Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vorbericht an den Leser. geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyspiel vor-gestellet/ und zwar mit einer solchen Art/ die dem Leser eine Begierde so wol das Gute als Böse zu betrachten/ beydes aber zu unterscheiden/ erwecken möchte. Denn allzulange auf einer Seite spielen/ oder immer einen Thon hören/ ist den Ohren verdrüßlich/ und dem Gemüthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol: daß den Reinen alles rein ist; und tugendhaffte Gemüther auch aus Lesung des Bösen wie die Scheide-Künstler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie- hen pflegen. Denn weil alles der Veränderung unterworffen ist; und wir Menschen Jung-
Vorbericht an den Leſer. geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyſpiel vor-geſtellet/ und zwar mit einer ſolchen Art/ die dem Leſer eine Begierde ſo wol das Gute als Boͤſe zu betrachten/ beydes aber zu unterſcheiden/ erwecken moͤchte. Denn allzulange auf einer Seite ſpielen/ oder immer einen Thon hoͤren/ iſt den Ohren verdruͤßlich/ und dem Gemuͤthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol: daß den Reinen alles rein iſt; und tugendhaffte Gemuͤther auch aus Leſung des Boͤſen wie die Scheide-Kuͤnſtler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie- hen pflegen. Denn weil alles der Veraͤnderung unterworffen iſt; und wir Menſchen Jung-
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Vorbericht an den Leſer.
geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyſpiel vor-
geſtellet/ und zwar mit einer ſolchen Art/ die dem Leſer eine Begierde ſo wol das
Gute als Boͤſe zu betrachten/ beydes aber zu unterſcheiden/ erwecken moͤchte.
Denn allzulange auf einer Seite ſpielen/ oder immer einen Thon hoͤren/ iſt den
Ohren verdruͤßlich/ und dem Gemuͤthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol:
daß den Reinen alles rein iſt; und tugendhaffte Gemuͤther auch aus Leſung
des Boͤſen wie die Scheide-Kuͤnſtler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu zie-
hen pflegen.
Denn weil alles der Veraͤnderung unterworffen iſt; und wir Menſchen
in der Welt meiſt die Abwechſelung der Dinge/ als die Mutter der Vergnuͤ-
gung lieben/ ob ſolche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne/ und den
Mund voll Biſam hat; So folgen wir billich hierinnen dem Beyſpiel des
Himmels; der bald truͤbe/ bald klar/ bald ſtille/ bald ſtuͤrmeriſch zu ſeyn/ und
zuweilen mit Blitz und Donner zu ſpielen pfleget/ damit etwas gutes daraus
folgen koͤnne/ was wir uns weder verſehen/ noch deſſen Urſachen/ warumb
diß oder jenes geſchehen/ ergruͤnden koͤnnen. Derowegen wird ihm ein ieder
bedachtſamer Leſer die auf ſolche beſchriebene Laſter allemal gefolgten grauſa-
men Straffen hierinnen eben ſo wol/ als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer
Warnung und Schrecken dienen laſſen. Denn haͤtte niemand die Klippen
Scylla und Charybdis ausfuͤhrlich beſchrieben/ und die See-fahrenden vor der
Gefahr gewarniget/ ſo wuͤrden noch viel Schiffer daran ſcheitern/ und ſie an-
itzo niemand ſo kluͤglich zu meiden wiſſen. Ein ieder Ort hat ſeine Wunder-
wercke und ſeine Mißgeburten/ wie ſeine Tage und Naͤchte; Und wo Sonnen
ſind/ da giebt es auch Finſternuͤße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt
gleichſam als in einem Spiegel beſchauen/ die boͤſen meiden/ die guten anneh-
men/ und ſtets gedencken ſollen: daß wie alle/ auch die geringſten Laſter ihre ge-
wiſſe Straffen; alſo die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohmmgen zu ge-
warten haben. Denn beydes das Gute und auch das Boͤſe ſind gewiſſe Zah-
ler einem ieden/ wie Er es verdienet. Wer boͤſe geartet iſt/ wird gleichwol boͤſe
bleiben/ wenn er ſchon nicht den Arminius geleſen haben wird. Zu dem
koͤnte man wol fragen: was koͤnnen die Steine davor/ daß der/ ſo glaͤſern iſt/
ſich daran zerſtoͤſſet? Wer nicht wol verſetzen kan/ muß niemals fechten/ noch
ſich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man ſoll bey Leſung der Buͤ-
cher ein adeliches Hertz haben/ und mit Verachtung alles/ was weibiſch oder un-
edel iſt/ bey Seite ſetzen; hingegen ſeine Hand wie der unter des Licomedes
Jung-
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