein Artzt Timochares ihm zu verge- ben antrug. Wormit aber Druſus ſo viel- mehr erforſchte: Ob Theudo aus Heucheley um dardurch ſeinen Uberwinder zu beſaͤnfftigen/ o- der aus Großmuͤthigkeit/ ihn gewarniget haͤt- te/ fragte er ihn: Warum er wider die Roͤmer die Waffen ergriffen/ und den Batavern Huͤlf- fe geleiſtet haͤtte? Theudo antwortete mit laͤ- chelndem Munde/ und unveraͤnderter Stim- me: Weil ich die Roͤmer fuͤr allzu herrſchens- ſuͤchtig/ die Frieſen aber fuͤr unuͤberwindlich ge- halten. Als nun Druſus ferner erkundigte: Ob er dieſen ſeinen Fehler nunmehr bereuete? verſetzte Theudo: Kein Unfall vermoͤge die Tu- gend ſo zu verſtellen/ daß man ſich derſelben ſchaͤmen/ oder gereuen laſſen ſolte. Auff fer- nere Frage des Druſus/ wie er in ſeiner Ge- faͤngniß verhalten wolte ſeyn; erklaͤrte ſich Theu- do ſonder die geringſte Veraͤnderung des Ge- ſichtes und der Geberden./ wie er meinte/ daß es dem Sieger vortraͤglich/ und der Uberwun- dene wuͤrdig waͤre. Druſus ſahe uͤber ſo hertz- haffter Antwort dieſen unerſchrockenen Fuͤrſten eine gute Weile an/ und nach einem nachdenckli- chen Stilleſchweigen fragte er ihn ferner: Ob er wohl mit ſeinen Frieſen dem Roͤmiſchen Volcke treu verbleiben wolte/ da ihm ſelbige laͤnger zu beherrſchen verſtattet wuͤrde? Theu- do antwortete ſo ernſthafft als vorher/ und als wenn es ihm gleich gielte/ ob er wieder zur Herrſchafft kommen moͤchte oder nicht: Ja/ ſo lange die Roͤmer die Frieſen als auffgenom- mene Freunde und Bunds-Genoſſen/ nicht als Knechte handeln wuͤrden. Druſus war hie[r]uͤber ſo vergnuͤgt/ daß er ihm alſofort die Ketten abnehmen ließ/ die Gefangenen loß- gab/ und den Theudo gegen Verſprechen wi- [Spaltenumbruch] der die Roͤmer nicht mehr zu kriegen und jaͤhr- lich tauſend Ochſenhaͤute zu zinſen/ in ſeiner voͤlligen Herrſchafft beſtetigte. Malovend brach dem Adgandeſter ein: Es ſolte ein Fuͤrſt in allewege ſein Antlitz nicht mit ſeinem Gluͤ- cke veraͤndern/ ſondern dem Widrigen und dem Uberwinder gerade ins Geſichte ſehen. Denn die Kleinmuͤthigkeit des Uberwunde- nen waͤre dem Sieger ſelbſt ſchimpflich/ ſei- ne Hertzhafftigkeit aber gereichte ihm zur Eh- re/ und dem Bezwungenen zur Wohlfarth. Da hingegen die Furcht den Grimm des Fein- des nicht mildert/ noch das Schrecken ieman- den aus der Gefahr zeucht/ ſondern vielmehr ſein Gegentheil muthiger/ die Seinigen aber kleinmuͤthig macht/ welche aus dem Antlitze ihres Fuͤrſten/ wie aus denen umbhaubten Gipffeln der Berge das bevorſtehende Unge- witter wahrnehmen. Alles diß begegnete dem ſo verzagten Pompejus/ welchem nicht ſo viel der Verluſt der Schlacht/ als daß er ihm die Kennzeichen eines Roͤmiſchen Feldherrn ſelbſt abnahm/ ſchadete/ und durch ſeine Erniedri- gung eines Verſchnittenen Hand wider ſich be- hertzt machte. Ja es ſchaͤmte ſich Emilius/ daß er an dem fußfaͤlligen Perſeus einen Knecht/ keinen Fuͤrſten uͤberwunden hatte. Der Roͤmiſche Rath konte die Rede des weibiſchen Pruſia nicht aushoͤren/ ſondern verſpeyete ſeine Zagheit/ als er in Sclaven-Kleidern und mit beſchornem Kopffe fuͤr den Roͤmiſchen Geſand- ten zu Bodem fiel/ ſich einen Freygelaſſenen deß Roͤmiſchen Volcks/ die Rathsherren aber ſeine Goͤtter ſchalt/ und die Schwelle des Rath- hauſes kuͤßte. Hingegen hat der gefangene Hermundurer Hertzog Socas durch ſeine Großmuͤthigkeit ſein Leben und Ehre errettet/ als er Marcomirn/ ungeachtet ſchaͤrffſter Be- draͤuungen/ die belaͤgerte Feſtung Elbburg auf- zugeben ſeinen Kriegsleuten nicht befehlen wol- te; Auch als ihm uͤber dem Schach-Spiele das Leben abgeſagt ward/ er ſich daran nichts irren
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Vierdtes Buch
gen. Wie nun andere Gefangene dieſen Be-
richt beſtaͤrckten/ wunderte er ſich uͤber der Red-
ligkeit dieſes gefangenen Fuͤrſten; welche des
Roͤmiſchen Raths uͤberwog/ da ſie ihren Feind
den Koͤnig Pyrrhus ſelbſt fuͤr Gifft warnig-
ten/ als ſein Artzt Timochares ihm zu verge-
ben antrug. Wormit aber Druſus ſo viel-
mehr erforſchte: Ob Theudo aus Heucheley um
dardurch ſeinen Uberwinder zu beſaͤnfftigen/ o-
der aus Großmuͤthigkeit/ ihn gewarniget haͤt-
te/ fragte er ihn: Warum er wider die Roͤmer
die Waffen ergriffen/ und den Batavern Huͤlf-
fe geleiſtet haͤtte? Theudo antwortete mit laͤ-
chelndem Munde/ und unveraͤnderter Stim-
me: Weil ich die Roͤmer fuͤr allzu herrſchens-
ſuͤchtig/ die Frieſen aber fuͤr unuͤberwindlich ge-
halten. Als nun Druſus ferner erkundigte:
Ob er dieſen ſeinen Fehler nunmehr bereuete?
verſetzte Theudo: Kein Unfall vermoͤge die Tu-
gend ſo zu verſtellen/ daß man ſich derſelben
ſchaͤmen/ oder gereuen laſſen ſolte. Auff fer-
nere Frage des Druſus/ wie er in ſeiner Ge-
faͤngniß verhalten wolte ſeyn; erklaͤrte ſich Theu-
do ſonder die geringſte Veraͤnderung des Ge-
ſichtes und der Geberden./ wie er meinte/ daß
es dem Sieger vortraͤglich/ und der Uberwun-
dene wuͤrdig waͤre. Druſus ſahe uͤber ſo hertz-
haffter Antwort dieſen unerſchrockenen Fuͤrſten
eine gute Weile an/ und nach einem nachdenckli-
chen Stilleſchweigen fragte er ihn ferner: Ob
er wohl mit ſeinen Frieſen dem Roͤmiſchen
Volcke treu verbleiben wolte/ da ihm ſelbige
laͤnger zu beherrſchen verſtattet wuͤrde? Theu-
do antwortete ſo ernſthafft als vorher/ und als
wenn es ihm gleich gielte/ ob er wieder zur
Herrſchafft kommen moͤchte oder nicht: Ja/ ſo
lange die Roͤmer die Frieſen als auffgenom-
mene Freunde und Bunds-Genoſſen/ nicht
als Knechte handeln wuͤrden. Druſus war
hieruͤber ſo vergnuͤgt/ daß er ihm alſofort die
Ketten abnehmen ließ/ die Gefangenen loß-
gab/ und den Theudo gegen Verſprechen wi-
der die Roͤmer nicht mehr zu kriegen und jaͤhr-
lich tauſend Ochſenhaͤute zu zinſen/ in ſeiner
voͤlligen Herrſchafft beſtetigte. Malovend
brach dem Adgandeſter ein: Es ſolte ein Fuͤrſt
in allewege ſein Antlitz nicht mit ſeinem Gluͤ-
cke veraͤndern/ ſondern dem Widrigen und
dem Uberwinder gerade ins Geſichte ſehen.
Denn die Kleinmuͤthigkeit des Uberwunde-
nen waͤre dem Sieger ſelbſt ſchimpflich/ ſei-
ne Hertzhafftigkeit aber gereichte ihm zur Eh-
re/ und dem Bezwungenen zur Wohlfarth.
Da hingegen die Furcht den Grimm des Fein-
des nicht mildert/ noch das Schrecken ieman-
den aus der Gefahr zeucht/ ſondern vielmehr
ſein Gegentheil muthiger/ die Seinigen aber
kleinmuͤthig macht/ welche aus dem Antlitze
ihres Fuͤrſten/ wie aus denen umbhaubten
Gipffeln der Berge das bevorſtehende Unge-
witter wahrnehmen. Alles diß begegnete dem
ſo verzagten Pompejus/ welchem nicht ſo viel
der Verluſt der Schlacht/ als daß er ihm die
Kennzeichen eines Roͤmiſchen Feldherrn ſelbſt
abnahm/ ſchadete/ und durch ſeine Erniedri-
gung eines Verſchnittenen Hand wider ſich be-
hertzt machte. Ja es ſchaͤmte ſich Emilius/
daß er an dem fußfaͤlligen Perſeus einen
Knecht/ keinen Fuͤrſten uͤberwunden hatte. Der
Roͤmiſche Rath konte die Rede des weibiſchen
Pruſia nicht aushoͤren/ ſondern verſpeyete ſeine
Zagheit/ als er in Sclaven-Kleidern und mit
beſchornem Kopffe fuͤr den Roͤmiſchen Geſand-
ten zu Bodem fiel/ ſich einen Freygelaſſenen
deß Roͤmiſchen Volcks/ die Rathsherren aber
ſeine Goͤtter ſchalt/ und die Schwelle des Rath-
hauſes kuͤßte. Hingegen hat der gefangene
Hermundurer Hertzog Socas durch ſeine
Großmuͤthigkeit ſein Leben und Ehre errettet/
als er Marcomirn/ ungeachtet ſchaͤrffſter Be-
draͤuungen/ die belaͤgerte Feſtung Elbburg auf-
zugeben ſeinen Kriegsleuten nicht befehlen wol-
te; Auch als ihm uͤber dem Schach-Spiele
das Leben abgeſagt ward/ er ſich daran nichts
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/428>, abgerufen am 16.02.2025. |