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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als ein Marmel-Bild stehende den Geist aus-
bließ. So hertzhafft besiegte diese Heldin die
Liebe/ die Wollust/ den Ehrgeitz/ und die Furcht
des Todes/ welches doch die abscheulichsten Fein-
de beyder Geschlechter sind/ zu einem unver geß-
lichen Merckmale/ daß die Mässigung des Ge-
müthes auf den Nothfall so geschickt zu den Waf-
fen/ als sonst friedfertig sey. Allen Zuschauern
band das Schrecken die Glieder/ das Geblüte
geran in ihren Adern/ also daß sie unbeweglicher/
als das todte Bild der Anaitis standen; bald
Olympien als ein Muster der ehlichen Treue/
bald Artabazen als ein Beyspiel Göttlicher Ra-
che ansahen; alle Sterblichen aber hernach die-
sen Ort/ der von dem Blitze Göttlichen Zornes
gerühret worden/ für zweyfach heilig verehrten.
Dem Priester fiel das Messer/ den Knaben die
Fackeln aus den Händen/ und leschten sich in de-
nen zum Opfer bereiteten Kesseln aus/ welche
nun nicht mehr alleine mit Milch und Weine/
sondern dem heiligen Blute der keuschen
Olympie gefüllt waren. Als sie aber endlich
wieder zu sich selbst kommen/ eilte iedweder mit
Furcht für grösserm Ubel aus dem Tempel/
einige dem Artabazes wol wollende waren zw ar
über Olympien erbittert/ sie aber hatte durch ih-
ren großmüthigen Tod sich dahin geschwungen/
wo ihr weder Rache noch Mordlust einiges Leid
mehr anthun konte. Die meisten aber verfluch-
ten Artabazens Unthaten/ danckten den gerech-
ten Rach-Göttern für so scheinbare Bestrafung/
und hoben die Helden-Thaten Olympiens über
alle Tapferkeiten der Vor-Welt. Daher/ wie
Artabazes schlecht/ und in der Stille beerdiget
ward/ also baute man Olympien ein prächtiges
Grabmahl aus Marmelstein/ setzte ihr Bildnüß
aus gediegenem Golde in den Tempel neben die
Göttin Anaitis/ in dessen Fuß der Priester nach-
folgenden Lob-Spruch setzen ließ:

Heb'/ Rom Lucretien biß an das Stern-Gerüste!
Weil sie in Adern-Brunn den kalten Stahl gesteckt/
Nach dem sie vom Tarquin durch Ehbruch ward befleckt.
Hier dringt ein reiner Dolch durch unbefleckte Brüste.
[Spaltenumbruch] Lucretie ließ zu/ vorher die schnöden Lüste;

Olympie hat nichts von geiler Brunst geschmeckt
Die ihren Helden-Arm zu strenger Rach' außstreckt
Eh' als zum erstenmahl sie Artabazes küßte.
Lueretie verschenckt dem Schänder nur den Thron/
Hier büßt der Fürsatz ein Lust/ Ehre/ Leben/ Kron.
Die Nachwelt wird gestchn/ die beoder Bild wird sehen:
Gold/ Ertzt und Marmel sey Olympien zu schlecht/
Lucrezen Holtz zu gut/ Lucrezen sey nur recht/
Olympien zu viel durch ihren Stich geschehen.

Die allgemeine Ruh nöthigte doch endlich die
Armenischen Reichs - Stände auf ein neues
Haupt zu sinnen; und obwol etliche getreue Lieb-
haber des Vaterlandes ihr Absehen auf den
rechtmässigen Stul-Erben/ nemlich den geflüch-
teten jungen Artaxias hat[t]en/ so waren ihnen doch
die Hände von den Römischen Legionen gebun-
den/ gleichwohl riethen sie solchen selbst dem Kai-
ser zu ihrem Könige fürzuschlagen. Es stand
aber Vologeses/ einer von den Fürsten Armeni-
ens auf/ eröffnete der gantzen Versammlung/ daß
er/ und etliche andere Stände/ welchen Artaba-
zens Bruder-Mord ein Greuel gewest wäre/
dem Kaiser seine abscheuliche Laster geklagt/ und
weil sie unter einem solchen Unmenschen nicht
zu leben getrauten/ umb einen andern König/
und zwar den Augustus so viel eher zu gewin-
nen/ umb den andern Bruder des Artaxias/
nemlich den Tigranes gebeten hätten. Hier-
auf laß er ein eigenhändiges Schreiben des Kai-
sers ab/ des Jnhalts: Er habe des Armenischen
Volcks Bedrängüsse behertzigt/ und an Artaba-
zens Lastern ein Mißfallen/ daher sey Tiberius
Nero mit noch vier Legionen im Anzuge/ und be-
fehlicht den Artabazes des Reichs wieder zu entse-
tzen/ und den verlangten Tigranes auf den Thron
zu erheben. Dieser Brief verbot ihnen mehr an
Artaxias zu gedencken/ sondern nöthigte sie viel-
mehr/ wie sie den Tiberius bewillkommen möch-
ten/ fürzusinnen. Zumal noch selbigen Tag
die Post kam: daß Tiberius und Tigranes
schon aus Macedonien über den Fluß Strymon
in Thracien gesetzt/ und daselbst bey der Stadt
Philippis ein seltzames Ebentheuer überstanden

hätten/
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als ein Marmel-Bild ſtehende den Geiſt aus-
bließ. So hertzhafft beſiegte dieſe Heldin die
Liebe/ die Wolluſt/ den Ehrgeitz/ und die Furcht
des Todes/ welches doch die abſcheulichſten Fein-
de beyder Geſchlechter ſind/ zu einem unver geß-
lichen Merckmale/ daß die Maͤſſigung des Ge-
muͤthes auf den Nothfall ſo geſchickt zu den Waf-
fen/ als ſonſt friedfertig ſey. Allen Zuſchauern
band das Schrecken die Glieder/ das Gebluͤte
geran in ihren Adern/ alſo daß ſie unbeweglicher/
als das todte Bild der Anaitis ſtanden; bald
Olympien als ein Muſter der ehlichen Treue/
bald Artabazen als ein Beyſpiel Goͤttlicher Ra-
che anſahen; alle Sterblichen aber hernach die-
ſen Ort/ der von dem Blitze Goͤttlichen Zornes
geruͤhret worden/ fuͤr zweyfach heilig verehrten.
Dem Prieſter fiel das Meſſer/ den Knaben die
Fackeln aus den Haͤnden/ und leſchten ſich in de-
nen zum Opfer bereiteten Keſſeln aus/ welche
nun nicht mehr alleine mit Milch und Weine/
ſondern dem heiligen Blute der keuſchen
Olympie gefuͤllt waren. Als ſie aber endlich
wieder zu ſich ſelbſt kommen/ eilte iedweder mit
Furcht fuͤr groͤſſerm Ubel aus dem Tempel/
einige dem Artabazes wol wollende waren zw ar
uͤber Olympien erbittert/ ſie aber hatte durch ih-
ren großmuͤthigen Tod ſich dahin geſchwungen/
wo ihr weder Rache noch Mordluſt einiges Leid
mehr anthun konte. Die meiſten aber verfluch-
ten Artabazens Unthaten/ danckten den gerech-
ten Rach-Goͤttern fuͤr ſo ſcheinbare Beſtrafung/
und hoben die Helden-Thaten Olympiens uͤber
alle Tapferkeiten der Vor-Welt. Daher/ wie
Artabazes ſchlecht/ und in der Stille beerdiget
ward/ alſo baute man Olympien ein praͤchtiges
Grabmahl aus Marmelſtein/ ſetzte ihr Bildnuͤß
aus gediegenem Golde in den Tempel neben die
Goͤttin Anaitis/ in deſſen Fuß der Prieſter nach-
folgenden Lob-Spruch ſetzen ließ:

Heb’/ Rom Lucretien biß an das Stern-Geruͤſte!
Weil ſie in Adern-Brunn den kalten Stahl geſteckt/
Nach dem ſie vom Tarquin durch Ehbruch ward befleckt.
Hier dringt ein reiner Dolch durch unbefleckte Bruͤſte.
[Spaltenumbruch] Lucretie ließ zu/ vorher die ſchnoͤden Luͤſte;

Olympie hat nichts von geiler Brunſt geſchmeckt
Die ihren Helden-Arm zu ſtrenger Rach’ außſtreckt
Eh’ als zum erſtenmahl ſie Artabazes kuͤßte.
Lueretie verſchenckt dem Schaͤnder nur den Thron/
Hier buͤßt der Fuͤrſatz ein Luſt/ Ehre/ Leben/ Kron.
Die Nachwelt wird geſtchn/ die beoder Bild wird ſehen:
Gold/ Ertzt und Marmel ſey Olympien zu ſchlecht/
Lucrezen Holtz zu gut/ Lucrezen ſey nur recht/
Olympien zu viel durch ihren Stich geſchehen.

Die allgemeine Ruh noͤthigte doch endlich die
Armeniſchen Reichs - Staͤnde auf ein neues
Haupt zu ſinnen; und obwol etliche getreue Lieb-
haber des Vaterlandes ihr Abſehen auf den
rechtmaͤſſigen Stul-Erben/ nemlich den gefluͤch-
teten jungen Artaxias hat[t]ẽ/ ſo waren ihnen doch
die Haͤnde von den Roͤmiſchen Legionen gebun-
den/ gleichwohl riethen ſie ſolchen ſelbſt dem Kai-
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aber Vologeſes/ einer von den Fuͤrſten Armeni-
ens auf/ eroͤffnete der gantzen Verſam̃lung/ daß
er/ und etliche andere Staͤnde/ welchen Artaba-
zens Bruder-Mord ein Greuel geweſt waͤre/
dem Kaiſer ſeine abſcheuliche Laſter geklagt/ und
weil ſie unter einem ſolchen Unmenſchen nicht
zu leben getrauten/ umb einen andern Koͤnig/
und zwar den Auguſtus ſo viel eher zu gewin-
nen/ umb den andern Bruder des Artaxias/
nemlich den Tigranes gebeten haͤtten. Hier-
auf laß er ein eigenhaͤndiges Schreiben des Kai-
ſers ab/ des Jnhalts: Er habe des Armeniſchen
Volcks Bedraͤnguͤſſe behertzigt/ und an Artaba-
zens Laſtern ein Mißfallen/ daher ſey Tiberius
Nero mit noch vier Legionen im Anzuge/ und be-
fehlicht den Artabazes des Reichs wieder zu entſe-
tzen/ und den verlangtẽ Tigranes auf den Thron
zu erheben. Dieſer Brief verbot ihnen mehr an
Artaxias zu gedencken/ ſondern noͤthigte ſie viel-
mehr/ wie ſie den Tiberius bewillkommen moͤch-
ten/ fuͤrzuſinnen. Zumal noch ſelbigen Tag
die Poſt kam: daß Tiberius und Tigranes
ſchon aus Macedonien uͤber den Fluß Strymon
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Philippis ein ſeltzames Ebentheuer uͤberſtanden

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[243/0295] Arminius und Thußnelda. als ein Marmel-Bild ſtehende den Geiſt aus- bließ. So hertzhafft beſiegte dieſe Heldin die Liebe/ die Wolluſt/ den Ehrgeitz/ und die Furcht des Todes/ welches doch die abſcheulichſten Fein- de beyder Geſchlechter ſind/ zu einem unver geß- lichen Merckmale/ daß die Maͤſſigung des Ge- muͤthes auf den Nothfall ſo geſchickt zu den Waf- fen/ als ſonſt friedfertig ſey. Allen Zuſchauern band das Schrecken die Glieder/ das Gebluͤte geran in ihren Adern/ alſo daß ſie unbeweglicher/ als das todte Bild der Anaitis ſtanden; bald Olympien als ein Muſter der ehlichen Treue/ bald Artabazen als ein Beyſpiel Goͤttlicher Ra- che anſahen; alle Sterblichen aber hernach die- ſen Ort/ der von dem Blitze Goͤttlichen Zornes geruͤhret worden/ fuͤr zweyfach heilig verehrten. Dem Prieſter fiel das Meſſer/ den Knaben die Fackeln aus den Haͤnden/ und leſchten ſich in de- nen zum Opfer bereiteten Keſſeln aus/ welche nun nicht mehr alleine mit Milch und Weine/ ſondern dem heiligen Blute der keuſchen Olympie gefuͤllt waren. Als ſie aber endlich wieder zu ſich ſelbſt kommen/ eilte iedweder mit Furcht fuͤr groͤſſerm Ubel aus dem Tempel/ einige dem Artabazes wol wollende waren zw ar uͤber Olympien erbittert/ ſie aber hatte durch ih- ren großmuͤthigen Tod ſich dahin geſchwungen/ wo ihr weder Rache noch Mordluſt einiges Leid mehr anthun konte. Die meiſten aber verfluch- ten Artabazens Unthaten/ danckten den gerech- ten Rach-Goͤttern fuͤr ſo ſcheinbare Beſtrafung/ und hoben die Helden-Thaten Olympiens uͤber alle Tapferkeiten der Vor-Welt. Daher/ wie Artabazes ſchlecht/ und in der Stille beerdiget ward/ alſo baute man Olympien ein praͤchtiges Grabmahl aus Marmelſtein/ ſetzte ihr Bildnuͤß aus gediegenem Golde in den Tempel neben die Goͤttin Anaitis/ in deſſen Fuß der Prieſter nach- folgenden Lob-Spruch ſetzen ließ: Heb’/ Rom Lucretien biß an das Stern-Geruͤſte! Weil ſie in Adern-Brunn den kalten Stahl geſteckt/ Nach dem ſie vom Tarquin durch Ehbruch ward befleckt. Hier dringt ein reiner Dolch durch unbefleckte Bruͤſte. Lucretie ließ zu/ vorher die ſchnoͤden Luͤſte; Olympie hat nichts von geiler Brunſt geſchmeckt Die ihren Helden-Arm zu ſtrenger Rach’ außſtreckt Eh’ als zum erſtenmahl ſie Artabazes kuͤßte. Lueretie verſchenckt dem Schaͤnder nur den Thron/ Hier buͤßt der Fuͤrſatz ein Luſt/ Ehre/ Leben/ Kron. Die Nachwelt wird geſtchn/ die beoder Bild wird ſehen: Gold/ Ertzt und Marmel ſey Olympien zu ſchlecht/ Lucrezen Holtz zu gut/ Lucrezen ſey nur recht/ Olympien zu viel durch ihren Stich geſchehen. Die allgemeine Ruh noͤthigte doch endlich die Armeniſchen Reichs - Staͤnde auf ein neues Haupt zu ſinnen; und obwol etliche getreue Lieb- haber des Vaterlandes ihr Abſehen auf den rechtmaͤſſigen Stul-Erben/ nemlich den gefluͤch- teten jungen Artaxias hattẽ/ ſo waren ihnen doch die Haͤnde von den Roͤmiſchen Legionen gebun- den/ gleichwohl riethen ſie ſolchen ſelbſt dem Kai- ſer zu ihrem Koͤnige fuͤrzuſchlagen. Es ſtand aber Vologeſes/ einer von den Fuͤrſten Armeni- ens auf/ eroͤffnete der gantzen Verſam̃lung/ daß er/ und etliche andere Staͤnde/ welchen Artaba- zens Bruder-Mord ein Greuel geweſt waͤre/ dem Kaiſer ſeine abſcheuliche Laſter geklagt/ und weil ſie unter einem ſolchen Unmenſchen nicht zu leben getrauten/ umb einen andern Koͤnig/ und zwar den Auguſtus ſo viel eher zu gewin- nen/ umb den andern Bruder des Artaxias/ nemlich den Tigranes gebeten haͤtten. Hier- auf laß er ein eigenhaͤndiges Schreiben des Kai- ſers ab/ des Jnhalts: Er habe des Armeniſchen Volcks Bedraͤnguͤſſe behertzigt/ und an Artaba- zens Laſtern ein Mißfallen/ daher ſey Tiberius Nero mit noch vier Legionen im Anzuge/ und be- fehlicht den Artabazes des Reichs wieder zu entſe- tzen/ und den verlangtẽ Tigranes auf den Thron zu erheben. Dieſer Brief verbot ihnen mehr an Artaxias zu gedencken/ ſondern noͤthigte ſie viel- mehr/ wie ſie den Tiberius bewillkommen moͤch- ten/ fuͤrzuſinnen. Zumal noch ſelbigen Tag die Poſt kam: daß Tiberius und Tigranes ſchon aus Macedonien uͤber den Fluß Strymon in Thracien geſetzt/ und daſelbſt bey der Stadt Philippis ein ſeltzames Ebentheuer uͤberſtanden haͤtten/ H h 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/295>, abgerufen am 22.11.2024.