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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] bart; hingegen/ daß die Stadt nicht durch andere
Weissagungen irre gemacht/ oder gar ausser den
Schrancken des Gehorsams versetzt würde/ ha-
ben die Obern die Sibyllinischen Bücher ver-
brennen/ und die Wahrsager mehrmals aus der
Stadt vertreiben lassen. Mit Noth brachte
ich es endlich so weit/ daß König Polemon einen
seiner Räthe Sophites befehlichte/ des Chere-
mon Wissenschafft zu durchforschen. Dieser
rechtfertigte ihn alsofort: Ob er ein Sternseher
wäre/ und wo er seine Künste gelernet hätte?
Cheremon antwortete dem Sophites gleichsam
verächtlich: Er wäre zwar nach Sinope nicht
kommen seines Thuns halber Rechenschafft zu
geben; nachdem er in Egypten für einen halben
Gott gehalten würde. Jedoch könte er nicht
läugnen/ daß er mit dem Verhängnüsse ein ver-
träuliches Verständnüß/ und den Sternen täg-
liche Gemeinschafft hätte/ und nichts minder ei-
nen Wahrsager unter den Menschen/ als einen
Gesetzgeber im Himmel abgebe; auch versichert
wäre/ daß sein Nahme nicht mit tunckelern
Sternen/ als der Gürtel des Orions daselbst
eingeschrieben werden würde. Sophites frag-
te weiter: Woher er diese Wissenschafft erler-
net? Aus dem Buche der Verständigen/ ant-
wortete Cheremon/ nemlich dem Himmel/ dessen
Sterne alle Buchstaben wären/ woraus die
Weisen alle Geheimnüsse der Natur und die
Schlüsse des Glückes so unschwer lesen könten/
als die ersten Menschen nach dem Stande der
Gestirne in denen sändichten Einöden/ und noch
ietzt die Schiffenden hätten reisen lernen/ und
die Weisen der ersten Welt auch die Sprache
der Thiere verstanden. Worbey er aber mit
dem Socrates gestehen müste/ daß die Erfah-
rung bimmlischer Dinge ohne Göttliche Hülffe
und Erleuchtung sich nicht erlernen liesse. So-
phites erkundigte ferner: Mit welchen Volckes
Schrifft denn diese himmlische eine Verwandnüß
hätte/ und wordurch die Anfänger selbte verste-
hen lernten? Cheremon fing an: Die sieben
[Spaltenumbruch] grosse Jrr-Sterne wären die laut-alle andere
die stummen Buchstaben. Der kluge Cham hätte
das A. B. C. in 7. ertztene und 7. irrdene Säulen
aufgezeichnet/ wormit selbte weder Feuer noch
Wasser vertilgen möchte. Der sinnreiche Jdris
aber hätte ein von dem andern Menschenin einen
versiegelten Stein verschlossenes Buch gefunden/
darinnen die allerklärste Auslegung enthalten
gewest/ und aus welchen die Egyptier so viel tau-
send Jahr ihre Heimligkeiten geschöpfet hätten.
Sophites fuhr fort: Woher sie eines so grossen
Alters der Welt versichert wären; ob sie selbte
wegen ihres Ursprungs für ewig/ und ihrer
Tauerhaftigkeit nach für unver gänglich hielten?
und ob er auch unter denen Leichtglaubigen wäre/
daß die Babylonier von 470000. Jahren den
Lauff der Sonnen aufgezeichnet hätten? Che-
remon versetzte: Alle Dinge/ ausser Gott/ hätten
ihren Anfang; das Alter der Welt wüsten sie
aus denen 20000. Büchern des Hermes/ in
welchen keines Sternes Bewegung von Anfang
der Welt aussengelassen wäre. Das Alter der
Welt würde sich auf 36525. Jahr erstrecken/ weil
in so vieler Zeit der völlige Lauff des Gestirnes
sich endigte/ und umb ein allgemeines Ende zu
machen alles in den ersten Stand verfiele. So-
phites fragte ferner: Ob denn die Sterne allein
in der Welt die natürlichen Regungen des Ge-
wächses/ des Gewitters/ der Fruchtbarkeit/ in
dem Menschen nur über den Leib/ oder auch über
sein Gemüthe/ über den Willen und die Regun-
gen der Seele einige Gewalt hätte. Cheremon
antwortete: Die Sternen hätten so wohl über
ein als das andere eine vollkommene Botmäs-
sigkeit. Sophites versetzte: So höre ich wohl/
die Sternen haben nicht nur eine blosse Nei-
gung/ sondern einen völligen Zwang über uns.
Sintemal alle Wissenschafften keinen zufälli-
gen/ sondern einen nothwendigen Schluß in sich
haben. Hat denn aber der Mensch keinen frey-
en Willen der Tugend oder dem Laster beyzu-
fallen/ auch keinen Verstand Gutes und Böses

zu

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] bart; hingegen/ daß die Stadt nicht durch andere
Weiſſagungen irre gemacht/ oder gar auſſer den
Schrancken des Gehorſams verſetzt wuͤrde/ ha-
ben die Obern die Sibylliniſchen Buͤcher ver-
brennen/ und die Wahrſager mehrmals aus der
Stadt vertreiben laſſen. Mit Noth brachte
ich es endlich ſo weit/ daß Koͤnig Polemon einen
ſeiner Raͤthe Sophites befehlichte/ des Chere-
mon Wiſſenſchafft zu durchforſchen. Dieſer
rechtfertigte ihn alſofort: Ob er ein Sternſeher
waͤre/ und wo er ſeine Kuͤnſte gelernet haͤtte?
Cheremon antwortete dem Sophites gleichſam
veraͤchtlich: Er waͤre zwar nach Sinope nicht
kommen ſeines Thuns halber Rechenſchafft zu
geben; nachdem er in Egypten fuͤr einen halben
Gott gehalten wuͤrde. Jedoch koͤnte er nicht
laͤugnen/ daß er mit dem Verhaͤngnuͤſſe ein ver-
traͤuliches Verſtaͤndnuͤß/ und den Sternen taͤg-
liche Gemeinſchafft haͤtte/ und nichts minder ei-
nen Wahrſager unter den Menſchen/ als einen
Geſetzgeber im Himmel abgebe; auch verſichert
waͤre/ daß ſein Nahme nicht mit tunckelern
Sternen/ als der Guͤrtel des Orions daſelbſt
eingeſchrieben werden wuͤrde. Sophites frag-
te weiter: Woher er dieſe Wiſſenſchafft erler-
net? Aus dem Buche der Verſtaͤndigen/ ant-
wortete Cheremon/ nemlich dem Himmel/ deſſen
Sterne alle Buchſtaben waͤren/ woraus die
Weiſen alle Geheimnuͤſſe der Natur und die
Schluͤſſe des Gluͤckes ſo unſchwer leſen koͤnten/
als die erſten Menſchen nach dem Stande der
Geſtirne in denen ſaͤndichten Einoͤden/ und noch
ietzt die Schiffenden haͤtten reiſen lernen/ und
die Weiſen der erſten Welt auch die Sprache
der Thiere verſtanden. Worbey er aber mit
dem Socrates geſtehen muͤſte/ daß die Erfah-
rung bim̃liſcher Dinge ohne Goͤttliche Huͤlffe
und Erleuchtung ſich nicht erlernen lieſſe. So-
phites erkundigte ferner: Mit welchen Volckes
Schrifft denn dieſe him̃liſche eine Verwandnuͤß
haͤtte/ und wordurch die Anfaͤnger ſelbte verſte-
hen lernten? Cheremon fing an: Die ſieben
[Spaltenumbruch] groſſe Jrr-Sterne waͤren die laut-alle andere
die ſtummen Buchſtaben. Der kluge Cham haͤtte
das A. B. C. in 7. ertztene und 7. irrdene Saͤulẽ
aufgezeichnet/ wormit ſelbte weder Feuer noch
Waſſer vertilgen moͤchte. Der ſinnreiche Jdris
aber haͤtte ein von dem andern Menſchenin einẽ
verſiegelten Stein verſchloſſenes Buch gefundẽ/
darinnen die allerklaͤrſte Auslegung enthalten
geweſt/ und aus welchen die Egyptier ſo viel tau-
ſend Jahr ihre Heimligkeiten geſchoͤpfet haͤtten.
Sophites fuhr fort: Woher ſie eines ſo groſſen
Alters der Welt verſichert waͤren; ob ſie ſelbte
wegen ihres Urſprungs fuͤr ewig/ und ihrer
Tauerhaftigkeit nach fuͤr unver gaͤnglich hielten?
und ob er auch unter denen Leichtglaubigẽ waͤre/
daß die Babylonier von 470000. Jahren den
Lauff der Sonnen aufgezeichnet haͤtten? Che-
remon verſetzte: Alle Dinge/ auſſer Gott/ haͤtten
ihren Anfang; das Alter der Welt wuͤſten ſie
aus denen 20000. Buͤchern des Hermes/ in
welchen keines Sternes Bewegung von Anfang
der Welt auſſengelaſſen waͤre. Das Alter der
Welt wuͤrde ſich auf 36525. Jahr erſtrecken/ weil
in ſo vieler Zeit der voͤllige Lauff des Geſtirnes
ſich endigte/ und umb ein allgemeines Ende zu
machen alles in den erſten Stand verfiele. So-
phites fragte ferner: Ob denn die Sterne allein
in der Welt die natuͤrlichen Regungen des Ge-
waͤchſes/ des Gewitters/ der Fruchtbarkeit/ in
dem Menſchen nur uͤber den Leib/ oder auch uͤber
ſein Gemuͤthe/ uͤber den Willen und die Regun-
gen der Seele einige Gewalt haͤtte. Cheremon
antwortete: Die Sternen haͤtten ſo wohl uͤber
ein als das andere eine vollkommene Botmaͤſ-
ſigkeit. Sophites verſetzte: So hoͤre ich wohl/
die Sternen haben nicht nur eine bloſſe Nei-
gung/ ſondern einen voͤlligen Zwang uͤber uns.
Sintemal alle Wiſſenſchafften keinen zufaͤlli-
gen/ ſondern einen nothwendigen Schluß in ſich
haben. Hat denn aber der Menſch keinen frey-
en Willen der Tugend oder dem Laſter beyzu-
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zu
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[264/0316] Drittes Buch bart; hingegen/ daß die Stadt nicht durch andere Weiſſagungen irre gemacht/ oder gar auſſer den Schrancken des Gehorſams verſetzt wuͤrde/ ha- ben die Obern die Sibylliniſchen Buͤcher ver- brennen/ und die Wahrſager mehrmals aus der Stadt vertreiben laſſen. Mit Noth brachte ich es endlich ſo weit/ daß Koͤnig Polemon einen ſeiner Raͤthe Sophites befehlichte/ des Chere- mon Wiſſenſchafft zu durchforſchen. Dieſer rechtfertigte ihn alſofort: Ob er ein Sternſeher waͤre/ und wo er ſeine Kuͤnſte gelernet haͤtte? Cheremon antwortete dem Sophites gleichſam veraͤchtlich: Er waͤre zwar nach Sinope nicht kommen ſeines Thuns halber Rechenſchafft zu geben; nachdem er in Egypten fuͤr einen halben Gott gehalten wuͤrde. Jedoch koͤnte er nicht laͤugnen/ daß er mit dem Verhaͤngnuͤſſe ein ver- traͤuliches Verſtaͤndnuͤß/ und den Sternen taͤg- liche Gemeinſchafft haͤtte/ und nichts minder ei- nen Wahrſager unter den Menſchen/ als einen Geſetzgeber im Himmel abgebe; auch verſichert waͤre/ daß ſein Nahme nicht mit tunckelern Sternen/ als der Guͤrtel des Orions daſelbſt eingeſchrieben werden wuͤrde. Sophites frag- te weiter: Woher er dieſe Wiſſenſchafft erler- net? Aus dem Buche der Verſtaͤndigen/ ant- wortete Cheremon/ nemlich dem Himmel/ deſſen Sterne alle Buchſtaben waͤren/ woraus die Weiſen alle Geheimnuͤſſe der Natur und die Schluͤſſe des Gluͤckes ſo unſchwer leſen koͤnten/ als die erſten Menſchen nach dem Stande der Geſtirne in denen ſaͤndichten Einoͤden/ und noch ietzt die Schiffenden haͤtten reiſen lernen/ und die Weiſen der erſten Welt auch die Sprache der Thiere verſtanden. Worbey er aber mit dem Socrates geſtehen muͤſte/ daß die Erfah- rung bim̃liſcher Dinge ohne Goͤttliche Huͤlffe und Erleuchtung ſich nicht erlernen lieſſe. So- phites erkundigte ferner: Mit welchen Volckes Schrifft denn dieſe him̃liſche eine Verwandnuͤß haͤtte/ und wordurch die Anfaͤnger ſelbte verſte- hen lernten? Cheremon fing an: Die ſieben groſſe Jrr-Sterne waͤren die laut-alle andere die ſtummen Buchſtaben. Der kluge Cham haͤtte das A. B. C. in 7. ertztene und 7. irrdene Saͤulẽ aufgezeichnet/ wormit ſelbte weder Feuer noch Waſſer vertilgen moͤchte. Der ſinnreiche Jdris aber haͤtte ein von dem andern Menſchenin einẽ verſiegelten Stein verſchloſſenes Buch gefundẽ/ darinnen die allerklaͤrſte Auslegung enthalten geweſt/ und aus welchen die Egyptier ſo viel tau- ſend Jahr ihre Heimligkeiten geſchoͤpfet haͤtten. Sophites fuhr fort: Woher ſie eines ſo groſſen Alters der Welt verſichert waͤren; ob ſie ſelbte wegen ihres Urſprungs fuͤr ewig/ und ihrer Tauerhaftigkeit nach fuͤr unver gaͤnglich hielten? und ob er auch unter denen Leichtglaubigẽ waͤre/ daß die Babylonier von 470000. Jahren den Lauff der Sonnen aufgezeichnet haͤtten? Che- remon verſetzte: Alle Dinge/ auſſer Gott/ haͤtten ihren Anfang; das Alter der Welt wuͤſten ſie aus denen 20000. Buͤchern des Hermes/ in welchen keines Sternes Bewegung von Anfang der Welt auſſengelaſſen waͤre. Das Alter der Welt wuͤrde ſich auf 36525. Jahr erſtrecken/ weil in ſo vieler Zeit der voͤllige Lauff des Geſtirnes ſich endigte/ und umb ein allgemeines Ende zu machen alles in den erſten Stand verfiele. So- phites fragte ferner: Ob denn die Sterne allein in der Welt die natuͤrlichen Regungen des Ge- waͤchſes/ des Gewitters/ der Fruchtbarkeit/ in dem Menſchen nur uͤber den Leib/ oder auch uͤber ſein Gemuͤthe/ uͤber den Willen und die Regun- gen der Seele einige Gewalt haͤtte. Cheremon antwortete: Die Sternen haͤtten ſo wohl uͤber ein als das andere eine vollkommene Botmaͤſ- ſigkeit. Sophites verſetzte: So hoͤre ich wohl/ die Sternen haben nicht nur eine bloſſe Nei- gung/ ſondern einen voͤlligen Zwang uͤber uns. Sintemal alle Wiſſenſchafften keinen zufaͤlli- gen/ ſondern einen nothwendigen Schluß in ſich haben. Hat denn aber der Menſch keinen frey- en Willen der Tugend oder dem Laſter beyzu- fallen/ auch keinen Verſtand Gutes und Boͤſes zu

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/316>, abgerufen am 25.11.2024.