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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Sonnen/ als dem verliebtesten Geschöpffe der
Welt ähnlich/ welche/ weil sie in einem Tage
alles heimsuchen muß/ was sie liebt/ und nir-
gends ihrer Kugel einen Stillstand erlauben
darf/ ihr lebhafftes Licht mit den Sternen/ wie
zwey einander anschauende Verliebten durch
die Augen/ ihre Wärmbde mit dem geliebten
Erdbodeme/ ihre schöne Farbe mit Golde/ Per-
len und Edelgesteinen/ als denen Gestirnen der
Vorwitzigen/ und den andern Sonnen der
Geitzigen vereinbart. Erato/ welche nicht al-
lein wuste/ daß so gar der leblosen Dinge Zu-
neigung die Vereinbarung verlange/ als die
Flüsse mit dem Meere/ das Eisen mit dem Ma-
gnet/ die Spreue mit dem Agsteine sich zu ver-
mählen verlangte/ sondern dessen selbst in ihrer
leidenden Seele überwiesen ward/ sahe diese Re-
gungen dem Krancken mit hefftigem Mitlei-
den an/ konte sich also mit genauer Noth er-
muntern/ daß sie den Fürsten derogestalt anre-
dete: Die Hoffnung wäre eine Mutter/ oder
zum minsten eine stäte Gefärthin vernünffti-
ger Liebe/ die Verzweiffelung aber eine Toch-
ter des Hasses. Diesem nach möchte er doch
sein Gemüthe beruhigen/ da er sie nicht in Un-
ruh stürtzen wolte/ und sich nicht selbst hassen/
da sie an seine Liebe anckern solte. Seine
Mäßigung würde ihr ein Kennzeichen seiner
Gewogenheit/ und eine Weissagung beyder-
seitiger Vergnügung seyn. Hiermit wolte
sie ihre Hand zurück ziehen/ der Fürst aber
drückte sie vorher an seinen Mund/ worauff sie
sich aus dem Zimmer begab/ und den Fürsten
Zeno halb genesen/ die Königin aber/ die der
Schmertz vorher gleichsam entzückt hatte/ in
ungemeiner Vergnügung verließ. Ob nun
wol Fürst Zeno eine grosse Erleichterung em-
pfand/ so verschwand doch seine Bekümmernüß
nicht auf einmahl/ sondern es blieb in seinem
Gemüthe so wie auf dem Meere nach dem Un-
gewitter noch einige Unruh übrig. Denn es
[Spaltenumbruch] konte bald sein Hertz die allzu geschwinde Be-
glückung nicht begreiffen/ und kam ihm der E-
rato holdselige Erklärung mehrmahls nur als
ein Traum für/ bald nam er ihre Bezeugung
nur für ein angenommenes Liebkosen/ oder für
ein durch die Königin angestelltes Mittel zu sei-
ner Genesung an/ bald besorgte er eine Ver-
änderung ihres Gemüthes/ oder auch des allzu
glitschrichten Glückes. Denn die Liebe hat
zur Gefährtin die Einbildung/ die erste Bewe-
gung der Seele/ und die allerunruhigste Ei-
genschafft des Menschen. Diese hat zu ihrem
Dienste mehr als hundert Mahler/ welche nicht
nur das Ebenbild dessen/ was man liebet/ ihr
auff vielerley Weise fürstellt/ sondern auch den
Schatten allerhand gefährlicher Zufälle beyse-
tzet. Ja wenn alle andere Gemüths-Kräff-
ten mit dem Verliebten eingeschlaffen sind/ so
bilden doch die Träume ihm alles noch viel sel-
tzamer für; welche/ ob sie zwar blind gebohren/
auch stets im finstern sind/ sich doch ohne Licht
und Wegweiser nicht verlieren/ und mit Hülf-
fe der Liebe zu ihrer Buhlschafft den Weg fin-
den. Gleichwohl erlangte Zeno durch eine
mittelmäßige Nacht-Ruh so viel Kräfften/ daß
er folgenden Tages an die Erato etliche Zeilen
schreiben konte. Welche Erato mit einer sol-
chen Anmuth beantwortete/ daß ihm dadurch
aller Nebel seines noch nicht gar verschwunde-
nen Zweiffels an ihrer Gegen-Liebe vertrieben
ward. Die Königin aber kam zu ihr ins Zim-
mer/ verehrte sie als ihre einige Hülffs-Göt-
tin/ umbhalsete sie als ihre eigene Tochter.
Durchlauchte Fürstin! die Welt/ fing sie an/ ist
erstaunt über der Liebe der Britannischen Für-
stin Lelebisa/ der Gemahlin des mit dem gros-
sen Mithridates verbundenen Gallischen Für-
sten Edwards. Denn als dieser von einem
giftigen Pfeile verwundet/ und von den Aertz-
ten befunden ward: Er könte nicht als durch
den Tod eines andern/ welcher das gifftige Ey-

ter

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Sonnen/ als dem verliebteſten Geſchoͤpffe der
Welt aͤhnlich/ welche/ weil ſie in einem Tage
alles heimſuchen muß/ was ſie liebt/ und nir-
gends ihrer Kugel einen Stillſtand erlauben
darf/ ihr lebhafftes Licht mit den Sternen/ wie
zwey einander anſchauende Verliebten durch
die Augen/ ihre Waͤrmbde mit dem geliebten
Erdbodeme/ ihre ſchoͤne Farbe mit Golde/ Per-
len und Edelgeſteinen/ als denen Geſtirnen der
Vorwitzigen/ und den andern Sonnen der
Geitzigen vereinbart. Erato/ welche nicht al-
lein wuſte/ daß ſo gar der lebloſen Dinge Zu-
neigung die Vereinbarung verlange/ als die
Fluͤſſe mit dem Meere/ das Eiſen mit dem Ma-
gnet/ die Spreue mit dem Agſteine ſich zu ver-
maͤhlen verlangte/ ſondern deſſen ſelbſt in ihrer
leidenden Seele uͤberwieſen ward/ ſahe dieſe Re-
gungen dem Krancken mit hefftigem Mitlei-
den an/ konte ſich alſo mit genauer Noth er-
muntern/ daß ſie den Fuͤrſten derogeſtalt anre-
dete: Die Hoffnung waͤre eine Mutter/ oder
zum minſten eine ſtaͤte Gefaͤrthin vernuͤnffti-
ger Liebe/ die Verzweiffelung aber eine Toch-
ter des Haſſes. Dieſem nach moͤchte er doch
ſein Gemuͤthe beruhigen/ da er ſie nicht in Un-
ruh ſtuͤrtzen wolte/ und ſich nicht ſelbſt haſſen/
da ſie an ſeine Liebe anckern ſolte. Seine
Maͤßigung wuͤrde ihr ein Kennzeichen ſeiner
Gewogenheit/ und eine Weiſſagung beyder-
ſeitiger Vergnuͤgung ſeyn. Hiermit wolte
ſie ihre Hand zuruͤck ziehen/ der Fuͤrſt aber
druͤckte ſie vorher an ſeinen Mund/ worauff ſie
ſich aus dem Zimmer begab/ und den Fuͤrſten
Zeno halb geneſen/ die Koͤnigin aber/ die der
Schmertz vorher gleichſam entzuͤckt hatte/ in
ungemeiner Vergnuͤgung verließ. Ob nun
wol Fuͤrſt Zeno eine groſſe Erleichterung em-
pfand/ ſo verſchwand doch ſeine Bekuͤmmernuͤß
nicht auf einmahl/ ſondern es blieb in ſeinem
Gemuͤthe ſo wie auf dem Meere nach dem Un-
gewitter noch einige Unruh uͤbrig. Denn es
[Spaltenumbruch] konte bald ſein Hertz die allzu geſchwinde Be-
gluͤckung nicht begreiffen/ und kam ihm der E-
rato holdſelige Erklaͤrung mehrmahls nur als
ein Traum fuͤr/ bald nam er ihre Bezeugung
nur fuͤr ein angenommenes Liebkoſen/ oder fuͤr
ein durch die Koͤnigin angeſtelltes Mittel zu ſei-
ner Geneſung an/ bald beſorgte er eine Ver-
aͤnderung ihres Gemuͤthes/ oder auch des allzu
glitſchrichten Gluͤckes. Denn die Liebe hat
zur Gefaͤhrtin die Einbildung/ die erſte Bewe-
gung der Seele/ und die allerunruhigſte Ei-
genſchafft des Menſchen. Dieſe hat zu ihrem
Dienſte mehr als hundert Mahler/ welche nicht
nur das Ebenbild deſſen/ was man liebet/ ihr
auff vielerley Weiſe fuͤrſtellt/ ſondern auch den
Schatten allerhand gefaͤhrlicher Zufaͤlle beyſe-
tzet. Ja wenn alle andere Gemuͤths-Kraͤff-
ten mit dem Verliebten eingeſchlaffen ſind/ ſo
bilden doch die Traͤume ihm alles noch viel ſel-
tzamer fuͤr; welche/ ob ſie zwar blind gebohren/
auch ſtets im finſtern ſind/ ſich doch ohne Licht
und Wegweiſer nicht verlieren/ und mit Huͤlf-
fe der Liebe zu ihrer Buhlſchafft den Weg fin-
den. Gleichwohl erlangte Zeno durch eine
mittelmaͤßige Nacht-Ruh ſo viel Kraͤfften/ daß
er folgenden Tages an die Erato etliche Zeilen
ſchreiben konte. Welche Erato mit einer ſol-
chen Anmuth beantwortete/ daß ihm dadurch
aller Nebel ſeines noch nicht gar verſchwunde-
nen Zweiffels an ihrer Gegen-Liebe vertrieben
ward. Die Koͤnigin aber kam zu ihr ins Zim-
mer/ verehrte ſie als ihre einige Huͤlffs-Goͤt-
tin/ umbhalſete ſie als ihre eigene Tochter.
Durchlauchte Fuͤrſtin! die Welt/ fing ſie an/ iſt
erſtaunt uͤber der Liebe der Britanniſchen Fuͤr-
ſtin Lelebiſa/ der Gemahlin des mit dem groſ-
ſen Mithridates verbundenen Galliſchen Fuͤr-
ſten Edwards. Denn als dieſer von einem
giftigen Pfeile verwundet/ und von den Aertz-
ten befunden ward: Er koͤnte nicht als durch
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ter
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[274/0326] Drittes Buch Sonnen/ als dem verliebteſten Geſchoͤpffe der Welt aͤhnlich/ welche/ weil ſie in einem Tage alles heimſuchen muß/ was ſie liebt/ und nir- gends ihrer Kugel einen Stillſtand erlauben darf/ ihr lebhafftes Licht mit den Sternen/ wie zwey einander anſchauende Verliebten durch die Augen/ ihre Waͤrmbde mit dem geliebten Erdbodeme/ ihre ſchoͤne Farbe mit Golde/ Per- len und Edelgeſteinen/ als denen Geſtirnen der Vorwitzigen/ und den andern Sonnen der Geitzigen vereinbart. Erato/ welche nicht al- lein wuſte/ daß ſo gar der lebloſen Dinge Zu- neigung die Vereinbarung verlange/ als die Fluͤſſe mit dem Meere/ das Eiſen mit dem Ma- gnet/ die Spreue mit dem Agſteine ſich zu ver- maͤhlen verlangte/ ſondern deſſen ſelbſt in ihrer leidenden Seele uͤberwieſen ward/ ſahe dieſe Re- gungen dem Krancken mit hefftigem Mitlei- den an/ konte ſich alſo mit genauer Noth er- muntern/ daß ſie den Fuͤrſten derogeſtalt anre- dete: Die Hoffnung waͤre eine Mutter/ oder zum minſten eine ſtaͤte Gefaͤrthin vernuͤnffti- ger Liebe/ die Verzweiffelung aber eine Toch- ter des Haſſes. Dieſem nach moͤchte er doch ſein Gemuͤthe beruhigen/ da er ſie nicht in Un- ruh ſtuͤrtzen wolte/ und ſich nicht ſelbſt haſſen/ da ſie an ſeine Liebe anckern ſolte. Seine Maͤßigung wuͤrde ihr ein Kennzeichen ſeiner Gewogenheit/ und eine Weiſſagung beyder- ſeitiger Vergnuͤgung ſeyn. Hiermit wolte ſie ihre Hand zuruͤck ziehen/ der Fuͤrſt aber druͤckte ſie vorher an ſeinen Mund/ worauff ſie ſich aus dem Zimmer begab/ und den Fuͤrſten Zeno halb geneſen/ die Koͤnigin aber/ die der Schmertz vorher gleichſam entzuͤckt hatte/ in ungemeiner Vergnuͤgung verließ. Ob nun wol Fuͤrſt Zeno eine groſſe Erleichterung em- pfand/ ſo verſchwand doch ſeine Bekuͤmmernuͤß nicht auf einmahl/ ſondern es blieb in ſeinem Gemuͤthe ſo wie auf dem Meere nach dem Un- gewitter noch einige Unruh uͤbrig. Denn es konte bald ſein Hertz die allzu geſchwinde Be- gluͤckung nicht begreiffen/ und kam ihm der E- rato holdſelige Erklaͤrung mehrmahls nur als ein Traum fuͤr/ bald nam er ihre Bezeugung nur fuͤr ein angenommenes Liebkoſen/ oder fuͤr ein durch die Koͤnigin angeſtelltes Mittel zu ſei- ner Geneſung an/ bald beſorgte er eine Ver- aͤnderung ihres Gemuͤthes/ oder auch des allzu glitſchrichten Gluͤckes. Denn die Liebe hat zur Gefaͤhrtin die Einbildung/ die erſte Bewe- gung der Seele/ und die allerunruhigſte Ei- genſchafft des Menſchen. Dieſe hat zu ihrem Dienſte mehr als hundert Mahler/ welche nicht nur das Ebenbild deſſen/ was man liebet/ ihr auff vielerley Weiſe fuͤrſtellt/ ſondern auch den Schatten allerhand gefaͤhrlicher Zufaͤlle beyſe- tzet. Ja wenn alle andere Gemuͤths-Kraͤff- ten mit dem Verliebten eingeſchlaffen ſind/ ſo bilden doch die Traͤume ihm alles noch viel ſel- tzamer fuͤr; welche/ ob ſie zwar blind gebohren/ auch ſtets im finſtern ſind/ ſich doch ohne Licht und Wegweiſer nicht verlieren/ und mit Huͤlf- fe der Liebe zu ihrer Buhlſchafft den Weg fin- den. Gleichwohl erlangte Zeno durch eine mittelmaͤßige Nacht-Ruh ſo viel Kraͤfften/ daß er folgenden Tages an die Erato etliche Zeilen ſchreiben konte. Welche Erato mit einer ſol- chen Anmuth beantwortete/ daß ihm dadurch aller Nebel ſeines noch nicht gar verſchwunde- nen Zweiffels an ihrer Gegen-Liebe vertrieben ward. Die Koͤnigin aber kam zu ihr ins Zim- mer/ verehrte ſie als ihre einige Huͤlffs-Goͤt- tin/ umbhalſete ſie als ihre eigene Tochter. Durchlauchte Fuͤrſtin! die Welt/ fing ſie an/ iſt erſtaunt uͤber der Liebe der Britanniſchen Fuͤr- ſtin Lelebiſa/ der Gemahlin des mit dem groſ- ſen Mithridates verbundenen Galliſchen Fuͤr- ſten Edwards. Denn als dieſer von einem giftigen Pfeile verwundet/ und von den Aertz- ten befunden ward: Er koͤnte nicht als durch den Tod eines andern/ welcher das gifftige Ey- ter

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/326>, abgerufen am 25.11.2024.