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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] auff derer Beystand er sich auff den Nothfall
zu verlassen hätte. Orismanes brach hierauff
aus: Wenn ich mich auff so kluge und tapffere
Leute zu verlassen habe/ bin ich entschlossen al-
les zu thun/ was das Vaterland von mir hei-
schet/ und so viel Freunde rathen/ da ich mich an-
ders ihres Beystandes zu versichern habe/ nach
dem meine einigen Hände hierzu viel zu ohn-
mächtig sind. Oxathres einer der Reichs-Räthe
hob an: Es wäre die ärgste Leichtsinnigkeit von
uns/ wenn wir in Ausübung dessen/ was wir
selbst einrathen/ die Hand abzügen. Entdecke
uns daher deine Meynung/ durch was für ein
Mittel dem Reiche und uns zu helffen/ und de-
nen Gefährligkeiten zu begegnen sey. Orisma-
nes antwortete: Er wüste mehr nicht als zwey
Wege/ derer einer aber verwerfflich/ der andere
von ihm so lange zu verschweigen wäre/ biß ihm
Oxathres oder ein ander Fürst eine seiner Toch-
ter vermälet hätte. Oxathres versetzte: Wer wird
dem Orismanes sein Kind versagen? Also habe
kein Bedencken uns beyden etwas zu verschwei-
gen. Hier auf fing Orismanes an: Das ver werff-
liche Mittel ist die Königin Erato aus dem Wege
zu räumen. Denn man hat fromme Fürsten wohl
zu wüntschen/ böse aber wie Hagel/ Mißwachs
und andere von Göttern herrührende Zufälle zu
vertragen. So viel ihrer an den Julius Hand ge-
legt/ sind erbärmlich umbkommen/ ja etliche haben
mit eben dem Dolche/ den sie dem Julius in die
Brust gestossen/ ihrem verzweifelnden Leben ab-
geholffen. Asteloth/ der dem Caledonischeu Köni-
ge mit seinem Leben auch die Krone zu rauben
vermeynte/ ward/ der erhaltenen Warsagung
nach/ mit einer glünden Krone gekrönet. Denn
es sind doch Könige Statthalter der Götter auf
Erden/ die in der Welt keinen Richterstuhl ha-
ben/ weniger iemand ihre heilige Glieder zu ver-
letzen befugt ist. Uber diß ist unlaugbar:daß Era-
to bey ihren Fehlern so viel unvergleichliche Tu-
genden habe/ welche so wenig als ein fruchtbarer
[Spaltenumbruch] Baum wegen eines dürren Zweiges auszurotten
sind. Zu geschweigen/ daß mehrmals böse Men-
schen gute Herrrscher abgeben/ und ihre Laster
zum Nutze des Reiches anwenden/ und ihre Un-
terthanen mehrmals zu ihrem Besten durch Be-
trug hinters Licht führen. Dahero einige der
Meynung sind/ daß nur gemeine Leute/ nicht
Könige/ des Bösen sich zu entäusern hätten/ wor-
aus man Gutes hoffete; andere an einem Fürsten
Ehrgeitz und Ungerechtigkeit so wenig für schelt-
bar hielten/ als man einem Adler den Raub/ ei-
nem Löwen den Grimm zum Fehler aussetzte; ja
ihrer viel für eine herrschaftliche Tugend hiel-
ten/ wenn Fürsten auch in Lastern denen Nie-
drigern nichts nachgäben. Sintemal Anaxar-
chus den grossen Alexander schon beredet hätte/
daß ein Fürst nichts Böses zu thun vermöchte/
sondern so gar die Laster unter seinen Händen
ihre böse Eigenschaften einbüßten/ und weil er
thun möchte/ was ihm beliebte/ sich in was gutes
verwandelten. Wiewohl ich diese Abwege von
der Tugend den Fürsten nur wie den Aertzten
das Gift zur Artzney in äuserster Noth und in
verzweifelten Kranckheiten erlaubt zu seyn glau-
be. Uberdiß würde schwerlich Erato so leicht
und ohne Aufruhr des gantzen Reiches/ ihrer
Würde entsetzt werden können/ als der Rath zu
Sparta ihren Könige Agesilaus eine Geld-Busse
auflegten/ weil er aller Bürger Hertzen gestohlen/
und die Liebe der gantzen Stadt ihm zugeeignet
hatte. Sintemal Erato dem Agesilaus hierinnen
schon zuvor kommen wäre. Das andere Mittel
für zuschlagen solte ich wol billich anstehen/ damit
es nicht schiene/ als wenn mein für des Reiches
Heil abgegebener Rathschlag ein Auge auf meine
selbsteigene Vergrösserung hätte. Aber weil
ich mich so einer hohen Staffel unfähig erken-
ne/ und keiner unter euch ist/ dem ich nicht den
Vorzug einräume/ wil ich lieber auch mit Ver-
dacht das Gute entdecken/ als mit Ruhm dem
Vaterlande zum Schaden das minste verschwei-

gen.

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] auff derer Beyſtand er ſich auff den Nothfall
zu verlaſſen haͤtte. Oriſmanes brach hierauff
aus: Wenn ich mich auff ſo kluge und tapffere
Leute zu verlaſſen habe/ bin ich entſchloſſen al-
les zu thun/ was das Vaterland von mir hei-
ſchet/ und ſo viel Freunde rathen/ da ich mich an-
ders ihres Beyſtandes zu verſichern habe/ nach
dem meine einigen Haͤnde hierzu viel zu ohn-
maͤchtig ſind. Oxathres einer der Reichs-Raͤthe
hob an: Es waͤre die aͤrgſte Leichtſinnigkeit von
uns/ wenn wir in Ausuͤbung deſſen/ was wir
ſelbſt einrathen/ die Hand abzuͤgen. Entdecke
uns daher deine Meynung/ durch was fuͤr ein
Mittel dem Reiche und uns zu helffen/ und de-
nen Gefaͤhrligkeiten zu begegnen ſey. Oriſma-
nes antwortete: Er wuͤſte mehr nicht als zwey
Wege/ derer einer aber verwerfflich/ der andere
von ihm ſo lange zu verſchweigen waͤre/ biß ihm
Oxathres oder ein ander Fuͤrſt eine ſeiner Toch-
ter veꝛmaͤlet haͤtte. Oxathres verſetzte: Wer wird
dem Oriſmanes ſein Kind verſagen? Alſo habe
kein Bedencken uns beyden etwas zu verſchwei-
gen. Hier auf fing Oriſmanes an: Das ver werff-
liche Mittel iſt die Koͤnigin Erato aus dem Wege
zu raͤumen. Denn man hat from̃e Fuͤrſten wohl
zu wuͤntſchen/ boͤſe aber wie Hagel/ Mißwachs
und andere von Goͤttern herruͤhrende Zufaͤlle zu
vertragen. So viel ihrer an den Julius Hand ge-
legt/ ſind erbaͤrmlich umbkom̃en/ ja etliche haben
mit eben dem Dolche/ den ſie dem Julius in die
Bruſt geſtoſſen/ ihrem verzweifelnden Leben ab-
geholffen. Aſteloth/ der dem Caledoniſcheu Koͤni-
ge mit ſeinem Leben auch die Krone zu rauben
vermeynte/ ward/ der erhaltenen Warſagung
nach/ mit einer gluͤnden Krone gekroͤnet. Denn
es ſind doch Koͤnige Statthalter der Goͤtter auf
Erden/ die in der Welt keinen Richterſtuhl ha-
ben/ weniger iemand ihre heilige Glieder zu ver-
letzen befugt iſt. Uber diß iſt unlaugbar:daß Era-
to bey ihren Fehlern ſo viel unvergleichliche Tu-
gendẽ habe/ welche ſo wenig als ein fruchtbarer
[Spaltenumbruch] Baum wegen eines duͤrren Zweiges auszurottẽ
ſind. Zu geſchweigen/ daß mehrmals boͤſe Men-
ſchen gute Herrrſcher abgeben/ und ihre Laſter
zum Nutze des Reiches anwenden/ und ihre Un-
terthanen mehrmals zu ihrem Beſten durch Be-
trug hinters Licht fuͤhren. Dahero einige der
Meynung ſind/ daß nur gemeine Leute/ nicht
Koͤnige/ des Boͤſen ſich zu entaͤuſern haͤtten/ wor-
aus man Gutes hoffete; andere an einem Fuͤrſtẽ
Ehrgeitz und Ungerechtigkeit ſo wenig fuͤr ſchelt-
bar hielten/ als man einem Adler den Raub/ ei-
nem Loͤwen den Grim̃ zum Fehler ausſetzte; ja
ihrer viel fuͤr eine herrſchaftliche Tugend hiel-
ten/ wenn Fuͤrſten auch in Laſtern denen Nie-
drigern nichts nachgaͤben. Sintemal Anaxar-
chus den groſſen Alexander ſchon beredet haͤtte/
daß ein Fuͤrſt nichts Boͤſes zu thun vermoͤchte/
ſondern ſo gar die Laſter unter ſeinen Haͤnden
ihre boͤſe Eigenſchaften einbuͤßten/ und weil er
thun moͤchte/ was ihm beliebte/ ſich in was gutes
verwandelten. Wiewohl ich dieſe Abwege von
der Tugend den Fuͤrſten nur wie den Aertzten
das Gift zur Artzney in aͤuſerſter Noth und in
verzweifelten Kranckheiten erlaubt zu ſeyn glau-
be. Uberdiß wuͤrde ſchwerlich Erato ſo leicht
und ohne Aufruhr des gantzen Reiches/ ihrer
Wuͤrde entſetzt werden koͤnnen/ als der Rath zu
Sparta ihrẽ Koͤnige Ageſilaus eine Geld-Buſſe
auflegten/ weil er aller Buͤrger Hertzen geſtohlẽ/
und die Liebe der gantzen Stadt ihm zugeeignet
hatte. Sintemal Erato dem Ageſilaus hieriñen
ſchon zuvor kommen waͤre. Das andere Mittel
fuͤr zuſchlagen ſolte ich wol billich anſtehen/ damit
es nicht ſchiene/ als wenn mein fuͤr des Reiches
Heil abgegebeneꝛ Rathſchlag ein Auge auf meine
ſelbſteigene Vergroͤſſerung haͤtte. Aber weil
ich mich ſo einer hohen Staffel unfaͤhig erken-
ne/ und keiner unter euch iſt/ dem ich nicht den
Vorzug einraͤume/ wil ich lieber auch mit Ver-
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Vaterlande zum Schaden das minſte verſchwei-

gen.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/364>, abgerufen am 22.11.2024.