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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] nene Stüle nach deutscher Art behalten. Die-
se Anstalt machte der Königin alsofort ein Nach-
dencken/ und nach dem sie eine Weile von des vo-
rigen Tages Gesprächen geredet/ des Feldherrn
Tugenden und Höfligkeit überaus heraus ge-
strichen/ und seinetwegen Thußneldens Glück-
seligkeit gepriesen hatte/ fragte sie Thußnelden:
Wie sie darzu käme/ daß sie ihr einen in diesen
Ländern so frembden Sitz zubereitet hätte?
Thußnelde antwortete: Sie stünde in denen Ge-
dancken/ daß die von Kind-an gewohnte väter-
liche Sitten zur Gemächligkeit am dienlichsten
wären. Wie/ sagte die Königin/ woher wissen
sie denn mein Vaterland? Thußnelde lächelte/
und fing an: Es hat mirs nicht allein die Spra-
che zum theil verrathen/ daß sie eine Morgenlän-
derin sey/ sondern mein Fürwitz/ oder/ wahrer
zu sagen/ meine zu ihr tragende Zuneigung ha-
ben bey mir eine ungemeine Sorgfalt erwecket/
mich nicht allein umb ihren Ursprung/ sondern
auch gantzen Zustand zu bekümmern. Von
dem erstern hätte sie etwas muthmaßliches/ von
dem letztern aber gar nichts ergründen können.
Die Königin bemühete sichdiese so geneigte Er-
klärung mit einer empfindlichen Dancksagung
zu beehren/ und zu vermelden: Sie könte nicht
umbstehen/ daß sie eine Morgenländerin wäre/
ihr Lebenslauff aber hätte so viel Bitterkeit an
sich/ daß auch dessen blosse Wissenschafft mitlei-
dentlichen Seelen schmertzhafte Empfindligkeit
zu erwecken mächtig wäre. Thußnelde bege-
gnete ihr: Sie hielte dafür/ daß wie etliche Früch-
te eine annehmliche Säuere/ also das Mitleiden
über dem Leiden der Tugend eine durchdringen-
de Anmuth habe. Und die erwähnten Unglücks-
Fälle wären eben ein gewisses Merckmal so wol
ihrer Tugenden/ welche in so kurtzer Zeit aller
Gemüther vn sich gezogen hätten/ als der hohen
Ankunft. Denn es hätte das Verhängnüß
entweder seine Lust/ oder ein den Leidenden zum
besten zielendes Absehen/ nichts weniger das
Glücke hoher Geblüts - Personen/ als
[Spaltenumbruch] den Glantz nur der zwey grossen/ nicht der klei-
ner Himmels-Lichter zu verfinstern. Dieses
Ungewitter treffe noch darzu öfter die Tugend-
als Lasterhaften; nicht anders/ als der Blitz mehr-
mals in Kirchen/ als Huren-Häuser/ die Schlos-
sen den Weitzen/ nicht das Unkraut niederschlü-
gen. Denen See-Räubern diente wohl eh eine
Steinklippe zur Windstille/ an der ein Heiliger
gescheitert hätte. Die Königin fing an innig-
lich zu seufzen: Ja/ sagte sie/ ich habe es/ leider/
allzusehr erfahren/ daß die Unschuld nicht selten
Ketten und Bande schleppen/ die Tugend auf
dem Blut-Gerüste vergehen müsse/ wenn die
Boßheit auf Rosen geht/ und ein Wüterich den
Königlichen Stul einnimmt. Ach! aber/ auf
was für Schwachheit verleitet mich meine Un-
gedult? Wer wider sein Unglück murret/ geust
in das/ was er gerne ausleschen sehe/ nur Oel.
Wer mit den Schickungen des Verhängnüsses
nicht zu frieden ist/ entfrembdet sich von den Göt-
tern/ suchet sich in sich selbst/ und verlieret sich dar-
über. Er schleppet die Kette seines Ungemachs
mit grosser Beschwerligkeit nach sich/ die er viel
leichter tragen könte. Jßmenen wurden hier-
über die Augen nichts minder/ als der Königin/
wäßricht/ und fing sie an: Es wäre wahr/ daß/
wer die Gedult in seinem Hertzen behielte/ wenn
ihn das Unglück gleich aller Güter beraubete/
dörfte sich über keinen Verlust beschweren. Sie
wäre das Oel/ welches alle Hertzens-Wunden
heilte/ und der köstliche Balsam/ welcher auch die
halbtodten wieder beseelte. Ja/ sagte Erato/
diese ohmächtige Tugend hat mich wider das
Ungeheuer der Verzweifelung kräftiger/ als
Perseus Andromeden für dem grausamen
Meer-Wunder vertheidiget; und da der Him-
mel selbst mich zu zermalmen gedräuet/ hat mir
die Hoffnung stets ein gut Hertze gemacht: Wenn
es das Ansehen gewonnen/ als wenn das Ver-
hängnüß mich nur deswegen nicht tödtete/ weil
es mein ängstiges Leben zu einem ärgern Ubel
aufhübe/ hat das Vertrauen auf die Göttliche

Weissa-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] nene Stuͤle nach deutſcher Art behalten. Die-
ſe Anſtalt machte der Koͤnigin alſofort ein Nach-
dencken/ und nach dem ſie eine Weile von des vo-
rigen Tages Geſpraͤchen geredet/ des Feldherrn
Tugenden und Hoͤfligkeit uͤberaus heraus ge-
ſtrichen/ und ſeinetwegen Thußneldens Gluͤck-
ſeligkeit geprieſen hatte/ fragte ſie Thußnelden:
Wie ſie darzu kaͤme/ daß ſie ihr einen in dieſen
Laͤndern ſo frembden Sitz zubereitet haͤtte?
Thußnelde antwortete: Sie ſtuͤnde in denen Ge-
dancken/ daß die von Kind-an gewohnte vaͤter-
liche Sitten zur Gemaͤchligkeit am dienlichſten
waͤren. Wie/ ſagte die Koͤnigin/ woher wiſſen
ſie denn mein Vaterland? Thußnelde laͤchelte/
und fing an: Es hat mirs nicht allein die Spra-
che zum theil verrathen/ daß ſie eine Morgenlaͤn-
derin ſey/ ſondern mein Fuͤrwitz/ oder/ wahrer
zu ſagen/ meine zu ihr tragende Zuneigung ha-
ben bey mir eine ungemeine Sorgfalt erwecket/
mich nicht allein umb ihren Urſprung/ ſondern
auch gantzen Zuſtand zu bekuͤmmern. Von
dem erſtern haͤtte ſie etwas muthmaßliches/ von
dem letztern aber gar nichts ergruͤnden koͤnnen.
Die Koͤnigin bemuͤhete ſichdieſe ſo geneigte Er-
klaͤrung mit einer empfindlichen Danckſagung
zu beehren/ und zu vermelden: Sie koͤnte nicht
umbſtehen/ daß ſie eine Morgenlaͤnderin waͤre/
ihr Lebenslauff aber haͤtte ſo viel Bitterkeit an
ſich/ daß auch deſſen bloſſe Wiſſenſchafft mitlei-
dentlichen Seelen ſchmertzhafte Empfindligkeit
zu erwecken maͤchtig waͤre. Thußnelde bege-
gnete ihr: Sie hielte dafuͤr/ daß wie etliche Fruͤch-
te eine annehmliche Saͤuere/ alſo das Mitleiden
uͤber dem Leiden der Tugend eine durchdringen-
de Anmuth habe. Und die erwaͤhnten Ungluͤcks-
Faͤlle waͤren eben ein gewiſſes Merckmal ſo wol
ihrer Tugenden/ welche in ſo kurtzer Zeit aller
Gemuͤther vn ſich gezogen haͤtten/ als der hohen
Ankunft. Denn es haͤtte das Verhaͤngnuͤß
entweder ſeine Luſt/ oder ein den Leidenden zum
beſten zielendes Abſehen/ nichts weniger das
Gluͤcke hoher Gebluͤts - Perſonen/ als
[Spaltenumbruch] den Glantz nur der zwey groſſen/ nicht der klei-
ner Himmels-Lichter zu verfinſtern. Dieſes
Ungewitter treffe noch darzu oͤfter die Tugend-
als Laſterhaften; nicht anders/ als der Blitz mehr-
mals in Kirchen/ als Huren-Haͤuſer/ die Schloſ-
ſen den Weitzen/ nicht das Unkraut niederſchluͤ-
gen. Denen See-Raͤubern diente wohl eh eine
Steinklippe zur Windſtille/ an der ein Heiliger
geſcheitert haͤtte. Die Koͤnigin fing an innig-
lich zu ſeufzen: Ja/ ſagte ſie/ ich habe es/ leider/
allzuſehr erfahren/ daß die Unſchuld nicht ſelten
Ketten und Bande ſchleppen/ die Tugend auf
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Boßheit auf Roſen geht/ und ein Wuͤterich den
Koͤniglichen Stul einnim̃t. Ach! aber/ auf
was fuͤr Schwachheit verleitet mich meine Un-
gedult? Wer wider ſein Ungluͤck murret/ geuſt
in das/ was er gerne ausleſchen ſehe/ nur Oel.
Wer mit den Schickungen des Verhaͤngnuͤſſes
nicht zu frieden iſt/ entfrembdet ſich von den Goͤt-
tern/ ſuchet ſich in ſich ſelbſt/ und verlieret ſich dar-
uͤber. Er ſchleppet die Kette ſeines Ungemachs
mit groſſer Beſchwerligkeit nach ſich/ die er viel
leichter tragen koͤnte. Jßmenen wurden hier-
uͤber die Augen nichts minder/ als der Koͤnigin/
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wer die Gedult in ſeinem Hertzen behielte/ wenn
ihn das Ungluͤck gleich aller Guͤter beraubete/
doͤrfte ſich uͤber keinen Verluſt beſchweren. Sie
waͤre das Oel/ welches alle Hertzens-Wunden
heilte/ und der koͤſtliche Balſam/ welcher auch die
halbtodten wieder beſeelte. Ja/ ſagte Erato/
dieſe ohmaͤchtige Tugend hat mich wider das
Ungeheuer der Verzweifelung kraͤftiger/ als
Perſeus Andromeden fuͤr dem grauſamen
Meer-Wunder vertheidiget; und da der Him-
mel ſelbſt mich zu zermalmen gedraͤuet/ hat mir
die Hoffnung ſtets ein gut Hertze gemacht: Wenn
es das Anſehen gewonnen/ als wenn das Ver-
haͤngnuͤß mich nur deswegen nicht toͤdtete/ weil
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[206/0258] Drittes Buch nene Stuͤle nach deutſcher Art behalten. Die- ſe Anſtalt machte der Koͤnigin alſofort ein Nach- dencken/ und nach dem ſie eine Weile von des vo- rigen Tages Geſpraͤchen geredet/ des Feldherrn Tugenden und Hoͤfligkeit uͤberaus heraus ge- ſtrichen/ und ſeinetwegen Thußneldens Gluͤck- ſeligkeit geprieſen hatte/ fragte ſie Thußnelden: Wie ſie darzu kaͤme/ daß ſie ihr einen in dieſen Laͤndern ſo frembden Sitz zubereitet haͤtte? Thußnelde antwortete: Sie ſtuͤnde in denen Ge- dancken/ daß die von Kind-an gewohnte vaͤter- liche Sitten zur Gemaͤchligkeit am dienlichſten waͤren. Wie/ ſagte die Koͤnigin/ woher wiſſen ſie denn mein Vaterland? Thußnelde laͤchelte/ und fing an: Es hat mirs nicht allein die Spra- che zum theil verrathen/ daß ſie eine Morgenlaͤn- derin ſey/ ſondern mein Fuͤrwitz/ oder/ wahrer zu ſagen/ meine zu ihr tragende Zuneigung ha- ben bey mir eine ungemeine Sorgfalt erwecket/ mich nicht allein umb ihren Urſprung/ ſondern auch gantzen Zuſtand zu bekuͤmmern. Von dem erſtern haͤtte ſie etwas muthmaßliches/ von dem letztern aber gar nichts ergruͤnden koͤnnen. Die Koͤnigin bemuͤhete ſichdieſe ſo geneigte Er- klaͤrung mit einer empfindlichen Danckſagung zu beehren/ und zu vermelden: Sie koͤnte nicht umbſtehen/ daß ſie eine Morgenlaͤnderin waͤre/ ihr Lebenslauff aber haͤtte ſo viel Bitterkeit an ſich/ daß auch deſſen bloſſe Wiſſenſchafft mitlei- dentlichen Seelen ſchmertzhafte Empfindligkeit zu erwecken maͤchtig waͤre. Thußnelde bege- gnete ihr: Sie hielte dafuͤr/ daß wie etliche Fruͤch- te eine annehmliche Saͤuere/ alſo das Mitleiden uͤber dem Leiden der Tugend eine durchdringen- de Anmuth habe. Und die erwaͤhnten Ungluͤcks- Faͤlle waͤren eben ein gewiſſes Merckmal ſo wol ihrer Tugenden/ welche in ſo kurtzer Zeit aller Gemuͤther vn ſich gezogen haͤtten/ als der hohen Ankunft. Denn es haͤtte das Verhaͤngnuͤß entweder ſeine Luſt/ oder ein den Leidenden zum beſten zielendes Abſehen/ nichts weniger das Gluͤcke hoher Gebluͤts - Perſonen/ als den Glantz nur der zwey groſſen/ nicht der klei- ner Himmels-Lichter zu verfinſtern. Dieſes Ungewitter treffe noch darzu oͤfter die Tugend- als Laſterhaften; nicht anders/ als der Blitz mehr- mals in Kirchen/ als Huren-Haͤuſer/ die Schloſ- ſen den Weitzen/ nicht das Unkraut niederſchluͤ- gen. Denen See-Raͤubern diente wohl eh eine Steinklippe zur Windſtille/ an der ein Heiliger geſcheitert haͤtte. Die Koͤnigin fing an innig- lich zu ſeufzen: Ja/ ſagte ſie/ ich habe es/ leider/ allzuſehr erfahren/ daß die Unſchuld nicht ſelten Ketten und Bande ſchleppen/ die Tugend auf dem Blut-Geruͤſte vergehen muͤſſe/ wenn die Boßheit auf Roſen geht/ und ein Wuͤterich den Koͤniglichen Stul einnim̃t. Ach! aber/ auf was fuͤr Schwachheit verleitet mich meine Un- gedult? Wer wider ſein Ungluͤck murret/ geuſt in das/ was er gerne ausleſchen ſehe/ nur Oel. Wer mit den Schickungen des Verhaͤngnuͤſſes nicht zu frieden iſt/ entfrembdet ſich von den Goͤt- tern/ ſuchet ſich in ſich ſelbſt/ und verlieret ſich dar- uͤber. Er ſchleppet die Kette ſeines Ungemachs mit groſſer Beſchwerligkeit nach ſich/ die er viel leichter tragen koͤnte. Jßmenen wurden hier- uͤber die Augen nichts minder/ als der Koͤnigin/ waͤßricht/ und fing ſie an: Es waͤre wahr/ daß/ wer die Gedult in ſeinem Hertzen behielte/ wenn ihn das Ungluͤck gleich aller Guͤter beraubete/ doͤrfte ſich uͤber keinen Verluſt beſchweren. Sie waͤre das Oel/ welches alle Hertzens-Wunden heilte/ und der koͤſtliche Balſam/ welcher auch die halbtodten wieder beſeelte. Ja/ ſagte Erato/ dieſe ohmaͤchtige Tugend hat mich wider das Ungeheuer der Verzweifelung kraͤftiger/ als Perſeus Andromeden fuͤr dem grauſamen Meer-Wunder vertheidiget; und da der Him- mel ſelbſt mich zu zermalmen gedraͤuet/ hat mir die Hoffnung ſtets ein gut Hertze gemacht: Wenn es das Anſehen gewonnen/ als wenn das Ver- haͤngnuͤß mich nur deswegen nicht toͤdtete/ weil es mein aͤngſtiges Leben zu einem aͤrgern Ubel aufhuͤbe/ hat das Vertrauen auf die Goͤttliche Weiſſa-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/258>, abgerufen am 22.11.2024.