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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] entfernet/ voll und am grösten/ bey Näherung
der Erden aber hörnricht und am kleinsten wä-
re. Der Priester ließ von denen geschlachteten
Böcken nur die im Weine rein abgewaschene
eussersten Theile der Glieder und Eingeweide
auff das Altar bringen/ denn es mit keinem Blu-
te bespritzt werden darff. Zweyfelsfrey/ weil
die Liebe selbst der Ursprung alles Blutes/ oder
auch gar nicht blutbegierig ist. Nach dem der
Priester alle Fäserlein/ und insonderheit die
Stücke von den Lebern genau beschauet/ streu-
te er eine Schüssel voll Weyrauch in die Flamme/
kehrte sich hierauff um und fing zur Erato an:
Die Göttin hätte ihr Gebeterhöret; Sie wür-
de zwar noch allerhand Zufälle überwinden
müssen/ aber das Verhängniß dächte ihr mehr
zu/ als ihre Gedancken itzt begreiffen/ oder ih-
re Hoffnung fassen könte. Nach dieser erfreu-
lichen Ankündigung führte uns Sostratus in
eine Halle/ und zeigte uns alle dieselben un-
vergleichlichen Schätze/ welche die Vorwelt/ und
in selbter auch ihre Vor-Eltern der Göttin ver-
ehret. Unter denen aber allen den Vorzug
verdienet das aus dichtem Golde gegossene
Bild der reutenden Hipsicratea/ welches zu ewi-
gem Gedächtnisse ihrer unzertrennlichen Be-
gleitung ihr Gemahl der grosse Mithridates die-
sem Heiligthume gewiedmet. Erato nahm nebst
uns Abschied/ und wir segelten mit gutem Win-
de nach Rom. Sintemahl sie in diesem allge-
meinen Vaterlande der Völcker vom Fürsten
Zeno einige Nachricht zu erhalten hoffte. Wie
wir nun zu Rom zwar vom Zeno das wenigste
vernahmen/ Erato aber mit des Tiberius Soh-
ne dem jungen Drusus verträuliche Freund-
schafft machte/ und dieser seinem Vater und dem
Germanicus in den Dalmatischen Krieg fol-
gen wolte/ entschloß sich Erato in seiner Gesell-
schafft zu reisen/ und mit ihm daselbst ihr Glück
zu versuchen. Wie wir aber in Rhetien ka-
men/ kriegte Drusus vom Tiberius Zeitung/
[Spaltenumbruch] daß der Dalmatische Hertzog Bato und sein
Sohn Sceva sich den Römern ergeben/ und al-
so dieser Krieg ein Ende bekommen hätte. Hier-
bey war ein Befehl an Drusus/ daß weil krafft
einer vom Könige Marbod ertheilten verträuli-
chen Warnigung die Deutschen wider die Rö-
mer einen Auffstand fürhätten/ solte er sich in
das Läger des Qvintilius Varus nach Deutsch-
land verfügen/ und daselbst in die Fußstapffen
seines Vettern des sieghafften Drusus treten/
welcher die auffrührischen Gallier im Zaume
gehalten/ die sie verleitenden Sicambrer über
den Rhein getrieben/ die Bataver und Usi-
peter gedemüthiget/ die Friesen/ Chauzen und
Cherusker zum Gehorsam bracht/ bey der in
die Lippe fliessenden Alme die Festung Elsens/
als einen Kapzaum selbigen rauhen Völckern
angelegt/ die Bructerer auff der Emse ge-
schlagen/ funffzig Schantzen an Rhein gelegt/
diesem Flusse den dritten Ausgang ins Meer
eröffnet/ und mit den Römischen Adlern biß
an die Elbe gedrungen wäre. Erato wol-
te diese Gelegenheit das so berühmte Deutsch-
land zu beschauen nicht aus Händen lassen/
und also reiseten wir mit dem Drusus nach
Meintz/ allwo er seines in Deutschland von
einem Bein-Bruche verstorbenen Vettern
prächtiges Begräbnüß-Mahl betrachtete/ und
auff seinem Altare opfferte. Von Meintz
reisete Drusus und wir mit ihm auff das
Gebürge Taunus/ und besahen gleicher ge-
stalt die daselbst vom ersten Drusus auffge-
baute Festung. Wie wir aber von dar/ in willens
zu dem andern Altare des Drusus an der Lippe
und Alme zu gelangen/ bey die Stadt Mattium
kamen/ wurden wir/ die wir von keinem Kriege
nicht wusten/ gantz unvermuthet von den Catten
überfallen/ ja der junge Drusus im ersten An-
falle mit seinem Pferde über einen Hauffen ge-
rennet. Wenn auch Erato und Artafernes
nicht so tapffer den Catten begegnet hätten/ wäre

Dru-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] entfernet/ voll und am groͤſten/ bey Naͤherung
der Erden aber hoͤrnricht und am kleinſten waͤ-
re. Der Prieſter ließ von denen geſchlachteten
Boͤcken nur die im Weine rein abgewaſchene
euſſerſten Theile der Glieder und Eingeweide
auff das Altar bringen/ denn es mit keinem Blu-
te beſpritzt werden darff. Zweyfelsfrey/ weil
die Liebe ſelbſt der Urſprung alles Blutes/ oder
auch gar nicht blutbegierig iſt. Nach dem der
Prieſter alle Faͤſerlein/ und inſonderheit die
Stuͤcke von den Lebern genau beſchauet/ ſtreu-
te er eine Schuͤſſel voll Weyrauch in die Flam̃e/
kehrte ſich hierauff um und fing zur Erato an:
Die Goͤttin haͤtte ihr Gebeterhoͤret; Sie wuͤr-
de zwar noch allerhand Zufaͤlle uͤberwinden
muͤſſen/ aber das Verhaͤngniß daͤchte ihr mehr
zu/ als ihre Gedancken itzt begreiffen/ oder ih-
re Hoffnung faſſen koͤnte. Nach dieſer erfreu-
lichen Ankuͤndigung fuͤhrte uns Soſtratus in
eine Halle/ und zeigte uns alle dieſelben un-
vergleichlichen Schaͤtze/ welche die Vorwelt/ und
in ſelbter auch ihre Vor-Eltern der Goͤttin ver-
ehret. Unter denen aber allen den Vorzug
verdienet das aus dichtem Golde gegoſſene
Bild der reutenden Hipſicratea/ welches zu ewi-
gem Gedaͤchtniſſe ihrer unzertrennlichen Be-
gleitung ihr Gemahl der groſſe Mithridates die-
ſem Heiligthume gewiedmet. Erato nahm nebſt
uns Abſchied/ und wir ſegelten mit gutem Win-
de nach Rom. Sintemahl ſie in dieſem allge-
meinen Vaterlande der Voͤlcker vom Fuͤrſten
Zeno einige Nachricht zu erhalten hoffte. Wie
wir nun zu Rom zwar vom Zeno das wenigſte
vernahmen/ Erato aber mit des Tiberius Soh-
ne dem jungen Druſus vertraͤuliche Freund-
ſchafft machte/ und dieſer ſeinem Vater und dem
Germanicus in den Dalmatiſchen Krieg fol-
gen wolte/ entſchloß ſich Erato in ſeiner Geſell-
ſchafft zu reiſen/ und mit ihm daſelbſt ihr Gluͤck
zu verſuchen. Wie wir aber in Rhetien ka-
men/ kriegte Druſus vom Tiberius Zeitung/
[Spaltenumbruch] daß der Dalmatiſche Hertzog Bato und ſein
Sohn Sceva ſich den Roͤmern ergeben/ und al-
ſo dieſer Krieg ein Ende bekommen haͤtte. Hier-
bey war ein Befehl an Druſus/ daß weil krafft
einer vom Koͤnige Marbod ertheilten vertraͤuli-
chen Warnigung die Deutſchen wider die Roͤ-
mer einen Auffſtand fuͤrhaͤtten/ ſolte er ſich in
das Laͤger des Qvintilius Varus nach Deutſch-
land verfuͤgen/ und daſelbſt in die Fußſtapffen
ſeines Vettern des ſieghafften Druſus treten/
welcher die auffruͤhriſchen Gallier im Zaume
gehalten/ die ſie verleitenden Sicambrer uͤber
den Rhein getrieben/ die Bataver und Uſi-
peter gedemuͤthiget/ die Frieſen/ Chauzen und
Cheruſker zum Gehorſam bracht/ bey der in
die Lippe flieſſenden Alme die Feſtung Elſens/
als einen Kapzaum ſelbigen rauhen Voͤlckern
angelegt/ die Bructerer auff der Emſe ge-
ſchlagen/ funffzig Schantzen an Rhein gelegt/
dieſem Fluſſe den dritten Ausgang ins Meer
eroͤffnet/ und mit den Roͤmiſchen Adlern biß
an die Elbe gedrungen waͤre. Erato wol-
te dieſe Gelegenheit das ſo beruͤhmte Deutſch-
land zu beſchauen nicht aus Haͤnden laſſen/
und alſo reiſeten wir mit dem Druſus nach
Meintz/ allwo er ſeines in Deutſchland von
einem Bein-Bruche verſtorbenen Vettern
praͤchtiges Begraͤbnuͤß-Mahl betrachtete/ und
auff ſeinem Altare opfferte. Von Meintz
reiſete Druſus und wir mit ihm auff das
Gebuͤrge Taunus/ und beſahen gleicher ge-
ſtalt die daſelbſt vom erſten Druſus auffge-
baute Feſtung. Wie wir aber von dar/ in willens
zu dem andern Altare des Druſus an der Lippe
und Alme zu gelangen/ bey die Stadt Mattium
kamen/ wurden wir/ die wir von keinem Kriege
nicht wuſten/ gantz unvermuthet von den Catten
uͤberfallen/ ja der junge Druſus im erſten An-
falle mit ſeinem Pferde uͤber einen Hauffen ge-
rennet. Wenn auch Erato und Artafernes
nicht ſo tapffer den Catten begegnet haͤtten/ waͤre

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[320/0372] Drittes Buch entfernet/ voll und am groͤſten/ bey Naͤherung der Erden aber hoͤrnricht und am kleinſten waͤ- re. Der Prieſter ließ von denen geſchlachteten Boͤcken nur die im Weine rein abgewaſchene euſſerſten Theile der Glieder und Eingeweide auff das Altar bringen/ denn es mit keinem Blu- te beſpritzt werden darff. Zweyfelsfrey/ weil die Liebe ſelbſt der Urſprung alles Blutes/ oder auch gar nicht blutbegierig iſt. Nach dem der Prieſter alle Faͤſerlein/ und inſonderheit die Stuͤcke von den Lebern genau beſchauet/ ſtreu- te er eine Schuͤſſel voll Weyrauch in die Flam̃e/ kehrte ſich hierauff um und fing zur Erato an: Die Goͤttin haͤtte ihr Gebeterhoͤret; Sie wuͤr- de zwar noch allerhand Zufaͤlle uͤberwinden muͤſſen/ aber das Verhaͤngniß daͤchte ihr mehr zu/ als ihre Gedancken itzt begreiffen/ oder ih- re Hoffnung faſſen koͤnte. Nach dieſer erfreu- lichen Ankuͤndigung fuͤhrte uns Soſtratus in eine Halle/ und zeigte uns alle dieſelben un- vergleichlichen Schaͤtze/ welche die Vorwelt/ und in ſelbter auch ihre Vor-Eltern der Goͤttin ver- ehret. Unter denen aber allen den Vorzug verdienet das aus dichtem Golde gegoſſene Bild der reutenden Hipſicratea/ welches zu ewi- gem Gedaͤchtniſſe ihrer unzertrennlichen Be- gleitung ihr Gemahl der groſſe Mithridates die- ſem Heiligthume gewiedmet. Erato nahm nebſt uns Abſchied/ und wir ſegelten mit gutem Win- de nach Rom. Sintemahl ſie in dieſem allge- meinen Vaterlande der Voͤlcker vom Fuͤrſten Zeno einige Nachricht zu erhalten hoffte. Wie wir nun zu Rom zwar vom Zeno das wenigſte vernahmen/ Erato aber mit des Tiberius Soh- ne dem jungen Druſus vertraͤuliche Freund- ſchafft machte/ und dieſer ſeinem Vater und dem Germanicus in den Dalmatiſchen Krieg fol- gen wolte/ entſchloß ſich Erato in ſeiner Geſell- ſchafft zu reiſen/ und mit ihm daſelbſt ihr Gluͤck zu verſuchen. Wie wir aber in Rhetien ka- men/ kriegte Druſus vom Tiberius Zeitung/ daß der Dalmatiſche Hertzog Bato und ſein Sohn Sceva ſich den Roͤmern ergeben/ und al- ſo dieſer Krieg ein Ende bekommen haͤtte. Hier- bey war ein Befehl an Druſus/ daß weil krafft einer vom Koͤnige Marbod ertheilten vertraͤuli- chen Warnigung die Deutſchen wider die Roͤ- mer einen Auffſtand fuͤrhaͤtten/ ſolte er ſich in das Laͤger des Qvintilius Varus nach Deutſch- land verfuͤgen/ und daſelbſt in die Fußſtapffen ſeines Vettern des ſieghafften Druſus treten/ welcher die auffruͤhriſchen Gallier im Zaume gehalten/ die ſie verleitenden Sicambrer uͤber den Rhein getrieben/ die Bataver und Uſi- peter gedemuͤthiget/ die Frieſen/ Chauzen und Cheruſker zum Gehorſam bracht/ bey der in die Lippe flieſſenden Alme die Feſtung Elſens/ als einen Kapzaum ſelbigen rauhen Voͤlckern angelegt/ die Bructerer auff der Emſe ge- ſchlagen/ funffzig Schantzen an Rhein gelegt/ dieſem Fluſſe den dritten Ausgang ins Meer eroͤffnet/ und mit den Roͤmiſchen Adlern biß an die Elbe gedrungen waͤre. Erato wol- te dieſe Gelegenheit das ſo beruͤhmte Deutſch- land zu beſchauen nicht aus Haͤnden laſſen/ und alſo reiſeten wir mit dem Druſus nach Meintz/ allwo er ſeines in Deutſchland von einem Bein-Bruche verſtorbenen Vettern praͤchtiges Begraͤbnuͤß-Mahl betrachtete/ und auff ſeinem Altare opfferte. Von Meintz reiſete Druſus und wir mit ihm auff das Gebuͤrge Taunus/ und beſahen gleicher ge- ſtalt die daſelbſt vom erſten Druſus auffge- baute Feſtung. Wie wir aber von dar/ in willens zu dem andern Altare des Druſus an der Lippe und Alme zu gelangen/ bey die Stadt Mattium kamen/ wurden wir/ die wir von keinem Kriege nicht wuſten/ gantz unvermuthet von den Catten uͤberfallen/ ja der junge Druſus im erſten An- falle mit ſeinem Pferde uͤber einen Hauffen ge- rennet. Wenn auch Erato und Artafernes nicht ſo tapffer den Catten begegnet haͤtten/ waͤre Dru-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/372>, abgerufen am 25.11.2024.