Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vorbericht an den Leser. rer als die Sonne sey/ weil jene auch die Blinden/ diese aber sie nicht sehenkönnen. Und wäre zu wünschen: daß alle edle Menschen glauben lernten/ daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in den Tempel der Ehren kommen konte/ er muste denn zuvor durch den daneben gebauten Tempel der Tugend gehen; so würden sich vielleicht ihrer viel dem Glück zu Trotz aus iedem Stande lobwürdig erheben können; Allermassen wie der deutsche Homerus unser Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff- gotsche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch Verstand blühet/ und wer nur Verstand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel begabet wird. Wie denn dessen unser seliger Lohenstein selber ein Beyspiel abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach saget: daß die Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fürsten gesetzet hat. Was nun diese seine Arbeit anbelanget/ so wolle der hochgeneigte Leser Es ist zwar unser Uhrheber bey seinen Lebzeiten niemals gesonnen gewe- mer c 2
Vorbericht an den Leſer. rer als die Sonne ſey/ weil jene auch die Blinden/ dieſe aber ſie nicht ſehenkoͤnnen. Und waͤre zu wuͤnſchen: daß alle edle Menſchen glauben lernten/ daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in den Tempel der Ehren kommen konte/ er muſte denn zuvor durch den daneben gebauten Tempel der Tugend gehen; ſo wuͤrden ſich vielleicht ihrer viel dem Gluͤck zu Trotz aus iedem Stande lobwuͤrdig erheben koͤnnen; Allermaſſen wie der deutſche Homerus unſer Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff- gotſche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch Verſtand bluͤhet/ und wer nur Verſtand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel begabet wird. Wie denn deſſen unſer ſeliger Lohenſtein ſelber ein Beyſpiel abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach ſaget: daß die Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fuͤrſten geſetzet hat. Was nun dieſe ſeine Arbeit anbelanget/ ſo wolle der hochgeneigte Leſer Es iſt zwar unſer Uhrheber bey ſeinen Lebzeiten niemals geſonnen gewe- mer c 2
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht an den Leſer.</hi></fw><lb/> rer als die Sonne ſey/ weil jene auch die Blinden/ dieſe aber ſie nicht ſehen<lb/> koͤnnen. Und waͤre zu wuͤnſchen: daß alle edle Menſchen glauben lernten/<lb/> daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in<lb/> den Tempel der Ehren kommen konte/ er muſte denn zuvor durch den daneben<lb/> gebauten Tempel der Tugend gehen; ſo wuͤrden ſich vielleicht ihrer viel dem<lb/> Gluͤck zu Trotz aus iedem Stande lobwuͤrdig erheben koͤnnen; Allermaſſen wie<lb/> der deutſche Homerus unſer <hi rendition="#fr">Opitz</hi> von einem gelehrten Ritter Schaff-<lb/> gotſche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch<lb/> Verſtand bluͤhet/ und wer nur Verſtand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel<lb/> begabet wird. Wie denn deſſen unſer ſeliger <hi rendition="#fr">Lohenſtein</hi> ſelber ein Beyſpiel<lb/> abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach ſaget: daß die<lb/> Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fuͤrſten geſetzet hat.</p><lb/> <p>Was nun dieſe ſeine Arbeit anbelanget/ ſo wolle der hochgeneigte Leſer<lb/> ſolche nicht durchgehends vor ein bloſſes Getichte/ oder ſo genennten <hi rendition="#fr">Roman</hi><lb/> halten. Denn ob man zwar wol geſtehen muß: daß die Grich- und Roͤmi-<lb/> ſchen Geſchichtſchreiber nicht ſo viel wunderliche Zufaͤlle und weitlaͤufftige<lb/> Umſtaͤnde anfuͤhren; ſo wird man ſich doch diß nicht gantz befrembden laſſen/<lb/> ſondern dabey glauben: daß unſer Uhrheber viel des jenigen/ was Er nicht<lb/> bey den Geſchichtſchreibern gefunden/ theils aus ſeinen alken Muͤntzen/ theils<lb/> aus den Uberſchrifften und Gedaͤchtnuͤs-Maalen/ die er ihm inſonderheit hier-<lb/> innen uͤberaus wol zu Nutz zu machen gewuſt/ zuſammen geſucht/ ſolche gehoͤ-<lb/> riger Orten kluͤglich angewehret/ und alſo den Mangel damit hin und wieder<lb/> erſetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbſtaͤnde als er-<lb/> tichtet zu ſein ſcheinen; doch aber/ daß ſie nicht durchgehends vor bloſſes Fabel-<lb/> werck zu halten ſind/ entweder in der alten oder neuen Geſchichte ihre gewiſſe<lb/> Urſachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den alter-<lb/> thuͤmern und Geſchichten bewanderte Leſer leicht mercken/ die Raͤthſel aufloͤ-<lb/> ſen/ und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterſcheiden wiſſen wird.</p><lb/> <p>Es iſt zwar unſer Uhrheber bey ſeinen Lebzeiten niemals geſonnen gewe-<lb/> ſen/ dieſe Geſchichte durch den Druck ans Tagelicht zu ſtellen/ und ſich damit<lb/> den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht/ daß er ſeine Ar-<lb/> beit iemanden mißgegoͤnnet/ oder ſich iemals dergeſtalt in ſeine Gedancken ver-<lb/> liebt haͤtte: daß er andere neben ſich vor Kebsweiber gehalten; ſondern weil er<lb/> ſelbige/ wie alle ſeine Sachen/ niemals vor etwas geachtet/ was der Welt<lb/> mitzutheilen wuͤrdig ſey. Maſſen Er dieſes alles bloß zu obgemeldter vorneh-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mer</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0023]
Vorbericht an den Leſer.
rer als die Sonne ſey/ weil jene auch die Blinden/ dieſe aber ſie nicht ſehen
koͤnnen. Und waͤre zu wuͤnſchen: daß alle edle Menſchen glauben lernten/
daß es auch noch heute in der Welt/ wie weyland zu Rom/ gehe/ da niemand in
den Tempel der Ehren kommen konte/ er muſte denn zuvor durch den daneben
gebauten Tempel der Tugend gehen; ſo wuͤrden ſich vielleicht ihrer viel dem
Gluͤck zu Trotz aus iedem Stande lobwuͤrdig erheben koͤnnen; Allermaſſen wie
der deutſche Homerus unſer Opitz von einem gelehrten Ritter Schaff-
gotſche/ der einen artlichen Poeten abgegeben habe/ redet: der Stand durch
Verſtand bluͤhet/ und wer nur Verſtand hat/ auch mit Stande/ Gut und Adel
begabet wird. Wie denn deſſen unſer ſeliger Lohenſtein ſelber ein Beyſpiel
abgeben kan/ wie diß an Jhm wahr worden/ was Syrach ſaget: daß die
Weißheit Jhn zu Ehren gebracht/ und neben die Fuͤrſten geſetzet hat.
Was nun dieſe ſeine Arbeit anbelanget/ ſo wolle der hochgeneigte Leſer
ſolche nicht durchgehends vor ein bloſſes Getichte/ oder ſo genennten Roman
halten. Denn ob man zwar wol geſtehen muß: daß die Grich- und Roͤmi-
ſchen Geſchichtſchreiber nicht ſo viel wunderliche Zufaͤlle und weitlaͤufftige
Umſtaͤnde anfuͤhren; ſo wird man ſich doch diß nicht gantz befrembden laſſen/
ſondern dabey glauben: daß unſer Uhrheber viel des jenigen/ was Er nicht
bey den Geſchichtſchreibern gefunden/ theils aus ſeinen alken Muͤntzen/ theils
aus den Uberſchrifften und Gedaͤchtnuͤs-Maalen/ die er ihm inſonderheit hier-
innen uͤberaus wol zu Nutz zu machen gewuſt/ zuſammen geſucht/ ſolche gehoͤ-
riger Orten kluͤglich angewehret/ und alſo den Mangel damit hin und wieder
erſetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbſtaͤnde als er-
tichtet zu ſein ſcheinen; doch aber/ daß ſie nicht durchgehends vor bloſſes Fabel-
werck zu halten ſind/ entweder in der alten oder neuen Geſchichte ihre gewiſſe
Urſachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den alter-
thuͤmern und Geſchichten bewanderte Leſer leicht mercken/ die Raͤthſel aufloͤ-
ſen/ und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterſcheiden wiſſen wird.
Es iſt zwar unſer Uhrheber bey ſeinen Lebzeiten niemals geſonnen gewe-
ſen/ dieſe Geſchichte durch den Druck ans Tagelicht zu ſtellen/ und ſich damit
den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht/ daß er ſeine Ar-
beit iemanden mißgegoͤnnet/ oder ſich iemals dergeſtalt in ſeine Gedancken ver-
liebt haͤtte: daß er andere neben ſich vor Kebsweiber gehalten; ſondern weil er
ſelbige/ wie alle ſeine Sachen/ niemals vor etwas geachtet/ was der Welt
mitzutheilen wuͤrdig ſey. Maſſen Er dieſes alles bloß zu obgemeldter vorneh-
mer
c 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/23 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/23>, abgerufen am 16.02.2025. |