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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schreiben wäre. Aller Zuschauer sorgfältige
Augen waren nun auf den Massabazanes ge-
richtet/ welcher den Scythen-den Cyclopen-
Kopff/ den Ring/ den Drachen in noch grösse-
rer Vollkommenheit/ als das erste mahl traf/
bey dem letzten Ziel aber zu der Schleuder die
lincke Hand brauchte/ und/ wie iederman es
unschwer urtheilen konte/ mit Fleiß die Schei-
be fehlete umb der Fürstin den Preiß zu lassen;
Gleichwohl aber den Ständer mit dem ge-
schleuderten Steine traf. Das Volck beglei-
tete beyde abermahls mit Jauchzen/ und Sta-
tilius Taurus reichte hierauf Arsinoen den
höchsten Preiß/ welches war ein Lorber-Krantz
dichte mit Diamanten besetzt; Junius Sila-
nus aber dem Massabazanes den Zier-Preiß/
nehmlich eine mit Rubinen umwundene Myr-
then-Krone. Hierdurch gerieth Massabaza-
nes/ oder vielmehr Erato bey Hoffe in grosses
Ansehen/ also/ daß daselbst nichts sonderliches
vorgehen konte/ es muste Massabazanes dar-
bey seyn. Der König und die Königin be-
zeugten ihm alle ersinnliche Gnade/ gleichsam/
als wenn der Vorzug eines Fürsten bloß in
dem beruhete/ daß er den Menschen mehr gu-
tes thun könne/ als niedrigere; Arsinoe ver-
mochte auch fast ohne ihn nicht zu leben/ alle
aber insgemein urtheilten/ es wäre Massaba-
zanes von grösserm Geblüte/ als er sich ausge-
be. Also hat die Tugend die Krafft des Ma-
gnets in sich/ welche auch die frembdesten Ge-
müther an sich zeucht/ und wie aus dem Klan-
ge das Ertzt/ aus der Schwerde das Gold/
wenn schon sein Glantz euserlich durch ein ge-
ringeres Ansehn benommen ist/ erkennet wird;
also verrathen auch tapffere Thaten eine hohe
Ankunfft/ und die Würde eines Helden-Gei-
stes. Erato hingegen empfand einen nach-
drücklichen Zug gegen Arsinoen/ also daß sie
nicht weniger eine Freudigkeit bey sich em-
pfand/ wenn sie ihr Antlitz zu schauen bekam/
[Spaltenumbruch] als wenn die betrübte Welt nach der düster-
nen Nacht die annehmliche Sonne aufgehen
siehet. Seine Enteuserung aber von Arsi-
noens Augen/ war eine Verdüsterung seiner
sonst angebohrnen Freudigkeit/ ja die Tage
selbst mehr als verdrüßliche Nächte/ in wel-
chen ihm gleichwohl die Träume das annehm-
liche Bild dieser Halb-Göttin mehrmahls fürs
Gesichte stelleten. Diese Unruh des Ge-
müthes ward endlich zu einer völligen
Schwachheit/ und wie sehr gleich Erato sol-
che Gemüths - Veränderung verblümte/ so
lieffen sie doch mit der Zeit in die Augen und
Auffmerckung. Ja sie konte endlich selbst
mir länger nicht verschweigen/ daß das Abseyn
von Arsinoen ihr eine fast unerträgliche Mar-
ter wäre. Dieser Fürtrag/ und die zugleich
eröffnete Ursache ihrer Beunruhigung kam
mir überaus seltzam für. Denn/ da mir nicht
die Gleichheit des Geschlechtes im Wege ge-
standen hätte/ wäre die Kranckheit leicht zu
errathen gewest. Sintemahl die Liebe kein
eigenthümlicher Kennzeichen hat/ als die Be-
gierde der Vereinbarung. Denn durch sie
wird der Geist gleichsam aus ihrer eigenen in
eine frembde Seele verzücket/ und diese höret
auff in dem Cörper/ den sie beseelet/ zu leben/
wormit sie in dem/ den sie liebet/ einen ver-
gnügtern Auffenthalt finde. Weil auch die
Liebe der Uhrsprung der Freude und Ergetz-
ligkeit ist/ kan ein Liebhabender nirgend an-
derswo/ als da/ wohin er sein Absehen hat/
einige Wollust finden. Alle andere Lust-
Häuser/ ja der Himmel selbst/ ist ihnen ein
Siech- und Trauer-Hauß; die Anmuth stin-
cket sie an/ alle anderswohin zielende Ge-
dancken sind ihnen irrdisch und verwerfflich/
ja die Seelen werden ihren eigenen Leibern
gram/ daß sie an selbten gleichsam angefäs-
selt sind/ und sie bedüncken ihnen fremb-
de Wirths-Häuser/ ja wohl gar ver-

drüß-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchreiben waͤre. Aller Zuſchauer ſorgfaͤltige
Augen waren nun auf den Maſſabazanes ge-
richtet/ welcher den Scythen-den Cyclopen-
Kopff/ den Ring/ den Drachen in noch groͤſſe-
rer Vollkommenheit/ als das erſte mahl traf/
bey dem letzten Ziel aber zu der Schleuder die
lincke Hand brauchte/ und/ wie iederman es
unſchwer urtheilen konte/ mit Fleiß die Schei-
be fehlete umb der Fuͤrſtin den Preiß zu laſſen;
Gleichwohl aber den Staͤnder mit dem ge-
ſchleuderten Steine traf. Das Volck beglei-
tete beyde abermahls mit Jauchzen/ und Sta-
tilius Taurus reichte hierauf Arſinoen den
hoͤchſten Preiß/ welches war ein Lorber-Krantz
dichte mit Diamanten beſetzt; Junius Sila-
nus aber dem Maſſabazanes den Zier-Preiß/
nehmlich eine mit Rubinen umwundene Myr-
then-Krone. Hierdurch gerieth Maſſabaza-
nes/ oder vielmehr Erato bey Hoffe in groſſes
Anſehen/ alſo/ daß daſelbſt nichts ſonderliches
vorgehen konte/ es muſte Maſſabazanes dar-
bey ſeyn. Der Koͤnig und die Koͤnigin be-
zeugten ihm alle erſinnliche Gnade/ gleichſam/
als wenn der Vorzug eines Fuͤrſten bloß in
dem beruhete/ daß er den Menſchen mehr gu-
tes thun koͤnne/ als niedrigere; Arſinoe ver-
mochte auch faſt ohne ihn nicht zu leben/ alle
aber insgemein urtheilten/ es waͤre Maſſaba-
zanes von groͤſſerm Gebluͤte/ als er ſich ausge-
be. Alſo hat die Tugend die Krafft des Ma-
gnets in ſich/ welche auch die frembdeſten Ge-
muͤther an ſich zeucht/ und wie aus dem Klan-
ge das Ertzt/ aus der Schwerde das Gold/
wenn ſchon ſein Glantz euſerlich durch ein ge-
ringeres Anſehn benommen iſt/ erkennet wird;
alſo verrathen auch tapffere Thaten eine hohe
Ankunfft/ und die Wuͤrde eines Helden-Gei-
ſtes. Erato hingegen empfand einen nach-
druͤcklichen Zug gegen Arſinoen/ alſo daß ſie
nicht weniger eine Freudigkeit bey ſich em-
pfand/ wenn ſie ihr Antlitz zu ſchauen bekam/
[Spaltenumbruch] als wenn die betruͤbte Welt nach der duͤſter-
nen Nacht die annehmliche Sonne aufgehen
ſiehet. Seine Enteuſerung aber von Arſi-
noens Augen/ war eine Verduͤſterung ſeiner
ſonſt angebohrnen Freudigkeit/ ja die Tage
ſelbſt mehr als verdruͤßliche Naͤchte/ in wel-
chen ihm gleichwohl die Traͤume das annehm-
liche Bild dieſer Halb-Goͤttin mehrmahls fuͤrs
Geſichte ſtelleten. Dieſe Unruh des Ge-
muͤthes ward endlich zu einer voͤlligen
Schwachheit/ und wie ſehr gleich Erato ſol-
che Gemuͤths - Veraͤnderung verbluͤmte/ ſo
lieffen ſie doch mit der Zeit in die Augen und
Auffmerckung. Ja ſie konte endlich ſelbſt
mir laͤnger nicht verſchweigen/ daß das Abſeyn
von Arſinoen ihr eine faſt unertraͤgliche Mar-
ter waͤre. Dieſer Fuͤrtrag/ und die zugleich
eroͤffnete Urſache ihrer Beunruhigung kam
mir uͤberaus ſeltzam fuͤr. Denn/ da mir nicht
die Gleichheit des Geſchlechtes im Wege ge-
ſtanden haͤtte/ waͤre die Kranckheit leicht zu
errathen geweſt. Sintemahl die Liebe kein
eigenthuͤmlicher Kennzeichen hat/ als die Be-
gierde der Vereinbarung. Denn durch ſie
wird der Geiſt gleichſam aus ihrer eigenen in
eine frembde Seele verzuͤcket/ und dieſe hoͤret
auff in dem Coͤrper/ den ſie beſeelet/ zu leben/
wormit ſie in dem/ den ſie liebet/ einen ver-
gnuͤgtern Auffenthalt finde. Weil auch die
Liebe der Uhrſprung der Freude und Ergetz-
ligkeit iſt/ kan ein Liebhabender nirgend an-
derswo/ als da/ wohin er ſein Abſehen hat/
einige Wolluſt finden. Alle andere Luſt-
Haͤuſer/ ja der Himmel ſelbſt/ iſt ihnen ein
Siech- und Trauer-Hauß; die Anmuth ſtin-
cket ſie an/ alle anderswohin zielende Ge-
dancken ſind ihnen irrdiſch und verwerfflich/
ja die Seelen werden ihren eigenen Leibern
gram/ daß ſie an ſelbten gleichſam angefaͤſ-
ſelt ſind/ und ſie beduͤncken ihnen fremb-
de Wirths-Haͤuſer/ ja wohl gar ver-

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[255/0307] Arminius und Thußnelda. ſchreiben waͤre. Aller Zuſchauer ſorgfaͤltige Augen waren nun auf den Maſſabazanes ge- richtet/ welcher den Scythen-den Cyclopen- Kopff/ den Ring/ den Drachen in noch groͤſſe- rer Vollkommenheit/ als das erſte mahl traf/ bey dem letzten Ziel aber zu der Schleuder die lincke Hand brauchte/ und/ wie iederman es unſchwer urtheilen konte/ mit Fleiß die Schei- be fehlete umb der Fuͤrſtin den Preiß zu laſſen; Gleichwohl aber den Staͤnder mit dem ge- ſchleuderten Steine traf. Das Volck beglei- tete beyde abermahls mit Jauchzen/ und Sta- tilius Taurus reichte hierauf Arſinoen den hoͤchſten Preiß/ welches war ein Lorber-Krantz dichte mit Diamanten beſetzt; Junius Sila- nus aber dem Maſſabazanes den Zier-Preiß/ nehmlich eine mit Rubinen umwundene Myr- then-Krone. Hierdurch gerieth Maſſabaza- nes/ oder vielmehr Erato bey Hoffe in groſſes Anſehen/ alſo/ daß daſelbſt nichts ſonderliches vorgehen konte/ es muſte Maſſabazanes dar- bey ſeyn. Der Koͤnig und die Koͤnigin be- zeugten ihm alle erſinnliche Gnade/ gleichſam/ als wenn der Vorzug eines Fuͤrſten bloß in dem beruhete/ daß er den Menſchen mehr gu- tes thun koͤnne/ als niedrigere; Arſinoe ver- mochte auch faſt ohne ihn nicht zu leben/ alle aber insgemein urtheilten/ es waͤre Maſſaba- zanes von groͤſſerm Gebluͤte/ als er ſich ausge- be. Alſo hat die Tugend die Krafft des Ma- gnets in ſich/ welche auch die frembdeſten Ge- muͤther an ſich zeucht/ und wie aus dem Klan- ge das Ertzt/ aus der Schwerde das Gold/ wenn ſchon ſein Glantz euſerlich durch ein ge- ringeres Anſehn benommen iſt/ erkennet wird; alſo verrathen auch tapffere Thaten eine hohe Ankunfft/ und die Wuͤrde eines Helden-Gei- ſtes. Erato hingegen empfand einen nach- druͤcklichen Zug gegen Arſinoen/ alſo daß ſie nicht weniger eine Freudigkeit bey ſich em- pfand/ wenn ſie ihr Antlitz zu ſchauen bekam/ als wenn die betruͤbte Welt nach der duͤſter- nen Nacht die annehmliche Sonne aufgehen ſiehet. Seine Enteuſerung aber von Arſi- noens Augen/ war eine Verduͤſterung ſeiner ſonſt angebohrnen Freudigkeit/ ja die Tage ſelbſt mehr als verdruͤßliche Naͤchte/ in wel- chen ihm gleichwohl die Traͤume das annehm- liche Bild dieſer Halb-Goͤttin mehrmahls fuͤrs Geſichte ſtelleten. Dieſe Unruh des Ge- muͤthes ward endlich zu einer voͤlligen Schwachheit/ und wie ſehr gleich Erato ſol- che Gemuͤths - Veraͤnderung verbluͤmte/ ſo lieffen ſie doch mit der Zeit in die Augen und Auffmerckung. Ja ſie konte endlich ſelbſt mir laͤnger nicht verſchweigen/ daß das Abſeyn von Arſinoen ihr eine faſt unertraͤgliche Mar- ter waͤre. Dieſer Fuͤrtrag/ und die zugleich eroͤffnete Urſache ihrer Beunruhigung kam mir uͤberaus ſeltzam fuͤr. Denn/ da mir nicht die Gleichheit des Geſchlechtes im Wege ge- ſtanden haͤtte/ waͤre die Kranckheit leicht zu errathen geweſt. Sintemahl die Liebe kein eigenthuͤmlicher Kennzeichen hat/ als die Be- gierde der Vereinbarung. Denn durch ſie wird der Geiſt gleichſam aus ihrer eigenen in eine frembde Seele verzuͤcket/ und dieſe hoͤret auff in dem Coͤrper/ den ſie beſeelet/ zu leben/ wormit ſie in dem/ den ſie liebet/ einen ver- gnuͤgtern Auffenthalt finde. Weil auch die Liebe der Uhrſprung der Freude und Ergetz- ligkeit iſt/ kan ein Liebhabender nirgend an- derswo/ als da/ wohin er ſein Abſehen hat/ einige Wolluſt finden. Alle andere Luſt- Haͤuſer/ ja der Himmel ſelbſt/ iſt ihnen ein Siech- und Trauer-Hauß; die Anmuth ſtin- cket ſie an/ alle anderswohin zielende Ge- dancken ſind ihnen irrdiſch und verwerfflich/ ja die Seelen werden ihren eigenen Leibern gram/ daß ſie an ſelbten gleichſam angefaͤſ- ſelt ſind/ und ſie beduͤncken ihnen fremb- de Wirths-Haͤuſer/ ja wohl gar ver- druͤß-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/307>, abgerufen am 25.11.2024.