Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch
[Spaltenumbruch]
Der Bau hler ist ein Bild Dejocens Hand und Stärcke/
Die so viel Städt einriß/ und Länder äschert ein.
Jn welchem mag nun wol Dejoces grösser seyn?
Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke.
Zet malmte Stein und Kalck/ erhöhte Gold für Koth.
Jn jenem war er nur ein Mensch/ in dem ein Gott.

Alle andere Bilder/ sagte Salonine/ haben
dar ihre denckwürdige Uberschriften; ich wil aber
alle/ ausser dieselbe/ verschweigen/ welche Arta-
vasdes unter des letzthin überwundenen Crassus
Kopf/ welchen ein Griechischer Bildhauer aus
Alabaster gemacht/ und ihm verehret hatte/
schreiben ließ:

Des geitz' gen Crassus Kopf ist zwar nur schlechter Stein/
Doch ist er güldner hier/ als wo er Gold schlingt ein.

Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein
Wegweiser der andern Haupt-Stadt Phraa-
ta/ ja des Königes Artavasdes Gefängnüß ein
Schlüssel zu dem gantzen Medischen Reiche/
welches ihren König als einen Störer der allge-
meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias fast
Göttliche Ehre anthat. Unter andern liessen die
Reichs-Stände sein Bildnüß aus dichtem Gol-
de giessen/ stellten es mitten in den Tempel der
Sonnen/ und schrieben darbey: Dem gros-
sen Artaxias/ dem dritten Erhalter der
Meden.
Also liebkoset die Heucheley nicht
nur den Lastern/ sondern auch der Tugend.
Wenn sie aber ihre Larve wegwirfft/ übt sie ihre
Gramschafft nicht minder gegen diese/ als gegen
jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach
Eigenschafft der Heucheley in nichts wesentli-
chem/ sondern auf eitelem Scheine bestünde/ und
ihre Schönheit nur betrüglicher Firnüß wäre/
wie der Verlauff ausweisen wird. Weil nun
aber/ wie die Glieder an der Kette/ also auch ein
Glück an dem andern hängt/ war es nicht ge-
nung/ daß Artaxias das Königreich Armenien
wieder gewonnen/ und sich noch darzu zum Her-
ren der Meden gemacht hatte/ sondern seine Ge-
mahlin Olympia kam auch in den Tempel der
Sonnen/ dahin sie sich aus Andacht verfügt hat-
[Spaltenumbruch] te/ mit der hier anwesenden Königin Erato
und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit
aufgehender Sonne darnieder/ als die in und
ausser des Tempels aus vergüldetem Kupfer
gemachte Himmels - Kugeln entweder durch
Zauberey/ oder durch heimliche Krafft solchen
Gestirnes feurig und klingend zu werden anfin-
gen. Die Wahrsager wusten nicht genung
auszusprechen/ wie viel Gutes das Verhäng-
nüß diesen zwey neugebornen Kindern zudächte.
Denn über diese merckwürdige Zeit war der Ort
der Geburt der Meden gröstes Heiligthum/ und
ein vollkommenes Nach-Gemächte des Jndiani-
schen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem
grossen Alexander zu Ehren gebauet/ sein Bild
einmal stehende/ und denn auch zu Roße aus
dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/
sein eigenes dem Leben nach fünf Ellenbogen
hoch darein gesetzet hatte/ und darinnen die
Säulen des Tempels mit Feuerfärbichtem
Marmel/ und gleichsam blitzendem Golde ge-
zieret/ die Bödeme aber mit Perlen eingelegt
waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich
ans Licht. Denn als Artaxias zurück in Ar-
menien kehrte/ und auf dem Flusse Tigris durch
den Arethusischen See fuhr/ gerieth das eine
Schiff/ worauf die Königlichen Kinder waren/
auf einen Steinfels/ daß es zu scheitern ging.
Ob nun wol die Bootsleute das Fräulein mit
Nachschwimmen aus dem Wasser brachten/ so
ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fürst
Artaxias lag/ von dem Strome davon gerissen;
und wie fleissig man auch an den Ufern nachsuch-
te/ von ihm das geringste Merckmal nicht ge-
funden. Die Trauer-Fälle sind mitten zwi-
schen vielem Glücke am empfindlichsten/ da-
hero gieng dieser dem Artaxias so viel mehr
zu Gemüthe. Denn grosse Gemüther ver-
mögen zwar/ wie die Erdkugel/ beständig/ aber
nicht unbeweglich zu seyn. Helden haben eben
so wenig Diamantene Augen ohne Thränen/
und stählerne Hertzen ohne Fühlen/ als andere.
Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall

be-
Drittes Buch
[Spaltenumbruch]
Der Bau hler iſt ein Bild Dejocens Hand und Staͤrcke/
Die ſo viel Staͤdt einriß/ und Laͤnder aͤſchert ein.
Jn welchem mag nun wol Dejoces groͤſſer ſeyn?
Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke.
Zet malmte Stein und Kalck/ erhoͤhte Gold fuͤr Koth.
Jn jenem war er nur ein Menſch/ in dem ein Gott.

Alle andere Bilder/ ſagte Salonine/ haben
dar ihre denckwuͤrdige Uberſchriften; ich wil aber
alle/ auſſer dieſelbe/ verſchweigen/ welche Arta-
vasdes unter des letzthin uͤberwundenen Craſſus
Kopf/ welchen ein Griechiſcher Bildhauer aus
Alabaſter gemacht/ und ihm verehret hatte/
ſchreiben ließ:

Des geitz’ gen Craſſus Kopf iſt zwar nur ſchlechter Stein/
Doch iſt er guͤldner hier/ als wo er Gold ſchlingt ein.

Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein
Wegweiſer der andern Haupt-Stadt Phraa-
ta/ ja des Koͤniges Artavasdes Gefaͤngnuͤß ein
Schluͤſſel zu dem gantzen Mediſchen Reiche/
welches ihren Koͤnig als einen Stoͤrer der allge-
meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias faſt
Goͤttliche Ehre anthat. Unter andern lieſſen die
Reichs-Staͤnde ſein Bildnuͤß aus dichtem Gol-
de gieſſen/ ſtellten es mitten in den Tempel der
Sonnen/ und ſchrieben darbey: Dem groſ-
ſen Artaxias/ dem dritten Erhalter der
Meden.
Alſo liebkoſet die Heucheley nicht
nur den Laſtern/ ſondern auch der Tugend.
Wenn ſie aber ihre Larve wegwirfft/ uͤbt ſie ihre
Gramſchafft nicht minder gegen dieſe/ als gegen
jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach
Eigenſchafft der Heucheley in nichts weſentli-
chem/ ſondern auf eitelem Scheine beſtuͤnde/ und
ihre Schoͤnheit nur betruͤglicher Firnuͤß waͤre/
wie der Verlauff ausweiſen wird. Weil nun
aber/ wie die Glieder an der Kette/ alſo auch ein
Gluͤck an dem andern haͤngt/ war es nicht ge-
nung/ daß Artaxias das Koͤnigreich Armenien
wieder gewonnen/ und ſich noch darzu zum Her-
ren der Meden gemacht hatte/ ſondern ſeine Ge-
mahlin Olympia kam auch in den Tempel der
Sonnen/ dahin ſie ſich aus Andacht verfuͤgt hat-
[Spaltenumbruch] te/ mit der hier anweſenden Koͤnigin Erato
und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit
aufgehender Sonne darnieder/ als die in und
auſſer des Tempels aus verguͤldetem Kupfer
gemachte Himmels - Kugeln entweder durch
Zauberey/ oder durch heimliche Krafft ſolchen
Geſtirnes feurig und klingend zu werden anfin-
gen. Die Wahrſager wuſten nicht genung
auszuſprechen/ wie viel Gutes das Verhaͤng-
nuͤß dieſen zwey neugebornen Kindern zudaͤchte.
Denn uͤber dieſe merckwuͤrdige Zeit war der Ort
der Geburt der Meden groͤſtes Heiligthum/ und
ein vollkom̃enes Nach-Gemaͤchte des Jndiani-
ſchen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem
groſſen Alexander zu Ehren gebauet/ ſein Bild
einmal ſtehende/ und denn auch zu Roße aus
dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/
ſein eigenes dem Leben nach fuͤnf Ellenbogen
hoch darein geſetzet hatte/ und darinnen die
Saͤulen des Tempels mit Feuerfaͤrbichtem
Marmel/ und gleichſam blitzendem Golde ge-
zieret/ die Boͤdeme aber mit Perlen eingelegt
waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich
ans Licht. Denn als Artaxias zuruͤck in Ar-
menien kehrte/ und auf dem Fluſſe Tigris durch
den Arethuſiſchen See fuhr/ gerieth das eine
Schiff/ worauf die Koͤniglichen Kinder waren/
auf einen Steinfels/ daß es zu ſcheitern ging.
Ob nun wol die Bootsleute das Fraͤulein mit
Nachſchwimmen aus dem Waſſer brachten/ ſo
ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fuͤrſt
Artaxias lag/ von dem Strome davon geriſſen;
und wie fleiſſig man auch an den Ufern nachſuch-
te/ von ihm das geringſte Merckmal nicht ge-
funden. Die Trauer-Faͤlle ſind mitten zwi-
ſchen vielem Gluͤcke am empfindlichſten/ da-
hero gieng dieſer dem Artaxias ſo viel mehr
zu Gemuͤthe. Denn groſſe Gemuͤther ver-
moͤgen zwar/ wie die Erdkugel/ beſtaͤndig/ aber
nicht unbeweglich zu ſeyn. Helden haben eben
ſo wenig Diamantene Augen ohne Thraͤnen/
und ſtaͤhlerne Hertzen ohne Fuͤhlen/ als andere.
Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall

be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0280" n="228"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Buch</hi> </fw><lb/>
          <cb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der Bau hler i&#x017F;t ein Bild Dejocens Hand und Sta&#x0364;rcke/</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;o viel Sta&#x0364;dt einriß/ und La&#x0364;nder a&#x0364;&#x017F;chert ein.</l><lb/>
            <l>Jn welchem mag nun wol Dejoces gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn?</l><lb/>
            <l>Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke.</l><lb/>
            <l>Zet malmte Stein und Kalck/ erho&#x0364;hte Gold fu&#x0364;r Koth.</l><lb/>
            <l>Jn jenem war er nur ein Men&#x017F;ch/ in dem ein Gott.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Alle andere Bilder/ &#x017F;agte Salonine/ haben<lb/>
dar ihre denckwu&#x0364;rdige Uber&#x017F;chriften; ich wil aber<lb/>
alle/ au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;elbe/ ver&#x017F;chweigen/ welche Arta-<lb/>
vasdes unter des letzthin u&#x0364;berwundenen Cra&#x017F;&#x017F;us<lb/>
Kopf/ welchen ein Griechi&#x017F;cher Bildhauer aus<lb/>
Alaba&#x017F;ter gemacht/ und ihm verehret hatte/<lb/>
&#x017F;chreiben ließ:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Des geitz&#x2019; gen Cra&#x017F;&#x017F;us Kopf i&#x017F;t zwar nur &#x017F;chlechter Stein/</l><lb/>
            <l>Doch i&#x017F;t er gu&#x0364;ldner hier/ als wo er Gold &#x017F;chlingt ein.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein<lb/>
Wegwei&#x017F;er der andern Haupt-Stadt Phraa-<lb/>
ta/ ja des Ko&#x0364;niges Artavasdes Gefa&#x0364;ngnu&#x0364;ß ein<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu dem gantzen Medi&#x017F;chen Reiche/<lb/>
welches ihren Ko&#x0364;nig als einen Sto&#x0364;rer der allge-<lb/>
meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias fa&#x017F;t<lb/>
Go&#x0364;ttliche Ehre anthat. Unter andern lie&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
Reichs-Sta&#x0364;nde &#x017F;ein Bildnu&#x0364;ß aus dichtem Gol-<lb/>
de gie&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;tellten es mitten in den Tempel der<lb/>
Sonnen/ und &#x017F;chrieben darbey: <hi rendition="#fr">Dem gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Artaxias/ dem dritten Erhalter der<lb/>
Meden.</hi> Al&#x017F;o liebko&#x017F;et die Heucheley nicht<lb/>
nur den La&#x017F;tern/ &#x017F;ondern auch der Tugend.<lb/>
Wenn &#x017F;ie aber ihre Larve wegwirfft/ u&#x0364;bt &#x017F;ie ihre<lb/>
Gram&#x017F;chafft nicht minder gegen die&#x017F;e/ als gegen<lb/>
jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach<lb/>
Eigen&#x017F;chafft der Heucheley in nichts we&#x017F;entli-<lb/>
chem/ &#x017F;ondern auf eitelem Scheine be&#x017F;tu&#x0364;nde/ und<lb/>
ihre Scho&#x0364;nheit nur betru&#x0364;glicher Firnu&#x0364;ß wa&#x0364;re/<lb/>
wie der Verlauff auswei&#x017F;en wird. Weil nun<lb/>
aber/ wie die Glieder an der Kette/ al&#x017F;o auch ein<lb/>
Glu&#x0364;ck an dem andern ha&#x0364;ngt/ war es nicht ge-<lb/>
nung/ daß Artaxias das Ko&#x0364;nigreich Armenien<lb/>
wieder gewonnen/ und &#x017F;ich noch darzu zum Her-<lb/>
ren der Meden gemacht hatte/ &#x017F;ondern &#x017F;eine Ge-<lb/>
mahlin Olympia kam auch in den Tempel der<lb/>
Sonnen/ dahin &#x017F;ie &#x017F;ich aus Andacht verfu&#x0364;gt hat-<lb/><cb/>
te/ mit der hier anwe&#x017F;enden Ko&#x0364;nigin Erato<lb/>
und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit<lb/>
aufgehender Sonne darnieder/ als die in und<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er des Tempels aus vergu&#x0364;ldetem Kupfer<lb/>
gemachte Himmels - Kugeln entweder durch<lb/>
Zauberey/ oder durch heimliche Krafft &#x017F;olchen<lb/>
Ge&#x017F;tirnes feurig und klingend zu werden anfin-<lb/>
gen. Die Wahr&#x017F;ager wu&#x017F;ten nicht genung<lb/>
auszu&#x017F;prechen/ wie viel Gutes das Verha&#x0364;ng-<lb/>
nu&#x0364;ß die&#x017F;en zwey neugebornen Kindern zuda&#x0364;chte.<lb/>
Denn u&#x0364;ber die&#x017F;e merckwu&#x0364;rdige Zeit war der Ort<lb/>
der Geburt der Meden gro&#x0364;&#x017F;tes Heiligthum/ und<lb/>
ein vollkom&#x0303;enes Nach-Gema&#x0364;chte des Jndiani-<lb/>
&#x017F;chen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Alexander zu Ehren gebauet/ &#x017F;ein Bild<lb/>
einmal &#x017F;tehende/ und denn auch zu Roße aus<lb/>
dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/<lb/>
&#x017F;ein eigenes dem Leben nach fu&#x0364;nf Ellenbogen<lb/>
hoch darein ge&#x017F;etzet hatte/ und darinnen die<lb/>
Sa&#x0364;ulen des Tempels mit Feuerfa&#x0364;rbichtem<lb/>
Marmel/ und gleich&#x017F;am blitzendem Golde ge-<lb/>
zieret/ die Bo&#x0364;deme aber mit Perlen eingelegt<lb/>
waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich<lb/>
ans Licht. Denn als Artaxias zuru&#x0364;ck in Ar-<lb/>
menien kehrte/ und auf dem Flu&#x017F;&#x017F;e Tigris durch<lb/>
den Arethu&#x017F;i&#x017F;chen See fuhr/ gerieth das eine<lb/>
Schiff/ worauf die Ko&#x0364;niglichen Kinder waren/<lb/>
auf einen Steinfels/ daß es zu &#x017F;cheitern ging.<lb/>
Ob nun wol die Bootsleute das Fra&#x0364;ulein mit<lb/>
Nach&#x017F;chwimmen aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er brachten/ &#x017F;o<lb/>
ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
Artaxias lag/ von dem Strome davon geri&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
und wie flei&#x017F;&#x017F;ig man auch an den Ufern nach&#x017F;uch-<lb/>
te/ von ihm das gering&#x017F;te Merckmal nicht ge-<lb/>
funden. Die Trauer-Fa&#x0364;lle &#x017F;ind mitten zwi-<lb/>
&#x017F;chen vielem Glu&#x0364;cke am empfindlich&#x017F;ten/ da-<lb/>
hero gieng die&#x017F;er dem Artaxias &#x017F;o viel mehr<lb/>
zu Gemu&#x0364;the. Denn gro&#x017F;&#x017F;e Gemu&#x0364;ther ver-<lb/>
mo&#x0364;gen zwar/ wie die Erdkugel/ be&#x017F;ta&#x0364;ndig/ aber<lb/>
nicht unbeweglich zu &#x017F;eyn. Helden haben eben<lb/>
&#x017F;o wenig Diamantene Augen ohne Thra&#x0364;nen/<lb/>
und &#x017F;ta&#x0364;hlerne Hertzen ohne Fu&#x0364;hlen/ als andere.<lb/>
Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0280] Drittes Buch Der Bau hler iſt ein Bild Dejocens Hand und Staͤrcke/ Die ſo viel Staͤdt einriß/ und Laͤnder aͤſchert ein. Jn welchem mag nun wol Dejoces groͤſſer ſeyn? Er brach nur Mauren ab/ hier baut er Wunderwercke. Zet malmte Stein und Kalck/ erhoͤhte Gold fuͤr Koth. Jn jenem war er nur ein Menſch/ in dem ein Gott. Alle andere Bilder/ ſagte Salonine/ haben dar ihre denckwuͤrdige Uberſchriften; ich wil aber alle/ auſſer dieſelbe/ verſchweigen/ welche Arta- vasdes unter des letzthin uͤberwundenen Craſſus Kopf/ welchen ein Griechiſcher Bildhauer aus Alabaſter gemacht/ und ihm verehret hatte/ ſchreiben ließ: Des geitz’ gen Craſſus Kopf iſt zwar nur ſchlechter Stein/ Doch iſt er guͤldner hier/ als wo er Gold ſchlingt ein. Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein Wegweiſer der andern Haupt-Stadt Phraa- ta/ ja des Koͤniges Artavasdes Gefaͤngnuͤß ein Schluͤſſel zu dem gantzen Mediſchen Reiche/ welches ihren Koͤnig als einen Stoͤrer der allge- meinen Ruh verfluchte/ und dem Artaxias faſt Goͤttliche Ehre anthat. Unter andern lieſſen die Reichs-Staͤnde ſein Bildnuͤß aus dichtem Gol- de gieſſen/ ſtellten es mitten in den Tempel der Sonnen/ und ſchrieben darbey: Dem groſ- ſen Artaxias/ dem dritten Erhalter der Meden. Alſo liebkoſet die Heucheley nicht nur den Laſtern/ ſondern auch der Tugend. Wenn ſie aber ihre Larve wegwirfft/ uͤbt ſie ihre Gramſchafft nicht minder gegen dieſe/ als gegen jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach Eigenſchafft der Heucheley in nichts weſentli- chem/ ſondern auf eitelem Scheine beſtuͤnde/ und ihre Schoͤnheit nur betruͤglicher Firnuͤß waͤre/ wie der Verlauff ausweiſen wird. Weil nun aber/ wie die Glieder an der Kette/ alſo auch ein Gluͤck an dem andern haͤngt/ war es nicht ge- nung/ daß Artaxias das Koͤnigreich Armenien wieder gewonnen/ und ſich noch darzu zum Her- ren der Meden gemacht hatte/ ſondern ſeine Ge- mahlin Olympia kam auch in den Tempel der Sonnen/ dahin ſie ſich aus Andacht verfuͤgt hat- te/ mit der hier anweſenden Koͤnigin Erato und einem jungen Herrn/ und zwar gleich mit aufgehender Sonne darnieder/ als die in und auſſer des Tempels aus verguͤldetem Kupfer gemachte Himmels - Kugeln entweder durch Zauberey/ oder durch heimliche Krafft ſolchen Geſtirnes feurig und klingend zu werden anfin- gen. Die Wahrſager wuſten nicht genung auszuſprechen/ wie viel Gutes das Verhaͤng- nuͤß dieſen zwey neugebornen Kindern zudaͤchte. Denn uͤber dieſe merckwuͤrdige Zeit war der Ort der Geburt der Meden groͤſtes Heiligthum/ und ein vollkom̃enes Nach-Gemaͤchte des Jndiani- ſchen Sonnen-Tempels/ welchen Porus dem groſſen Alexander zu Ehren gebauet/ ſein Bild einmal ſtehende/ und denn auch zu Roße aus dichtem Golde/ des Ajax aus Helffen-Bein/ ſein eigenes dem Leben nach fuͤnf Ellenbogen hoch darein geſetzet hatte/ und darinnen die Saͤulen des Tempels mit Feuerfaͤrbichtem Marmel/ und gleichſam blitzendem Golde ge- zieret/ die Boͤdeme aber mit Perlen eingelegt waren. Jhre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich ans Licht. Denn als Artaxias zuruͤck in Ar- menien kehrte/ und auf dem Fluſſe Tigris durch den Arethuſiſchen See fuhr/ gerieth das eine Schiff/ worauf die Koͤniglichen Kinder waren/ auf einen Steinfels/ daß es zu ſcheitern ging. Ob nun wol die Bootsleute das Fraͤulein mit Nachſchwimmen aus dem Waſſer brachten/ ſo ward doch die Wiege/ darinnen der junge Fuͤrſt Artaxias lag/ von dem Strome davon geriſſen; und wie fleiſſig man auch an den Ufern nachſuch- te/ von ihm das geringſte Merckmal nicht ge- funden. Die Trauer-Faͤlle ſind mitten zwi- ſchen vielem Gluͤcke am empfindlichſten/ da- hero gieng dieſer dem Artaxias ſo viel mehr zu Gemuͤthe. Denn groſſe Gemuͤther ver- moͤgen zwar/ wie die Erdkugel/ beſtaͤndig/ aber nicht unbeweglich zu ſeyn. Helden haben eben ſo wenig Diamantene Augen ohne Thraͤnen/ und ſtaͤhlerne Hertzen ohne Fuͤhlen/ als andere. Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/280
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/280>, abgerufen am 25.11.2024.