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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda
[Spaltenumbruch] gen. Der Königin Fehlern ist anders nicht/ als
durch eine kluge Heyrath abzuhelffen/ und Ar-
menien anders nicht/ als durch einen einheimi-
schen Bräutigam zu helffen. Weiber und
Reben dürffen wegen ihrer angebohrnen
Schwachheit zu ihrem Wohlstande einen Ul-
men-Baum oder Stütze/ daran sie sich lehnen/
oder darumb winden können. Und wir/ da wir
nicht entweder einem geringern gehorsamen/
oder/ wie unter dem Ariobarzanes eines
frembden Volckes Sclaven werden wollen/ kön-
nen keinen Ausländer unsere Königin ehlichen
lassen. Der Pontische König hat schon sein
Heil versuchet/ und es haben sicherlich alle Nach-
barn auf die Krone Armeniens ihr Absehen.
Die Königin aber gar unverheyrathet lassen/
würde zwar dem Reichs-Rathe zu Vergrösse-
rung seiner Gewalt und Ansehens/ aber hier-
durch zu innerlicher Unruh dienen/ja man wür-
de ihren Fehlern Luft machen sich zu vermehren;
und weil mit ihr endlich der alte Königliche
Stamm gar verfiele/ möchte ihr Tod dem Reiche
schädlicher/ als ihr Leben seyn/ nachdem entwe-
der die Zwytracht unter denen Grossen den
Reichs-Apfel zum Zanck-Apfel machen/ und
bürgerliche Kriege erregen/ oder den Römern
Gelegenheit geben würde denen Armeniern wie
Syrien einen aufgeblasenen Land-Vogt aufzu-
dringen. Daher hielte er für heilsam und nöthig
darzu zu thun/ womit Erato fördersamst an einen
Fürsten des Reichs/ darinnen man ihr die Wahl
lassen könte/ sich vermählen müste. Des Oris-
manes Ansehen/ Rede und Geberden waren so
durchdringend/ daß ihm alle Beyfall gaben/ und
sie in der ersten Zusammenkunft einen Reichs-
Schluß machten/ auch selbten der Königin in
versammletem Rathe fürtrugen: Sie solte/ und
zwar bey noch währender Reichs-Versammlung/
einen Fürsten des Reiches zu ihrem Gemahl
erwehlen/ nachdem die gemeine Wolfarth ihren
freyen Wohlstand nicht länger vertrüge/ und die
[Spaltenumbruch] Unterthanen nach einen Reichs-Erben seufzeten/
dessen Wohlstand nicht vertrüge/ daß der Nach-
folger ungewiß wäre/ indem sonst ihr Reich
stets frembdem Ehrgeitze ein Ziel abgebe/ und
Erato selbst nicht sicher den Reichs-Stul be-
sässe. Sintemal der grosse Alexander sich selbst
hätte beklagen müssen/ daß der Mangel der
Kinder ihn bey Frembden verächtlich gemacht/
ja unter seinen eigenen Macedoniern Unei-
nigkeit und Verrätherey verursacht hätte. Der
Königin kam diese vermessene Gewalts-An-
massung ihrer Unterthanen überaus unver-
muthet für; gleichwohl verdrückte sie ihre hef-
tige Gemüths-Bewegung/ wohl wissende/ daß
wenn Unterthanen sich schon unterwinden ihren
Häuptern an das Heft zu greiffen; ihre Kühn-
heit sich ins gemein in Raserey verwandelt/
und sie gar gegen ihnen die Degen zücken.
Diesemnach antwortete sie ihnen: Sie nähme
ihren Schluß mehr für eine Liebe gegen sie
und ihr Geschlechte an/ als sie muthmassen
wolte/ daß sie ihrer Königlichen kein Gesetze
vertragenden Hoheit etwas zu entziehen an-
zielten. Sintemal die Götter dem Volcke
weder Gewalt noch Verstand über Fürsten zu
urtheilen verliehen hätten. Gleichwohl wäre
es in alle Wege gut so wohl einen Gehülfsen
in der Herrschafft/ als gewisse Nachfolger im Rei-
che haben. Aber die Freyheit der Heyrathen
vertrügen weder solche Maaßgebung/ noch ihre
Wichtigkeit so gefährliche Ubereilung. Sie
wolte dem Wercke nachsinnen/ und sich dessen
entschlüssen/ was Armenien nützlich und ihr
anständig seyn würde. Nachdem auch für
dißmal alle nöthige Reichs-Sachen erledigt
wären/ solten die Stände biß zu ihrer Wieder-
Beruffung sich von sammen/ und ieder nach
Hause ziehen. Hiermit ging die Königin aus
dem Saale/ und ließ die Stände theils in Be-
stürtz-theils in Verbitterung; gleichwohl hat-
ten sie Bedencken dißmal wider der Königin

Ver-
Erster Theil. R r

Arminius und Thußnelda
[Spaltenumbruch] gen. Der Koͤnigin Fehlern iſt anders nicht/ als
durch eine kluge Heyrath abzuhelffen/ und Ar-
menien anders nicht/ als durch einen einheimi-
ſchen Braͤutigam zu helffen. Weiber und
Reben duͤrffen wegen ihrer angebohrnen
Schwachheit zu ihrem Wohlſtande einen Ul-
men-Baum oder Stuͤtze/ daran ſie ſich lehnen/
oder darumb winden koͤnnen. Und wir/ da wir
nicht entweder einem geringern gehorſamen/
oder/ wie unter dem Ariobarzanes eines
frembden Volckes Sclaven werden wollen/ koͤn-
nen keinen Auslaͤnder unſere Koͤnigin ehlichen
laſſen. Der Pontiſche Koͤnig hat ſchon ſein
Heil verſuchet/ und es haben ſicherlich alle Nach-
barn auf die Krone Armeniens ihr Abſehen.
Die Koͤnigin aber gar unverheyrathet laſſen/
wuͤrde zwar dem Reichs-Rathe zu Vergroͤſſe-
rung ſeiner Gewalt und Anſehens/ aber hier-
durch zu innerlicher Unruh dienen/ja man wuͤr-
de ihren Fehlern Luft machen ſich zu vermehren;
und weil mit ihr endlich der alte Koͤnigliche
Stam̃ gar verfiele/ moͤchte ihr Tod dem Reiche
ſchaͤdlicher/ als ihr Leben ſeyn/ nachdem entwe-
der die Zwytracht unter denen Groſſen den
Reichs-Apfel zum Zanck-Apfel machen/ und
buͤrgerliche Kriege erregen/ oder den Roͤmern
Gelegenheit geben wuͤrde denen Armeniern wie
Syrien einen aufgeblaſenen Land-Vogt aufzu-
dringen. Daher hielte er fuͤr heilſam und noͤthig
darzu zu thun/ womit Erato foͤrderſamſt an einẽ
Fuͤrſten des Reichs/ darinnen man ihr die Wahl
laſſen koͤnte/ ſich vermaͤhlen muͤſte. Des Oriſ-
manes Anſehen/ Rede und Geberden waren ſo
durchdringend/ daß ihm alle Beyfall gaben/ und
ſie in der erſten Zuſammenkunft einen Reichs-
Schluß machten/ auch ſelbten der Koͤnigin in
verſam̃letem Rathe fuͤrtrugen: Sie ſolte/ und
zwar bey noch waͤhrender Reichs-Verſam̃lung/
einen Fuͤrſten des Reiches zu ihrem Gemahl
erwehlen/ nachdem die gemeine Wolfarth ihren
freyen Wohlſtand nicht laͤnger vertruͤge/ und die
[Spaltenumbruch] Unterthanen nach einẽ Reichs-Erben ſeufzeten/
deſſen Wohlſtand nicht vertruͤge/ daß der Nach-
folger ungewiß waͤre/ indem ſonſt ihr Reich
ſtets frembdem Ehrgeitze ein Ziel abgebe/ und
Erato ſelbſt nicht ſicher den Reichs-Stul be-
ſaͤſſe. Sintemal der groſſe Alexander ſich ſelbſt
haͤtte beklagen muͤſſen/ daß der Mangel der
Kinder ihn bey Frembden veraͤchtlich gemacht/
ja unter ſeinen eigenen Macedoniern Unei-
nigkeit und Verraͤtherey verurſacht haͤtte. Der
Koͤnigin kam dieſe vermeſſene Gewalts-An-
maſſung ihrer Unterthanen uͤberaus unver-
muthet fuͤr; gleichwohl verdruͤckte ſie ihre hef-
tige Gemuͤths-Bewegung/ wohl wiſſende/ daß
wenn Unterthanen ſich ſchon unterwinden ihren
Haͤuptern an das Heft zu greiffen; ihre Kuͤhn-
heit ſich ins gemein in Raſerey verwandelt/
und ſie gar gegen ihnen die Degen zuͤcken.
Dieſemnach antwortete ſie ihnen: Sie naͤhme
ihren Schluß mehr fuͤr eine Liebe gegen ſie
und ihr Geſchlechte an/ als ſie muthmaſſen
wolte/ daß ſie ihrer Koͤniglichen kein Geſetze
vertragenden Hoheit etwas zu entziehen an-
zielten. Sintemal die Goͤtter dem Volcke
weder Gewalt noch Verſtand uͤber Fuͤrſten zu
urtheilen verliehen haͤtten. Gleichwohl waͤre
es in alle Wege gut ſo wohl einen Gehuͤlfſen
in der Herrſchafft/ als gewiſſe Nachfolger im Rei-
che haben. Aber die Freyheit der Heyrathen
vertruͤgen weder ſolche Maaßgebung/ noch ihre
Wichtigkeit ſo gefaͤhrliche Ubereilung. Sie
wolte dem Wercke nachſinnen/ und ſich deſſen
entſchluͤſſen/ was Armenien nuͤtzlich und ihr
anſtaͤndig ſeyn wuͤrde. Nachdem auch fuͤr
dißmal alle noͤthige Reichs-Sachen erledigt
waͤren/ ſolten die Staͤnde biß zu ihrer Wieder-
Beruffung ſich von ſammen/ und ieder nach
Hauſe ziehen. Hiermit ging die Koͤnigin aus
dem Saale/ und ließ die Staͤnde theils in Be-
ſtuͤrtz-theils in Verbitterung; gleichwohl hat-
ten ſie Bedencken dißmal wider der Koͤnigin

Ver-
Erſter Theil. R r
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 213[313]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/365>, abgerufen am 25.11.2024.