Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
würde/ auf eine durch Zeit und Kummer verun-gestaltete Gefangene ein Auge werffen/ und von der/ welche kaum noch lächsete/ Vergnügung hoffen solte. Der von toller Brunst mehr als blinde Artabazes konte diese ihm nie eingebildete Glückseligkeit kaum begreiffen/ und krönete sei- ne Begierden schon mit einem Braut-seine Ein- bildung mit einem Siegs-Krantze; meinte auch durch oftere Eydschwüre über seiner Liebe/ und durch Lobsprüche ihrer Vollkommenheit den Stein aller Hinderniß aus dem Wege zu räu- men. Endlich schloß er: Weil die Sonne und edelsten Gestirne nicht nur am fähigsten/ syndern auch gleichsam zu einer Verschwendung ge- neigt wären ihre vermögende Wolthaten über die Welt auszuschütten/ könte er von einer so schönen Olympie sich nichts anders/ als einer vollkommenen Beseligung versehen. Olympia stellte sich/ als wenn sie seinen Betheuerungen völligen Glauben gäbe/ begleitete auch selbten mit ein und anderm annehmlichen Blicke. Wor- mit aber einige Ubereilung ihr Thun nicht ver- dächtig machte/ bat sie zu ihrer Erklärung drey Tage Frist/ um durch solchen Aufschub diesen geilen Wollüster so viel blind und brünstiger zu machen. Denn wie der schwere und unzeitliche Genüß auch die hefftigste Liebe laulicht macht; also wird selbte durch nichts mehr/ als durch Verzug und halb kaltsinnige Bezeugung des Geliebten angezündet. Artabazes muste nach vergebens gesuchter Abkürtzung dieser Bedenck- Zeit in solche Gedult willigen/ ob ihm schon sei- ne unbändige Begierde iedern Augenblick zu einem Tage machte. Nach Verfliessung dieser Zeit/ und zum Scheine hierüber gehaltener Be- rathung unterschiedener Armenischer Fürsten/ welche bey Verlust ihrer Köpfe Artabazens An- sinnen nicht unlöblich und unheilsam schelten dorfften/ drückte Olympiens Vernunfft alle Dünste der Traurigkeit unter sich/ und ihr Ant- litz vermummte sich in einen gantz freudigen Geist/ gab auch Artabazen diese erwünschte Antwort: Sie müste es für eine Schickung der Götter er- [Spaltenumbruch] kennen/ daß sie/ welche sonst geartet wäre einen geringen Kummer zu Bergen zu machen/ nicht allein ihre grosse Unfälle so leicht aus dem Sin- ne schlagen könte/ sondern auch dessen Hertze/ dem das Verhängniß und Kriegs-Recht die Gewalt des Todes über ihr Leben verliehen/ mit so heisser Liebe gegen sie gerühret würde. Dahero wolte sie weder der Götter Schickung noch dem Willen Artabazens widerstreben/ nach dem sie zumal durch beständige Vermäh- lung ihre königliche Würde mit besserm Recht und grösserm Ruhm behielte/ als es die Königin Kleofis von dem grossen Alexander mit ihrer Lie- be erworben. Jedoch getröstete sie sich/ daß/ da Fürst Artaxias ihr Sohn zu Stande gebracht würde/ Artabazes die Heyrath nicht mit seinem Blute versiegeln/ und dadurch ihre aufrichtige Liebe ausleschen/ sondern nebst dem Leben einen zu seinem Fürstlichen Unterhalt auskommentli- chen Landstrich zu verwalten vergönnen würde. Artabazes kam für Freuden gantz auser ihm selbst. Denn da die hefftige Liebe gleichsam die Fächer des Gehixnes mit einem schwartzen Rau- che anzufüllen/ die warhafften Bilder der Din- ge in den Sinnen zu verstellen/ und die Ver- nunfft in eine gäntzliche Thorheit zu versetzen mächtig ist; so darf Leichtglaubigkeit und über- mäßige Freude für keine Chimere der Liebe ge- halten werden. Wiewol seine Boßheit hierdurch nicht entwaffnet ward/ noch seine Grausamkeit listigen Anschlägen nachzusinnen vergaß. Denn/ wormit er Olympien so viel mehr ihren Sohn herbey zu bringen bewegte/ er aber durch seine Hinrichtung ihm diesen beschwerlichen Dorn aus dem Fusse ziehen möchte/ verschwor er sich den Artaxias als sein Kind zu halten/ ihme die Stadt Careathiocerta mit der Sophenischen Land- schaft einzuräumen/ ja/ so viel an ihm läge/ zu der Medischen Krone seines Vaters zu verhelffen. Welch vergüldeter Vogel-Leim unschwer alle/ auser eine so nachdenckliche Olympia/ zu fangen fähig zu seyn scheinet. Hiermit machte Artabazes alsofort Anstalt zu einem prächtigen Beylager/ ver-
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
wuͤrde/ auf eine durch Zeit und Kummer verun-geſtaltete Gefangene ein Auge werffen/ und von der/ welche kaum noch laͤchſete/ Vergnuͤgung hoffen ſolte. Der von toller Brunſt mehr als blinde Artabazes konte dieſe ihm nie eingebildete Gluͤckſeligkeit kaum begreiffen/ und kroͤnete ſei- ne Begierden ſchon mit einem Braut-ſeine Ein- bildung mit einem Siegs-Krantze; meinte auch durch oftere Eydſchwuͤre uͤber ſeiner Liebe/ und durch Lobſpruͤche ihrer Vollkommenheit den Stein aller Hinderniß aus dem Wege zu raͤu- men. Endlich ſchloß er: Weil die Sonne und edelſten Geſtirne nicht nuꝛ am faͤhigſten/ ſyndeꝛn auch gleichſam zu einer Verſchwendung ge- neigt waͤren ihre vermoͤgende Wolthaten uͤber die Welt auszuſchuͤtten/ koͤnte er von einer ſo ſchoͤnen Olympie ſich nichts anders/ als einer vollkommenen Beſeligung verſehen. Olympia ſtellte ſich/ als wenn ſie ſeinen Betheuerungen voͤlligen Glauben gaͤbe/ begleitete auch ſelbten mit ein und andeꝛm annehmlichen Blicke. Wor- mit aber einige Ubereilung ihr Thun nicht ver- daͤchtig machte/ bat ſie zu ihrer Erklaͤrung drey Tage Friſt/ um durch ſolchen Aufſchub dieſen geilen Wolluͤſter ſo viel blind und bruͤnſtiger zu machen. Denn wie der ſchwere und unzeitliche Genuͤß auch die hefftigſte Liebe laulicht macht; alſo wird ſelbte durch nichts mehr/ als durch Verzug und halb kaltſinnige Bezeugung des Geliebten angezuͤndet. Artabazes muſte nach vergebens geſuchter Abkuͤrtzung dieſer Bedenck- Zeit in ſolche Gedult willigen/ ob ihm ſchon ſei- ne unbaͤndige Begierde iedern Augenblick zu einem Tage machte. Nach Verflieſſung dieſer Zeit/ und zum Scheine hieruͤber gehaltener Be- rathung unterſchiedener Armeniſcher Fuͤrſten/ welche bey Verluſt ihrer Koͤpfe Artabazens An- ſinnen nicht unloͤblich und unheilſam ſchelten dorfften/ druͤckte Olympiens Vernunfft alle Duͤnſte der Traurigkeit unter ſich/ und ihr Ant- litz veꝛmum̃te ſich in einen gantz fꝛeudigen Geiſt/ gab auch Artabazen dieſe erwuͤnſchte Antwort: Sie muͤſte es fuͤr eine Schickung der Goͤtter er- [Spaltenumbruch] kennen/ daß ſie/ welche ſonſt geartet waͤre einen geringen Kummer zu Bergen zu machen/ nicht allein ihre groſſe Unfaͤlle ſo leicht aus dem Sin- ne ſchlagen koͤnte/ ſondern auch deſſen Hertze/ dem das Verhaͤngniß und Kriegs-Recht die Gewalt des Todes uͤber ihr Leben verliehen/ mit ſo heiſſer Liebe gegen ſie geruͤhret wuͤrde. Dahero wolte ſie weder der Goͤtter Schickung noch dem Willen Artabazens widerſtreben/ nach dem ſie zumal durch beſtaͤndige Vermaͤh- lung ihre koͤnigliche Wuͤrde mit beſſerm Recht und groͤſſerm Ruhm behielte/ als es die Koͤnigin Kleofis von dem groſſen Alexander mit ihrer Lie- be erworben. Jedoch getroͤſtete ſie ſich/ daß/ da Fuͤrſt Artaxias ihr Sohn zu Stande gebracht wuͤrde/ Artabazes die Heyrath nicht mit ſeinem Blute verſiegeln/ und dadurch ihre aufrichtige Liebe ausleſchen/ ſondern nebſt dem Leben einen zu ſeinem Fuͤrſtlichen Unterhalt auskom̃entli- chen Landſtrich zu verwalten vergoͤnnen wuͤrde. Artabazes kam fuͤr Freuden gantz auſer ihm ſelbſt. Denn da die hefftige Liebe gleichſam die Faͤcheꝛ des Gehixnes mit einem ſchwartzen Rau- che anzufuͤllen/ die warhafften Bilder der Din- ge in den Sinnen zu verſtellen/ und die Ver- nunfft in eine gaͤntzliche Thorheit zu verſetzen maͤchtig iſt; ſo darf Leichtglaubigkeit und uͤber- maͤßige Freude fuͤr keine Chimere der Liebe ge- halten werden. Wiewol ſeine Boßheit hierdurch nicht entwaffnet ward/ noch ſeine Grauſamkeit liſtigen Anſchlaͤgen nachzuſinnen vergaß. Deñ/ wormit er Olympien ſo viel mehr ihren Sohn herbey zu bringen bewegte/ er aber durch ſeine Hinrichtung ihm dieſen beſchwerlichẽ Dorn aus dem Fuſſe ziehen moͤchte/ verſchwor er ſich den Artaxias als ſein Kind zu halten/ ihme die Stadt Careathiocerta mit der Sopheniſchen Land- ſchaft einzuraͤumen/ ja/ ſo viel an ihm laͤge/ zu der Mediſchen Krone ſeines Vaters zu verhelffen. Welch verguͤldeter Vogel-Leim unſchwer alle/ auſer eine ſo nachdenckliche Olympia/ zu fangen faͤhig zu ſeyn ſcheinet. Hiermit machte Artabazes alſofort Anſtalt zu einem praͤchtigen Beylager/ ver-
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Drittes Buch
wuͤrde/ auf eine durch Zeit und Kummer verun-
geſtaltete Gefangene ein Auge werffen/ und von
der/ welche kaum noch laͤchſete/ Vergnuͤgung
hoffen ſolte. Der von toller Brunſt mehr als
blinde Artabazes konte dieſe ihm nie eingebildete
Gluͤckſeligkeit kaum begreiffen/ und kroͤnete ſei-
ne Begierden ſchon mit einem Braut-ſeine Ein-
bildung mit einem Siegs-Krantze; meinte auch
durch oftere Eydſchwuͤre uͤber ſeiner Liebe/ und
durch Lobſpruͤche ihrer Vollkommenheit den
Stein aller Hinderniß aus dem Wege zu raͤu-
men. Endlich ſchloß er: Weil die Sonne und
edelſten Geſtirne nicht nuꝛ am faͤhigſten/ ſyndeꝛn
auch gleichſam zu einer Verſchwendung ge-
neigt waͤren ihre vermoͤgende Wolthaten uͤber
die Welt auszuſchuͤtten/ koͤnte er von einer ſo
ſchoͤnen Olympie ſich nichts anders/ als einer
vollkommenen Beſeligung verſehen. Olympia
ſtellte ſich/ als wenn ſie ſeinen Betheuerungen
voͤlligen Glauben gaͤbe/ begleitete auch ſelbten
mit ein und andeꝛm annehmlichen Blicke. Wor-
mit aber einige Ubereilung ihr Thun nicht ver-
daͤchtig machte/ bat ſie zu ihrer Erklaͤrung drey
Tage Friſt/ um durch ſolchen Aufſchub dieſen
geilen Wolluͤſter ſo viel blind und bruͤnſtiger zu
machen. Denn wie der ſchwere und unzeitliche
Genuͤß auch die hefftigſte Liebe laulicht macht;
alſo wird ſelbte durch nichts mehr/ als durch
Verzug und halb kaltſinnige Bezeugung des
Geliebten angezuͤndet. Artabazes muſte nach
vergebens geſuchter Abkuͤrtzung dieſer Bedenck-
Zeit in ſolche Gedult willigen/ ob ihm ſchon ſei-
ne unbaͤndige Begierde iedern Augenblick zu
einem Tage machte. Nach Verflieſſung dieſer
Zeit/ und zum Scheine hieruͤber gehaltener Be-
rathung unterſchiedener Armeniſcher Fuͤrſten/
welche bey Verluſt ihrer Koͤpfe Artabazens An-
ſinnen nicht unloͤblich und unheilſam ſchelten
dorfften/ druͤckte Olympiens Vernunfft alle
Duͤnſte der Traurigkeit unter ſich/ und ihr Ant-
litz veꝛmum̃te ſich in einen gantz fꝛeudigen Geiſt/
gab auch Artabazen dieſe erwuͤnſchte Antwort:
Sie muͤſte es fuͤr eine Schickung der Goͤtter er-
kennen/ daß ſie/ welche ſonſt geartet waͤre einen
geringen Kummer zu Bergen zu machen/ nicht
allein ihre groſſe Unfaͤlle ſo leicht aus dem Sin-
ne ſchlagen koͤnte/ ſondern auch deſſen Hertze/
dem das Verhaͤngniß und Kriegs-Recht die
Gewalt des Todes uͤber ihr Leben verliehen/
mit ſo heiſſer Liebe gegen ſie geruͤhret wuͤrde.
Dahero wolte ſie weder der Goͤtter Schickung
noch dem Willen Artabazens widerſtreben/
nach dem ſie zumal durch beſtaͤndige Vermaͤh-
lung ihre koͤnigliche Wuͤrde mit beſſerm Recht
und groͤſſerm Ruhm behielte/ als es die Koͤnigin
Kleofis von dem groſſen Alexander mit ihrer Lie-
be erworben. Jedoch getroͤſtete ſie ſich/ daß/ da
Fuͤrſt Artaxias ihr Sohn zu Stande gebracht
wuͤrde/ Artabazes die Heyrath nicht mit ſeinem
Blute verſiegeln/ und dadurch ihre aufrichtige
Liebe ausleſchen/ ſondern nebſt dem Leben einen
zu ſeinem Fuͤrſtlichen Unterhalt auskom̃entli-
chen Landſtrich zu verwalten vergoͤnnen wuͤrde.
Artabazes kam fuͤr Freuden gantz auſer ihm
ſelbſt. Denn da die hefftige Liebe gleichſam die
Faͤcheꝛ des Gehixnes mit einem ſchwartzen Rau-
che anzufuͤllen/ die warhafften Bilder der Din-
ge in den Sinnen zu verſtellen/ und die Ver-
nunfft in eine gaͤntzliche Thorheit zu verſetzen
maͤchtig iſt; ſo darf Leichtglaubigkeit und uͤber-
maͤßige Freude fuͤr keine Chimere der Liebe ge-
halten werden. Wiewol ſeine Boßheit hierdurch
nicht entwaffnet ward/ noch ſeine Grauſamkeit
liſtigen Anſchlaͤgen nachzuſinnen vergaß. Deñ/
wormit er Olympien ſo viel mehr ihren Sohn
herbey zu bringen bewegte/ er aber durch ſeine
Hinrichtung ihm dieſen beſchwerlichẽ Dorn aus
dem Fuſſe ziehen moͤchte/ verſchwor er ſich den
Artaxias als ſein Kind zu halten/ ihme die Stadt
Careathiocerta mit der Sopheniſchen Land-
ſchaft einzuraͤumen/ ja/ ſo viel an ihm laͤge/ zu der
Mediſchen Krone ſeines Vaters zu verhelffen.
Welch verguͤldeter Vogel-Leim unſchwer alle/
auſer eine ſo nachdenckliche Olympia/ zu fangen
faͤhig zu ſeyn ſcheinet. Hiermit machte Artabazes
alſofort Anſtalt zu einem praͤchtigen Beylager/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/292>, abgerufen am 17.07.2024. |